Die Therapie der
Lungenembolie richtet sich nach dem Mortalitätsrisiko des Patienten (Abb.
4). Bei hämodynamischer Instabilität gilt, dass Patienten unterstützend mit milder Volumengabe und ggf. Vasopressortherapie stabilisiert werden. Sollte eine medikamentöse Stabilisierung nicht ausreichen, kommen auch Kreislaufunterstützungssysteme, wie die ECLS (extrakorporale Kreislaufunterstützung
), in Betracht. Des Weiteren sollte bei einer
Hypoxie eine Sauerstoffgabe erfolgen (Nasenbrille,
Maske oder High-Flow) und sollte dies nicht ausreichen, ggf. eine mechanische
Beatmung erfolgen.
Bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand mit einem nichtdefibrillierbaren Rhythmus (pulslose elektrische Aktivität [PEA] oder Asystolie) muss immer auch an eine
Lungenembolie als Ursache gedacht werden. In diesen Fällen sollen die aktuellen Empfehlungen zum Advanced Life Support beachtet werden. Wenn eine Lungenembolie als Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstandes
angenommen wird, muss die Entscheidung zur Therapie mittels Thrombolyse
früh gefällt werden. Die Reanimationsmaßnahmen sollten dann für mindestens 60–90 min fortgeführt werden.
Die spontane oder medikamentöse, interventionelle oder chirurgische Rekanalisation wird immer durch eine Antikoagulation unterstützt (entweder mit unfraktioniertem Heparin [UFH], niedermolekularen Heparinen [NMH] oder einem direkten oralen Antikoagulans [DOAK]). Ob eine Thrombolyse oder Embolektomie zur raschen vaskulären Rekanalisation notwendig ist, hängt vom Mortalitätsrisiko ab. Bei Patienten in der Hochrisiko-Gruppe ist eine Thrombolyse mit einer Klasse-IB-Empfehlung empfohlen, sofern keine absoluten Kontraindikationen vorliegen. Wenn eine Thrombolyse kontraindiziert oder fehlgeschlagen ist, soll bei Patienten mit hohem Mortalitätsrisiko eine Rekanalisation mittels chirurgischer Embolektomie mit einer Klasse-IC-Empfehlung angestrebt werden. Kathetergestützte Verfahren sollen nur, wenn auch eine chirurgische Embolektomie nicht möglich ist, mit einer Klasse-IIaC-Empfehlung angestrebt werden.
Bei hämodynamisch stabilen Patienten mit einem niedrigen oder intermediär-niedrigen Mortalitätsrisiko nach Risikostratifizierung besteht die Therapie in der Einleitung einer therapeutischen Antikoagulation. Diese kann entweder mit UFH, einem NMH oder einem DOAK erfolgen.
Thrombolyse
Eine thrombolytische Therapie ist bei hämodynamisch instabilen Patienten in der Regel immer indiziert nach Bestätigung der Diagnose einer
Lungenembolie. Falls der Patient zu instabil ist, um eine definitive Diagnostik mittels CT-Angiografie durchzuführen, reicht auch der Nachweis einer akuten Rechtsherzbelastung in der Echokardiografie aus oder im Zweifel auch die starke Verdachtsdiagnose einer Lungenembolie bei massiv instabilen Patienten, um eine akute Thrombolyse durchzuführen und zu rechtfertigen (Abb.
2a).
Die meisten Leitlinien der Fachgesellschaften empfehlen auch eine kathetergeführte Therapie mit oder ohne lokale Thrombolyse
, wenn das Blutungsrisiko bei einer systemischen Lyse zu groß erscheint. In einigen wenigen Studien zeigte eine systemische Thrombolyse bei Patienten mit einer Hochrisiko-Lungenembolie eine Reduktion des kombinierten Endpunktes Tod und rekurrente
Thromboembolie. In einer aktuellen Studie stellte sich ein Trend für ein besseres 30-Tages-Überleben dar, je früher die systemische Thrombolyse nach Einsetzen der ersten Symptome verabreicht wird (Zuin et al.
2019). Sowohl bei systemischer als auch bei lokaler Thrombolyse wird begleitend UFH verabreicht.
Bei Patienten mit Intermediärrisiko-Lungenembolie, welche einen stabilen Blutdruck aufweisen, aber Zeichen der Rechtsherzbelastung zeigen, sollte umgehend die Behandlung mit Antikoagulanzien initiiert werden. Je nach individueller Entscheidung, ob der Patient ggf. im Verlauf instabil werden könnte oder Zeichen der Dekompensation vorliegen, sollte eine systemische Thrombolyse (IIAb-Empfehlung) erwogen werden. Diese kann mit der vollen Dosis (100 mg Alteplase, wie oben beschrieben) oder aber einer angepassten geringeren Dosierung (0,6 mg/kg über 15 min, maximal 50 mg Alteplase) erfolgen. Bei der Entscheidungsfindung sollte hier immer auch das individuelle Blutungsrisiko des Patienten berücksichtigt werden.
