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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 09.02.2015

Magenkarzinom

Verfasst von: Nadine Schulte, Thomas Zander und Matthias Ebert
Karzinome des Magens gehören zusammen mit Karzinomen des ösophagogastralen Übergangs weltweit zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen. Mehr als 90 % der Tumoren des Magens sind Adenokarzinome, wobei histologisch diffuse und intestinale Typen unterschieden werden können. Das 5-Jahres-Überleben beträgt dabei über alle Stadien gemittelt ca. 30 %. Meistens sind zu Beginn der Erkrankung keine oder unspezifische Symptome vorhanden. Die Diagnose wird hauptsächlich endoskopisch gestellt. Therapieoptionen sind beim Magenfrühkarzinom die lokale endoskopische Resektion, beim lokal begrenzten Karzinom die chirurgische Resektion und bei lokal fortgeschrittenen Tumoren in Europa vor allem die perioperative Chemotherapie, seltener die präoperative Radiochemotherapie sowie die adjuvante Radiochemotherapie und in Ausnahmefällen die adjuvante Chemotherapie. Jedoch ergeben sich auch bei kurativ intendierter Operation in Stadien mit lokal fortgeschrittenen Tumoren häufig schlechte 5-Jahres-Überlebensraten. Im Rahmen der palliativen Chemotherapie sind in der Erstlinie 5-Fluorouracil und platinbasierte Regime etabliert.

Einleitung

Karzinome des Magens gehören zusammen mit Karzinomen des ösophagogastralen Übergangs weltweit zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen. Jährlich erkranken ca. 900.000 Menschen weltweit an einem Magenkarzinom. Mehr als 90 % der Tumoren des Magens sind Adenokarzinome, wobei histologisch diffuse und intestinale Typen unterschieden werden können. Das 5-Jahres-Überleben beträgt dabei über alle Stadien gemittelt ca. 30 %. Meistens sind zu Beginn der Erkrankung keine oder unspezifische Symptome vorhanden, die Diagnose wird daher erst spät gestellt. Jedoch ergeben sich auch bei kurativ intendierter Operation in Stadien mit lokal fortgeschrittenen Tumoren (Stadium II und III) häufig schlechte 5-Jahres-Überlebensraten.

Pathophysiologie

Risikofaktoren und protektive Faktoren

Die wichtigste Innovation im Bezug auf Risikofaktoren war die Entdeckung der Rolle von Helicobacter pylori bei Gastritis und Magenkarzinom. Seit 1994 ist das Bakterium durch die WHO als Klasse-I-Karzinogen anerkannt (de Martel und Franceschi 2009). Die EUROGAST-Studie fand dabei ein sechsfach erhöhtes Risiko bei infizierten Patienten im Vergleich zu nicht infizierten [The EUROGAST Study Group 1993]. Die Bedeutung der H.-pylori-Infektion ist besonders für die distalen Karzinome nachgewiesen, die zudem auch deutlich häufiger auftreten als Karzinome des gastroösophagealen Übergangs (Kamada et al. 2012).
Nach Infektion erfolgt eine chronische Gastritis mit Übergang zur Atrophie und intestinalen Metaplasie, danach entsteht das Magenkarzinom (Abb. 1). Aus epidemiologischen Daten konnte im Falle einer Atrophie mit intestinaler Metaplasie ein fünf- bis sechsfach erhöhtes Risiko, bei einer Pangastritis ein 15-fach erhöhtes Risiko und bei einer korpusdominanten Gastritis ein 34-fach erhöhtes Risiko gezeigt werden (Uemura et al. 2001).
Im Falle einer Infektion mit einem CagA(cytotoxin-associated antigen A)-positiven Stamm steigt das Risiko auf das 2,28- bis 2,87-Fache. Für diesen Virulenzfaktor konnte im Mausmodell gezeigt werden, dass CagA als Onkogen fungiert, das unabhängig von einer Gastritis zur Entstehung von Magenkarzinomen beiträgt (Ohnishi et al. 2008). Dies konnte in humanen Studien bisher nicht bestätigt werden.
Insgesamt sind damit 70 % der Nichtkardiakarzinome auf eine Infektion mit Helicobacter zurückzuführen (Correa 1992).
Weiterhin spielen Ernährungsgewohnheiten eine Rolle bei der Entstehung des Magenkarzinoms.
Tab. 1 gibt eine Auflistung von protektiven Faktoren und Risikofaktoren für die Entstehung des Magenkarzinoms.
Tab. 1
Risikofaktoren sowie protektive Faktoren für die Entwicklung eines Magenkarzinoms
Protektive Faktoren
– Vitamin-C-, Vitamin-E- und betakarotinreiche Kost
– Hoher Eiweißkonsum
– Nitratarmes Trinkwasser
– Selen
Risikofaktoren
– Nitrathaltiges Trinkwasser
– Pökelfleisch, rotes Fleisch
– Geräucherte Nahrungsmittel
– Vitaminarme Ernährung
– Kaffee
– Salzreiche Ernährung
– Nikotinkonsum (vor allem für Kardiakarzinome)
– Alter
– Niedriger Sozioökonomischer Status
– Alkoholkonsum
– Familiäre Belastung
– Vorausgegangene Magenoperation
– Perniziöse Anämie
– Leben in Hochrisikopopulation
– Übergewicht (nur für Karzinome des gastroösophagealen Übergangs, nicht für distale Karzinome)

