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Systemische Psychotherapie – theoretische Grundlagen und ihre klinische Anwendung

Verfasst von: Arnold Retzer
Die systemische Psychotherapie ist – im Gegensatz zu anderen psychotherapeutischen Verfahren – weder der Entwurf einer Gründerpersönlichkeit, noch von Beginn an aus einem einheitlichen Theorieentwurf abgeleitet. Sie ist ein theoriegeleitetes Verfahren, das in der Auseinandersetzung mit theoretischen Entwicklungen auf der einen Seite und klinischen Erfahrungen auf der anderen Seite entstanden ist und sich weiter in Entwicklung befindet. Damit unterscheidet sich die systemische Psychotherapie nicht von anderen wissenschaftlichen Teildisziplinen der Medizin: Sie ist eine theoriegeleitete Erfahrungswissenschaft. Einfluss auf die theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie hatten u. a. Elemente verschiedener Systemwissenschaften wie Kybernetik, Informations- und Kommunikationstheorie. Ein wichtiges systemtheoretisches Konzept ist das der sich selbst erhaltenden Prozesse (Zirkularität). Sie können therapeutisch durch sog. Störungen unterbrochen werden. Wichtige Elemente der klinischen Anwendung sind das räumliche und zeitliche Setting, verschiedene Befragungstechniken, Auftragsklärung und Schlussintervention.

Historische Perspektive

Die ersten Anstöße zur Entwicklung der systemischen Psychotherapie kamen nicht aus einer neuen Theorie oder Methodik, sondern aus einem neuen Behandlungssetting: der Untersuchung und Behandlung ganzer Familien. Mit diesem neuen Setting entstand die Notwendigkeit, eine brauchbare Theorie und eine nützliche Methodik zu entwickeln, da sich völlig neue theoretische und pragmatische Fragen stellten.
Diese Entwicklung begann in den 1950er-Jahren in den USA. Unabhängig voneinander organisierten sich fast gleichzeitig 3 Forscher- und Therapeutengruppen: Theodor Lidz und Kollegen an der Universität in Yale (Lidz et al. 1958), Lyman Wynne und Kollegen am National Institute of Mental Health (Wynne et al. 1958) und Gregory Bateson und Kollegen in Palo Alto (Bateson et al. 1956). Alle 3 Gruppen entwickelten ihre Konzepte und Methoden im klinischen Umgang mit schizophrenen Patienten.
Für die weitere Entwicklung der Theorie und Praxis der systemischen Therapie im engeren Sinne wurden in den vergangenen 40 Jahren dann v. a. die nachfolgend genannten 3 Forscher- und Therapeutengruppen bedeutsam.
Die Palo-Alto-Gruppe
Sie entstand aus der schon erwähnten Gruppe um Gregory Bateson und entwickelte – beeinflusst durch die logische Typenlehre von Whitehead und Russel – die berühmte „Double-bind-Hypothese“. Ausgehend von einer Analogie zwischen einer „Pathologie der Logik“ und einer „Kommunikationspathologie“ besteht das therapeutische Ziel des Palo-Alto-Ansatzes in der Auflösung von Paradoxien der Kommunikation. Die therapeutischen Strategien sind das Gegenparadoxon und die therapeutische Doppelbindung . Die paradigmatische Technik bei der Realisierung dieser Strategien ist die Symptomverschreibung. Die therapeutische Arbeit „richtet sich auf die im Verhalten beobachtbare Interaktion in der Gegenwart und sie bedient sich absichtlicher Interventionen zur Veränderung eines Systemzustandes“ (Weakland et al. 1974, S. 369).
In diesem Modell wird die Aufrechterhaltung von Problemen dadurch erklärt, dass Lösungsversuche zum Problem werden. Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Palo-Alto-Ansatz betont das konkrete beobachtbare Verhalten sowohl bei der Beschreibung des Problems als auch bei der Entwicklung therapeutischer Interventionen. Die Position des Therapeuten ist strategisch definiert. Er hat die Verantwortung für die Veränderung seines Klienten.
Die Mailänder Gruppe
Die Mailänder Gruppe ist eine Forscher- und Therapeutengruppe um die Mailänder Psychotherapeutin Mara Selvini Palazzoli. Anknüpfend und aufbauend auf die Vorarbeiten der Palo-Alto-Gruppe (Watzlawick et al. 1967) entwickelte sie detaillierte Interventionsstrategien (Selvini Palazzoli et al. 1975), die sich als Gegenparadoxien zu pathologischen Paradoxien verstanden. Der innovative Beitrag zur Weiterentwicklung der Theorie und Praxis der systemischen Psychotherapie liegt jedoch in der Ausarbeitung einer spezifischen therapeutischen Gesprächs- und Interviewtechnik, der zirkulären Befragung (Selvini Palazzoli et al. 1980a). Diese Interviewtechnik orientiert sich radikal an kybernetischen und systemtheoretischen Modellen der Organisation lebender Systeme.
Die Heidelberger Gruppe
Sie ist eine Forscher- und Therapeutengruppe, die von Helm Stierlin 1974 initiiert wurde und sich aus einer Gruppe von Familientherapeuten mit einer psychoanalytischen Grundorientierung in eine Gruppe systemischer Psychotherapeuten entwickelte, deren klinischer Schwerpunkt die systemische Therapie der Psychosen, somatischer Erkrankungen und Essstörungen ist (Stierlin 1975, 1981; Weber und Stierlin 1989; Simon 1990; Retzer 1994a). Anknüpfend an die Vorarbeiten der Palo-Alto- und der Mailänder Gruppe integriert die Heidelberger Gruppe zusätzlich lösungsorientierte Ansätze (De Shazer 1985, 1988; White und Epston 1989), die konsequent auf die Entwicklung von Lösungen und weniger auf das Verstehen von Problemen ausgerichtet sind, und narrative Ansätze (Anderson und Goolishian 1990; Retzer 2002), die besonderen Wert auf die therapeutische Begegnung in der Sprache legen.

Theoretische Grundlagen der systemischen Therapie

Eine Darstellung der theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie ist nicht nur aus historischen Gründen eine sehr komplexe Aufgabe. Für zusätzliche Komplexität sorgen die verschiedenen Anleihen aus unterschiedlichen Systemwissenschaften, aus der Kybernetik, der Informations- und Kommunikationstheorie, der mathematischen Spieltheorie und der Chaostheorie. Die Gemeinsamkeit dieser Theorien ist ihr Gegenstand: die formalen Organisationsprozesse, die Entstehung, Erhalt und Veränderung von Strukturen bestimmen, unabhängig von der materiellen Beschaffenheit der konkreten Elemente dieser Strukturen.
Angeregt durch die Erweiterung eines Einzel- zu einem Mehrpersonensetting, entstand zunächst das dringende Bedürfnis nach einer theoretischen Abbildung, Erklärung und Bewertung teilweise völlig neuer Phänomene.

Kybernetik I. Ordnung

Systemtheorie
Die Systemtheorie (griech. „systema“ = das Zusammengesetzte) bot sich als Theorie zur Beschreibung von Familien an, da sie erklärt, warum die Ganzheit eines Systems sich qualitativ neu und anders verhält als die Summe seiner isoliert voneinander betrachteten Teile. Schon sehr früh stellte sich die Frage, wie komplexe Systeme ihre Struktur aufrechterhalten, wie sie Stabilität erzeugen. Hier brachte die Kybernetik mit ihren negativen Feedback-Schleifen erste Antworten, die bald schon zum Begriff der Familienhomöostase führten (Jackson 1957).
Informationstheorie
Sie versprach Antworten auf die Frage, was ein so komplexes zusammengesetztes System zu einer Einheit mit stabilen homöostatischen Eigenschaften werden lässt. Information wird zum verbindenden Element von Systemen und löst damit die Metapher der Energie ab, die bis dahin im Mittelpunkt der Erklärung psychischer und psychotherapeutischer Prozesse stand.
Mathematische Spieltheorie
Ein weiteres Element zur Abbildung der komplexen Dynamiken lebender menschlicher Systeme stellte schließlich die mathematische Spieltheorie zur Verfügung mit ihrer Unterscheidung von Null- und Nichtnullsummenspielen und der Erklärung für die Evolution von Kooperation (als Überblick s. Retzer 1991) und ihrer Orientierung an rationaler Ökonomie. Die Spieltheorie kommt ebenso wie die anderen schon erwähnten Systemtheorien ohne spekulative Annahmen über das Innere von Menschen aus und konzentriert sich auf Beobachtbares.
Chaostheorie
Schließlich wird als jüngste theoretische Anleihe auch aus der Chaostheorie geschöpft (Simon 1989), die sowohl den deterministischen Charakter chaotischer Phänomene erklärbar macht, als auch neue Begründungen von Veränderung bringt.
Diese erste Phase der Entwicklung von systemischer Therapie wird als eine Phase der beobachteten Systeme bezeichnet.

Kybernetik II. Ordnung

Ausgehend von erkenntnistheoretischen Entwicklungen in den 1970er- und 1980er-Jahren, die unter dem Begriff des radikalen Konstruktivismus zusammengefasst werden (Schmidt 1987), entwickelt sich eine neue Phase der systemischen Therapie, deren Theorie auch als eine Theorie beobachtender Systeme bezeichnet wird. Die jeweilige Ausgangsfrage ist
  • bei der Kybernetik I. Ordnung: Was beobachtet man, wenn man ein System beobachtet? Wie lässt sich das beschreiben und erklären?
  • bei der Kybernetik II. Ordnung: Was tut ein Beobachter, wenn er beobachtet und was bringt er durch seine Beobachtungen hervor?
Neue Phänomene, neue Fragen treten in den Vordergrund. Biologische Erkenntnistheorien und die damit verbundenen Theorien und Begriffe der operationalen Geschlossenheit von Systemen und der Autopoiesis (Erklärung Abschn. 2.4) werden zentral. Information gewinnt eine ganz neue Bedeutung. Es wird unterschieden zwischen Modellen der technischen Kommunikation und der menschlichen Kommunikation. In Modellen der technischen Kommunikation wird Information gesendet, übertragen und empfangen, und die Verbesserung der Kommunikation besteht in der Optimierung der Informationsübertragungswege. In menschlicher Kommunikation dagegen wird Information vom Empfänger erzeugt.

