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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 09.09.2022

REM-Schlaf, charakteristische Veränderungen in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie

Verfasst von: Werner Cassel und Sebastian Canisius
Im physiologischen Schlaf werden Schlafstadien durchlaufen, die zyklisch wiederkehrend in einer bestimmten Abfolge auftreten. Aufgrund charakteristischer Veränderungen der Signale von Elektroenzephalogramm (EEG), Elektrookulogramm (EOG) und Elektromyogramm (EMG) in der Polysomnographie (PSG) lassen sich diese Schlafstadien differenzieren. In der Kardiorespiratorischen Polysomnographie werden zusätzlich Parameter der Atmung und der Herz-Kreislauf-Funktion registriert, sodass auch charakteristische Veränderungen der autonomen Funktionen erfasst werden.

Englischer Begriff

characteristic changes in cardiorespiratory polysomnography during REM-sleep

Definition

Im physiologischen Schlaf werden Schlafstadien durchlaufen, die zyklisch wiederkehrend in einer bestimmten Abfolge auftreten. Aufgrund charakteristischer Veränderungen der Signale von „Elektroenzephalogramm“ (EEG), „Elektrookulogramm“ (EOG) und „Elektromyogramm“ (EMG) in der Polysomnographie (PSG) lassen sich diese Schlafstadien differenzieren („Polysomnographie und Hypnogramm“). In der Kardiorespiratorischen Polysomnographie („Kardiorespiratorische Polysomnographie“) werden zusätzlich Parameter der Atmung und der Herz-Kreislauf-Funktion registriert, sodass auch charakteristische Veränderungen der autonomen Funktionen („Autonomes Nervensystem“) erfasst werden. Siehe auch „Messung im Schlaflabor“; „Motorik“.

Grundlagen

Bei Erwachsenen nimmt der Rapid-Eye-Movement-Schlaf etwa 20–25 % des Schlafs ein. Dabei nimmt der relative Anteil der REM-Phasen pro Schlafzyklus in den frühen Morgenstunden zu. Während des Nachtschlafs stehen REM-Phasen am Ende eines Schlafzyklus, weswegen auch von NREM-REM-Zyklen oder von REM-Zyklen anstatt von Schlafzyklen gesprochen wird.

Charakteristika von Hirnstromkurve, Augenbewegungen und Muskelaktivität

Die Klassifizierung der Schlafstadien erfolgt standardisiert nach den Kriterien der American Academy of Sleep Medicine (AASM). Bewertet wird in Epochen von 30 Sekunden Dauer (Abb. 1 und 2). Die drei REM-charakteristischen Kriterien sind: gemischte niedrigamplitudige EEG-Frequenzen ohne K-Komplexe und Schlafspindeln, schnelle Augenbewegungen und niedriger Muskeltonus. Wenn diese drei Kriterien alle erfüllt sind, spricht man von „definitivem“ REM-Schlaf (Stadium R). Eine oder mehrere Epochen, die definitivem REM-Schlaf vorhergehen oder folgen, werden auch ohne das Auftreten schneller Augenbewegungen als REM als REM-Schlaf bewertet, wenn gemischte niedrigamplitudige EEG-Frequenzen ohne K-Komplexe und Schlafspindeln, der REM-typische niedrige Muskeltonus und keine Arousal vorhanden sind.
EEG
Es treten gemischtfrequente, niedrigamplitudige Wellen und Betawellen mit einer Frequenz von 13–30 Hz und niedriger Amplitude auf. Dieses EEG-Muster ist der EEG-Aktivität im Wachzustand ähnlich und gleicht in gewisser Weise auch derjenigen im Stadium N1. Jedoch treten hier nicht die für Stadium 1 beschriebenen scharfen und spitzen Wellen auf. Gelegentlich zeigen sich sogenannte Sägezahnwellen zusammen mit einer deutlichen Häufung der charakteristischen schnellen Augenbewegungen. Im Regelfall zeigt sich im REM-Schlaf mehr Alphaaktivität als im Stadium N1. Es finden sich keine Schlafspindeln oder K-Komplexe.
EOG
Während des REM-Schlafs zeigt eine plötzlich auftretende, relativ scharf konturierte (initialer Ausschlag dauert <500 ms) und hochamplitudige Aktivität im Elektrookulogramm die beidseitigen schnellen Augenbewegungen an. Das Auftreten von schnellen Augenbewegungen ist jedoch für das Scoring des Schlafstadiums nicht in jeder Auswerteepoche notwendig, da sie auch im REM-Schlaf nur phasisch auftreten („definitiver“ oder phasischer REM-Schlaf) und somit zwangsläufig Epochen mit REM-Schlaf auch ohne das Auftreten der Augenbewegungen durch die einschlägigen EEG- und EMG-Veränderungen erkannt werden können („nicht-definitiver“ oder tonischer REM-Schlaf).
EMG
Der Tonus der quergestreiften Muskulatur mit Ausnahme von Herz-, Zwerchfell- und Augenmuskulatur ist während des REM-Schlafs deutlich herabgesetzt und niedriger als in allen anderen Schlafstadien („Motorik“). Dennoch kann es insbesondere im Zusammenhang mit schnellen Augenbewegungen zu einem leichten Anstieg der tonischen EMG-Aktivität oder sogar zu einigen kurzen deutlichen Peaks in der phasischen Aktivität des Elektromyogramms kommen (transiente Muskelaktivität). Für das Scoring des Schlafstadiums spielen diese kurzen vorübergehenden Anstiege in der Amplitude des Elektromyogramms keine Rolle.

