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Die Urologie
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Publiziert am: 08.03.2022

Urothelkarzinom der Harnblase: Klassifikation

Verfasst von: Mario Ignacio Fernández, Thomas Martini und Marcela Schultz
Eine exakte uropathologische Diagnostik ist beim Harnblasenkarzinom für eine optimale Behandlung der betroffenen Patienten unabdingbar. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Durchführung einer transurethralen Resektion (TUR) bester Qualität, um Gewebe mit wenigen Koagulationsartefakten zu erhalten. Die wichtigsten Herausforderungen für den Pathologen bei der Analyse sind die Abschätzung des malignen Potenzials (Grading), die Bestimmung der Eindringtiefe sowie die Einordnung seltener Differenzierungen. Die Einführung verschiedener Neuerungen bei den Klassifikationssystemen des Urothelkarzinoms hat leider keine endgültige Lösung für diese Schwierigkeiten erbracht. Immer noch stellt die hohe Untersucherabhängigkeit ein bedeutendes Problem mit möglicherweise prognostischen Auswirkungen dar. Eine enge Zusammenarbeit von Urologen und Pathologen kann zu einer Reduzierung von Fehlern beitragen. Des Weiteren sind jedoch neue Methoden nötig, um die Limitationen der vorhandenen Klassifikationen zu überwinden. Neue pathologische und molekulare Marker bieten zusätzliche Informationen über die individuelle Tumorbiologie und könnten die Risikostratifizierung der Patienten optimieren.

Pathologie des Urothelkarzinoms

Etwa 95 % aller Harnblasenkarzinome haben ihren Ursprung im Urothel. Urotheliale Neoplasien umfassen ein breites Spektrum von Tumoren mit heterogenem Malignitätspotenzial, das durch vielfältige molekulare Alterationen der Tumorzellen erklärt wird. Bei etwa 75 % der Patienten mit einem Urothelkarzinom besteht zum Zeitpunkt der Diagnose ein nichtmuskelinvasiver Tumor. Darüber hinaus gibt es verschiedene Typen von Tumormorphologien, wie z. B. flache (Carcinoma in situ), papilläre und solide Tumoren.
Urothelkarzinome werden histologisch nach dem von der World Health Organization (WHO) bestimmten Klassifikationssystem unterteilt. Es basiert auf den Differenzierungsgrad des Tumors. Die 1. Version datiert von 1973 und beruht auf einem 3-stufigen Grading-System (G1–G3). Mit der Absicht einer verbesserten Einteilung der Tumoren nach Rezidiv- und Progressionsrisiko wurde im Jahr 1998 ein neues System von der International Society of Urological Pathology (ISUP) anhand zytologischer und architektonischer Kriterien entwickelt. Dieses System wurde letztendlich im Jahr 2004 von der WHO übernommen (Sauter et al. 2004; Epstein et al. 1998) Im Februar 2016 wurde diese Klassifikation aktualisiert (Moch et al. 2016). Das zweiteilige Grading-System der nicht-invasiven papillären Karzinom in „low grade“ und „high grade“ wurde beibehalten. Die papilläre urotheliale Neoplasie von niedrigmalignem Potential (PUNLMP) als papillärer Tumor mit minimalen Atypien bleibt erhalten mit dem Hinweis auf seine geringe Inzidenz von 3/100.000 Personen pro Jahr. Das Papillom gilt mit einem normalen Zellbild und Epithelhöhe als benigne Form papillärer Tumoren (Moch et al. 2016).
Als neue Entität wurde die urotheliale Proliferation mit unsicherem malignem Potential (UPUMP) in die WHO Klassifikation aufgenommen (Tab. 1). Sie ist durch eine Verbreiterung des Urothel ohne oder nur minimaler zytologischer Atypien und ohne echte papilläre Architektur gekennzeichnet (entsprechend dem alten Begriff Hyperplasie). Man findet diese Entität gelegentlich in Follow-up-Zystoskopien von Patienten mit papillären Neoplasien, selten als Primärdiagnose. Das Risiko zur Entwicklung einer urothelialen Neoplasie liegt bei fast 40 % (Moch et al. 2016). Das biologische Potential des UPUMP ohne Tumoranamnese bleibt aber unklar.
