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Die Intensivmedizin
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Publiziert am: 20.01.2023

Thrombose in der Intensivmedizin

Verfasst von: Bruno Geier
Die tiefe Venenthrombose (TVT) ist der häufigste Notfall in der Gefäßmedizin. Bei Intensivpatienten ist aufgrund der speziellen Situation von einem noch höheren Risiko für eine TVT auszugehen als in der Normalbevölkerung, sodass hier die Thromboseprophylaxe eine wichtige Rolle spielt. Die Diagnose einer TVT stützt sich auch im Rahmen der Intensivtherapie hauptsächlich auf die Ultraschalluntersuchung, aber auch Schnittbildverfahren (CT, MRT) werden eingesetzt. Die Therapie einer TVT erfolgt in den meisten Fällen konservativ durch therapeutische Antikoagulation, wobei auf der Intensivstation in der Regel unfraktioniertes Heparin oder niedermolekulare Heparine zum Einsatz kommen. In ausgesuchten Fällen kann eine aktiv rekanalisierende Therapie mittels Lyse oder Thrombektomie indiziert sein. Bei Vorliegen einer TVT-Sonderform (katheterassoziierte Thrombose, Armvenenthrombose, Thrombose in der Schwangerschaft) muss eine entsprechend individuell angepasste Therapie erfolgen.

Inzidenz

Die tiefe Venenthrombose (TVT) ist mit einer jährlichen Inzidenz von 50–100 Fällen auf 100.000 Personen in der Gesamtbevölkerung (Kakkos et al. 2021) einer der häufigsten gefäßmedizinischen Notfälle. Risikofaktoren für eine TVT können unter der Virchow’schen Trias zusammengefasst werden, bestehend aus Stase, Alteration der Venenwand und Veränderung der Blutzusammensetzung, und können angeboren oder erworben sein (Tab. 1). Im Rahmen der Intensivtherapie kommen zu den allgemeinen Risikofaktoren noch spezifische hinzu, wie z. B. Sepsis, zentralvenöse Katheter, Gebrauch von Vasopressoren, mechanische Beatmung etc. (Tab. 1). Dadurch kann während des Aufenthaltes auf einer Intensivstation von einem höheren Risiko für eine TVT im Vergleich zur Normalbevölkerung ausgegangen werden, hier werden Inzidenzen von 3–10 % genannt, wobei die Inzidenz in westlichen Ländern höher zu sein scheint als in Asien (Minet et al. 2015). Die Lungenembolie (LE) als potenziell gefährliche Komplikation einer TVT wurde im Rahmen von Autopsiestudien bei 7–27 % intensivpflichtiger Patienten nachgewiesen, von diesen wies nur ca. ein Drittel entsprechende klinische Befunde auf (McLeod und Geerts 2011).
Tab. 1
Allgemeine und spezifische Risikofaktoren (RF) für die Entstehung einer tiefen Venenthrombose (TVT)
Allgemeine RF für TVT
Intensiv-spezifische RF für TVT
Alter
Sepsis
Maligne Erkrankung in Anamnese
Herz- oder Lungenversagen
TVT in der Anamnese
Künstliche Beatmung
Zentrale Venenkatheter
Immobilisation
Vasopressoren-Gabe
Schwangerschaft
Trauma
Pharmakologische Sedierung
 
Koagulopathien
 

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Außerhalb der Intensivstation ist die klinische Untersuchung und Anamnese des Patienten der erste und wichtigste Schritt in der Diagnostik einer TVT. Basierend darauf kann mithilfe von Scores die klinische Wahrscheinlichkeit für eine TVT eingeschätzt werden, hier ist der Wells-Score das am häufigsten verwendete Tool (Tab. 2) (Wells et al. 1997). Ausgehend von der klinischen Wahrscheinlichkeit kann dann das weitere diagnostische Vorgehen gewählt werden (Abb. 1). Auf der Intensivstation ist, je nach Zustand des Patienten, die Aussagekraft der Klinik geringer einzuschätzen, da sowohl die Untersuchung wie auch die Anamnese erschwert bis unmöglich sein können, z. B. durch periphere Flüssigkeitseinlagerungen, bei beatmeten Patienten etc. Insofern liegt hier der Fokus auf den bildgebenden Verfahren.
Tab. 2
Einschätzung der TVT-Wahrscheinlichkeit anhand des Wells-Scores
Klinisches Merkmal
Score
Aktive Krebserkrankung
1
Lähmung oder kürzliche Immobilisation
1
Bettruhe >3 Tage, größere Operation <12 Wochen
1
Schmerzen/Verhärtung entlang der tiefen Venen
1
Schwellung des gesamten Beines
1
Unterschenkelschwellung >3 cm zur Gegenseite
1
Eindrückbares Ödem am betroffenen Bein
1
Kollateralvenen
1
Frühere TVT
1
Andere Diagnose mindestens so wahrscheinlich wie TVT
−2
Score ≥2: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch
Score ≤2: Wahrscheinlichkeit für TVT niedrig