Charakteristika von Atmung und Herz-Kreislauf-Funktion

EKG
Der Mittelwert der Herzfrequenz im REM-Schlaf entspricht etwa der des Schlafstadiums N2. Das bedeutet, dass eine Steigerung der Herzfrequenz, des Herzzeitvolumens und des Blutdrucks gegenüber dem vorangegangenen Tiefschlaf zu beobachten ist. Zusätzlich kann es zu einer ausgeprägten Variabilität der Herzfrequenz kommen. Siehe auch „Herz-Kreislauf-System“; „Herzrhythmusstörungen“.
Atmung
Die „Atmung“ im REM-Schlaf ist durch eine unregelmäßige Amplitude und Atemfrequenz charakterisiert („Atmungsmessung“). Meist sind die Irregularitäten mit den schnellen Augenbewegungen assoziiert. Beim ersten Auftreten wird das Atemzugvolumen stark reduziert, um dann für wenige Atemzüge anzusteigen. In der REM-Phase dominiert der verhaltensinduzierte Atemantrieb, während die metabolisch gesteuerte Atmungsregulation eher entkoppelt wird. Die relative Instabilität der Atmungsregulation im REM-Schlaf zeigt sich daran, dass auch beim Gesunden einzelne kurze zentrale Apnoen vorkommen können.
Transkutane Sauerstoffsättigung
Im REM-Schlaf liegt die transkutane Sauerstoffsättigung im Mittel etwas niedriger als im Wachzustand. Diese Veränderung ist in erster Linie auf die Verringerung des Atemminutenvolumens durch eine Herabsetzung des Atemzugvolumens zurückzuführen. Weiterhin kommt es in Assoziation zu einzelnen Apnoen im REM-Schlaf oft zu stärkeren Fluktuationen der Sättigung.

Körperlage

Körperlagesignal
Die Körperlage wird entsprechend der relativen Atonie der quergestreiften Muskulatur weitgehend konstant eingehalten. Ein Wechsel der Körperlage ist in der Regel mit einem Arousal und einem Wechsel in das Stadium N1 oder in das Stadium Wach begleitet.