Tab. 1
WHO Klassifikation 2016 – Urothelkarzinom
Tumorart
Invasives Urothelkarzinom
Invasives Urothelkarzinom mit abweichender Differenzierung (Plattenepitheliale, Glanduläre)
Nested, einschließlich großzellig nested
Mikrozystisch
Mikropapillär
Lymphoepitheliom-artig
Plasmazytoid/Siegelringzellig/Diffus
Sarkomatoid
Riesenzellig
Gering differenziert
Lipid-reich
Klarzellig
Nicht-invasive urotheliale Läsion
Urotheliales Carcinoma in situ
Nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom, niedriggradig (low grade)
Nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom, hochgradig (high grade)
Papilläre urotheliale Neoplasie mit geringem malignem Potenzial
Urotheliales Papillom
Invertiertes urotheliales Papillom
Urotheliale Proliferation mit unklarem malignem Potenzial
Urotheliale Dysplasie
Bei den invasiven Urothelkarzinomen wurden die Müller-Tumoren neu in die WHO Klassifikation aufgenommen. Dabei handelt es sich prinzipiell um eine Subgruppe von Adenokarzinomen. Sie entstehen aus Resten der embryonalen Müller-Gänge (z. B. Endometriose, Müllerianose) in der Harnblase (Moch et al. 2016).
Die folgende Übersicht stellt diese Klassifikation dar.
Ein wichtiger Anstoß für die Entwicklung einer neuen Einteilung im Laufe der Zeit waren Unstimmigkeiten bei der Auswertung von sog. Intermediate-grade (Differenzierungsgrad 2)- Tumoren, die zu einer hohen Interobservervariabilität führten (50–60 %, Abb. 1). Der prognostische Wert von beiden Einteilungen ist inzwischen anhand zahlreicher Studien bestätigt worden (Chen et al. 2012; May et al. 2010; Burger et al. 2008; Otto et al. 2011; Pellucchi et al. 2011), allerdings mit kontroversen Ergebnissen. Es ist weiterhin unklar, welches System besser bezüglich der Reproduzierbarkeit ist (May et al. 2010; van Rhijn et al. 2010). Deswegen wird die simultane Benutzung von beiden Systemen bis heute noch von den meisten Leitlinien befürwortet. Diese Erkenntnisse unterstreichen den Bedarf nach neuen Methoden zur genaueren Kategorisierung der Tumoren, u. a. unter Berücksichtigung molekularer Charakteristika.
In die Kategorie flache Urothelläsionen mit Atypie werden laut der WHO-Klassifikation von 2004 die urotheliale Hyperplasie, Atypie, Dysplasie sowie das Carcinoma in situ (CIS) eingeordnet. Das CIS ist ein flacher High-grade-Tumor. Die Tumorzellen befinden sich im Urothel und zeigen zahlreiche zytomorphologische Veränderungen, u. a. Kernatypien, Mitosefiguren sowie einen Verlust der Polarität und des Zusammenhaltes. Darüber hinaus ist der Verlust der Schirmzellen (umbrella cells) häufig, was dann einen wichtigen Unterschied zur Dysplasie darstellt (Abb. 2).
In die Kategorie der nichtinvasiven papillären Urothelläsionen fallen Papillome, papilläre Neoplasien mit niedrigem Malignitätspotenzial (papillary urothelial neoplasia of low malignant potenzial, PUNLMP) sowie papilläre Low- und High-grade-Urothelkarzinome.
Papilläre Grad-1-Neoplasien der WHO-Klassifikation von 1973 wurden in Anbetracht ihres geringen malignen Potenzials zu den papillären Urothelneoplasien mit geringem Malignitätspotenzial (PUNLMP) im neuen System umbenannt. PUNLMP zeigen minimale zytologische Atypien, die Architektur des Gewebes ist generell erhalten (Abb. 3). Diese Läsionen sind dennoch nicht ausschließlich benigne, da sie nach wie vor ein minimales Progressionsrisiko aufweisen (0–4 %) bei einer Rezidivrate von bis zu 25 % (Chen et al. 2012; May et al. 2010; Pan et al. 2010).