D-Dimere

D-Dimere sind Fibrinabbauprodukte und entstehen somit bei vermehrter Gerinnungsaktivität, also auch bei einer TVT. Erhöhte D-Dimer-Werte weisen eine hohe Sensitivität von 95 % für das Vorliegen einer TVT auf, allerdings nur eine geringe Spezifität von 35–55 % (Kakkos et al. 2021), da eine ganze Reihe anderer Ursachen das Testergebnis verfälschen können. Insbesondere können auch Krankheitsbilder, die häufig bei intensivpflichtigen Patienten zu finden sind (z. B. Vorhofflimmern, akutes Koronarsyndrom, Hirninfarkt, disseminierte intravaskuläre Koagulopathie, Nierenversagen, gastrointestinale Blutungen, Infektionen) zu einer Erhöhung der D-Dimer-Werte im Labor führen, sodass im Kontext einer Intensivtherapie die Aussagekraft der D-Dimer-Erhöhung als noch geringer einzuschätzen ist und daher nicht als diagnostischer Test für das Vorliegen einer TVT verwendet werden sollte (Sathe und Patwa 2014).
Der Wert der D-Dimer-Bestimmung liegt vielmehr außerhalb der Intensivstation in der Kombination mit der Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit: eine niedrige klinische Wahrscheinlichkeit nach dem Wells-Score in Kombination mit negativen D-Dimer-Werten schließt eine TVT mit ausreichender Sicherheit aus, sodass auf weitere diagnostische Untersuchungen verzichtet werden kann (Abb. 1).

Ultraschall

Die Sonografie hat sich in den letzten Jahrzehnten als Goldstandard in der Diagnostik der TVT etabliert und die Phlebografie bis auf wenige Ausnahmen abgelöst. Eine Ultraschalluntersuchung ist nichtinvasiv, einfach durchzuführen, kostengünstig und beliebig oft wiederholbar. Sie sollte zur Diagnostik einer TVT als Kompressionssonografie im Querschnitt erfolgen und die V. femoralis, die V. poplitea und die Unterschenkelvenen inklusive der Muskelvenen erfassen (Valentin et al. 2016). Dabei sind fehlende Kompression, echoarme oder echoreiche Strukturen im Gefäßlumen sowie auch ein vergrößerter Durchmesser im Vergleich zur benachbarten Arterie als Hinweise auf eine TVT zu deuten (Valentin et al. 2016). Mit der Duplex-Sonografie können zusätzlich Flussphänomene in den Venen dargestellt werden, dabei weist ein fehlender Fluss auf eine TVT hin, eine regelrechte Atemmodulation des venösen Flusses in der V. femoralis deutet auf eine freie Durchgängigkeit der Beckenvenen.
Patienten mit klinischen Zeichen einer TVT und zwei konsekutiven negativen Duplex-Sonografien innerhalb einer Woche haben ein Risiko von unter 1 %, eine TVT zu entwickeln (Gibson et al. 2009). Auch bei Intensivpatienten konnte mithilfe einer von Intensivärzten am Patientenbett durchgeführten Duplex-Ultraschall-Untersuchung eine TVT mit 85%iger Sensitivität und 96%iger Spezifität korrekt diagnostiziert werden (Kory et al. 2011).