Besonderheiten im REM-Schlaf

Die Instabilität der Atmungsregulation und die Variabilität von Herzfrequenz und Blutdruck im REM-Schlaf sind der Grund, warum zahlreiche Formen der schlafabhängigen autonomen Dysfunktion am deutlichsten während ausgedehnter REM-Schlafphasen in den frühen Morgenstunden auftreten. Das sind beispielsweise „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ (SBAS), hierbei speziell Hypoventilationsphasen, oder „Herzrhythmusstörungen“, hier besonders Blockbilder, stumme kardialen Ischämie und sehr hohe Blutdruckwerte (siehe „Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“; „Schlafbezogene Hypoxämie“; „Koronare Herzkrankheit“; „Bluthochdruck“).
Die Regulation der Körpertemperatur findet im REM-Schlaf nicht oder nur eingeschränkt statt. Um im REM-Schlaf eine bei niedriger Umgebungstemperatur eingetretene Abkühlung oder eine bei Hitze eingetretene Überwärmung zu korrigieren, muss der REM-Schlaf unterbrochen werden. Erst nach dem Wechsel in ein NREM-Schlafstadium oder in den Wachzustand funktioniert die „Thermoregulation“ wieder regelrecht und Zustände der Abkühlung werden wieder durch gesteigerte Verbrennung in der Muskulatur und Zustände der Überwärmung wieder durch Verdunstungskälte bei Transpiration ausgeglichen.
Regelhaft kommt es in den REM-Phasen zu Penis- oder Klitoriserektionen („Erektionsstörungen und nächtliche penile Tumeszenz“). Albträumen („Albträume“) oder die „REM-Schlaf-Verhaltensstörung“, bei der die normale muskuläre REM-Atonie nicht eintritt, treten streng an den REM-Schlaf gebunden auf.
Die meisten episodischen „Träume“ finden im Schlafstadium R statt. Auch im NREM-Schlaf können Träume vorkommen, sie sind jedoch meist nicht episodisch und wenig strukturiert, sodass sie noch seltener erinnert werden. Wie der Tiefschlaf scheint auch der REM-Schlaf wichtig für die Gedächtnisbildung zu sein. Unter selektivem REM-Schlafentzug leidet prozedurales Lernen deutlich. Der REM-Anteil von etwa 50 % an der etwa 16 Stunden dauernden Gesamtschlafzeit eines Säuglings sinkt im Laufe der Ontogenese auf etwa 20–25 % beim jungen Erwachsenen und auf Werte darunter im Laufe des Lebens („Lebensalter“). Es gibt Hinweise, dass das Phänomen der konstant hohen REM-Anteile bei Kindern und Jugendlichen mit der hohen Lernintensität dieser Altersstufen zusammenhängt und wohl auch das erfolgreiche Lernen begünstigt. Für das Säuglingsalter wird eine Unterstützung der Hirnreifung durch die REM-Schlaf-bedingte Gehirnstimulation diskutiert.
Beim nächtlichen Schlaf tritt der REM-Schlaf meist 70–90 Minuten nach Schlafbeginn auf. Verkürzte REM-Latenzen von 40–50 Minuten werden oft bei Patienten mit Depressionen beobachtet. Wenn REM kurz nach Schlafbeginn (<20 min) auftaucht, spricht man von SOREM (Sleep Onset REM). Besonders wenn dies im Multiplen Schlaflatenztest auftritt, gilt es als Hinweis für Narkolepsie.

Bewertung

Die EEG-Aktivität ähnelt derjenigen im Wachzustand. Schlecht trainierte „Scorer“ ohne ausreichendes Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge im Schlaf verwechseln häufig die polysomnographischen Befunde des Wachzustands mit denjenigen des REM-Schlafs. Besonders leicht kann dies bei Patienten mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung passieren, bei denen ein Hauptkriterium der REM-Schlafs, der niedrige Muskeltonus, nicht auftritt. Ähnlich Probleme können beim Einsatz von automatischen Auswertesystemen auftreten, besonders wenn schlecht kalibrierte und nicht vidierte Registrierungen „ausgewertet“ werden.
Zirkadian-rhythmisch tritt REM-Schlaf am ausgeprägtesten in den späten Nachtstunden beziehungsweise frühen Morgenstunden und somit innerhalb der Gesamtschlafperiode eher im letzten Teil auf. Ferner wird die volle Ausprägung der REM-Phasen dadurch begünstigt, dass in den zwei ersten Schlafzyklen viel Tiefschlaf aufgetreten ist. Anpassungsschwierigkeiten an den Schlaf unter Schlaflaborbedingungen können daher in der ersten Nacht REM unterdrücken. Ebenso werden bei tagsüber durchgeführten Schlafuntersuchungen in der Regel sehr geringe REM-Anteile gefunden. Die ungewohnte Umgebung und die am Körper angebrachten Elektroden, Sensoren und Verbindungskabel führen bei vielen Patienten in der ersten Nacht im Schlaflabor zu einem subjektiv und oftmals auch objektiv schlechten Schlaf (First-Night-Effekt). Aufgrund dieser Einschränkungen sollten kritische diagnostische Untersuchungen möglichst über zwei Nächte durchgeführt werden, da innerhalb der ersten Messnacht eine ausreichende Gewöhnung an die Untersuchungsbedingungen im Schlaflabor eintreten kann und somit erst die Ergebnisse der zweiten Messnacht im Schlaflabor voll aussagefähig sind.
Literatur
Aserinski E, Kleitman N (1955) Two types of ocular motility occuring in sleep. J Appl Physiol 8:1–10CrossRef
Berry RB, Brooks R, Gamaldo CE, Harding SM, Lloyd RM, Marcus CL, Vaughn BV for the American Academy of Sleep Medicine (2015) The AASM manual for the scoring of sleep and associated events: rules, terminology and technical specifications, version 2.2. www.​aasmnet.​org. American Academy of Sleep Medicine, Darien