Die 3-stufige Graduierung der Urothelkarzinome in der WHO-Klassifikation von 1973 wurde im neuen System auf eine 2-stufige Skala umgestellt (low grade und high grade). Es war bereits bekannt, dass es verschiedene genetische Alterationen unter den Urothelkarzinomen gibt, wobei Low-grade (LG)- Neoplasien den urothelialen Ursprungszellen ähneln und demzufolge genetisch stabiler sind. Die charakteristischen genetischen Veränderungen von LG-Urothelkarzinomen sind eine Deletion von 9q sowie Mutationen von FGFR-3 (fibroblast growth factor receptor 3) (Gaisa und Lindemann-Docter 2013). Low-grade-Neoplasien haben typischerweise einen papillären Aspekt. Die zytomorphologischen Veränderungen sind gering, allerdings häufiger als bei der PUNLMP (Abb. 4). Der wichtigste Unterschied ist dennoch die oft multifokale Erscheinungsform von LG-Urothelkarzinomen im Gegensatz zu den in der Regel solitär auftretenden PUNLMP. Die Rezidivrate beträgt 35–71 % und die Progressionsrate bis zum invasiven Karzinom 2–12 % (Chen et al. 2012; May et al. 2010; Pan et al. 2010; Montironi und Lopez-Beltran 2005).
High-grade (HG)- Neoplasien zeigen Zellen mit klaren Malignitätskriterien sowie eine deutlich veränderte Architektur des Gewebes. Die Zellkerne sind typischerweise pleomorph und hyperchrom, Mitosefiguren sind verbreitet. Genetische Anomalien sind zahlreich, u. a. chromosomale Aberrationen bei 2q, 5q, 10q, 18q, 5q und 20q sowie Mutationen bei TP53 (Gaisa und Lindemann-Docter 2013). Die Rezidivrate beträgt 34–71 % und die Progressionsrate bis zum invasiven Karzinom 15–40 % (Chen et al. 2012; May et al. 2010; Pan et al. 2010; Montironi und Lopez-Beltran 2005).
Invasive Urothelkarzinome können entweder aus einem papillären Urothelkarzinom oder aus einem CIS entstehen. Die Infiltration betrifft entweder nur Stroma (Lamina propria) oder auch zusätzlich den Detrusormuskel der Harnblase (Abb. 5 und 6). Stromainfiltrative Tumoren sind in der Regel HG-Karzinome, wobei LG-Tumoren auch in seltenen Fällen beteiligt sind. Muskelinvasive Tumoren haben immer eine HG-Differenzierung und zeigen Tumorzellen, die sich durch die Lamina propria bis in den Muskel ausbreiten.

TNM-Stadieneinteilung (Staging)

Zur Stadieneinteilung des Urothelkarzinom wird die TNM-Klassifikation der American Joint Commission on Cancer/International Union Cancer Consortium verwendet (Tab. 2). Die letzte Version datiert von 2017 (Brierly et al. 2017).
Tab. 2
TNM-Klassifikation der Harnblasenkarzinome 2017
T – Primärtumor
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Ta
Nichtinvasives papilläres Karzinom
Tis
Carcinoma in situ (flat tumor)
T1
Tumor infiltriert subepitheliales Bindegewebe
T2
Tumor dringt in Muskularis prpria ein
T2a
Tumor dringt in oberflächliche Muskularis propria ein (innere Hälfte)
T2b
Tumor dringt in tiefe Muskularis propria ein (äußere Hälfte)
T3
Tumor infiltriert perivesikales Fettgewebe
T3a
Mikroskopisch
T3b
Makroskopisch
T4
Tumor infiltriert Prostata, Samenblase, Uterus, Vagina, Becken- oder Bauchwand
T4a
Tumor infiltriert Prostata, Samenblase, Uterus oder Vagina
T4b
Tumor infiltriert Becken- oder Bauchwand
N – regionäre Lymphknoten
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase(n) in solitärem Lymphknoten des kleinen Beckens (hypogastrische, Obturator-, externe iliakale oder präsakrale Lymphknoten)
N2
Metastase(n) in multiplen Lymphknoten des kleinen Beckens (hypogastrische, Obturator-, externe iliakale oder präsakrale Lymphknoten)
N3
Metastase(n) in Lymphknoten an Aa. iliacae communes
M – Fernmetastasen
M0
Keine Fernmetastasen
M1a
Nichtregionäre Lymphknotenmetastasen
M1b
Fernmetastasen
Wichtig
Understaging ist ein relevantes Problem bei der Diagnostik eines Urothelkarzinoms (34–70 % je nach T-Kategorie). Dies betrifft insbesondere T1-Tumoren, die gegebenenfalls im Zystektomiepräparat neu als T2-Tumoren klassifiziert werden müssen.