Vom Systemproblem zum Problemsystem

In den klassischen psychotherapeutischen Modellen und in naturwissenschaftlich-medizinischen Konzepten wird ein System (Körper, Organ, Psyche, Familie etc.) postuliert, das über eine gestörte Struktur oder Funktion ein Problem, ein Symptom oder eine Pathologie hervorbringt. Die Konzeption der systemischen Therapie der ersten Phase unterschied sich davon nicht. Der beobachtete Phänomenbereich war lediglich erweitert worden, aus einem Individuum war eine Familie geworden. Zeigte ein Mitglied dieser Familie ein Problem, so suchte man nach Erklärungen. Diese fand man in Veränderungen „dahinterliegender“ Strukturen, etwa der Familiendynamik. Früher war das Familienmitglied der Patient und hatte deshalb Symptome, nun war der Patient die Familie (Richter 1970), deren Symptome sich bei einem ihrer Mitglieder zeigten. Das System brachte ein Problem hervor.
Inzwischen wurden Konzepte entwickelt, die ein gänzlich anderes Verständnis ermöglichten: Am Beginn steht nun ein Problem und dieses Problem bringt ein (Kommunikations-)System hervor: ein Problemsystem. Die Etappen der Evolution eines Problemsystems lassen sich zusammenfassen:
  • Ein Beobachter, der auch Selbstbeobachter sein kann, beschreibt ein Phänomen als qualitativ oder quantitativ abweichend von seinen Erwartungen: Es wird etwas beobachtet, was nicht beobachtet werden sollte, oder es wird nichts beobachtet, wo etwas beobachtet werden sollte (qualitativ) oder es wird zu viel oder zu wenig von etwas beobachtet (quantitativ).
  • Zu dieser Beobachtung, die ein Beobachter beschreibt, kommt eine Bewertung hinzu, so dass ein Problem entstanden ist, wenn die qualitative oder quantitative Abweichung als Problem bewertet wird.
  • Der Beobachter entwickelt nun Erklärungen, die den Austausch mit sich selbst oder anderen als nützliches Vorgehen zur Reduzierung der negativ bewerteten Abweichung erklären. Es entsteht ein Kommunikationssystem um das durch einen Beobachter erzeugte Problem herum.
  • Dieses Kommunikationssystem kann eine erhebliche Komplexität annehmen und sich durch Kommunikation um und über das durch einen Beobachter hervorgebrachte Problem erhalten.
Ein Beispiel soll diesen Vorgang noch einmal verdeutlichen:
Beispiel
Eine Mutter beobachtet ihren Sohn Karl und einen Ausschnitt seines Verhaltens, sein Schulverhalten. Dies tut sie aber nicht direkt – sie beobachtet also nicht sein Verhalten in der Schule, sondern die schriftlich fixierten Beobachtungen und Bewertungen des Lehrers ihres Sohnes im Fach Mathematik. Wir haben hier die alltägliche Situation, in der ein Beobachter einen Beobachter beim Beobachten beobachtet. Die Mutter sieht eine „5“ und bewertet diese Beobachtung als Problem. Gleichzeitig entwickelt sie eine Erklärung für dieses durch Beobachtung und Bewertung hergestellte Problem: Karl ist faul! Dies reicht der Mutter, um ein Gespräch mit Karl zu führen. Sie teilt Karl ihre Bewertung und die aus ihren Erklärungen resultierenden Handlungskonsequenzen mit: „Du machst mir mehr für die Schule, der Gameboy wird weggeschlossen und Fernsehen gibt es nur noch eine halbe Stunde pro Tag!“
Vier Wochen vergehen und die Mutter erhält die Gelegenheit einer erneuten Beobachtung, Bewertung und Erklärung des schulischen Mathematikverhaltens ihres Sohnes. Karl bringt erneut eine „5“ nach Hause. Die Mutter nimmt wieder das Gespräch mit Karl auf und teilt ihm mit, dass sich nun ein Gespräch mit dem Vater nicht mehr vermeiden ließe. Dieses Gespräch findet einige Tage später statt, nachdem der Vater von einer längeren Geschäftsreise am späten Abend nach Hause kommt. Während des Gesprächs verspricht der Vater, eine Kanufahrt mit seinem Sohn am Wochenende zu unternehmen und ihn sich dann „mal so richtig vorzuknöpfen“.
Das Wochenende ist da. Vater und Sohn sind schon einige Stunden gut gelaunt und entspannt mit dem Kanu unterwegs. Der Vater beginnt mit dem Sohn ein Gespräch über dessen berufliche Zukunft: „Was willst Du denn später eigentlich mal werden?“ – „Kanufahrer!“ antwortet der Sohn. Man einigt sich schließlich – angesichts einiger seemännischer Herausforderungen des Flusses – darauf, dass auch bei offener beruflicher Zukunft es nicht schaden könnte, bessere Mathematiknoten nach Hause zu bringen. Es vergeht einige Zeit und Karls Mathematiknoten zeigen über die Zeit hinweg eine erstaunliche Stabilität: Sie bleiben schlecht. Gleichzeitig erfährt die Beziehung zwischen Vater und Mutter eine gewisse Instabilität, da die Klärung der Frage, welches Verhalten welchen Elternteils nun entscheidend die Mathematiknote verursacht, andere elterliche und eheliche Themen und Tätigkeiten in den Hintergrund rücken lässt.
Die Mutter hat eine beste Freundin, mit der sie sich oft trifft und sich sowohl über Probleme mit den Kindern als auch mit den Ehemännern austauscht. Diese Freundin berichtet von einem jungen, sehr engagierten Schulpsychologen, der sich wirklich Zeit für seine Klientel nimmt. Der Kontakt zum Schulpsychologen wird hergestellt und die entsprechenden Leistungstests durchgeführt. Das beratende Gespräch mit der Mutter ist lange, ausführlich und gut: Sowohl das mütterliche Verhalten als auch das intellektuelle Vermögen von Karl sind in Ordnung.
An dieser Stelle muss nun endlich ein Arzt weiterhelfen. Ein Kinderarzt mit neuropädiatrischer Schwerpunktsetzung ist schnell gefunden. EEG und neurologische Untersuchung zeigen keine gravierend auffälligen Befunde, aber eine Wiederholung der Untersuchungen in absehbarer Zeit ist wohl empfehlenswert. Der Kinderarzt arbeitet aber mit einem Familientherapeuten zusammen, dem er gerne die ganze Familie einmal vorstellen möchte ….

Phänomenbereiche von Körper, Psyche und Kommunikation

Neuere systemtheoretische Konzepte (z. B. Luhmann 1990) unterscheiden verschiedene menschliche Phänomenbereiche voneinander:
  • den Phänomenbereich des Körpers,
  • den Phänomenbereich des Erlebens, der Psyche oder des Bewusstseins und
  • den Phänomenbereich der Kommunikation (Retzer 1994a).
Der modernen systemischen Psychotherapie liegt also weder ein holistisches Modell zugrunde noch erhebt sie den Anspruch auf eine von ihr geleistete Überwindung des Dualismus von Geist und Körper, sondern diese Unterscheidungen werden zunächst sogar verschärft (Abb. 1).

Der Phänomenbereich des Körpers: das gelebte Leben

Unter gelebtem Leben wird all das zusammengefasst, was sprachlich als biologisch, physiologisch oder organisch von anderen Bereichen wie Geist, Seele oder Bewusstsein abgegrenzt wird. Für die Beschreibung der Organisation des gelebten Lebens, seiner allgemeinen Kennzeichen und Funktionen, haben Konzepte der Selbstorganisation an Bedeutung gewonnen: von kybernetischen Modellen (Cannon 1932) bis hin zur Chaostheorie (Gleick 1987). Eines dieser Modelle ist das von Maturana und Varela (Maturana 1982; Maturana und Varela 1984) vorgelegte Modell der Autopoiesis: Lebende Systeme werden als selbstreflexive Prozesse beschrieben, die eine selbstorganisierende bzw. selbstorganisierte Struktur erzeugen, die wiederum selbstorganisierende bzw. selbstorganisierte Prozesse erzeugt usw. Leben kommt zu seinem Ende, lebende Systeme sterben, wenn sich der selbstreferente Prozess nicht weiter aufrechterhält. Ein Beispiel für einen solchen Selbststruktur aufrechterhaltenden Prozess auf der Ebene der lebenden Zelle ist in Abb. 2 dargestellt.
Kennzeichen lebender Systeme
Kennzeichnend für lebende Systeme ist die Selbsterhaltung durch diese operationale Schließung. Lebende Systeme legen durch ihre Struktur fest, welche Zustandsänderungen eintreten können. Sie sind strukturdeterminiert (Maturana 1982). Äußere Einwirkungen aus der Umwelt können das Verhalten lebender Systeme nicht spezifizieren; instruktive Interaktionen (Maturana 1982) zwischen lebenden Systemen sind nicht möglich. Lebende Systeme können sich lediglich Deformationen ihrer Umwelt aussetzen, die entsprechend der eigenen internen Struktur dort zu Informationen verrechnet werden.
Lebende Systeme können sich – trotz ihrer Strukturdeterminiertheit und ihrer Unfähigkeit, sich Informationen von außerhalb ihrer selbst einzuverleiben, so aneinander koppeln, dass „das autopoietische Verhalten eines Organismus A zu einer Deformationsursache für einen Organismus B, und das kompensatorische Verhalten des Organismus B (…) seinerseits zur Deformationsursache für den Organismus A (wird), dessen kompensatorisches …“ (Maturana 1982, S. 222). Auf diese Weise entsteht ein Bereich ineinander verzahnter Interaktionen mit der Möglichkeit einer Strukturmodifikation.
Alle lebenden Systeme sind plastische Systeme, in denen es immer dann zu strukturellen Veränderungen kommt, wenn Deformationen stattfinden und systemintern verrechnet werden.
Somit bleibt für ein lebendes System keine Interaktion folgenlos, solange diese nur ausreichend deformierend war. Die strukturelle Kopplung plastischer interagierender Systeme ermöglicht eine Koontogenese der Strukturen der gekoppelten Systeme.
Veränderung und Stabilität
Voraussetzung für das (Über-)Leben eines lebenden Systems ist jedoch nicht allein die Fähigkeit zur Veränderung, sondern auch die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung von Stabilität. Veränderung und Stabilität und die Aufrechterhaltung ihres Gleichgewichts erhalten ihre operationale Bedeutung, wenn sich die Umwelt eines lebenden Systems in einer Weise verändert, d. h. wenn sie ausreichende Deformationen oder relevante Neuigkeiten für ein System anbietet. Dann wird sowohl Anpassung im Sinne der Veränderung von Struktur, als auch Stabilität der Organisation des deformierten Systems für ein weiteres Überleben in der veränderten Umwelt unabdingbar.