CT und MRT

Schnittbildgebung mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) wird in der Regel zur Beurteilung der Beckenvenen und/oder der V. cava eingesetzt, da hier aufgrund von Darmgasüberlagerung und bei adipösen Patienten der Duplex-Sonografie Grenzen gesetzt sind (Abb. 2). Zudem hat sich das Pulmonalis-Angio-CT als Goldstandard in der Diagnostik einer LE etabliert und die Ventilations-/Perfusionsszintigrafie sowie die Pulmonalis-Angiografie ersetzt (Kakkos et al. 2021). Somit können im Rahmen einer einzigen CT-Untersuchung die Beckenvenen und die V. cava im Hinblick auf eine TVT beurteilt sowie eine LE diagnostiziert oder ausgeschlossen werden. Zusätzlich kann im CT die Funktion des rechten Ventrikels beurteilt und somit eine Aussage über den Schweregrad einer eventuellen LE getroffen werden, da hier die CT-Befunde sehr gut mit der Echokardiografie korrelieren (Park et al. 2012).
Auf der anderen Seite ist der Transport eines intensivpflichtigen Patienten ins CT mit Risiken und logistischem Aufwand verbunden, zusätzlich muss eine Verschlechterung der Nierenfunktion durch die Kontrastmittelgabe in Betracht gezogen werden. Insofern ist bei jedem Patienten individuell zu entscheiden, ob der Erkenntnisgewinn eines venösen Angio-CT das Risiko rechtfertigt bzw. ob sich dadurch therapeutische Konsequenzen ergeben.

Therapie

Thromboseprophylaxe

Kritisch kranke Patienten auf der Intensivstation weisen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein erhöhtes Risiko für eine TVT auf (siehe Abschn. 1), daher sollte bei allen Patienten eine Thromboseprophylaxe durgeführt werden (Kearon et al. 2012). Neben den Basismaßnahmen (Frühmobilisation, Kompressionsstrümpfe, intermittierende pneumatische Kompression) steht hier vor allem die medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem (NMH) oder unfraktioniertem Heparin (UFH) im Vordergrund. Orale Antikoagulanzien spielen aufgrund der unsicheren enteralen Aufnahme bei Intensivpatienten in der Regel keine Rolle. Die Wirksamkeit von NMH und UFH war in einer großen, randomisierten Studie vergleichbar, auch die Blutungskomplikationen waren ähnlich (Cook et al. 2011). Als Dosierung sollte – bei normalem Blutungsrisiko – bei den NMHs die höchste zur Prophylaxe zugelassene Dosis gewählt werden, beim UF sollte eine Verlängerung der aPTT auf das 1,5-Fache angestrebt werden.
Bei niereninsuffizienten Patienten kann es zu einer Kumulation der NMH kommen, sodass hier ggf. ein Monitoring der Gerinnungsaktivität durch Bestimmung des Anti-Faktor-Xa-Gehaltes im Blut indiziert ist (Minet et al. 2015). Dabei werden Zielwerte von 0,2–0,4 IE/ml für die Thromboseprophylaxe und von 0,4–1,0 IE/ml für die therapeutische Dosierung angestrebt. Bei generalisierten peripheren Ödemen, Zentralisation und Vasopressoren-Gabe wiederum konnten erniedrigte Levels von Anti-Faktor-Xa im Blut nachgewiesen werden, was dann zu einer erniedrigten Wirkung von NMH führen kann und damit zu einer weniger effektiven Thromboseprophylaxe (Minet et al. 2015). In diesen Fällen erscheint die Gabe von UFH sinnvoller.
Auch bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko ist die Gabe von UFH angebracht, in diesen Fällen sollte eine Dosierung von 50–100 IE/h gewählt werden. Für den Einsatz von UFH in solchen Situationen sprechen die kürzere Halbwertszeit, die bessere Steuerbarkeit durch einfaches Monitoring sowie die Möglichkeit der Antagonisierung durch Protamin.
Bei Patienten mit dem Risiko einer lebensbedrohlichen Blutung bei Gabe eines Antikoagulans (z. B. frische intrazerebrale Blutung, Thrombozytopenie <10.000/μl) muss gegebenenfalls auf eine medikamentöse Thromboseprophylaxe verzichtet werden, in diesen Fällen sollte nach Möglichkeit die intermittierende pneumatische Kompression zur Thromboseprophylaxe durchgeführt werden (Minet et al. 2015).
Bei Vorliegen einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) können zur Thromboseprophylaxe Danaparoid-Natrium (Orgaran®), Argatroban (Argatra®), Fondaparinux (Arixtra®) oder das Hirudin-Analogon Bivalirudin (Angiox®) eingesetzt werden.