Das hat eine wichtige prognostische und therapeutische Bedeutung. Deshalb empfehlen die meisten Leitlinien die Durchführung einer zweiten TUR (transurethrale Resektion) zur möglichst sicheren Klassifikation.
Muskelinvasive Urothelkarzinome werden in die Stadien T2a und T2b untergeteilt, wobei T2a eine Infiltration bis zur inneren Hälfte der Muscularis propria bedeutet, während der T2b-Tumor in der äußeren Hälfte dieser Schicht lokalisiert ist. Die prognostische Bedeutung dieser Unterteilung bezüglich einer Rezidivbildung und der krankheitsbezogenen Mortalität hat sich anhand von Ergebnissen verschiedener Studien bestätigt (Mitra et al. 2013; Tilki et al. 2010). T3-Tumoren infiltrieren das perivesikale Fettgewebe, mikro(T3a) – oder makroskopisch (T3b). Im Falle einer makroskopischen Infiltration ist im Gegensatz zu einer mikroskopischen Infiltration bei der bimanuellen Palpation nach der TUR weiterhin ein Tumor nachweisbar. Die bimanuelle Untersuchung ist auch bei der Unterscheidung zwischen T4a- und T4b-Tumoren wichtig, da diese an der Becken- oder Bauchwand fixiert sein können (weiterführende Informationen zur klinischen Untersuchung von Harnblasenkarzinom findet sich in Kap. „Urothelkarzinom der Harnblase: Diagnostik“).

Invasives Urothelkarzinom mit zusätzlichen Differenzierungskomponenten

Das invasive Urothelkarzinom kann verschiedene histologische Varianten beinhalten (Tab. 1). Diese haben teilweise eine prognostische Relevanz. Deswegen ist eine explizite Benennung bzw. Quantifizierung dieser verschiedenen Morphologien im pathologischen Befund wichtig. Leider werden diese Varianten aber häufig unter- oder fehldiagnostiziert. Die bedeutendsten Varianten werden im vorliegenden Kapitel behandelt.
Histologische Varianten treten bei Urothelkarzinomen in unterschiedlichen Proportionen auf.
Die häufigste abweichende Differenzierung ist die plattenepitheliale (bis zu 40 % aller Urothelkarzinome, Abb. 7). Bei diesen Mischtumoren wird von einer Entdifferenzierung des Urothelkarzinoms ausgegangen. Dies steht im Gegensatz zum reinen Plattenepithelkarzinom, das keinen Anhalt für eine urotheliale Neoplasie zeigt. Die plattenepitheliale Differenzierung ist morphologisch und immunhistochemisch (Zytokeratin 14, L1-Antigen, MAC387 und Desmoglein-3) gut vom konventionellen Urothelkarzinom abgrenzbar (Huang et al. 2013). Eine weitere Variante ist die drüsenartige (glanduläre) Differenzierung, die in 6–16 % der Fälle vorkommt (Lopez-Beltran und Cheng 2006) (Abb. 8). Es handelt sich hier um die Präsenz von glandulären Bereichen innerhalb des Tumors, gegebenenfalls kann auch eine Schleimsekretion vorliegen. Die klinische Bedeutung dieser beiden Differenzierungen ist noch unklar. Neuere Studien ergaben keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit plattenepithelialer und/oder glandulärer Differenzierung im Vergleich mit Patienten, die ein konventionelles Urothelkarzinom hatten, bezüglich Rezidiv und Überleben trotz einer höheren Rate von fortgeschrittenen Tumoren unter den Ersteren (Izard et al. 2015; Mori et al. 2020). Die Wirksamkeit der Anwendung von neoadjuvanter Chemotherapie ist bislang unklar. Ergebnisse der meisten retrospektiven Studien unterstützen sie tatsächlich nicht (Bandini et al. 2020; Minato et al. 2017). Allerdings zeigte die bisher einzige kontrollierte Studie im Rahmen einer SWOG-Studie einen Vorteil bezüglich des Überlebens für Patienten mit den o.g. Mischtumoren (HR = 0,46, P = 0,02) im Vergleich zu Patienten mit konventionellem Urothelkarzinom (HR = 0,9, P = 0,48) (Scosyrev et al. 2011). Dementsprechend werden diese Entitäten in der Regel wie reine Urothelkarzinome behandelt.