Genetische Faktoren

Für Verwandte ersten Grades von Patienten mit Magenkarzinom ist das Risiko um das Zwei- bis Dreifache erhöht (Foschi et al. 2008). Ist mehr als ein Verwandter ersten Grades erkrankt, erhöht sich das Risiko auf das Zehnfache (Shin et al. 2010).
Für das sporadische Magenkarzinom sind eine Vielzahl an genetischen, epigenetischen und anderen molekularen Veränderungen beschrieben worden. Dabei zeigt sich ein wesentlicher Unterschied in der molekularen Biologie des Magenkarzinoms vom intestinalen versus diffusen Typ. Besonders erwähnt sollte in diesem Zusammenhang die Überexpression des epidermalen Wachstumfaktorrezeptors Her-2. Dieser Rezeptor wird an der Zelloberfläche von ca. 15 % der Magenkarzinome überexprimiert und hat Einfluss auf die Auswahl der Chemotherapie (Kap. Prinzipien der antineoplastischen Chemotherapie).
Weniger als 1 % der Magenkarzinome können dem hereditären diffusen Magenkarzinom zugeordnet werden, bei dem eine autosomal dominante Vererbung vorliegt. Bei frühem Erkrankungsalter, Vorliegen eines diffusen Magenkarzinoms und familiärer Häufung sollte daran gedacht werden. Es liegt dabei eine heterozygote inaktivierende Keimbahnmutation im Gen für E-Cadherin (CDH1) vor, das ein Adhäsionsmolekül epithelialer Zellen und ein Tumorsuppressorprotein darstellt. Das Lebenszeitrisiko für Patienten mit einer Mutation von CDH1 liegt bei 40–70 % für Männer und 60–80 % für Frauen (Oliveira et al. 2009).
Auch bei Patienten mit HNPCC („hereditary nonpolyposis colorectal cancer“) ist das Risiko für das Magenkarzinom deutlich erhöht.

Epidemiologie

Das Erkrankungsalter beim Magenkarzinom liegt meist über dem 65. Lebensjahr, Frauen erkranken später. Sowohl die Inzidenz als auch die Mortalität sind in den letzten Jahren rückläufig. In Deutschland liegt die Inzidenz für Männer auf dem fünften (Inzidenz 27,7/100.000 Einwohner/Jahr) und für Frauen auf dem sechsten (Inzidenz 19,6/100.000 Einwohner/Jahr) Platz. Die Mortalität liegt bei ca. 16/100.000. Bei einer angenommenen Bevölkerungszahl von 80 Millionen in Deutschland bedeutet dies, dass jährlich 18.290 Erkrankungen auftreten. Bezüglich der Mortalität steht es mit 6276 Sterbefällen bei den Männern an fünfter und mit 5197 Sterbefällen bei den Frauen an sechster Stelle.

Klinik

Im Rahmen der Anamneseerhebung lassen sich eine ungewollte Gewichtsabnahme und andauernde, meist epigastrische Schmerzen sowie Übelkeit, Dysphagie und Zeichen einer oberen gastrointestinalen Blutung als wichtigste Leitsymptome des Magenkarzinoms eruieren. Weiterhin treten gehäuft dyspeptische Beschwerden mit frühem Sättigungsgefühl und Inappetenz auf. Patienten berichten über eine Aversion gegen Fleisch. In der Frühphase zeigen sich jedoch häufig keine bis wenige Beschwerden. Zudem sind diese oft uncharakteristisch und führen dazu, dass diese Tumoren häufig erst spät erkannt werden.
Im klinischen Befund kann sich bei fortgeschrittener Tumorerkrankung eine tastbare Tumormasse zeigen. Weiterhin sind supraklavikulär vergrößerte Lymphknoten im Rahmen einer Metastasierung möglich. Eine peritoneale Tumorausbreitung kann bei Frauen mit vergrößerten Ovarien einhergehen, zudem kann Aszites als erstes Zeichen auftreten. In seltenen Fällen können Lebermetastasen tastbar sein.