Konservative Therapie einer TVT

Die überwiegende Mehrzahl der TVTs kann konservativ behandelt werden. Die Ziele der Therapie sind in der Akutsituation die Verhinderung einer Thrombuszunahme sowie die Verhinderung einer LE, im Langzeitverlauf soll eine möglichst vollständige Rekanalisation der betroffenen Venenabschnitte erreicht und damit die Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms (PTS) verhindert werden. Die beiden Säulen der konservativen Therapie sind die externe Kompression der betroffenen Extremität sowie die therapeutische Antikoagulation.
Eine früher propagierte Immobilisation der Patienten ist nicht notwendig, auch nicht im Falle von Thrombosen mit Beteiligung der Beckenvenen oder mit flottierenden Thromben. Es konnte gezeigt werden, dass auch in diesen Fällen – bei zeitgerechtem Beginn der Antikoagulation – durch die Mobilisation der Patienten die Rate an Lungenembolien nicht zunimmt, vielmehr konnte häufig eine raschere Abnahme der Symptome erreicht werden (Hach-Wunderle et al. 2016; Liu et al. 2015).

Kompression

Die Kompressionstherapie führt in der Frühphase der TVT zu einer Reduktion des Ödems und der Schmerzen (Hach-Wunderle et al. 2016; Rabe et al. 2018), zusätzlich verbessert sich durch Verringerung des Venenquerschnitts der venöse Rückfluss aus der betroffenen Extremität. Im Langzeitverlauf konnte durch die Kompressionstherapie eine Verringerung des PTS nachgewiesen werden (Amin et al. 2018). Die Kompression erfolgt im Akutstadium der TVT in der Regel durch elastische Wickelung, nach Abschwellen der Extremität können dann entsprechende Kompressionsstrümpfe ausgemessen und angepasst werden.
Im Rahmen der Therapie einer TVT sollte die Kompression immer in Verbindung mit einer therapeutischen Antikoagulation angewendet werden.

Antikoagulation

Die therapeutische Antikoagulation wird außerhalb der Intensivstation in der Regel als orale Medikation durchgeführt, wobei in der letzten Zeit die direkten oralen Antikoagulanzien(DOAK) zunehmend die Vitamin-K-Antagonisten ersetzt haben. Gründe liegen in der einfacheren Anwendung durch eine feste Dosierung und Wegfall der Gerinnungskontrollen, auch kann zumindest bei zwei der DOAK (Rivaroxaban und Apixaban) direkt mit der oralen Gabe begonnen und auf eine initiale Heparingabe verzichtet werden.
Genau wie bei der Thromboseprophylaxe spielt bei kritisch kranken Patienten aufgrund der unsicheren enteralen Resorption die orale Antikoagulation in der Regel keine Rolle. Zur therapeutischen Antikoagulation werden auf der Intensivstation UFH oder NMH eingesetzt, jeweils in der therapeutischen Dosierung (siehe Tab. 3). Die Vorteile des UFH liegen in der besseren Überwachung und Steuerbarkeit durch Bestimmung der aPTT, der Möglichkeit der Antagonisierung durch Protamin sowie in der besseren Wirksamkeit der i.v.-Gabe in bestimmten Situationen (siehe auch Abschn. 3.1 Thromboseprohylaxe). Nachteil ist die höhere Rate an HIT im Vergleich zu NMH.
Tab. 3
Übersicht über die wichtigsten zur Thrombosetherapie auf der Intensivstation eingesetzten Antikoagulanzien. Nach (Hach-Wunderle et al. 2016)
Wirkstoff
Präparat
Dosierung
NM-Heparine
 
Dosierung s.c.
Certoparin
Mono-Embolex 8000 IE
8000 IE 2 × tgl.
Dalteparin
Fragmin
200 IE/kg KG 2 × tgl.
Enoxaparin
z. B. Clexane
1,0 mg/kg KG 2 × tgl.
Nadroparin
z. B. Fraxiparin
gewichtsadaptiert
  
0,2–0,9 ml 2 × tgl.
Tinzaparin
Innohep
175 IE/kg KG 1 × tgl.
Pentasaccharide
 
Dosierung s.c.
Fondaparinux
Arixtra
KG <50 kg: 5 mg 1 × tgl.
  
