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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 03.04.2021

Schlafdauer

Verfasst von: Christian Cajochen
Ungeachtet großer Fortschritte in der Schlafforschung und in der Diagnostik verschiedener Schlafstörungen, gibt es noch keine Antwort auf die fundamentale Frage, wie viel Schlaf der Mensch eigentlich braucht. Die habituelle Schlafdauer liegt bei der erwachsenen Bevölkerung Europas und Nordamerikas durchschnittlich bei sieben bis acht Stunden pro Nacht. Chronische Verkürzung der Schlafdauer kann zu erheblichen Gesundheitsproblemen führen.

Englischer Begriff

sleep duration

Definition

Ungeachtet großer Fortschritte in der Schlafforschung und in der Diagnostik verschiedener Schlafstörungen, gibt es noch keine Antwort auf die fundamentale Frage, wie viel Schlaf der Mensch eigentlich braucht. Die habituelle Schlafdauer liegt bei der erwachsenen Bevölkerung Europas und Nordamerikas durchschnittlich bei sieben bis acht Stunden pro Nacht, wobei dieser Wert laut letzten Umfragen eher bei sieben Stunden liegt. Sehr groß sind interindividuelle, kleiner intraindividuelle Schwankungen, und die Schlafdauer variiert je nach Alter, Geschlecht, zirkadianer Phasenlage, der Jahreszeit und in Abhängigkeit des Breitengrades. Bei psychischen und somatischen Erkrankungen oder situativen Einflüssen wie Stress im Beruf kann sich die Schlafdauer zudem extrem verändern. Wenn die habituelle Schlafdauer unter Laborbedingungen für wenige Tage um ein bis drei Stunden verkürzt wird, zeigen sich massive Einschränkungen in der Aufmerksamkeit, Schläfrigkeit, Stimmung, Immunfunktion, in endokrinen Funktionen („Endokrinium“) und ein Anstieg in Appetit- und Hungergefühl. Das zeigt, dass eine chronische Verkürzung der Schlafdauer zu erheblichen Gesundheitsproblemen führen kann. Eine epidemiologische Umfrage mit über einer Million Befragten erbrachte einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Mortalitätsrate, mit besten Überlebensraten für Personen, die normalerweise sieben Stunden schlafen. Dies ist jedoch noch kein Beweis für einen Kausalzusammenhang. Eine chronische Schlafverkürzung, die vor allem in industrialisierten Ländern durch Schlafstörungen, unregelmäßige Arbeitszeiten und modernem „Lifestyle“ verursacht wird, und ihre negativen Auswirkungen auf die Tagesschläfrigkeit, kognitiven Funktionen, Fahrsicherheit im Verkehr, Stimmung und Physiologie des Menschen einschließlich seiner Energieregulation darf nicht unterschätzt werden. Siehe auch „Einschlafen am Steuer“ und „Einschlafen am Arbeitsplatz“.