Diagnostik

Primärdiagnostik

Die Diagnose wird hauptsächlich endoskopisch gestellt (Abb. 2). Eine Einzelbiopsie aus einer suspekten Läsion hat eine Sensitivität von 70 %. Bei einer Entnahme von sieben Biopsien aus dem Ulkusrand und Ulkusgrund steigt die Sensitivität auf 98 % (Graham et al. 1982). Bei großen Läsionen werden mehr als zehn Biopsien empfohlen (Moehler et al. 2011).

Staginguntersuchungen

Die Sonographie stellt nach der S3-Leitlinie das erste bildgebende Verfahren zur Beurteilung von Lebermetastasen dar. Die Sensitivität liegt zwischen 53 und 81 %, die Spezifität zwischen 59 und 98 % (Moehler et al. 2011). Neuere Ergebnisse zeigen, dass durch die kontrastverstärkte Sonographie eine höhere Sensitivität und Spezifität erreicht werden kann.
Die Endosonographie (Abb. 3) sollte Bestandteil des Stagings des Primärtumors bei Patienten mit kurativer Therapieoption zur Evaluation des T-Stadiums sein. Die Genauigkeit des T-Stagings liegt je nach Studie zwischen 65 und 92 %. Die Sensitivität und Spezifität im Bezug auf lokoregionäre Lymphknoten sind hingegen unbefriedigend.
Bei kurativem Therapieansatz sollte eine Computertomographie (CT) des Thorax und Abdomens mit intravenöser Kontrastmittelgabe und Distension des Magens zur Beurteilung des T-Stadiums durchgeführt werden. Die Schichtdicke sollte ≤3 mm betragen. Bezüglich des Lymphknotenbefalls ist auch durch das CT keine abschließende Information zu erzielen [van Overhagen]. Bei der Beurteilung von Fernmetastasen liegt die Sensitivität der Computertomographie bei insgesamt 70 %, die Spezifität bei 72 %. Aufgrund der hohen Sensitivität zur Detektion von pulmonalen Filiae wird ein Thorax-CT empfohlen.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) sollte Patienten vorbehalten sein, bei denen keine CT durchgeführt werden kann. Eine Knochenszintigraphie ist bei fehlender klinischer Symptomatik nicht indiziert. Bei lokal sehr ausgedehnten Tumoren vom intestinalen Typ und Unsicherheit bezüglich einer kurativen Therapieoption kann ein PET-CT diskutiert werden. Bei Karzinomen vom diffusen Typ und Siegelringkarzinomen hingegen ist das PET-CT häufig negativ und damit nicht sinnvoll.

Histopathologie

Die histopathologische Beurteilung erfolgt in Biopsien oder dem Resektat analog der Einteilung nach der WHO-Klassifikation, dem Grading sowie auch der Einteilung nach Lauren. Im Falle einer Resektion werden zusätzlich die Angabe der Lokalisation sowie die abschließende T- und N-Klassifikation (mit entnommener Lymphknotenanzahl) und eine Beschreibung der Resektionsränder gefordert.

Humaner epidermaler Wachstumsfaktor (HER2) und HER2/neu-Testung

Die Testung von HER2/neu gehört in der Palliation inzwischen zum Standard. In kurativer oder neoadjuvanter Situation wird dies gerade im Rahmen von Studien untersucht. Bei Magenkarzinomen findet sich eine Überexpression in 6–35 % der Fälle (Gravalos und Jimeno 2008). Im Rahmen der ToGA-Studie konnte gezeigt werden, dass der größte Nutzen nach Trastuzumab-Zugabe bei Patienten mit hoher HER2-Expression bestand (IHC 3+ oder IHC 2+ und FISH-positiv) (Bang et al. 2010).
Abb. 4 zeigt die empfohlene HER2/neu-Analyse beim Magenkarzinom. Bei immunhistochemisch zweifach positivem Befund schließt sich eine FISH-Analyse an. Ist diese positiv oder bei initial bereits dreifach positiver Immunhistochemie ist eine Therapie gegen HER2 zum Beispiel mit Trastuzumab möglich.