KG 50 kg–100 kg:
  
7,5 mg 1 × tgl.
  
KG >100 kg: 10 mg 1 × tgl.
UF-Heparin
 
Dosierung i. v.
Heparin-Natrium
 
5000 IE i. v. als Bolus, dann
Heparin-Calcium
 
1000 IE/h kontinuierlich
Thrombininhibitoren
 
Dosierung i. v.
Argatroban
z. B. Argatra
2 μg/kg KG/min
Heparinoide
 
Dosierung i. v.
Danaparoid
Orgaran
1500–3750 IE als Bolus,
  
dann 400 IE/h über 4 h,
  
dann 150–200 IE/h
Im Falle einer HIT stehen die gleichen Substanzen zur Verfügung, wie sie zur Thromboseprophylaxe eingesetzt werden, dann in entsprechender therapeutischer Dosierung.
Tab. 3 gibt einen Überblick über die zur Antikoagulation verwendeten Substanzen.
Im Falle einer Blutung muss die Antikoagulation pausiert und – je nach Stärke der Blutung – zusätzlich antagonisiert werden (Tab. 4).
Tab. 4
Vorgehen bei Blutungen unter Antikoagulation
Blutung
Konsequenz
Lebensbedrohlich
- Stopp der Antikoagulation
 
- Antagonisierung der antikoagulatorischen Wirkung
 
- Nach Sistieren der Blutung Wiederaufnahme der Antikoagulation in niedriger Dosierung
Hb-wirksam,
- Stopp der Antikoagulation
aber nicht bedrohlich
- Nach Sistieren der Blutung Wiederaufnahme der Antikoagulation in niedriger Dosierung
Nicht HB-wirksam
(Petechien, Hämatome)
- Reduktion der Antikoagulanziendosierung

Aktiv rekanalisierende Therapie

Das Ziel der aktiv rekanalisierenden Therapie einer TVT ist die zeitnahe möglichst vollständige Entfernung des thrombotischen Materials aus den betroffenen Venen. Die Rationale hinter dieser Therapie ist, dass eine rasche und komplette Wiedereröffnung der Venen nicht nur die akuten Symptome wie Schmerzen oder Schwellung beseitigen kann, sondern auch im Langzeitverlauf ein PTS verhindert. Die Rate an Lungenembolien ist unter einer aktiv rekanalisierenden und einer konservativen Therapie gleich.
Eine Sonderindikation für eine aktive Rekanalisation stellt die Phlegmasia coerulea dolens dar. Dabei handelt es sich um eine sehr selten auftretende ausgedehnte Form einer TVT mit Verschluss aller venösen Abflüsse der betroffenen Extremität. Durch das Ansteigen des venösen Druckes kommt es zu arterieller Minderperfusion und Gewebeuntergang, in diesen Fällen ist eine sofortige venöse Thrombektomie indiziert (Mühlberger et al. 2020).
Die aktive Rekanalisation kann durch Lyse, interventionelle oder offene Thrombektomie erfolgen oder durch eine Kombination dieser Verfahren (z. B. offene Thrombektomie in Kombination mit peripherer Lyse (Mumme und Hummel 2013).
Die Lysetherapie erfolgt kathetergesteuert lokal, eine systemische Lyse ist aufgrund der erhöhten Blutungsneigung obsolet. Als Lytika werden rekombinanter Tissue plasminogen activator (rTPA) oder Urokinase eingesetzt, auch eine ultraschallassistierte Lysetherapie wird angewendet (Kakkos et al. 2021).
Bei der interventionellen venösen Thrombektomie wird das thrombotische Material durch entsprechende Katheter fragmentiert und dann abgesaugt (Kakkos et al. 2021).
Die offene chirurgische Therapie erfolgt über einen Leistenschnitt, die iliakalen Venenabschnitte werden dann mithilfe eines Ballonkatheters thrombektomiert, die distalen Venenabschnitte werden passiv durch Ausklopfen oder Auswickeln von Thromben befreit.
Bei allen aktiv rekanalisierenden Verfahren ist eine unmittelbare Kontrolle der wiedereröffneten Venenabschnitte mittels Phlebografie oder intravaskulärem Ultraschall zwingend erforderlich, um eventuell verbliebene residuelle Thromben oder Stenosen (z. B. an der Kreuzungsstelle zwischen rechter A. iliaca communis und linker V. iliaca communis: May-Thurner-Punkt) zu erkennen und ggf. durch Stentimplantation zu behandeln (Abb. 3a, b).
Die Studienlage zu den Ergebnissen der aktiv rekanalisierenden Therapie – unabhängig vom gewählten Verfahren – ist spärlich, beruht größtenteils auf kleinen, monozentrischen Serien und liefert teilweise widersprüchliche Ergebnisse. So zeigte eine randomisierte Studie zur interventionellen Thrombektomie einen Vorteil im Hinblick auf die Verhinderung eines PTS, während zwei andere Studien keine Unterschiede zur rein konservativen Therapie fanden (Enden et al. 2012; Vedantham et al. 2017; Notten et al. 2020).
Nach den aktuellen Empfehlungen sollte die aktiv rekanalisierende Therapie nur unter strenger Indikationsstellung und bei ausgewählten Patienten erwogen werden (Kakkos et al. 2021). Folgende Kriterien sollten erfüllt sein: ausgedehnte Thrombosen unter Beteiligung der Beckenvenen, Thrombusalter weniger als 14 Tage, Lebenserwartung des Patienten mehr als 5 Jahre.
Zudem sollten die Eingriffe Zentren mit entsprechender Ausstattung und Erfahrung vorbehalten sein.