Grundlagen

Habituelle Schlafdauer

Das gegenwärtige Wissen zur habituellen Schlafdauer und dem Schlafbedarf beim Menschen beruht in erster Linie auf Umfrageergebnissen. Demnach weist die Schlafdauer in der erwachsenen Bevölkerung eine annähernde Normalverteilung mit einem Mittelwert von 7,5–8 Stunden und einer Standardabweichung von zirka einer Stunde auf, wobei dieser Wert in jüngster Zeit eher auf im Mittel sieben Stunden abnimmt (Abb. 1). Gemäß Umfragen in den USA ist der Anteil an Jugendlichen, die weniger als sieben Stunden pro Nacht schlafen, zwischen 1960 und 2002 von 15,6 % auf 37,1 % gestiegen. In kürzlich erhobenen Umfragen und Metaanalysen konnte aber keine signifikante Abnahme der menschlichen Schlafdauer über die letzten 50 Jahren bestätigt werden. Dies gilt sowohl für die subjektiv erhobene Schlafdauer sowie für die objektiv gemessene Schlafdauer mittels Polysomnographie und Aktimetrie. Auch wurde in präindustriellen Naturvölkergesellschaften eine ähnliche Schlafdauer gemessen wie in modernen Industriegesellschaften. Allerdings muss man berücksichtigen, dass in diesen Untersuchungen meistens Nickerchen während des Tages nicht berücksichtigt wurden. Allgemein unterliegt die Schlafdauer beim Menschen erheblichen inter- und intraindividuellen Variationen, die eine eindeutige Beantwortung der Frage „Wie viel Schlaf braucht der Mensch“ erschweren. Zu den wichtigsten Einflussfaktoren gehören:
Alter
Die ersten Tage nach der Geburt verbringt der Säugling zu zwei Drittel schlafend (12–17 Stunden). Alle zwei bis sechs Stunden wacht er auf und schläft kurz danach wieder ein. Der Schlaf ist dabei nahezu gleichmäßig auf 24 Stunden verteilt. Die Innere Uhr manifestiert sich noch nicht, eine zirkadiane Rhythmik ist kaum ersichtlich. Dieses polyphasische Schlafmuster dauert etwa bis zum sechsten Monat, dann kommt es allmählich zu einer Konzentration der Aktivitätsphasen auf die Tagesstunden und der Ruhephasen auf die Nachtstunden. Bei Vorschulkindern beträgt die Schlafdauer zirka zwölf Stunden, sinkt dann bei Zehn- bis Elfjährigen auf ungefähr zehn Stunden und beträgt bei 13-Jährigen im Mittel noch neun Stunden. Ab diesem Lebensalter tritt auch erstmals eine Zunahme der Schlafdauer am Wochenende gegenüber den Werktagen auf, gleichzeitig wird die Phasenlage des Nachtschlafs in der Pubertät nach hinten verschoben. So verschiebt sich der Zeitpunkt der mittleren Schlafphase von 3 Uhr morgens bei Zehnjährigen auf 5 Uhr morgens bei 18-Jährigen. Mit Eintritt in die Pubertät sinkt die Schlafdauer weiter auf acht Stunden. Danach tritt eine weitere, aber weniger rasche Reduktion der Schlaflänge auf, die schon bei 20- bis 40-Jährigen messbar ist. Ab 60 Jahren stabilisiert sich der Abfall der Schlafdauer und nimmt im Rentenalter sogar wieder etwas zu (Abb. 2). Die im Alter berichtete Abnahme der Hauptschlafepisode relativiert sich einerseits durch vermehrte Kurzschlafphasen am Tage, andererseits aber auch durch die gleichzeitige Zunahme von Schlafstörungen („Lebensalter“).
Genetische Einflüsse
Stabile interindividuelle Differenzen in der Länge der Schlafdauer werden bereits bei Babys im ersten Lebensjahr gefunden. Extreme Kurzschläfer oder Langschläfer sind jedoch selten. In einer Umfrage Ende der 1970er-Jahre schliefen lediglich vier von 1000 befragten Personen vier bis fünf Stunden, und nur eine unter 1000 schlief weniger als vier Stunden. Auch Langschläfer mit zehn Stunden und mehr Schlaf waren relativ selten. Neue Erkenntnisse zeigen, dass grundlegende Vorgänge der „Schlafregulation“ sowohl bei Kurz- wie auch Langschläfern in gleicher Weise ablaufen und somit nicht erklären können, weshalb Kurzschläfer mit einigen Stunden weniger Schlaf auskommen als Langschläfer. Kurzschläfer