Der Phänomenbereich der Psyche: das erlebte Leben

Für das erlebte Leben lassen sich 3 funktionelle Bestandteile unterscheiden, die durch die Operationen gleichen Namens hergestellt werden (Abb. 3):
  • Beschreibung,
  • Erklärung und
  • Bewertung.
Beschreibungen
Sie bringen Unterscheidungen und Bezeichnungen hervor; etwa die Unterscheidung von krank und gesund. Kriterium zur Herstellung dieser Unterscheidung ist, dass etwas als vorhanden beschrieben wird, was nicht selbstverständlich vorhanden sein sollte, oder etwas als fehlend beschrieben wird, das nicht selbstverständlich fehlen sollte. Vereinfacht ausgedrückt: ein Zuviel oder ein Zuwenig (Simon 1995).
Erklärungen
Sie sind Bezeichnungen von Mechanismen darüber, wie das Unterschiedene und Bezeichnete auseinander hervorgeht, entsteht oder verursacht wird, wie also die hergestellte Grenze zwischen Unterschiedenem und Bezeichnetem überschritten werden kann. Wie etwa aus der selbstverständlichen Gesundheit die erklärungsbedürftige Krankheit wird und umgekehrt. Die erste Richtung der Grenzüberschreitung betrifft dann Modelle zur Ätiologie und Pathogenese, die zweite Richtung betrifft Therapie- oder Heilungsmodelle.
Bewertungen
Sie beziehen sich etwa auf die eigene Person und deren Verhalten, eigene Probleme und, am Beispiel von Krankheit und Gesundheit, auch auf die dafür ausersehenen Behandlungssysteme. Diese Bewertungen können als Instruktionen verstanden werden, die dem Bewerter mitteilen, wie er sich in Bezug auf eine von ihm beschriebene, erklärte und bewertete Situation zu verhalten hat.
Hier an der Schnittstelle von Erleben und Handeln ist die Produktion von Affekt sinnvoll anzusiedeln. Etwa mit Hilfe der von Osgood et al. (1975) entwickelten sprachanalytischen Theorie des semantischen Raums (Abb. 4), durch die Affekte als Bewertungen von Beschreibungen und Erklärungen erfasst werden können, entlang der 3 Dimensionen: stark – schwach, gut – böse und aktiv – passiv.
Wie für den Neandertaler ist auch heute für uns an dem Zeichen für eine Sache wichtig, ob es etwas Gutes oder Böses meint (ist es eine gute Antilope oder ein böser Säbelzahntiger?); zweitens, ob es etwas meint, was in bezug auf mich stark oder schwach ist (ist es ein starker Säbelzahntiger oder eine schwache Mücke?); drittens, ob es etwas Aktives oder Passives in bezug auf mich meint (ist es ein böser, starker Säbelzahntiger oder ein böser, starker Treibsand, um den ich einfach herumgehen kann?). Das Überleben hing damals wie heute von den Antworten ab (Osgood et al. 1975, S. 395).
Bewertet wird nicht nur die Umwelt, sondern gleichzeitig immer auch der Bewerter selbst. Aus dieser doppelten Bewertung ergibt sich die Handlungs- oder Unterlassungsinstruktion, die immer eine Selbstinstruktion ist. So macht es gänzlich andere Handlungen wahrscheinlich, ob ich den anderen als böse, passiv und schwach und mich selbst als gut, aktiv und stark bewerte oder den anderen als böse, aktiv und stark und mich selbst als gut, passiv und schwach. Durch eine sprachlich-pragmatische Bestimmung der Affekte als Ergebnis von Bewertung entsteht die Möglichkeit, sich im psychotherapeutischen Gespräch in die Produktion von Affekten einzumischen.
Erlebte Erzählungen
Die 3 Funktionsbereiche des erlebten Lebens verschränken sich ineinander und erzeugen so als „erlebte Erzählungen“ Handlungs- und Unterlassungsimplikationen, die zu vollzogenen oder unterlassenen Handlungen führen können. Sie organisieren Ereignisse und Erfahrungen, ermöglichen ein Erleben von Kontinuität und Kohärenz und bilden den Rahmen und Leitfaden zur Organisation und Interpretation der eigenen Erfahrung und des eigenen Handelns. Sie können jedoch niemals den vollen Reichtum der gelebten Erfahrung enthalten, konservieren und wiedergeben, sie sind immer unvollständig. Die Lebenserzählung entsteht und entwickelt sich immer als ein Selektionsprozess, durch den all das ausgeschlossen wird, was nicht in die Erzählung passt. Jede Erzählung blockiert damit notwendigerweise andere mögliche Erzählungen. „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er – oft unter gewaltigen Opfern – für sein Leben hält“ (Max Frisch 1976, S. 263). Lebenserfahrungen, die außerhalb des Rahmens der Lebenserzählung fallen, werden nicht wahrgenommen und existieren daher aus einem phänomenologischen Blickwinkel nicht.

Der Phänomenbereich der Kommunikation: das erzählte Leben

Unter erzähltem Leben soll hier das verstanden werden, was in die Kommunikation zwischen Menschen eintritt. Dies kann eine Erzählung im wörtlichen Sinne des Wortes sein, es kann aber auch eine Performance sein, d. h. all das, was hervorgebracht wird und von einem Beobachter durch seine Operationen des Unterscheidens und Bezeichnens als Zeichen beschrieben und mit Bedeutung versehen werden kann. Dabei kann natürlich auch die Abwesenheit von etwas dort, wo es erwartet wird, zu einem Zeichen werden. Die Bestandteile des erzählten Lebens sind kommunikative Akte. Abb. 5 zeigt den Bereich der Kommunikation zweier kommunizierender Personen. Sie befindet sich innerhalb des eingezeichneten Rahmens.
Verhältnis von System zu Umwelt
Das Verhältnis der 3 Phänomenbereiche zueinander wird als ein Verhältnis von System zu Umwelt angenommen. Die Elemente jedes Systems treten nicht in die anderen Systeme ein, sondern operieren nur im eigenen operational geschlossenen Bereich (Maturana 1982). Erzähltes Leben besteht aus kommunikativen Akten und nicht aus Vorstellungen, gleichwohl die kommunikativen Akte über Vorstellungen kommunizieren können. Das „Nichtgesagte“ der Kommunikation kann sich daher in diesem Modell nicht im Unbewussten oder in irgendeiner anderen postulierten psychischen Struktur befinden, nicht in der Zelle oder einer anderen biologischen Struktur und nicht in irgendeinem sozialen Gebilde wie etwa der Familie. Es befindet sich im Bereich der ungesprochenen kommunikativen Akte. Ungesprochenes befindet sich solange nirgends, bis es gesprochen ist.
Die jeweilige Umwelt kann niemals bestimmen, was das von ihr zur Verfügung gestellte Medium im System bewirkt: Instruktive Interaktion ist nicht möglich. Sie kann lediglich die Operationen des Systems begrenzen, d. h. bestimmen, welche Erlebnismuster einerseits oder welche Erzählmuster andererseits nicht realisiert werden können, jedoch niemals positiv, welche tatsächlich realisiert werden. Das Sprechen kann lediglich Erleben stören, jedoch kein Erleben determinieren (d. h. kausal bestimmen).
Gegenseitige Bestätigung von Erleben und Erzählen
Andererseits können sich Erleben und Erzählen in einem Prozess der Koevolution so aneinander koppeln, dass beide füreinander zu einer Bestätigung werden, solange sie nicht gestört werden. Etwa wie in dem bekannten Witz das Erleben und Handeln des händeklatschenden Mannes.
Beispiel
Ein Mann läuft händeklatschend durch eine Stadt. Ein anderer Mann begegnet ihm verwundert: „Warum klatschen Sie ständig in die Hände?“ – „Ich vertreibe dadurch die wilden und gefährlichen Elefanten!“ Sein Gesprächspartner will korrigieren: „Aber hier gibt es doch gar keine wilden Elefanten!“, woraufhin er die zufriedene Schlussfolgerung zu hören bekommt: „Da sehen Sie, wie gut das Händeklatschen wirkt!“
Ein anderes Beispiel für solche zirkulären stabilen Muster aus dem klinischen Alltag ist die nachfolgend geschilderte Episode.
Beispiel
Eine Mutter, deren Sohn die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie erhalten hatte, ruft zwischen zwei familientherapeutischen Sitzungen bei ihrem behandelnden Familientherapeuten an und berichtet am Telefon: „Herr Doktor, ich muss Ihnen noch etwas über meinen Sohn sagen, was er aber nicht wissen soll. Er ist nämlich der festen Überzeugung, es werde hinter seinem Rücken über ihn geredet!“
Formal lässt sich diese Koevolution in Form einer selbstbestätigenden Schleife darstellen (Abb. 6). Entsprechend diesem Modell ist dann systemische Psychotherapie (wie alle anderen Formen von Psychotherapie auch) die Bereitstellung einer sprachlichen Umwelt für das Erleben von sich in dieser Umwelt zu Wort meldenden Menschen.

Problem des Verstehens

Abb. 5 zeigt die Sprachumwelt von zwei miteinander kommunizierenden Personen. Hier stellen sich weitere Fragen:
  • Über welchen Phänomenbereich können wir als Beteiligte am Kommunikationsprozess Aussagen machen?
  • Auf was haben wir einen Zugriff? Und vor allem:
  • Was kann hier Verstehen heißen?
Damit sind für den Bereich der Psychiatrie die Grundfragen des Fachs gestellt. Mit diesen Fragen beschäftigen sich sowohl Psychiater als auch schizophrene Patienten. Schizophrene Symptome – etwa die Symptome ersten Ranges nach Kurt Schneider (1980) wie Gedankenlautwerden, -ausbreitung, -eingebung, -entzug, -beeinflussung, Gedachtwerden … – lassen sich als unzulässige Gewissheiten der Patienten erklären, unzulässige Gewissheit darüber, dass andere Zugang zum eigenen Erleben hätten. Umgekehrt sieht sich der Psychiater oft genug zu unzulässigen Gewissheiten genötigt, indem er Fragen über das Erleben anderer (etwa seiner Patienten) beantworten soll, ohne einen Zugang zum Erleben anderer zu haben. Auch hier lässt sich von unzulässiger Gewissheit sprechen.
Beispiel
Der Stationsarzt einer psychiatrischen Klinik erwägt, einen seiner Patienten zu entlassen. Er ist unsicher, ob der Patient so weit wiederhergestellt ist, dass er ihn entlassen kann. Ihm fällt ein, dass er einen Lügendetektor auf der Station hat. Er schließt seinen Patienten an den Lügendetektor an und fragt ihn, ob er Napoleon sei. Der Patient antwortet: „Nein“. Der Lügendetektor zeigt aber an, dass der Patient nicht die Wahrheit gesagt hat.

Konzepte des Verstehens

Viele Verstehenskonzepte, etwa das einflussreiche Konzept Karl Jaspers, setzen die Möglichkeit eines Zugangs zum eigenen erlebten Leben oder gar zu dem des anderen mit dem Mittel der Einfühlung voraus. Verstehen ist das „von innen gewonnenen Anschauen des Seelischen“ (Jaspers 1923, S. 24). Jaspers hat damit einen Kommunikationsbegriff formuliert, der sich vom Verstehen des erlebten Lebens ableitet. Das erzählte Leben soll aus einem anderen Phänomenbereich, vom erlebten Leben her, erhellt werden. Konsequent wird daher ein „nichterhellbares erzähltes Leben“, d. h. nichtverstehbares Kommunizieren, ursächlich wiederum aus einem anderen Phänomenbereich her erklärt, aus dem Phänomenbereich der Biologie. Andere psychologische Verstehenskonzepte erklären nichtverstehbares Kommunizieren wiederum aus einem anderen Phänomenbereich, aus dem Phänomenbereich des Erlebens. So unterteilt zu diesem Zwecke etwa die Psychoanalyse die Psyche oder das erlebte Leben noch einmal und erfindet das Unbewusste.
Dem systemischen Modell liegt dagegen ein Verstehensbegriff zugrunde, der das erzählte Leben dort verstehen will, wo es erscheint: in der Kommunikation. Das dabei zu vollziehende Verstehen ist Ausdrucksverstehen, wozu auch das Verstehen sprachlicher Äußerungen gehört. Es lässt sich also sagen, was in der Kommunikation vor sich geht, jedoch nicht, was in den Kommunikationsteilnehmern vor sich geht.
Selbstverstehen
Dasselbe gilt für das Selbstverstehen, bei dem ich mein Sprachhandeln und das Sprachhandeln der Personen, die mit mir kommunizieren, berücksichtigen muss. Die Methode des Sich-selbst-Verstehens besteht darin, mein Sprachhandeln und das der mit mir kommunizierenden Personen zu interpretieren, um im sich entwickelnden Kommunikationsspiel spielfähig zu bleiben. Wenn ich wissen will, was für einer ich bin, muss ich mich an das erzählte Leben und an die anderen halten. Selbstverstehen ohne Kommunikation ist kaum vorstellbar.
Wenn ich etwas tue oder sage, womit ich selbst nicht gerechnet hätte, dann können diese Beobachtungen mein Selbstverstehen verändern. Wenn sich durch meine Beteiligung an der Kommunikation eine andere Sprachumwelt entwickelt, zu der mein bisheriges erlebtes Leben nicht mehr passt, kann sich durch die Beobachtung dieser Umwelt mein erlebtes Leben verändern und damit mein Selbstverständnis. Meine gesprochenen Worte überraschen mich selbst und lehren mich meine Gedanken (Merleau-Ponty 1945).