Cava-Filter

Durch die Implantation eines Cava-Filters sollen embolisierende Thromben abgefangen und so Lungenembolien verhindert werden. Die Anwendung wird in Deutschland und im europäischen Ausland restriktiv gehandhabt, in den USA werden Cava-Filter wesentlich großzügiger eingesetzt, z. B. prophylaktisch bei Polytrauma-Patienten (Li et al. 2020). Während in den meisten verfügbaren Studien ein positiver Effekt im Hinblick auf die Verhinderung einer LE nachgewiesen werden konnte, sind allerdings auch eine Reihe von Komplikationen mit der Einbringung von Cava-Filtern verbunden: Bruch oder Migration des Filters und vor allem rekurrente thromboembolische Ereignisse in den Bein- und Beckenvenen unterhalb des Filters (Duffet und Carrier 2017). Nach Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses werden daher in den europäischen Leitlinien Cava-Filter nur bei Patienten empfohlen, die eine proximale TVT aufweisen und bei denen eine absolute Kontraindikation gegen eine Antikoagulation besteht (z. B. lebensgefährliche Blutung) (Kakkos et al. 2021). Wird ein Cava-Filter implantiert, sollte ein wieder entfernbares Modell gewählt und eine zeitnahe Explantation angestrebt werden, nach Möglichkeit innerhalb der ersten 30 Tage (Li et al. 2020).

Sonderformen

Katheterassoziierte Thrombose

Der in der Intensivmedizin weit verbreitete Einsatz von zentralvenösen Kathetern (ZVK) führt in dieser Patientenpopulation zu einer vergleichsweise hohen Rate an katheterassoziierten Thrombosen. Screening-Studien bei Patienten mit ZVK zeigen eine Inzidenz dieser Thrombosen von 16–18 %, wobei nur in 1–5 % der Fälle Symptome auftreten (van den Houten et al. 2016; Ageno et al. 2019).
Das Risiko für eine Thrombose wird neben der Grunderkrankung (Malignome mit höchstem Risiko) auch von der Insertionsstelle des Katheters (V. femoralis > V. subclavia > V. jugularis), der Lage der Katheterspitze (proximal der V. cava superior > V. cava superior/Übergang zum rechten Vorhof) und der Art des Katheters (peripher implantierte Katheter > Portkatheter) beeinflusst (Saber et al. 2011).
Die Therapie besteht analog zur peripheren TVT in einer therapeutischen Antikoagulation. Über die Dauer der Antikoagulation besteht kein Konsens, in den neuesten Leitlinien wird eine therapeutische Antikoagulation über mindestens 3 Monate empfohlen sowie für 6 Wochen nach Entfernung des Katheters (Kakkos et al. 2021).
Ein noch funktionierender ZVK kann weiter benutzt werden, eine Entfernung des Katheters sollte erfolgen, wenn er nicht mehr funktionsfähig ist oder nicht mehr gebraucht wird. Weiterhin sollte eine Explantation erwogen werden, wenn eine Antikoagulation nicht durchgeführt werden kann, die Symptome sich unter der Antikoagulation nicht bessern oder wenn eine die Extremitäten oder das Leben gefährdende Thrombose vorliegt (Kakkos et al. 2021).