scheinen höheren Schlafdruck besser zu tolerieren als Langschläfer, was sich in einer besseren kognitiven Leistung unter hohem Schlafdruck manifestiert. In einer genomweiten Assoziationsstudie wurde ein Kandidatengen für die Schlaflänge beim Menschen in einem unterschiedlichen Intron des Gens einer Kaliumkanaluntereinheit (ABCC9) gefunden. Der Unterschied beruht auf einem Einzelnukleotidpolymorphismus (SNP), was bedeutet, dass Menschen, die ein Adenin anstelle eines Guanins auf beiden Chromosomen an dieser spezifischen Stelle besitzen, 5 % länger schlafen. In Europa liegt der Anteil der Langschlafvariante bei 4 % in der untersuchten Population, die im Durchschnitt 24 Minuten pro Tag länger schlafen als Menschen ohne diese Genvariante. Zusätzlich wurde eine andere Genvariante gefunden, die das Protein DEC2 beeinflusst, das hemmend auf den autoregulatorischen Feedback-Loop der zirkadianen Uhr wirkt. Menschen mit einer Punktmutation im Gen für DEC2 haben eine geringere Hemmwirkung auf die Taktgeberproteine der Inneren Uhr und zeigen ein verringertes Schlafbedürfnis und eine verkürzte Schlafdauer von ca. 1,5 Stunden täglich. Kürzlich wurde eine weitere DEC2-Variante entdeckt, deren Auswirkung auf das Schlafverhalten in über 100 Zwillingspaaren untersucht wurde und bei denen jeweils der eine das „normale“ DEC2-Gen und der andere die mutierte Variante aufwies. Die Zwillinge mit der mutierten DEC2-Variante schliefen auch in dieser Studie ca. 1,5 Stunden kürzer, und nach einem 38-Stunden-Schlafentzug schliefen die „normalen“ Zwillinge 1,5 Stunden länger als die Träger der mutierten Variante.
Geschlecht
Inwieweit es geschlechtsspezifische Unterschiede im Schlafbedarf gibt, wie es die höhere Prävalenz von Schlafstörungen bei Frauen zumindest nahe legt, ist bislang nicht eindeutig belegt. Unter zeitgeberfreien Bedingungen ist die Schlafdauer bei Frauen gegenüber Männern länger (9,8 vs. 8,4 Stunden). Dieser Unterschied konnte in Umfragestudien größtenteils bestätigt werden, falls zwischen Arbeitstagen und freien Tagen unterschieden wurde, mit kürzer angegeben Schlaflängen bei Männern an Arbeitstagen im Vergleich zu den Frauen.
Zirkadiane Phasenlage der Hauptschlafepisode
Stärker als von der Dauer der vorangehenden Wachepisode hängt die Schlafdauer von der zirkadianen Lage der Hauptschlafepisode ab. In sogenannten Freilaufstudien im Bunker wurde sogar über eine negative Beziehung zwischen der vorangehenden Wachdauer und der nachfolgenden Schlafdauer berichtet. Dies ist überraschend, da man von einer erholenden Funktion des Schlafs ausgeht und daher eher eine positive Korrelation erwartet. Diese negative Korrelation betont die Bedeutung der zirkadianen Modulation der Schlafdauer. Die Tendenz zu erwachen ist groß während der aufsteigenden Phase des Körpertemperaturrhythmus am Vormittag zwischen 6:00 Uhr und 12:00 Uhr („Chronobiologie“). Folglich ist die Länge der Schlafdauer abhängig von der zirkadianen Phasenlage des Körpertemperaturrhythmus beim Zubettgehen: Schlafepisoden, die während des Körpertemperaturminimums beginnen, sind relativ kurz, solche, die während des Körpertemperaturmaximums beginnen, sind lang. Ein ähnliches Verteilungsmuster findet sich außerhalb des Labors bei Schichtarbeitern („Nachtarbeit und Schichtarbeit“).
Arbeitstage vs. freie Tage (Sozialer Jetlag)