Kommunikationssysteme

Die Unterstellung der prinzipiellen Verstehbarkeit des eigenen wie fremden Verhaltens ist die Voraussetzung für Kommunikation, nicht das Verstehen selbst – das sich einstellen kann, aber nicht einstellen muss. Wenn Verstehen nicht mehr der angestrebte Zielhorizont, sondern das erreichte Ziel ist, kann es sogar Kommunikation zusammenbrechen lassen: Wenn wir uns verstehen, haben wir uns nichts mehr zu sagen.
Verstehen lässt sich beschreiben als eine Abgleichung von Beobachtungen auf einer bipolaren Dimension zwischen gebräuchlich/gewohnt/bekannt und ungebräuchlich/ungewohnt/fremd. Gelingende Kommunikation stellt sich als Balance zwischen Bestätigung und Nichtbestätigung dar. Das Maß der in jeder Interaktion anzutreffenden Kontingenz und Unbestimmtheit (Rorty 1989; Retzer 2002), lässt sich als Konstitutionsbedingung für ein typologisch differenzierbares Kommunikationsverhalten ansehen:
Minimalisierte Kontingenz (Möglichkeit und gleichzeitige Nichtnotwendigkeit)
Sie findet sich dann, wenn die Interaktionspartner den „Verhaltensplan“ oder das erlebte Leben so gut zu kennen glauben, dass nicht nur die einzelnen kommunikativen Akte, sondern auch deren Folgen präzise vorhergesagt werden können. Es entsteht ein Kommunikationsverhalten, das der gut geprobten Szene eines Schauspiels gleicht und als harte Beziehungsrealität (Retzer 1994a) bezeichnet wird: ein maximalisierter Konsens, verbunden mit dem Versuch der Herstellung von Eindeutigkeit. Dies führt zu einer Mechanik menschlicher Kommunikation, wo Neues, Zufälliges, Anstoßerregendes und „Dissidentes“ nicht möglich erscheint, sondern nur noch die berechenbare Langeweile des immer Gleichen vorherrscht.
Maximalisierte Kontingenz
Sie findet sich dort, wo der jeweilige Verhaltensplan, das erlebte Leben der Kommunikationspartner, unentwegt überdeckt wird von dem augenblicklichen Reagieren auf das soeben Gesagte. Alle Ansätze der Kommunikationspartner, das eigene erlebte Leben an die Kommunikation anzukoppeln, die eigene Spielstrategie ins Spiel zu bringen, sind vergeblich. Ein solches Kommunikationsverhalten wird als weiche Beziehungsrealität (Retzer 1994a) bezeichnet: Eine Beliebigkeit von Bedeutungsgebung geht mit einer Beliebigkeit von Kommunikationsregeln einher. Regeln scheinen sich nicht ändern zu können, da sie sich ständig ändern. Neues scheint nicht entstehen zu können, da alles neu ist. Konsens oder das Gefühl des Verstehens (und des Verstandenwerdens) stellen sich nicht ein.
Wechselseitige oder doppelte Kontingenz
Sie zeigt sich dort, wo das Bestreben vorherrscht, die jeweiligen kommunikativen Akte sowohl am eigenen Verhaltensplan, dem eigenen erlebten Leben, als auch an den Beiträgen des Partners zu orientieren. Dadurch ergibt sich eine maximale Störbarkeit beider Bereiche füreinander. Entwicklung des eigenen Erlebens und Entwicklung des sozialen Systems durch Anschlusskommunikation und Koordination des Verhaltens scheinen hier ihre optimalen Bedingungen zu finden.

Theorie der systemischen Therapiemethodik

Störungsmodell

Das psychotherapeutische Geschehen lässt sich als eine strukturelle Kopplung (Maturana 1982) lebender Systeme beschreiben. Als eine strukturelle Kopplung etwa des Klienten-, Paar- oder Familiensystems (genauer deren kommunikativer Beiträge) mit einem therapeutischen System (den kommunikativen Beiträgen eines Therapeuten oder eines therapeutischen Teams). Ein therapeutisches System sollte sich so verhalten, dass es Veränderungen im Klientensystem anregen kann.
Diese Anregungen sind Veränderungen der Umwelt, die als Störungen für das Klientensystem wirken und dort Anpassungsleistungen erforderlich machen. Störungen sind Irritationen der gegenwärtig vollzogenen Operations- oder Interaktionsmuster des gestörten Systems. Die Operationsmuster sind die tatsächlich vollzogenen kognitiven, affektiven und Handlungsoperationen des Systems mit sich selbst oder mit seiner Umwelt.
Im therapeutischen Prozess kann der Therapeut versuchen, durch Nichtbestätigung die gegenwärtig vollzogenen Operationen und Interaktionsmuster der Klienten zu stören und damit Anpassung erforderlich zu machen.
Therapie ist also grundlegend verknüpft mit der Erzeugung von Neuem. Die Bezugsgröße für die Unterscheidung alt/neu ist immer der Klient und seine gerade vollzogenen Operationen: Der Klient entscheidet darüber, was neu ist – nicht der Therapeut.
Balance zwischen Neuem und Bekanntem
Nur Neues erscheint jedoch ebensowenig nützlich wie nur Bekanntes. Wird nur gestört, entkoppeln sich früher oder später beide Systeme, die therapeutische Beziehung wird vorzeitig aufgelöst und die Möglichkeit therapeutischer Veränderungen aufgehoben. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, eine Balance zwischen Bekanntem und Neuem, zwischen Störung und Bestätigung der Operationen und Muster der Klienten zu halten. Diese Balance von Störung und Bestätigung wird im Rahmen einer therapeutischen Konversation v. a. durch die zirkuläre Befragung (Selvini Palazzoli et al. 1980a; Penn 1982, 1985; Tomm 1994) realisiert.
Gefahr der Funktionsübernahme
Die Überlebenseinheit des Klienten ist das Klientensystem. Es gilt zu vermeiden, dass das therapeutische System (Therapeut plus Klient) zur Überlebenseinheit des Klienten wird. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn der Therapeut zu der Überzeugung gelangt, dass sein Klientensystem ein Defizit aufweist.
Er kann sich dann veranlasst fühlen, dieses Defizit durch Operationen, die eine kompensatorische Funktion haben sollen, zu füllen. Diese Kompensationen können in Hilfe zur Realisierung von etwas Nichtvorhandenem oder Abhandengekommenem (z. B. Minussymptomatik), aber auch in der Kontrolle von zu viel Realisiertem (z. B. Plussymptomatik) bestehen.
Die Folge einer solchen Funktionsübernahme kann nicht nur darin bestehen, dass das therapeutische System (Klient plus Therapeut) zur Überlebenseinheit wird, sondern auch darin, dass sich das Klientenverhalten chronifiziert. Für das Klientensystem besteht keine Notwendigkeit mehr, eigene innere Ressourcen zu mobilisieren oder zu entwickeln und durch entsprechendes Handeln zu realisieren, da die Verantwortung für die Entwicklung und den Vollzug der entsprechenden Funktionen vom therapeutischen System übernommen wird. Das Klientensystem hat erfolgreich in das therapeutische System interveniert, dieses hat sich verändert und damit oft auch gleichzeitig die Möglichkeit verloren, seinerseits das Klientensystem zu verändern. Das wichtigste Mittel zur Aufrechterhaltung einer therapeutischen Funktion des therapeutischen Systems ist die Haltung der Neutralität.

Neutralität

Die Mailänder Gruppe führte den Begriff der Neutralität ein:
Unter Neutralität des Therapeuten verstehen wir eine spezifische pragmatische Wirkung, die seine Gesamthaltung während der Sitzung auf die Familie ausübt und nicht seine innerpsychische Verfassung (Selvini Palazzoli et al. 1980a, S. 137).
Die spezifisch pragmatische Wirkung, von der hier die Rede ist, lässt sich operationalisieren: Fordert jemand nach einem Interview die Klienten auf, anzugeben,
…wen der Therapeut unterstützt oder für wen er Partei genommen habe, oder welche Meinung er über das eine oder andere Familienmitglied oder dessen betreffendes Verhalten oder über die ganze Familie geäußert habe, sollten sie darüber rätseln und im Ungewissen bleiben müssen (Selvini Palazzoli et al. 1980a, S. 137).
Es gibt also kein „neutrales Verhalten“ eines Therapeuten unabhängig von den behandelten Klienten: Die Klienten entscheiden darüber, ob und welches Verhalten des Therapeuten neutral bzw. nicht neutral ist.
Zweck der Neutralität
Die Verantwortung des Therapeuten in der systemischen Psychotherapie umfasst nicht bestimmte Inhalte, die angesprochen oder gar verwirklicht werden sollten, etwa Lösungen von Problemen. Der systemische Therapeut ist lediglich verantwortlich für die Initiierung und Aufrechterhaltung eines Prozesses, durch den der Klient oder das Klientensystem seine Lösung entwickelt – oder auch nicht. Damit bleibt die relevante Überlebenseinheit weiterhin das Klientensystem und die für dessen Überleben relevanten Entscheidungen und Aktionen unterliegen nicht der Verantwortung des Therapeuten, sondern der Personen, durch deren Kommunikation das Klientensystem gebildet wird. Innerhalb des Klientensystems muss man parteilich sein, um handlungsfähig bleiben zu können. Damit dies für die Klienten so bleibt oder wieder erreicht wird, ist im Gegensatz zur Parteilichkeit die technische Haltung der therapeutischen Neutralität nötig.
Neutralitätsbereiche
Für die therapeutische Pragmatik ist eine Differenzierung in verschiedene Neutralitätsbereiche, die sich teilweise überschneiden, sinnvoll. Es werden 3 Neutralitätsbereiche unterschieden (Retzer 1994a):
Soziale Neutralität
Die Neutralität im Hinblick auf die Beziehungen des Therapeuten zu seinen Klienten zeigt sich in dem Maße, in dem die Einladung zur Parteinahme für, zur Koalition oder gar zur Allianz mit einzelnen Klienten und gleichzeitig gegen andere nicht angenommen wird.
Konstruktneutralität
Die Neutralität im Hinblick auf Bedeutungs- und Bewertungskonstruktionen zeigt sich in dem Maße, in dem die Einladung zur positiven oder negativen Bewertung, zur Übernahme oder gar zur Parteinahme, aber auch zur Bekämpfung von bestimmten Inhalten der Kommunikation, bestimmten Sichtweisen und bestimmten Bedeutungs- und Sinngebungen ausgeschlagen wird. Hier ist die Neutralität gegenüber Lebensentwürfen und Weltbildern angesprochen.
Veränderungsneutralität
Die Neutralität im Hinblick auf das präsentierte Problem oder Symptom zeigt sich in dem Maße, in dem die Einladung zur positiven oder negativen Bewertung, zur Kontrolle oder gar zur Bekämpfung des präsentierten Problems/Symptoms ausgeschlagen wird. Die Unterscheidung von Problem/Lösung oder Symptom/Nichtsymptom wird nicht verbunden mit einer positiven oder negativen Bewertung und entsprechenden (Be-)Handlungskonsequenzen für eine der beiden unterschiedenen Seiten.
Jeder Bruch der Neutralität birgt die Gefahr, dass der Therapeut zu einem Mitspieler im Klientenspiel wird, ein Mitspieler in Beziehungsfragen, in Problem- oder Lösungsfragen oder in Weltanschauungsfragen.
Dadurch reduziert sich seine Chance, verändernd auf dieses Spiel wirken zu können, da das Mitspielen eine weitere Stabilisierung des gespielten Spiels bewirkt.
Parteilichkeit – Allparteilichkeit – Neutralität
Das Konzept der Neutralität erweitert das ältere Konzept der Allparteilichkeit (Boszormenyi-Nagy und Spark 1973) und geht gleichzeitig darüber hinaus. Verknüpft man die Parteilichkeit mit formallogischen Operationen, dann entspricht ihr ein Handeln nach den Prinzipien einer zweiwertigen Entweder-oder-Logik (entweder auf der Seite des Ehemannes oder auf der Seite der Ehefrau). Diese Logik der Parteilichkeit lässt sich auf 2 verschiedene Weisen negieren (Abb. 7):
  • durch eine Logik des Sowohl-als-auch (sowohl auf der Seite der Ehefrau als auch auf der Seite des Ehemannes) – dies entspricht dem Konzept der Allparteilichkeit oder
  • durch eine Logik des Weder-noch (weder auf der Seite der Ehefrau noch auf der Seite des Ehemannes) – dies entspricht dem Konzept der Neutralität.