Armvenenthrombose

Armvenenthrombosen machen etwa 10 % aller TVTs aus und sind somit wesentlich seltener als Bein- oder Beckenvenenthrombosen (van den Houten et al. 2016). Am häufigsten kommen sie als sekundäre Thrombosen in Folge von zentralen Venenkathetern oder Herzschrittmachern vor (siehe Abschn. 4.1) oder als Folge einer Tumorkompression (Evans et al. 2010).
Die primären Formen als idiopathische Armvenenthrombose oder im Rahmen eines kostoklavikulären Kompressionssyndroms sind wesentlich seltener.
Die Diagnose kann überwiegend mithilfe der Duplex-Sonografie erfolgen, bei Beteiligung der zentralen Venenabschnitte kommen CT- und MRT-Untersuchungen zum Einsatz.
Die Therapie besteht in einer therapeutischen Antikoagulation für 3 Monate sowie einer Kompressionstherapie des betroffenen Armes (Kakkos et al. 2021).
Im Falle von jungen, aktiven Patienten mit ausgeprägter Symptomatik und frischer Thrombose (<14 Tage) kann eine Rekanalisation der Armvenen durch kathetergesteuerte lokale Lyse erwogen werden. Bei Nachweis eines kostoklavikulären Kompressionssyndroms (CT oder MRT in Ruhe und bei Elevation der Arme) muss im weiteren Verlauf auch eine Resektion der ersten Rippe oder einer eventuellen Halsrippe erfolgen.

Thrombose in der Schwangerschaft

Verglichen mit einer Population von gesunden Frauen gleichen Alters ist das Risiko einer TVT während der Schwangerschaft um den Faktor 10 vor der Geburt und um den Faktor 25 nach der Geburt erhöht (Greer 2015). Das erhöhte Risiko beginnt schon früh in der Schwangerschaft und erstreckt sich bis zu 12 Wochen post partum (Kamel et al. 2014). Ursachen dafür sind eine Erhöhung von Koagulationsfaktoren während der Schwangerschaft, eine kompressionsbedingte Reduktion des Blutflusses in den unteren Extremitäten in den fortgeschrittenen Stadien der Gravidität sowie hormonbedingte Veränderungen des Venenendothels (Kakkos et al. 2021).
Sowohl klinische Zeichen wie der Wells-Score wie auch die D-Dimer-Bestimmung sind in der Schwangerschaft unzuverlässig, sodass die Diagnose der TVT sich hauptsächlich auf die Duplex-Sonografie stützt. Zur Beurteilung der Beckenvenen können im Bedarfsfall spezielle MRT-Untersuchungen durchgeführt werden.
Die Therapie besteht in einer therapeutischen Antikoagulation für mindestens 3 Monate während der Schwangerschaft und sollte für mindestens 6 Wochen post partum fortgeführt werden (Kakkos et al. 2021).
Als Antikoagulanzien der Wahl haben sich NMH etabliert, die im Vergleich zu UFH ein geringeres Risiko für Blutungen und Osteoporose aufweisen (Bates et al. 2008). Sowohl Vitamin-K-Antagonisten als auch DOAK sind während Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert – Erstere, weil sie plazentagängig sind und fetale Blutungen verursachen können, Letztere, weil ihr Einsatz in diesen speziellen Situationen noch nicht untersucht ist. Patientinnen, die aus anderer Indikation längerfristig mit Vitamin-K-Antagonisten oder DOAK eingestellt sind, sollten im Falle einer Schwangerschaft auf NMH umgestellt werden.
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