Die Schlafdauer an Arbeitstagen ist meistens kürzer im Vergleich zu freien Tagen, vor allem bei Menschen, die in Industriegesellschaften leben. Diese Verkürzung ist oft auf einen frühen Arbeits- oder Schulbeginn zurückzuführen. Der Unterschied in der Schlafdauer zwischen Arbeits- und freien Tagen beträgt im Mittel ungefähr eine Stunde, ist aber stark altersabhängig (Abb. 2). So zeigen Jugendliche im Durchschnitt Abweichungen von zwei Stunden, während ältere Menschen keine wochentagabhängigen Abweichungen der Schlafdauer zeigen. In Rente lebende Menschen sind nicht mehr an Arbeitszeiten gebunden und bestimmen ihre Schlafenszeiten in der Regel eher nach ihren Bedürfnissen. Neben der Verlängerung der Schlafdauer an freien Tagen, vor allem an Wochenenden, verschiebt sich im Vergleich zu Arbeitstagen auch der Zeitpunkt der mittleren Schlafphase um bis zu zwei Stunden in die früheren Morgenstunden. Diese Tatsache wird als Schlafschuld verstanden, die sich über die Arbeitswoche akkumuliert, da gesellschaftliche und berufliche Anforderungen während der Arbeitstage dem biologischen Bedürfnis nach Schlaf entgegenwirken. Roenneberg prägte den Ausdruck „Sozialer Jetlag“ für dieses Phänomen und konnte zeigen, dass Personen mit großem sozialen Jetlag eher unter gesundheitlichen Beschwerden leiden und mehr nach Stimulanzien wie Nikotin greifen. Dies deutet darauf hin, dass gewisse Gesundheits- und Schlafprobleme sowie Suchtverhalten vor allem dann auftreten, wenn der innere Schlaf-Wach-Rhythmus nicht mit den gesellschaftlichen Zeitplänen übereinstimmt.
Jahreszeit
Unter zeitgeberfreien Bedingungen fanden Wirz-Justice und Mitarbeiter im Winter eine 20 % längere Schlafdauer vor als im Sommer. In einem Versuch hatten Wehr und Mitarbeiter nachgestellt, wie die Menschen vor der Entdeckung des elektrischen Lichts schliefen. Die Versuchspersonen gingen tagsüber ihrer normalen Arbeit nach, mussten sich aber mit dem Sonnenuntergang ohne Licht bis zum Morgengrauen hinlegen. Die Dunkelphase betrug 14 Stunden, was einer Dunkelperiode während der Winterzeit entspricht. Eine deutliche Zunahme der Schlafdauer von 7,6 Stunden in den Baseline-Nächten auf 10,6 Stunden konnte nach vier Wochen Winternächtestimulation beobachtet werden. Zudem erzählten die Versuchspersonen einhellig, dass sie nach 14 Stunden Schlaf und Dösen zum ersten Mal in ihrem Leben richtig verstanden hätten, was „ausgeruht sein“ wirklich bedeute. In unseren Breitengraden (Mitteleuropa) gibt jeweils eine Mehrheit (57,5 %) an, im Winter und Sommer gleich lang zu schlafen, während der Rest angibt, im Winter bis zu einer Stunde oder länger zu schlafen. Es ist nicht bekannt wie viele der letzteren unter einer Winterdepression leiden, die häufig mit einer Hypersomnie einhergeht.
Habituelle Schlafdauer versus Schlafbedarf
Fragwürdig ist, ob die in Umfragen berichtete habituelle Schlafdauer gleichzusetzen ist mit dem eigentlichen Schlafbedarf. So äußern zirka zwei Drittel der Befragten regelmäßig den Wunsch nach mehr Schlaf. Wie oben beschrieben, haben wir die Fähigkeit, länger zu schlafen, wenn die Gelegenheit dazu geboten wird. Die Frage stellt sich demnach, ob unsere Gesellschaft chronisch schlafdepriviert ist. Die ideale Schlaflänge sollte so lange dauern, dass keine Aufmerksamkeitsdefizite, kognitive Leistungseinbußen und Schläfrigkeit während des Wachseins auftreten. In einer Studie wurde diese ideale Schlafdauer experimentell eruiert, indem man Versuchspersonen über längere Zeit ausschlafen ließ. Unter solchen Bedingungen pendelte sich die Schlafdauer im Durchschnitt bei 8,17 Stunden ein. In einem großangelegten Experiment, das den dosisabhängigen Effekt von chronischem Schlafentzug untersuchte, kam man zum Schluss, dass der tägliche Nachtschlaf im Durchschnitt 8,16 Stunden betragen muss, um Einbußen in der Aufmerksamkeit während des Wachseins zu vermeiden. In einer in Großbritannien durchgeführten Umfrage sind genau die Personen mit einer Schlafdauer zwischen acht bis neun Stunden auch diejenigen, die sich glücklicher, zufriedener und erfolgreicher fühlen im Vergleich zu Personen, die mehr oder weniger als acht bis neun Stunden schlafen (Abb. 3).