Zirkularität

Alle operational geschlossenen Systeme halten ihre Struktur aufrecht durch die zirkuläre Schließung. Diese durch Zirkularität erzeugte Stabilität ist kein Problem, solange sie kein Problem ist. Die Stabilität von Symptomen oder Problemen lässt sich als Struktur beschreiben, die durch Zirkularität erzeugt wird:
Im Erstinterview mit einer Familie, in der ein Sohn seit einigen Jahren als schizophren diagnostiziert war, reklamiert der Vater nach wenigen Minuten des Gespräches, die Ursache und Schuld an der Entwicklung seines Sohnes für sich: „Ich werfe als Vater einen sehr großen Schatten auf meinen Sohn.“ Die Familie hatte sich schon vor dem Gespräch auf die folgende Metaphernbedeutung (Wirklichkeitskonstruktion) geeinigt: Der Sohn hat wegen des Vaters seine Ablösung vom Elternhaus noch nicht konsequent vollziehen können, weshalb er krank geworden ist und bald und energisch aus diesem Schatten heraustreten muss.
Es wurde von der Familie eine Anzahl energischer Versuche des Heraustretens aus dem väterlichen Schatten bzw. der Ablösung vom Elternhaus berichtet, die bisher aber immer wieder im „Schattenreich“ (Psychose), dann der Aufnahme in eine psychiatrische Klinik und schließlich der Wiederaufnahme im Elternhaus und dem weiteren Werfen des Vaterschattens endeten. Gleichzeitig wurde damit die Idee der dringenden Notwendigkeit der Ablösung vom Elternhaus wiederholt bestätigt.
Der Vater bietet eine Metapher an (der Schattenwerfer), die sich sehr klar und eindeutig gibt (eine geschlossene Problemmetapher – Retzer 2002): Es handelt sich hier um ein Ablösungsproblem eines schwachen, passiven, kranken und guten Sohnes von einem starken, aktiven, aber bösen Vater. Die Lösung des Problems ist die Ablösung. Diese wurde schon einige Male im Handeln vollzogen, wobei der Sohn aber immer wieder ins Elternhaus zurückkehrte. Dieses Ergebnis bestätigt wiederum die Familienüberzeugung: Hier liege ein Ablösungsproblem vor, die handelnd gelöst werden muss. Wir haben hier eine sich selbstbestätigende Schleife (Abb. 8).
Die Stabilität des Problems besteht aus dem Vollzug von Verhaltensweisen (Ablösungsverhalten), der das Problem (Ablösungsproblem) bestätigt. Eine Störung oder Unterbrechung der Zirkularität könnte hier in einer Unterlassung des bisher vollzogenen Ablösungsverhaltens bestehen. Um eine solche Unterlassung zu erreichen, kann die eindeutige Metapher des Vaters aufgegriffen und mehrdeutig gemacht werden (umdeuten), indem der zunächst eindeutig als stark, aktiv und böse bewertete Schatten um die gleichzeitige Bewertung gut ergänzt wird (eine öffnende Lösungsmetapher – Retzer 2002). Es wird Uneindeutigkeit eingeführt, die in der angebotenen psychotherapeutischen Beziehung abgearbeitet werden kann.
Bereiche von Zirkularität
Es lassen sich verschiedene Ebenen oder Bereiche von Zirkularität unterscheiden:
  • eine interaktionelle Zirkularität zwischen den Verhaltensweisen der Klienten, etwa zwischen einzelnen Familienmitgliedern, und
  • eine interaktionelle Zirkularität zwischen den Verhaltensweisen von Helfern oder Psychotherapeuten und den Verhaltensweisen ihrer Klienten,
  • eine weitere Ebene der Zirkularität ist die zwischen erlebtem und erzähltem Leben, also zwischen Erleben und Handeln, und schließlich lässt sich noch
  • eine Zirkularität des Erlebens beschreiben, die in einer stabilen Verknüpfung von Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen besteht und eine stabile Wirklichkeitskonstruktion erzeugt.
Ein stabiles Symptom oder eine Störung ist in diesem Modell ein ungestörter zirkulärer Prozess. Systemische Therapie besteht nicht in irgendeiner Form von „Entstörung“, sondern in der Störung dieser stabilen zirkulären Prozesse. Es lassen sich verschiedene Ansatzpunkte solcher Störungen von Zirkularität unterscheiden (Abb. 9), wobei in der Praxis selten nur auf einer Ebene und nur ein zirkulärer Prozess gestört wird, wenn denn überhaupt gestört wird:
  • Störung der interaktionellen Zirkularität zwischen Therapeut und Klient (1 in Abb. 9): Der Therapeut reagiert nicht erwartungsgemäß, er übernimmt beispielsweise nicht die Funktion, zu der er eingeladen wird. Das wichtigste therapeutische Mittel zur Erzeugung dieser Störung ist die Neutralität.
  • Störung der interaktionellen Zirkularität zwischen dem Verhalten des einzelnen Klienten und dem Verhalten relevanter anderer (2 in Abb. 9): Gestört werden kann durch die Unterlassung von bisher vollzogenen Verhaltensweisen oder durch den Vollzug bisher unterlassener Verhaltensweisen. Das wichtigste therapeutische Mittel zur Erzeugung dieser Störung ist die Verhaltensverschreibung.
  • Störung der Zirkularität zwischen Erzählen und Erleben oder zwischen Verhalten und den individuellen Wirklichkeitskonstruktionen (3 in Abb. 9): Dazu gibt es 2 Möglichkeiten: Dem eigenen Verhalten wird eine neue Bedeutung gegeben (3a) oder bei unveränderter eigener Bedeutungsgebung werden neuartige Verhaltenskonsequenzen gezogen (3b). Die wichtigsten therapeutischen Mittel zur Erzeugung dieser Störungen sind die Umdeutung und die Verhaltensverschreibung.
  • Störung der Zirkularität der Operationen des Erlebens (4 in Abb. 9) zwischen Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen: Das wichtigste therapeutische Mittel zur Erzeugung dieser Störung ist die zirkuläre Befragung.

Kontextualität

Ein Kontext ist ein bedeutungsgebender Rahmen für alle diesem Kontext zugeordneten Tatsachen. Ein solcher Kontext existiert nicht a priori und unabhängig von einem Beobachter, sondern wird markiert (Bateson 1964, S. 374): „Der Kontext ist eine Metamitteilung, die das elementare Signal klassifiziert.“
„Ein Publikum sieht Hamlet im Theater und hört, wie der Held im Kontext seiner Beziehung zu seinem toten Vater, zu Ophelia und zu den anderen über Selbstmord spricht. Die einzelnen Zuschauer rufen nicht unmittelbar die Polizei an, weil sie Informationen über den Kontext von Hamlets Kontext erhalten haben. Sie wissen, dass es ein Stück ist, und haben diese Informationen aus vielen Markierungen des Kontextes des Kontextes gewonnen – den Eintrittskarten, der Sitzordnung, dem Vorhang usw. … Der König jedoch, der sein Bewusstsein durch das Spiel innerhalb des Spiels anregen lässt, ignoriert viele Markierungen des Kontextes des Kontextes“ (Bateson 1964, S. 375).
Kontextmarkierung
Eine Kontextmarkierung ist eine soziale Übereinkunft, Beobachtungen dieselbe oder eine ähnliche Bedeutung zu geben. Wobei nicht jeder, etwa der Schauspieler in obigem Beispiel, obwohl er auch Informationen über die Kontextmarkierung hat, in einem konkreten Zeitpunkt und an einem konkreten Ort, Teil dieser Übereinkunft sein muss. Der bedeutungsgebende Kontext kann zur Disposition stehen. Dies ist für therapeutische Zwecke in mehrfacher Hinsicht relevant. Es kann nicht prinzipiell davon ausgegangen werden, dass Therapeut und Klienten den gleichen Kontext benutzen, um Ereignisse im Therapieprozess zu klassifizieren und Bedeutung zuzuweisen. Es kann noch nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die Kontextmarkierung „alles was hier geschieht ist Psychotherapie“ von Klienten und Therapeut geteilt wird. Was der Therapeut für einen therapeutischen Kontext hält, kann etwa für eine Familie oder einzelne Familienmitglieder eine gutachterliche Situation, ein Strafprozess, die Erfüllung eines Wunsches des Hausarztes, ein Familienausflug usw. sein.
Überweisungskontext
Eine wichtiger Bestandteil systemischer Psychotherapie, der am Beginn jeder Therapie steht, ist daher die Abklärung des Überweisungskontextes, d. h. ein Sich-kundig-Machen über den bedeutungsgebenden Kontext für die noch nicht begonnene Therapie und über die evtl. unterschiedlichen Kontexte für die einzelnen Klienten. Nur durch eine solche Erkundung des Bedeutungskontextes der Klienten wird es für den Therapeuten möglich, abzuschätzen, was seine Handlungen für die Klienten bedeuten können. Diese Bedeutung muss nicht die gleiche sein, die der Therapeut selbst seinen Handlungen gibt (vgl. etwa auch den Unterschied zwischen subjektiven und objektiven Krankheitstheorien, Retzer 1994b). Darüber hinaus ergibt sich damit eine erste Gelegenheit, vorhandene Bedeutungskontexte zu verändern, etwa durch Neudefinition von Kontextmarkierungen oder durch „Verhandlungen“ über diese Markierungen.