Differenzialdiagnostik

Ein benignes Ulkus kann unter Umständen schlecht von einem malignen abgegrenzt werden, sodass bei Malignomverdacht wiederholte Biopsien und ggf. eine Endosonographie erfolgen müssen. Bei fehlender Diagnosesicherung ist dann auch eine Vollwandresektion oder chirurgische Exploration notwendig.
Weiterhin können im Magen auch Magenlymphome auftreten. Diese sind teilweise mit intakter Oberfläche lediglich als eine submuköse Raumforderung endoskopisch darstellbar. Bei fortgeschrittenen Lymphomen können auch Ulzera und Blutungen auftreten. Die Biopsieentnahme ist obligat, gegebenenfalls kann eine weitere endosonographische Abklärung hilfreich sein.
Zudem können gastrointestinale Stromatumoren (GIST) als submuköse Raumforderungen eine Differenzialdiagnose des Magenkarzinoms darstellen.

Therapie

Therapieoptionen beim Magenfrühkarzinom: lokale endoskopische Resektion

Als Indikation für eine endoskopische Mukosaresektion (EMR, Abb. 5) sind hochgradig intraepitheliale Neoplasien sowie auf die Mukosa begrenzte und in speziellen Ausnahmefällen auch die Submukosa infiltrierende Karzinome zu nennen. Dies gilt nur für die Tumoren G1/2 mit intestinalem Wachstumsmuster sowie fehlender Lymph- und Gefäßinvasion, die nicht ulzeriert wachsen. Die Tumorgröße sollte unter 2 cm liegen.
Ein Problem bei der endoskopischen Therapie des Magenfrühkarzinoms stellt die Unsicherheit bei der Beurteilung der Tiefeninfiltration des Karzinoms dar. Bereits bei tiefer Mukosainfiltration (m3) ist eine Lymphknotenmetastasierung möglich, wobei keine endoskopische Resektion mehr erfolgen sollte.
Bei strikter Einhaltung der oben genannten Kriterien ist das Überleben ausgezeichnet (in Japan 99 %), bei eventuell erhöhter Rate an lokalen Rezidiven. Die endoskopische Resektion des Magenfrühkarzinoms sollte als En-bloc-Resektion erfolgen. Die lokale Rezidivrate nach Piecemeal-EMR liegt bei 10–15 %, während sie bei erfolgter endoskopischer Submukosadissektion bei <1 % liegt [Watanabe et al. 2006]. Auf das Gesamtüberleben schlägt sich dies jedoch aufgrund endoskopischer und chirurgischer Salvagetherapien nicht nieder.

Therapie bei lokal begrenzten Karzinomen: chirurgische Resektion

Bei allen lokal begrenzten Karzinomen ist die chirurgische Resektion Therapie der Wahl. Meist wird dabei eine totale Gastrektomie inklusive Omentum-majus/-minus-Resektion durchgeführt. Die Splenektomie ist heute nur noch in Ausnahmefällen, wie etwa bei Milzinfiltration oder Metastasen im Milzhilus, notwendig. Die am häufigsten durchgeführte Rekonstruktion erfolgt dabei nach Y-Roux ohne Pouch.
Eine subtotale Gastrektomie kommt infrage, wenn der Tumor im mittleren (intestinaler Typ) oder distalen (intestinaler und diffuser Typ) Drittel liegt und ein adäquater Sicherheitsabstand möglich ist. Beim intestinalen Typ beträgt dieser 5 cm, beim diffusen Typ 8 cm (Moehler et al. 2011). Eine proximale Gastrektomie (nach Merendino) kann im Ausnahmefall bei sehr kleinen proximalen Tumoren erfolgen. Die D2-Lymphknotendissektion ist der Standard.

Therapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren

Diesbezüglich werden verschiedene Optionen unterschieden, ein weltweiter Therapiestandard konnte bisher nicht etabliert werden. Vier unterschiedliche Vorgehensweisen wurden in der Vergangenheit untersucht. Zu unterscheiden ist eine perioperative Chemotherapie von einer präoperativen Radiochemotherapie sowie eine adjuvante Radiochemotherapie respektive adjuvante Chemotherapie.
Eine wichtige Studie im Bezug auf die perioperative Chemotherapie stellt die MAGIC-Studie dar. Dabei zeigte sich im Interventionsarm mit ECF (Epirubicin, Cisplatin und 5-Fluorouracil) ein besseres 5-Jahres-Überleben gegenüber der alleinigen Operation (36 vs. 23 %). Die perioperative Morbidität oder Mortalität im Interventionsarm waren nicht erhöht. Ähnliche Ergebnisse konnten in weiteren Studien gezeigt werden. Anhand der Datenlage wurde diese multimodale Therapie daher an vielen Zentren in Europa als Therapiestandard festgelegt. So ist der aktuellen S3-Leitlinie zu entnehmen, dass „beim lokalisierten Magenkarzinom der Kategorie uT2 eine präoperative Chemotherapie mit anschließender postoperativer Therapie durchgeführt werden kann, beim Stadium uT3 und resektablem uT4 erfolgen soll/sollte“ (Moehler et al. 2011).
Durch modernere taxanhaltige Therapieschemata kann die Rate der pathologischen kompletten Remissionen weiter erhöht werden. Tabelle 2 zeigt eine Zusammenfassung der Studien zur perioperativen Therapie beim Magenkarzinom. Die blau hinterlegten Felder zeigen die signifikanten Ergebnisse.
Tab. 2
Studien zur perioperativen Therapie beim Magenkarzinom
 
MAGIC
FNLCC
MRC
EORTC
n = 503
n = 224
n = 802
n = 114
Operation erfolgt
92 vs. 96 %
96 vs. 99 %
96 vs. 96 %
96 vs. 94 %
R0-Resektion
69 vs. 66 % (n.s.)
87 vs. 74 %
60 vs. 54 %
82 vs. 67 %
Mortalität postoperativ
Identisch
Identisch
Identisch
4,3 vs. 1,5 %
Verbesserung OS (HR)
5JÜ + 13 %, HR 0,75
5JÜ + 14 %, HR 0,69
5JÜ + 5,9 %, HR 0,84
n.s. HR 0,84
EORTC European Organisation for Research and Treatment of Cancer, FNLCC Fédération nationale des Centres de lutte contre le cancer, HR hazard ratio, 5JÜ 5-Jahres-Überleben, MAGIC Medical Research Council Adjuvant Gastric Infusional Chemotherapy, MRC Medical Research Council, OS overall survival
Bezüglich präoperativer Radiochemotherapie sind die Studiendaten nur mit Einschränkung beurteilbar, da keine klare Differenzierung zwischen vormals AEG-Tumoren (AEG = Adenokarzinom des ösophagogastralen Überganges) und Plattenepithelkarzinomen oder den Adenokarzinomen des oberen Ösophagus stattfand.
In einer Metaanalyse konnte für die präoperative Radiochemotherapie ein signifikanter Überlebensvorteil im 2-Jahres-Überleben für die Interventionsgruppe von 13 % dargestellt werden. Für Plattenepithelkarzinome gibt es eine klare Evidenz zur präoperativen Radiochemotherapie.
Für Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs stellen die neoadjuvante Chemotherapie und die kombinierte Radiochemotherapie alternative Optionen dar. Auch in der S3-Leitlinie schlägt sich das in einer „soll/sollte“ Empfehlung nieder. Beim Magenkarzinom hingegen gibt es für die präoperative Radiochemotherapie kaum Evidenz.
Im Bezug auf die adjuvante Radiochemotherapie konnte ein signifikanter Nutzen im Vergleich zur Chirurgie allein gezeigt werden. In Deutschland ist die adjuvante Radiochemotherapie kaum von Bedeutung. Die S3-Leitlinie äußert sich diesbezüglich folgendermaßen: „Bei einer Lymphadenektomie <D2 oder in begründeten Risikosituationen kann eine adjuvante Radiochemotherapie bei nicht neoadjuvant behandelten Patienten nach interdisziplinärer Entscheidung im Tumorboard durchgeführt werden“ (Moehler et al. 2011).
Eine adjuvante Chemotherapie beim Magenkarzinom wird in der S3-Leitlinie nicht empfohlen.
Ein Problem dabei ist, dass die alleinige adjuvante Therapie aufgrund des postoperativ reduzierten Allgemeinzustandes viel seltener durchgeführt werden kann. Weiterhin ist anzumerken, dass der Nutzen einer perioperativen Therapie durch Einzelstudien besser belegt ist. Es fehlen jedoch „Head-to-Head“-Studien, die dies einwandfrei belegen. Als Sondervotum ist der S3-Leitlinie zu entnehmen, dass bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom und ohne neoadjuvante Therapie eine adjuvante Therapie erwogen werden kann. Welche Art von adjuvanter Therapie dabei sinnvoll ist, konnte noch nicht abschließend geklärt werden.