Die nestartige (nested) Variante ist ein seltenes Karzinom (<1 %) mit einem nestförmigen Wachsmuster (Abb. 9) Beweisende Merkmale sind die Invasion der Muscularis propria sowie das zunehmende Vorliegen von Zellanaplasie in den tieferen Bereichen der Läsion. Die genannten Kriterien ermöglichen eine sachgemäße Diagnosestellung, insbesondere bei der Unterscheidung von ähnlichen, gutartigen Prozesse, wie z. B. der Urozystitis zystica, dem invertierten Papillom, der nephrogenen Metaplasie oder dem Paragangliom. Klinisch ist diese Variante mit einer hohen Rate von lokal fortgeschrittenen Tumoren zum Zeitpunkt der radikalen Zystektomie assoziiert. Allerdings konnten keine signifikanten stadienabhängigen Unterschiede bezüglich des krankheitsspezifischen Überlebens nach 10 Jahren zwischen einem reinen Urothelkarzinom und der Nested-Variante beobachtet werden (Linder et al. 2013).
Das mikropapilläre Urothelkarzinom gilt als eine sehr aggressive Variante und findet sich bei 0,5–6 % aller Urothelkarzinome. Selbst geringe Anteile dieser Variante innerhalb des TUR-Materials werden als klinisch relevant betrachtet. Die Architektur ähnelt einem serösen Ovarialkarzinom (Amin et al. 1994) mit infiltrierenden, traubenförmigen Tumorzellverbänden umgeben von fadenförmigen Spalträumen. Eine lymphovaskuläre Invasion ist ebenfalls ein häufiger Befund (Abb. 10). Primäre Tumoren mit mikropapillärer Histologie kommen unter anderem in der Lunge, dem Pankreas und der Speicheldrüse vor (Amin et al. 1994). Zahlreiche Studien haben die aggressive Natur dieser Variante beschrieben, wobei es sich zum Diagnosezeitpunkt häufig um fortgeschrittene Tumorstadien handelt mit einen demzufolge geringen 5- und 10-Jahres-Überleben (51 % bzw. 24 %) (Kamat et al. 2007). Allerdings haben neuere Berichte keinen signifikanten stadienabhängigen Unterschied zwischen dieser Variante und dem reinen Urothelkarzinom gezeigt (Wang et al. 2012; Fairey et al. 2014). Generell wird unabhängig vom Tumorstadium eine operative Therapie befürwortet. Das betrifft vor allem die nichtmuskelinvasiven Tumoren, bei denen eine frühe radikale Zystektomie ein deutlich besseres Überleben gegenüber einer intravesikalen Therapie erreicht (Willis et al. 2015). Die Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie bei muskelinvasiven Tumoren mit mikropapillärem Anteil ist unklar. Das Verzögern der Zystektomie kann eventuell negative prognostische Folgen haben (Kamat et al. 2007). Eine neuere systematische Übersichtsarbeit mit Metanalyse zeigte in der Tat kein Vorteil bezüglich des Überlebens bei der Berücksichtigung dieser Therapie, trotzt einer hohen pT0-Rate (bis zu 55 %) bei Zystektomien in dieser Patientengruppe (Abufaraj et al. 2019).