Systemische Psychotherapie als Koautorenschaft

Anknüpfend an den Begriff des „Sprachspieles“ (Wittgenstein 1969) lassen sich menschliche Systeme auch als sprachliche Systeme (Anderson und Goolishian 1990) oder als narrative Strukturen (Sluzki 1992) begreifen und zur Konzeptualisierung von therapeutischen Prozessen nutzen. Narrative Strukturen bringen als soziale Konstruktionen soziale Organisation hervor und diese soziale Organisation realisiert wiederum eine Weitererzählung narrativer Strukturen. Soziale Organisation kann nicht getrennt werden von der Erzählung. Sie ist die erzählte Erzählung. Ein therapeutischer Prozess lässt sich als eine soziale Organisation beschreiben, die narrative Strukturen bestätigt, negiert, erweitert oder hervorbringt:
Therapie ist ein sprachliches Ereignis, das innerhalb eines sogenannten therapeutischen Gespräches stattfindet. Dieses ist eine gegenseitige Suche und Erklärung durch den Dialog, ein Zweiweg-Austausch, ein Sichkreuzen von Ideen und Gedanken, mit sich kontinuierlich entwickelnden neuen Bedeutungen … (Anderson und Goolishian 1990, S. 213).
Erzählungen enthalten Inhalte und müssen erzählt werden, um sozial wirksam sein zu können.
Inhalte und Weisen der Erzählung
Die Erzählweise (wer erzählt, wem, wann, wo, wie, welche Geschichte) der Erzählungen ist Teil der hervorgebrachten Organisation. Neben den formalen Merkmalen der Erzählweise enthalten Erzählungen unterschiedliche Inhalte: welche Rechte, Pflichten, Normen und Werte die erzählende Organisation (z. B. eine Familie) festgelegt hat, welche Logik benutzt wird, um Teile der Erzählungen miteinander zu verbinden oder voneinander zu trennen, wie Probleme erzählt werden, als stabil oder instabil, als beeinflussbar oder unbeeinflussbar, als verursacht oder nichtverursacht, als akut oder chronisch. White und Epston (1989) und Tomm (1987) zeigen, wie durch eine Umschreibung von Erzählungen neue Problemlösungsoptionen entwickelt werden können, etwa indem das Problem außerhalb des Problemträgers externalisiert und gleichzeitig die Problemlösungsressource internalisiert wird.
Metaerzählungen
Die Akteure der Erzählungen können als aktiv oder passiv, als gut oder böse, als stark oder schwach bewertet werden (Osgood et al. 1975). Es kann beschrieben werden, ob und wie Zeit benutzt wird, um Ereignisse zu ordnen und Gerichtetheit, Kontinuität, Diskontinuität oder Stillstand in der Zeit entstehen zu lassen (Retzer 1996). Es lassen sich gelegentlich große „Metaerzählungen“ vernehmen, die erzählen, wie sich das Leben eines einzelnen Familienmitglieds oder das Familienleben entlang der Dimensionen Zeit und Bewertung bewegt (Gergen und Gergen 1983).
In solchen Metaerzählungen kann durch Bewertungen festgelegt sein, in welchem Rahmen sich Lebens- oder Familienprozesse aus der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft bewegen und dort ein glückliches oder unglückliches Ende finden. Dies kann geschehen, indem diskrete Ereignisse, die über die Zeit verteilt liegen, ausgewählt und durch den bewertenden Vergleich miteinander verbunden werden.

Systemische Psychotherapie als Übergangsritual

Das Sprachspiel der systemischen Psychotherapie unterscheidet sich auf eine grundlegende Art und Weise von den meisten Alltagssprachspielen. Es verhält sich zu Alltagssprachspielen wie das Ritual oder Übergangsritual zum profanen Handeln.
In der anthropologischen Literatur (Gennep 1908; Turner 1967) werden Übergangsrituale als kulturelle Handlungen definiert, die vollzogen werden können, wenn soziale Konflikte festgefahren oder Entwicklungen blockiert sind. Sie sollen aus einer definierten Situation (Struktur I) in eine andere definierte Situation (Struktur II) hinüberführen und bestehen strukturell aus 3 Phasen (Abb. 10):
1.
Aus einer Trennungsphase,
 
2.
einer Schwellen- oder Übergangsphase und
 
3.
einer Wiederangliederungsphase.
 
Liminalität
Die Schwellenphase setzt die gewohnte Sozialstruktur, gewohnte Verhaltensweisen und auch gewohnte Erzähl- und Sprechweisen vorübergehend außer Kraft und erzeugt dadurch „Liminalität“ (Turner 1967): Eine Zerlegung von Struktur, eine Art von Anti- oder Nichtstruktur, die die alte Struktur (I) zu transformieren sucht, damit sie schließlich wieder neu zusammengesetzt (Struktur II) werden kann. „Liminalität bricht sozusagen die Tradition auf und lässt der Spekulation freien Lauf … Liminalität ist das Reich primitiver Hypothesen, in dem eine gewisse Freiheit zum Jonglieren mit den Faktoren der Existenz besteht“ (Turner 1967, S. 106).
Trennungsritual
Diese Schwellenphase wird nach dem Vollzug eines Trennungs- oder Ablöserituals erreicht. Sprachlich kann das Trennungsritual durch die Erzeugung von Unterschieden vollzogen werden, durch die Trennung von der gewohnten, der bisher praktizierten Seite der Unterscheidung. Diese Sprachoperationen „heben“ den Klienten über die Schwelle in die Schwellenphase, die 2. Phase des Übergangsrituals.
Schwellenphase
Das dort vorherrschende erzählte Leben ist vergleichbar jener imaginären „fünften Provinz“ in der irischen Mythologie, wo Mitglieder der 4 nichtimaginären realen Provinzen, die in Netzen von Konflikten und Konkurrenz verfangen waren, aus denen kein Entrinnen möglich schien, sich zur „Dis-Position“ trafen:
Es war ein Ort, wo sogar die gewöhnlichsten Dinge in einem ungewöhnlichen Licht erschienen: Es muss einen neutralen Boden geben, wo die Dinge sich von jeglicher Partei- und Meinungszugehörigkeit befreien können. Diese Provinz, dieser Ort, dieses Zentrum ist keine politische oder geographische Position, es handelt sich mehr um eine Dis-Position (Hederman und Kearney 1982, S. 10 f.).
Nicht Gewissheiten und Eindeutigkeiten herrschen in dieser Schwellenphase vor, sondern die Sprachfiguren des Ungewissen, Uneigentlichen, Ambivalenten und Ambiguen. Schwellenwesen, Menschen in dieser Übergangsphase, sind weder hier noch da, d. h. weder in der alten noch in der neuen Struktur, weder in der alten noch in der neuen Erzählung, sie befinden sich zwischen den vom Gesetz, der Tradition, der Konvention fixierten Positionen: Sie werden neu erzählt und sie erzählen sich neu.
Begleiter
Der Novize wird in dieser Übergangsphase von einem Medizinmann oder Schamanen begleitet – Vorfahren des modernen systemischen Psychotherapeuten. Der Begleiter in der Übergangsphase ist aber auch der Hofnarr, der Clown, der marginale Fremde: Grenzgänger „betwixt and between“, weder das eine noch das andere, weder da noch dort (Turner 1967). All diese Figuren vertreten eine besondere narrative Fertigkeit: eine mehrdeutige, gegen die übliche sprachliche Struktur verstoßende Erzählweise.

Klinische Anwendungsprinzipien

Räumliches Setting systemischer Psychotherapie

Die systemische Therapie hat ein eigenes räumliches Setting entwickelt, das „Zwei-Kammern-Setting“ (Abb. 11). Es besteht idealerweise aus 2 Räumen, die durch eine Einwegscheibe voneinander getrennt sind. In einem Raum (Therapieraum) findet ein therapeutisches Gespräch statt, das ein therapeutisches System kreiert, bestehend aus dem/den Therapeuten und dem/den Klienten. Im anderen Raum (Beobachtungsraum) befindet sich ein therapeutisches Team, das durch die Einwegscheibe und über Mikrophon das therapeutische System beobachten kann.
Außenperspektive
Auf diese Weise kann eine zusätzliche Beobachtungsebene und eine Außenperspektive erzeugt werden: Der Therapeut, der mit der Familie spricht, kann von Beobachtern, die nicht Teil dieser Beziehung sind, beobachtet werden und er kann dadurch Informationen erhalten, die ihm ohne dieses Setting nicht zugänglich wären.
Störungen
Gleichzeitig lässt sich dieses Setting für das Erreichen therapeutischer Ziele nutzen. Das therapeutische Team kann aus dem Beobachtungsraum heraus störend auf das therapeutische System im Therapieraum einwirken. Diese Störung kann eine einfache Unterbrechung der Sitzung oder auch eine komplexe Botschaft sein.
Reflektierendes Team
Eine Variante der Handhabung des räumlichen Settings ist das „reflektierende Team“ (Andersen 1990). Hierbei wird ein Wechsel des beobachteten und beobachtenden Systems vollzogen. Nach einiger Zeit der Beobachtung eines therapeutischen Systems (Klient/en plus Therapeut/en) durch das therapeutische Team, werden Mikrofone und Beleuchtung umgestellt und das bisher beobachtende Team diskutiert nun den beobachteten therapeutischen Prozess, während das bisher beobachtete therapeutische System nun diese Diskussion beobachtet. Aus dem Beobachtungsraum wird der beobachtete Raum.

Zeitliches Setting systemischer Psychotherapie

Die zeitliche Organisation der systemischen Therapie lässt sich als „lange Kurztherapie“ auf den Begriff bringen: Es werden Zeitintervalle zwischen den einzelnen Sitzungen von minimal 4 Wochen bis zu 1 Jahr eingeführt, bei einer insgesamt geringen Anzahl von Therapiesitzungen (max. 10 Sitzungen). Veränderungen sollen zwar in den Sitzungen angestoßen, jedoch zwischen den Sitzungen „in vivo“ vollzogen werden (Selvini Palazzoli et al. 1980b). Den Klienten wird Zeit gegeben, Veränderungen zu vollziehen. Die Verantwortung für diese Veränderungen bleibt beim Klienten. Bei längeren Zeiträumen zwischen den einzelnen Sitzungen fällt es Klienten meist leichter, Veränderungen zu vollziehen, und es fällt Therapeuten meist leichter, nach längeren Zeiträumen zwischen den einzelnen Sitzungen solche Veränderungen zu sehen und zu würdigen.