Die Lysetherapie kann entweder systemisch oder lokal kathetergestützt erfolgen. Die systemische Thrombolyse erfolgt in Deutschland meist mit der Substanz Alteplase (rtPA, Actilyse), einem Plasminogenaktivator (alle zugelassenen Substanzen und Regimes s. Tab.
3). Initial wird ein 10 mg Bolus verabreicht, gefolgt von 90 mg über 2 h via Perfusor. Während der systemischen Thrombolyse wird die Antikoagulation mit Heparin in der Regel fortgeführt. Eine weitere Möglichkeit für Patienten mit intermediär-hohem Risiko ist eine angepasst, niedrig dosierte Thrombolyse
(MOPETT-Studie). Hier beträgt die Dosis weniger als 50 % der Standarddosierung von Alteplase für Patienten, die 50 kg oder mehr wiegen, oder 0,6 mg/kg für Patienten, welche leichter als 50 kg sind. Aufgrund der bisher dünnen Datenlage wurde aktuell noch keine abschließende Empfehlung zu der Niedrig-Dosis-Lyse in den Leitlinien gegeben, aber sie wurde als Option bei entsprechender klinischer Einschätzung erwähnt.
Tab. 3
Zugelassene Thrombolyseschemata mit Dosierung und Kontraindikationen. (Nach Konstantinides et al.
2019)
Rekombinanter gewebespezifischer Plasminogenaktivator (rtPA) | 100 mg über 2 h (davon 10 mg als Bolus) | Absolut: • Hämorrhagischer Schlaganfall oder Schlaganfall unbekannter Genese in der Vorgeschichte • Ischämischer Schlaganfall in den vergangenen 6 Monaten • Neoplasie des ZNS • Schweres Trauma, Operation oder Kopfverletzung in den vergangenen 3 Wochen • Hämorrhagische Diathese • Aktive Blutung Relativ: • Transiente ischämische Attacke in den vergangenen 6 Monaten • Orale Antikoagulation • Schwangerschaft oder erste Woche nach Geburt • Nicht komprimierbare Punktionsstelle • Traumatische Reanimation • Therapierefraktäre Hypertonie (systolischer RR >180 mmHg) • Fortgeschrittene Lebererkrankung • Aktives Magenulkus |
0,6 mg/kg über 15 min (maximal 50 mg) |
Streptokinase | 250.000 IE als Aufsättigungsdosis über 30 min, gefolgt von 100.000 IE/h über 12–24 h |
Beschleunigtes Schema: 1,5 Mio. IE über 2 h |
Urokinase | 4400 IE/kg als Aufsättigungsdosis über 10 min, gefolgt von 4400 IE/kg/h über 12–24 h |
Beschleunigtes Schema: 3 Mio. IE über 2 h |
Transienter Auslöser | 3 Monate | Klasse IB |
VTE ohne Auslöser | Mind. 3 Monate | Klasse IA |
VTE ohne Auslöser + niedriges Blutungsrisiko | 6 Monate volle OAK, dann dauerhaft Low-Dose-OAK | Klasse IIa B |
VTE-Rezidiv | Dauertherapie | Klasse IB |
Aktive Tumorerkrankung | NMH (ggf. Rivaroxaban, Edoxaban oder Apixaban), so lange aktiv | Klasse IIa B/C |
VTE-Rezidiv unter VKA/NOAK | NMH | Grad 2c |
Nach Absetzen der Antikoagulation | ASS, Rivaroxaban 10 mg/d oder Apixaban 2-mal 2,5 mg/d erwägen | Klasse IIb B |
Die Lyse kann auch kathetergestützt lokal erfolgen. Dies wird nach den Leitlinien bei Patienten empfohlen, welche weiter instabil sind auch nach systemischer Lyse, und bei Patienten, welche ein hohes Sterberisiko haben, noch bevor die systemische Lyse greifen kann, sowie bei Patienten, welche ein hohes Blutungsrisiko haben. Man sollte jedoch berücksichtigen, dass die kathetergestütze, lokale Lyse meist nicht schneller verfügbar ist als die systemische Lyse. Die möglichen Vorteile einer katheterapplizierten Thrombolyse sind die potenziell geringeren Dosen der thrombolytischen Substanz mit dementsprechend geringerem Blutungsrisiko. Zusätzlich können andere mechanische Interventionen simultan durchgeführt werden, welche zur Thrombusauflösung beitragen können (z. B. Ultraschall) oder zur mechanischen Entfernung (z. B. Embolektomie).