Kernschlaf und optionaler Schlaf

In den 1980er-Jahren wurde vorgeschlagen, dass sich die nächtliche Schlafepisode normalerweise aus zwei Schlaftypen zusammensetzt, die sich hinsichtlich ihrer Funktion unterscheiden: einem Kern- und einem optionalen Schlaf. Die ersten vier bis sechs Stunden nach Schlafbeginn wurden als „Kernschlaf“ oder als obligatorischer Schlaf bezeichnet. Horne und Mitarbeiter postulierten, dass der Kernschlaf zur „Regeneration des Großhirns“ diene, das während der Wachepisode stark beansprucht wurde. Zusätzlicher Schlaf, der dem Kernschlaf folgt, wurde als Luxusschlaf definiert, der „die langweiligen Stunden der Finsternis bis zum Sonnenaufgang“ füllt. Gemäß der Kernschlaftheorie ist nur der Kernteil des Schlafs, der durch den langsamwelligen Schlaf (SWS) beherrscht wird, erforderlich, um Aufmerksamkeitseinbußen und kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen während des Wachseins entgegen zu wirken. Der optionale Schlaf trägt zur neurokognitiven Erholung nichts bei. Diese Theorie wurde durch Ergebnisse eines mathematischen Modells der Schlaf-Wach-Regulation gestützt (Drei-Prozess-Modell), das voraussagte, dass neurokognitive Funktionen in erster Linie während des langsamwelligen Schlafs wiederhergestellt werden. Gemäß diesem Modell dürfte eine Verkürzung der Schlafdauer auf sechs Stunden zu keinen Leistungseinbußen in kognitiven Funktionen führen. Im Gegensatz zu dieser Vorhersage stehen jedoch Ergebnisse einer Studie, welche die Auswirkungen von chronischem „Schlafentzug“ mittels vier, sechs oder acht Stunden Nachtschlafepisoden auf die kognitive Leistung untersuchte. Dinges und Mitarbeiter konnten klar zeigen, dass neurokognitive Leistungen relativ stabil bleiben, wenn Versuchspersonen während zwei Wochen jeweils acht Stunden pro Nacht schlafen durften. Es wurden jedoch starke kumulative und dosisabhängige Einbußen in der neurokognitiven Leistung und der Aufmerksamkeit sowie ein Anstieg der Tagesschläfrigkeit in der Gruppe mit sechs und vier Stunden Schlafdauer gemessen.
Neben Veränderungen im neurokognitiven Bereich, hat eine Verkürzung der Schlafdauer auch Konsequenzen für endokrinologische Parameter. Nach Spiegel und Mitarbeitern werden neuroendokrine Hormone wie Grehlin und Leptin, die Hunger und Appetit regulieren, durch die Dauer der nächtlichen Schlafepisode beeinflusst. Leptin wurde durch eine Verkürzung der Schlafdauer auf vier Stunden um 18 % gesenkt, während die Tageswerte von Ghrelin um 28 % angehoben wurden. Dies führte bei den Versuchspersonen zu einem Anstieg im subjektiven Empfinden von Hunger und Appetit um 24 %, vor allem auf kohlenhydratreiche Nährstoffe wie Süßigkeiten und Salzgebäck, weniger aber auf eiweißreiche Nährstoffe. Die Hunger- und Appetitsteigerung während der Verkürzung der Schlafdauer korrelierte signifikant mit der Zunahme des Ghrelin/Leptin-Verhältnisses (siehe auch „Metabolismus“; „Neurotransmitter“). Diese Laborergebnisse wurden kürzlich durch eine Feldstudie mit über 1000 Freiwilligen erhärtet: Personen mit kurzer Schlafdauer hatten niedrige Leptinwerte, erhöhte Ghrelinwerte und einen erhöhten Body-Mass-Index (BMI). Die Autoren dieser Studie spekulierten darüber, ob die kontinuierliche Zunahme des BMI bei der nordamerikanischen Bevölkerung etwas zu tun haben könnte mit der gleichzeitigen Abnahme der mittleren Schlafdauer über die letzten 40 Jahre.
Eine Verkürzung der Schlafdauer in Laboruntersuchungen führte auch zu einer verminderten Glukosetoleranz bei jungen gesunden Versuchspersonen. Dieses Ergebnis wurde in einer Umfragestudie bestätigt, in der über 1400 Personen nach ihrer Schlafdauer gefragt wurden und anschließend mit einem oralen Glukosetoleranztest getestet wurden. Eine Schlafdauer von weniger als sechs oder mehr als neun Stunden war mit einer erhöhten Prävalenz von „Diabetes mellitus“ und einer eingeschränkten Glukosetoleranz verbunden. Interessanterweise wurden ähnliche Beziehungen zwischen der Schlafdauer und der Mortalitätsrate berichtet: Die Mortalitätsrate ist erhöht bei einer habituellen Schlafdauer von weniger als sieben Stunden oder mehr als acht Stunden. Vorsicht ist jedoch bei spekulativen Interpretationsversuchen der Ergebnisse geboten, denn Umfragen an noch so großen Probandenzahlen erlauben keine Überprüfung von Kausalbeziehungen.

Empfehlungen

Die National Sleep Foundation berief ein 18-köpfiges multidisziplinäres Expertengremium ein, um die wissenschaftliche Literatur hinsichtlich der Empfehlungen für die optimale Schlafdauer für verschiedene Altersgruppen zu bewerten. Das Gremium kam übereinstimmend zum Schluss zu, dass für gesunde Personen mit normalem Schlaf die angemessene Schlafdauer für Neugeborene zwischen 14 und 17 Stunden, für Säuglinge zwischen 12 und 15 Stunden, für Kleinkinder zwischen 11 und 14 Stunden, für Kinder im Vorschulalter zwischen 10 und 13 Stunden und für Kinder im schulpflichtigen Alter zwischen 9 und 11 Stunden betragen sollte. Für Jugendliche wurden 8 bis 10 Stunden als angemessen angesehen, 7 bis 9 Stunden für junge Erwachsene und Erwachsene und 7 bis 8 Stunden Schlaf für ältere Erwachsene.
Literatur
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