Empirische Ergebnisse

Im Durchschnitt haben systemische Psychotherapien bei unterschiedlichsten Problemangeboten eine Sitzungsfrequenz zwischen 6 und 7 Sitzungen über einen Zeitraum von 12–20 Monaten (Weber und Stierlin 1989; Retzer 1994a). Dieses zeitliche Setting der systemischen Psychotherapie steht in guter Übereinstimmung mit den empirischen Ergebnissen über den Zusammenhang von zeitlichen Settings und Effektivität von Psychotherapien:
  • Reid und Shyne (1969) zeigen in einer Übersichtsarbeit, dass sich Unterschiede in der Effektivität von Psychotherapien immer zugunsten kürzerer Behandlungen zeigen.
  • Der Zeitraum, in dem wirksame Therapien ihre Effekte erzielen, bemisst sich nach Monaten und nicht nach Jahren. Die meisten Psychotherapien werden vor der 20. Sitzung beendet mit einem Median zwischen der 5. und 6. Sitzung (Garfield 1978, 1986).
  • Budman und Gurman (1988), Smith et al. (1980) und Lambert et al. (1986) zeigen, dass positive Effekte in Psychotherapien in den ersten 6–8 Sitzungen erzielt werden und die Besserungsrate danach in einer logarithmischen Funktion zwischen Therapiedauer und Besserung gegen Null geht.
  • Howard et al. (1986) zeigen in einer Metaanalyse über 2431 Patienten und einen Veröffentlichungszeitraum von 30 Jahren, dass 50 aller Patienten messbare Verbesserungen bis zur 8. Therapiesitzung erreicht haben.

Ablauf einer Therapiesitzung

Neben dem zeitlichen Setting, das sich auf die gesamte Therapiedauer und auf die Gesamtzahl der Sitzungen bezieht, lässt sich auch ein klassisches Setting für den zeitlichen Ablauf einer einzelnen Therapiesitzung beschreiben. Eine solche Sitzung dauert etwa 120 min und gliedert sich in 4 Teile, die nachfolgend aufgeführt sind.
Vorbesprechung
Die Vorbesprechung des behandelnden Teams von etwa 10–15 min dient dem Austausch von Hypothesen und der Vorbereitung des/der Therapeuten auf einen aktiv gestalteten Konversationsprozess, indem ihm eine möglichst große Vielfalt von Hypothesen zur Verfügung gestellt wird.
Interview
Das Interview mit dem oder den Klienten selbst kann zwischen 60 und 90 min dauern und vom Therapeuten oder seinen Teamkollegen hinter der Einwegscheibe zu einer oder mehreren kurzen Konsultationen unterbrochen werden kann.
Konsultationspause
In der Konsultationspause von etwa 10–15 min trifft der Therapeut zu einer längeren Konsultation mit seinem Team zusammen, der Interviewprozess wird beraten und ein Abschlusskommentar, eine Zusammenfassung, eine Verschreibung oder eine Hausaufgabe für die Klienten wird vorbereitet.
Abschlusskommentar
Er wird vom Therapeuten nach der Konsultationspause den Klienten mitgeteilt.
Das zeitliche Setting ist ebenso wie das räumliche Setting nicht allein eine äußere Bedingung, in der Therapie stattfindet, sondern immer ein Teil von Therapie selbst, durch den Therapie gestaltet wird (Retzer 1996).

Zirkuläre Befragung

Systemische Psychotherapie ist ein Konversationsprozess, da ihr wesentliches Medium die Sprache ist (Retzer 2002). Ein Konversationsprozess lässt sich vereinfacht als Austausch von Fragen und Aussagen beschreiben: Aussagen bringen Beschreibungen, Stellungnahmen, Meinungen, Erklärungen und Bewertungen in die Kommunikation ein, während Fragen Beschreibungen, Stellungnahmen, Meinungen, Erklärungen und Bewertungen hervorrufen. Fragen fordern Antworten, die aus Aussagen bestehen.
Der Therapeut als Fragender
In der systemischen Psychotherapie sind die Konversationsbeiträge des Therapeuten deutlich zugunsten von Fragen verschoben. Dadurch werden die Klienten aktiv an der Konversation beteiligt. Die Beschreibungen, Stellungnahmen, Meinungen, Erklärungen und Bewertungen der Klienten stehen von Beginn an im Mittelpunkt der Konversation, sind Gegenstand der Kommunikation. In seinem fragenden Konversationsverhalten entspricht der systemische Therapeut meist den Erwartungen seiner Klienten, besonders wenn diese einen medizinisch-therapeutischen Kontext konstruiert haben. Die Bestätigung von Erwartung im Bereich der Konversationsform erlaubt die Enttäuschung von Erwartung im Bereich der Kommunikationsinhalte: Es kann Neues besprochen werden. Wenn erwartungsgemäß Fragen gestellt werden, können unerwartete und neue Fragen gestellt werden.
Die zirkuläre Befragung (Selvini Palazzoli et al. 1980a; Penn 1982; Tomm 1994) ist eine spezifische Form der Befragung in der systemischen Psychotherapie. Sie versucht der zirkulären Organisation und wechselseitigen Bedingtheit von Verhaltensweisen eines Mehrpersonensystems und der zirkulären Organisation von Handeln und Erleben eines einzelnen Klienten gerecht zu werden.
Funktion der zirkulären Befragung
Die zirkuläre Befragung dient einerseits dazu, Informationen zu gewinnen etwa im Hinblick auf die Testung von zuvor entwickelten Hypothesen, andererseits – und hier liegt ihre eigentliche therapeutische Funktion – dient sie der Informationserzeugung mit dem Ziel der Störung oder Veränderung des Erlebens und/oder Verhaltens der Klienten. Die zirkuläre Befragung soll sowohl Informationen beim Therapeuten als auch beim Klienten erzeugen.
Definiert man „Information“ als einen Unterschied, der einen Unterschied macht (Bateson et al. 1956), ist das grundlegende Prinzip der zirkulären Befragung die Informationserzeugung durch Unterscheidungen und Abgrenzungen.

Störung durch Fragen

Indem neue Perspektiven, Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen eingeführt werden, lassen sich bisherige Perspektiven, Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen der Klienten stören. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.
Beispiel
Einer jungen Dame, die gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem ein Jahr jüngeren Bruder an einem systemischen Erstinterview teilnimmt und bei der eine Anorexia nervosa diagnostiziert wurde, kann man die Frage stellen: „Seit wann haben Sie eine Magersucht?“
Diese Frage impliziert, d. h. sie kann die Information erzeugen: Hier ist jemand im Besitz einer Magersucht, oder genauer: Diese junge Dame wird von einer Magersucht besessen, da eine Sucht alltagssprachlich als ein Zustand definiert ist, der der Verfügungsgewalt des Süchtigen entzogen ist. Die Frage nach dem Beginn der Sucht definiert implizit die Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Endes einer Sucht bzw. die Grenzen von Psychotherapie: Ist eine Sucht überhaupt heilbar? Was kann die Süchtige tun? Kann sie überhaupt etwas tun? Wie gestaltet sich das Therapeuten-Patienten-Verhältnis bei der Behandlung einer Sucht? Wer hat hier die Verantwortung für Veränderung?
Die Frage könnte aber auch lauten: „Wann haben Sie beschlossen, in den Hungerstreik zu treten?“ Diese Frage – die im Übrigen von vielen jungen Damen mit obiger Diagnose sehr präzise beantwortet wird – impliziert ein ganz anderes Geschehen. Hier ist niemand mehr im Besitze einer Krankheit oder Sucht, die sich ihrer Verfügungsgewalt entzieht, sondern hier ist jemand, der sich aktiv, autonom und verantwortlich für ein bestimmtes Verhalten entschieden hat. Die Gründe sind die eines Hungerstreiks. Ein Hungerstreik ist keine Bezeichnung für einen Sachverhalt in einem medizinischen Sprachspiel, sondern für einen Sachverhalt in einem politischen Sprachspiel. Gestreikt wird für die Durchsetzung bestimmter Forderungen von jemandem an jemanden oder zur Verhinderung bestimmter Maßnahmen von jemandem gegen jemanden. Hier stellen sich also unmittelbare Anschluss-(Gedanken-)Fragen: Für welche Forderungen oder gegen welche (drohenden?) Zustände wird hier gestreikt und gegen wen? Welche Bedingungen müssten von wem erfüllt werden, damit der Streik eingestellt werden kann? Jeder Streik hat einen Beginn und hat ein Ende. Es ist kein Streik bekannt, der nicht beendet wurde. Ob aber eine Krankheit (besonders eine Suchtkrankheit) jemals zu einem Ende kommen kann, ist sehr fraglich. Wenn sie zu einem Ende kommen kann, setzt dies eine heil- oder mindestens ausheilbare Sucht (gibt es so etwas?) voraus.
Mit unterschiedlichen Fragen können höchst unterschiedliche Implikationen bezüglich zentraler Themen wie Autonomie, Verantwortung eines Klienten und Endlichkeit oder Unendlichkeit seines Problems verbunden sein.
Fragen in Anwesenheit anderer
Fragen, die an einen Adressaten in Anwesenheit anderer gestellt werden, eröffnen die Möglichkeit einer vielfachen Erzeugung von Unterschieden und damit möglicherweise auch von Information. Eine Frage wird auch von denen bearbeitet, an die die Frage nicht adressiert ist, vielleicht sogar beantwortet, wenn auch nur im Bereich des erlebten Lebens. Wenn dies der Fall ist, wird diese Antwort abgeglichen oder verrechnet werden mit der Antwort des Adressaten, der seine Antwort ausgesprochen hat (ein Beispiel dafür, wie Kommunikation Erleben stören kann).
Beschreibung aus der Außenperspektive
In alltäglicher Kommunikation werden meist Beschreibungen aus der Innenperspektive der Konversationsteilnehmer angefertigt. Werden nun Fragen gestellt nach Beschreibungen aus der Außenperspektive, erhält der Beschriebene Informationen darüber, wie er von anderen gesehen, erklärt und bewertet wird. Er kann damit Informationen erhalten über die pragmatischen Effekte seines Verhaltens. Diese sind nicht immer identisch mit dem, was er selbst für die pragmatischen Effekte seines Verhaltens hält.

Prinzip der zirkulären Befragung

Das Grundprinzip der zirkulären Befragung beruht auf der Erkenntnis der Kybernetik, dass ein Unterschied die erste Voraussetzung für Information darstellt und dass sich Unterschiede an zirkulären Prozessen beteiligen, indem sie dort operiert werden. Unterschiede sind in 3 grundlegenden Formen möglich:
  • als Unterschiede im Raum, dann stellen sich Beziehungen her, indem sie Verhältnisse beschreiben,
  • als Unterschiede in der Zeit, dann stellen sich Veränderungen und Entwicklungen dar,
  • als Unterschiede im Sprachmodus, hier stellen sich Unterschiede zwischen Indikativ und Konjunktiv dar, oder auch der Unterschied zwischen dem „Realen“ und dem „Fiktiven“ oder „Imaginären“.
Möglichkeitsraum
Insbesondere die Eröffnung eines „Möglichkeitsraumes“ durch zirkuläre Fragen macht einen wesentlichen Teil der Veränderung erzeugenden therapeutischen Kraft dieser Fragen aus. Eine Imagination ist als Produkt eines Autors, eines Klienten oder eines Therapeuten eine Form der Weltzuwendung, die zurzeit in der gegebenen Welt des Autors, Klienten oder Therapeuten nicht vorhanden ist. Sie muss daher in die vorhandene Welt hineingetrieben werden, um zur Geltung zu kommen. Hineingetrieben heißt dann, die vorgefundenen Organisationsstrukturen des Erlebens und Handelns werden nicht abgebildet, sondern „dekomponiert“ (Iser 1991). Es lassen sich Bewusstseinsvorstellungen von noch unbekannten Sachverhalten hervorrufen, zu deren Vergegenwärtigung es keiner dafür vorausgesetzten Erfahrung bedarf oder gar umgekehrt: Bewusstseinsvorstellungen, die die dafür vorausgesetzten Erfahrungen erst erzeugen.
Die Tab. 1 zeigt ausgehend von den 3 Grundunterscheidungen (Raum, Zeit, Sprachmodus) mögliche Unterschiedsbildungen. Unter Berücksichtigung der Unterscheidung unterschiedlicher Personen (A, B, C), des Verhaltens und der 3 Bestandteile des erlebten Lebens (Beschreibung, Erklärung, Bewertung) sind Grundfiguren zirkulärer Fragen beispielhaft zusammengestellt.
Tab. 1
Grundfiguren zirkulärer Fragen
Unterscheidungen
Im Raum
In der Zeit
Im Sprachmodus
Verhalten – Verhalten
A wird zu den Verhaltensweisen von B und C befragt: Wenn B sagt, er höre wieder Stimmen aus dem Kühlschrank, was macht dann C? Rangfolgen bezüglich der Quantität von Verhaltensweisen: Wenn B sagt, er höre wieder Stimmen aus dem Kühlschrank, wer zeigt sich dann am besorgtesten, wer weniger, wer gar nicht?
Wann hat B begonnen, auf eigene Aktivität und Lebensfreude zu verzichten?
Angenommen, es gäbe keine Therapeuten auf der Welt, was würden Sie dann tun?
  