Bei den oben genannten Indikationen zur Thrombolyse müssen auch immer die Kontraindikationen berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Kontraindikationen ernster genommen werden müssen, wenn die Indikation zur Lyse beim hämodynamisch stabilen Patienten „nur“ die rechtsventrikuläre Dysfunktion ist, als wenn es sich um einen Patienten im Schock handelt.
Zu den absoluten Kontraindikationen zählen Hirnblutung, Z. n. ischämischem Insult vor weniger als 6 Monaten, ZNS-Malignom, schweres Trauma, Operation oder
Schädel-Hirn-Trauma vor weniger als 3 Wochen, gastrointestinale Blutung vor weniger als 1 Monat oder eine bekannte
Blutungsneigung (Tab.
3). Bei Reanimationspflichtigkeit besteht allerdings keine Kontraindikation zur systemischen Thrombolyse.
Embolektomie
Die Embolektomie ist bei Patienten indiziert, die hämodynamisch instabil sind und bei denen eine systemische Thrombolyse kontraindiziert ist. Des Weiteren ist sie auch eine Option, wenn die systemische Lyse nicht erfolgreich war. Die Embolektomie kann entweder chirurgisch oder kathetergestützt durchgeführt werden.
Die chirurgische Embolektomie wird nach den aktuellen Leitlinien mit einer Klasse-IC-Empfehlung empfohlen für Patienten, welche eine Kontraindikation für die Thrombolyse haben oder bei denen eine Thrombolyse fehlgeschlagen ist. Eine zusätzliche Indikation kann der echokardiografische Nachweis eines Embolus in einem persistierenden Foramen ovale (PFO), dem rechten Atrium oder dem rechten Ventrikel sein. Proximale Emboli im rechten Ventrikel, im Pulmonalishauptstamm und den extrapulmonalen Ästen der Pulmonalarterie sind gut zugänglich für eine chirurgische Embolektomie. Periphere Emboli in den intrapulmonalen Ästen der Pulmonalarterien sind dagegen chirurgisch nicht gut zugänglich. Insgesamt braucht es für die chirurgische Embolektomie ein Zentrum mit erfahrenen Gefäßchirurgen. Die perioperative Sterblichkeit ist v. a. unter den älteren Patienten relativ hoch mit 2–46 %.
Bei der kathetergestützten Embolektomie gibt es verschiedene Optionen. Insgesamt werden diese Methoden nach den Leitlinien mit einer Klasse-IIaC-Empfehlung empfohlen, wenn andere Methoden mit einem stärkeren Evidenzgrad nicht in Frage kommen. Insgesamt sind die Studienergebnisse bei den kathetergestützten Methoden bei kleinen Gruppenzahlen und heterogenen Populationen (hämodynamisch stabil oder instabil, mit oder ohne parallele Administration von Thrombolyse) nicht konklusiv und bisher ist kein Verfahren dem anderen unter- oder überlegen. Die Wahl des Verfahrens hängt somit von der Erfahrung des Zentrums ab. Aktuell werden die kathetergestützten Embolektomien v. a. bei Patienten mit intermediärem Risiko eingesetzt.
Die Optionen sind:
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Ultraschallgestützte Thrombolyse: Hier wird mittels des in den Embolus platzierten Katheters die Thrombolyse lokal appliziert und mittels des Hochfrequenzultraschalls die Thrombolyse unterstützt, um besser in den Thrombus zu penetrieren.
-
Rheolytische Embolektomie: Hier wird mittels eines Katheters Kochsalzlösung mit hohem Druck in den Embolus appliziert, während parallel das Absaugen der mazerierten Thrombusanteile erfolgt. Über den Katheter kann dann direkt auch eine Thrombolyse appliziert werden.
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Rotationsembolektomie: Bei dieser Methode wird mittels einer rotierenden Katheterspitze der Thrombus fragmentiert, während parallel die Aspiration der Thrombusanteile erfolgt.
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Aspirationsembolektomie: Über einen großlumigen Katheter kann der Thrombus/Embolus mit Unterdruck abgesaugt werden.
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Thrombusfragmentation: Bei dieser Methode wird mit einem Standard-Pigtail-Katheter oder einem Angioplastie-Katheter mit rotierenden Bewegungen der Thrombus mechanisch zerstört. Die kleineren Fragmente wandern so weiter distal in der Lungenstrombahn und der Widerstand in den Lungenarterien nimmt ab.
Das Risiko bei allen kathetergestützten Embolektomieverfahren ist die Perforation der Pulmonalarterien. Dies ist insgesamt sehr selten. Sie kann zu
Perikardtamponade und lebensbedrohlichen
Hämoptysen führen. Weitere Komplikationen beinhalten Blutungs- und Infektkomplikationen der Punktionsstelle, Kreislaufstillstand und Tod.