Das sarkomatoide Karzinom bzw. die spindelzellige Variante ist eine äußerst seltene (<1 %) Form des Urothelkarzinoms. Bei diesen Neoplasien sind immer morphologische bzw. immunhistochemische Hinweise für eine epitheliale und eine mesenchymale Differenzierung gleichzeitig erkennbar. Der Tumor besteht normalerweise aus einer urothelialen, glandulären oder kleinzelligen Komponente mit unterschiedlichen Differenzierungsgraden. Die mesenchymale Komponente ist üblicherweise eine undifferenzierte, hochgradige spindelzellige Neoplasie (Abb. 11). Die beiden Tumorkomponenten haben dennoch einen gemeinsamen, monoklonalen Ursprung. Dazu kommen oft heterologe Elemente, wie z. B. Osteosarkom-, Chondrosarkom-, Liposarkom-Anteile usw., vor. Urothelkarzinome mit einer sarkomatoiden Differenzierung treten oft nach Radiatio/Chemotherapie (Cyclophosphamid) auf. Die Diagnosestellung stellt aufgrund zahlreicher möglicher gutartiger (chronisch-entzündliche Reaktionen, auch nach chirurgischen Eingriffen) bis hochmaligner (Sarkome) Veränderungen der Harnblase, oft eine Herausforderung für den Pathologen dar. Des Weiteren sind sie unabhängig von der Therapie mit einer schlechten Prognose assoziiert (medianes Gesamtüberleben von 18,4 Monaten) (Sui et al. 2017).
Zu den weiteren möglichen Varianten eines Urothelkarzinom zählen auch die plasmazytoiden Tumoren (<1 %). Diese aggressive Variante besteht aus mittelgroßen Zellen mit ausgeprägtem eosinophilem Zytoplasma, die teilweise ein siegelringzelliges Tumor ähneln können. Die Zellkerne sind klein, exzentrisch gelegen und hyperchromatisch mit unauffälligen Nukleoli. Es finden sich meist zahlreiche Mitosen (Abb. 12). Das Wachstumsmuster ist häufig diffus infiltrativ mit einer minimalen Stromareaktion. Dementsprechend ist eine Abgrenzung zum Lymphom oder Plasmoztytom gelegentlich schwierig. Die Immunhistochemie spielt in der Diagnose eine entscheidende Rolle (CK7, CK20, Uroplakin II und GATA-3). Weiterhin kommt ein E-Cadherin-Verlust in über 70 % des plasmazytoiden Urothelkarzinom vor, was mit einer erhöhten Zellmigration und Invasivität korreliert. Das erklärt die Tendenz dieser Tumoren zum lokalen Rezidiv mit peritonealer Karzinomatose, was zu aggressiven klinischen Verläufen führt (Mori et al. 2020; Kim et al. 2020).

Zusammenfassung

  • Das Update der WHO-Klassifikation 2016 beschreibt mit der „urothelialen Proliferation von unsicherem malignen Potenzial (UPUMP) eine neue Entität. Standardnomenklatur für das Urothelkarzinom der Harnblase: nichtinvasive und invasive Urothelkarzinome anhand der Morphologie und Architektur mit unterschiedlicher Prognose.
  • Exakte uropathologische Diagnostik ist für optimale Therapieplanung wichtig.
  • Das „Understaging“ stellt bei der Diagnostik eines Urothelkarzinoms (34–70 % je nach T-Kategorie), weiterhin ein relevantes Problem dar und kann eine negative Auswirkung auf den Verlauf der Erkrankung haben.
  • Gut erhaltenes Gewebe bei der TUR sowie enge Kommunikation zwischen Urologen und Pathologen spielen für die korrekte Diagnose und Therapieplanung eine entscheidende Rolle.
  • Urothelkarzinome sind häufig mit histologischen Varianten assoziiert, die teilweise entscheidende prognostische und klinische Relevanz haben. Deren explizite Benennung bzw. Quantifizierung im pathologischen Befund ist deshalb von großer Bedeutung
  • Varianten mit veränderten Wachsmustern (mikropapilläre, plasmozytoide bzw. nestartige Variante des Urothelkarzinoms) sind oft mit schlechter Prognose assoziiert. Die Wirksamkeit systemischer Chemotherapie ist hier unklar.
  • Die vorliegende Evidenz für die meisten histologischen Urothelkarzinom Varianten reicht aktuell für optimale Therapieempfehlungen nicht aus; weitere biologische und klinische Studien sind dafür notwendig.
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