Therapieoptionen in der metastasierten Situation

Im Rahmen der palliativen Chemotherapie sind in der Erstlinie 5-Fluorouracil und platinbasierte Regime etabliert. Dabei besteht kein Wirkunterschied zwischen Cisplatin und Oxaliplatin. Der Trend geht daher zu einer Applikation von besser verträglichen Regimen. Durch Zusatz von Docetaxel konnte ein zusätzlicher Nutzen gezeigt werden. Ein häufig verwendetes Regime ist inzwischen eine Therapie mit FLOT (Oxaliplatin, Docetaxel, Folinsäure, 5-Fluorouracil) (Al-Batran 2010). Des Weiteren wird standardmäßig der HER2neu-Status bestimmt und im Falle einer Überexpression zusätzlich Trastuzumab appliziert (Bang et al. 2010). In der Zweitlinie haben sowohl Irinotecan als auch Docetaxel ihren Stellenwert (Moehler et al. 2011). Mit Ramucirumab wurde aktuell ein zusätzlicher Antikörper gegen VEGFR-2 in der Zweitlinie beim Magenkarzinom zugelassen. Das mediane Überleben im metastasierten Stadium ohne Chemotherapie beträgt 3–5 Monate. Verschiedene Studien zeigten eine Verbesserung des Gesamtüberlebens auf 7–10 Monate mit Chemotherapie. In Abhängigkeit des Allgemeinzustandes und im Gespräch mit dem Patienten muss jedoch auch die Möglichkeit einer Therapie nach „best supportive care“ erwogen werden.
Bei Vorliegen einer synchronen und limitierten Peritonealkarzinose liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei etwa 6 Monaten. Aktuell wird eine HIPEC (hypertherme intraperitoneale Chemotherapie) nicht außerhalb von Studien empfohlen. Im Rahmen einer Studie konnte jedoch in einer Subgruppe nach kompletter chirurgischer Zytoreduktion und HIPEC eine 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 30 % erreicht werden. Sinnvoll ist die Erhebung des Peritonealkarzinoseindex, wobei die Läsionsgröße (0–3) als auch die Verteilung über 13 festgelegte abdominopelvine Regionen einfließt. Dabei erhält man Werte von 0 bis maximal 39. Vor allem Patienten mit einem Peritonealkarzinoseindex <10 und einer kompletten Peritonektomie profitieren von einer HIPEC (Moehler et al. 2011).
Im Bezug auf Leberchirurgie bei hepatischen Metastasen liegen ebenfalls nur limitierte Daten vor. Bei multipler Metastasierung ist eine chirurgische Resektion nicht sinnvoll. Beim Vorliegen von einer solitären Lebermetastase kann bei sehr selektiertem Patientenkollektiv in Studien eine Operation mit dem Potenzial des Langzeitüberlebens sinnvoll sein. Grundvoraussetzung dafür ist das Fehlen von extrahepatischen Metastasen und die mögliche komplette Resektion sowohl der Metastase als auch des Primarius. So konnte in einer Fallserie von Thelen bei solitären Lebermetastasen ohne extrahepatische Manifestation nach Resektion 1- und 5-Jahres-Überlebensraten von 80 % respektive 40 % gezeigt werden (Thelen et al. 2008).

Verlauf und Prognose

Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen nach Datenlage im Stadium I bei ca. 80 %, im Stadium II bei ca. 60 %, im Stadium III bei 30 % und im Stadium IV bei <5 % (Tab. 3). Patienten im Stadium uT1, N-, M0 haben eine sehr gute Prognose. Meist wird das Magenkarzinom jedoch erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Ca. 70 % der Patienten befinden sich in einem Stadium > II nach UICC. Nach kurativer Operation liegt die Zahl lokoregionärer Rezidive oder metachroner Metastasierung bei ca. 60 %, die 5-Jahres-Überlebensrate ist mit 25 % (Khamly et al. 2006) sehr ungünstig, wobei vor allem der Lymphknotenstatus prognostisch bedeutend ist.
Tab. 3
Überlebenswahrscheinlichkeit abhängig vom Stadium nach UICC (nach Wilke et al. 2006)
Stadium
Häufigkeit
Überleben
5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit
I
10 %
70–80 %
II
20 %
40–50 Monate
40–50 %
III A
40 %
20–30 Monate
30–40 %
III B
15 Monate
20 %
IV
30 %
8–10 Monate
<5 %
Literatur
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