Wie lange wird B noch eigene Aktivität und Lebensfreude aufschieben?
Angenommen, Sie wollten erreichen, dass Ihre Frau auch weiterhin keine Lust hat, mit Ihnen zu schlafen, was müssten Sie dann tun?
   
Angenommen, Sie wollten erreichen, dass Dr. X Sie wieder in die Klinik einweist, wie müssten Sie sich dann verhalten?
Beschreibung – Verhalten
Überführung von Eigenschaften in Verhaltensweisen: A wird um Verhaltensoperationalisierung von Eigenschaftszuschreibungen (bei sich selbst oder anderen) gebeten:
Seit wann denken Sie, wenn Sie xyz tun oder lassen, Sie seien depressiv?
Angenommen, Sie wollten erreichen, dass A, B, C Sie weiterhin für depressiv hält, was müssten Sie dann tun?
 
Was macht B anders als sonst, wenn er sich depressiv zeigt?
Wie lange werden Sie xyz tun oder lassen, bis A, B, C oder Sie selbst denken, Sie seien nicht mehr depressiv?
Angenommen, Ihr Problem wäre nach unserer heutigen Sitzung gelöst, welche Erinnerungen werden Sie dann an unsere heutige Sitzung haben?

Lösungsorientierte Befragung

Die seit einigen Jahren entwickelten lösungsorientierten Ansätze innerhalb der systemischen Psychotherapie (De Shazer 1985, 1988; White und Epston 1989; Lipchik 1988) betonen in ihrer Theorie und Methodik die Lösungsseite der Unterscheidung Problem/Lösung. Historisch hat sich Psychotherapie v. a. mit der Beschreibung, Erklärung und Bewertung von Problemen befasst. Problemdiagnose und -genese standen im Vordergrund der konzeptuellen und therapeutischen Anstrengungen, selten dagegen konzeptuelle und methodische Anstrengungen im Hinblick auf Lösungsdiagnose und -genese. Lösungen standen so selten im Fokus der Aufmerksamkeit, dass sie in psychotherapeutischen Modellen fast schon zur verborgenen Seite der Unterscheidung Problem/Lösung geworden waren.
Suche nach Ausnahmen
Eine der grundlegenden Prämissen lösungsorientierter Ansätze ist die Überzeugung, dass es zur Konstruktion einer Lösung keiner detaillierten Kenntnisse und Erklärungen des Problems bedarf. Von Beginn des therapeutischen Kontaktes an wird daher konsequent nach Ausnahmen des Problems gefragt. Diese Ausnahmen werden erweitert, Kontexte von Ausnahmen konstruiert und Aufgaben gegeben, die die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens oder der zeitlichen Ausdehnung von Ausnahmen erhöhen.
Hypothetische Ausnahmen
Werden keine konkreten Ausnahmen berichtet, wird von hypothetischen Ausnahmen ausgegangen, und diese werden entsprechend erweitert, kontextualisiert und in die Zukunft fortgeschrieben. Solche hypothetischen Lösungsfragen sind etwa folgende: Woran werden Sie merken, dass Sie nicht mehr in die Therapie kommen müssen? Oder auch die „Wunderfrage“ (s. Übersicht): „Angenommen, es würde eines Nachts, während Sie schlafen, ein Wunder geschehen, und Ihr Problem wäre gelöst. Wie würden Sie das merken? Was wäre anders? Wie wird Ihr Ehemann davon erfahren, ohne dass Sie ein Wort darüber zu ihm sagen?“ (De Shazer 1988, S. 24). In dieser Wunderfrage sind einige Prämissen implizit enthalten: Eine Lösung wird ohne das aktive Zutun des Klienten imaginiert. Dadurch wird versucht, keine anklagende Botschaft zu vermitteln, etwa in dem Sinne: „Tun Sie das mal“ oder: „Das hätten Sie schon lange tun können“. Es soll dem Klienten möglich werden, ohne Gesichtsverlust, über eine Lösung nachzudenken, für deren hypothetische Realität er selbst nicht verantwortlich zu machen ist.
Die lösungsorientierte Befragung am Beispiel der „Wunderfrage“
Wunderfrage: Angenommen, es würde heute Nacht, während Sie schlafen, ein Wunder geschehen, und Ihr Problem wäre gelöst. Wie würden Sie das morgen früh merken? Was wäre anders? Wie wird Ihr Ehemann davon erfahren, ohne dass Sie ein Wort darüber zu ihm sagen?
  • Die Erzeugung von Relevanz des Wunders
    • Wenn das Wunder geschehen ist, macht es dann einen Unterschied für Sie?
    • Welche Unterschiede werden Sie dann an sich selbst bemerken?
    • Welche Unterschiede werden dann andere (…) bemerken?
    • Welche Unterschiede wird es für Ihr Leben machen?
    • Was werden Sie dann tun oder unterlassen, was Sie vorher (nicht) getan haben?
  • Die Erzeugung eines Beginns und erster Schritte
    • Was ist das erste Anzeichen dafür, dass das Wunder geschehen ist?
    • Was ist das kleinste Anzeichen für einen Unterschied, den Sie bemerken können?
    • Woran werden Sie bemerken, dass das Wunder begonnen hat?
    • Wenn Sie am Morgen Ihre Augen öffnen, was wird das erste Zeichen dafür sein, dass das Wunder geschehen ist?
    • Wer wird die erste Person sein, die bemerkt, dass das Wunder geschehen ist, und was wird diese Person sagen, was sie als erstes bemerkt hat?
  • Die Erzeugung konkreten und spezifischen Verhaltens
    • Was werden Sie anders machen am Tag nach dem Wunder, woraus Sie entnehmen: Das Wunder ist geschehen?
    • Was werden andere (…) sehen, was Sie tun, das diesen sagt, dass ein Wunder geschehen sein muss?
    • Angenommen, am Tag nach dem Wunder wird ein Film über Sie gedreht, was werden wir dort sehen, das uns sagt, dass das Wunder geschehen sein muss?
    • Woran werden Sie merken, dass Sie (…) sind?
  • Die Erzeugung positiver und die Vermeidung negativer Unterschiede
    • Wenn Sie nicht mehr (negierende Beschreibung) tun, was werden Sie stattdessen tun?
    • Wenn (negierende Beschreibung) nicht mehr geschieht, was wird statt dessen geschehen?
    • Was werden andere (…) sehen, was Sie anders machen, wenn (negierende Beschreibung) nicht mehr geschieht?
  • Die zeitliche und räumliche Kontextualisierung des Wunders
-Wer
wird die erste Person sein, die bemerkt, dass das Wunder geschehen ist und woran?
 
wird was anders machen nach dem Wunder?
 
wird am überraschtesten sein, wenn Ihr Problem gelöst ist?
-Was
wird diese Person sehen, was Sie anders machen, was er (sie) nicht für gehalten hat?
 
werden Sie sehen, was diese Person anders macht, was Sie nicht für möglich
 
gehalten haben?
-Wo
möchten Sie gerne sein, wenn Sie zuerst bemerken, dass das Wunder geschehen ist,
 
und was möchten Sie dort am liebsten als erstes bemerken?
-Wann
waren Sie in der Vergangenheit erfolgreich? Was war anders, das Sie damals
 
veranlasste, erfolgreich zu sein?
 
würden andere (…) sagen, waren Sie in der Vergangenheit erfolgreich? Was, würden
 
diese anderen sagen, verursachte damals Ihren Erfolg?
Die Fragen sollen anregen, die Lösung möglichst präzise auf der Verhaltensebene zu operationalisieren. Häufig genug ist diese Operationalisierung eine wichtige Voraussetzung für die Lösung. Es kann erst bestimmt werden, wann und ob die Lösung erreicht ist, wenn man weiß, wie sie aussieht. Eine weitere Implikation ist die unmittelbare und notwendige Konstruktion eines interaktionellen Kontextes der Lösung („Woran wird es Ihr Ehemann merken …“), dadurch werden weitere Anschlussfragen zu den interaktionellen Auswirkungen einer Lösung ermöglicht, durch die dann die Kontextverträglichkeit einer Lösung beurteilbar wird.

Neutralität erzeugende Befragung

Zu den Grundhaltungen der systemischen Therapie gehört die Neutralität des Therapeuten. Der Realisierung von Neutralität durch den Therapeuten sind enge Grenzen gesetzt, der Möglichkeit ihrer Kontrolle durch den Therapeuten noch engere, da nicht der Therapeut selbst, sondern seine Klienten darüber entscheiden. Darüber hinaus ist im Phänomenbereich der therapeutischen Interaktion Neutralität nicht möglich, da sich Verhalten immer für eine Seite einer Unterscheidung entscheidet. Insofern ist Neutralität auch in Sprache nicht möglich. Über Neutralität lässt sich lediglich sprechen. So kann der Therapeut im Sprechen über Neutralität erfahren, ob er neutral gesehen wird, welche Verhaltensweisen er vermeiden sollte und wie er, vielleicht sogar mit Hilfe seiner Klienten, eine verlorene Neutralität wiederfinden kann. Sprechen über Neutralität kann Neutralität wahrscheinlich machen (vgl. Simon und Weber 1990; Retzer 1994a). Es lassen sich Fragen beschreiben (s. folgende Übersicht), die ein solches Sprechen über Neutralität ermöglichen.

Auftragsklärung

Am Beginn jeder systemischen Therapie steht die Auftragsklärung. Die Tatsache, dass Klienten einen Therapeuten aufsuchen, bedeutet keinesfalls zwingend, dass damit schon ein Behandlungsauftrag gegeben wurde oder gar eine Zielbestimmung für das therapeutische Unternehmen erfolgt sei. Beides zu ermitteln oder zu entwickeln ist notwendiger Teil des therapeutischen Prozesses. Ohne Auftrag und Merkmalsdefinition von Zielen können Ziele nie erreicht werden. Selbst wenn sie erreicht werden, wird man es nicht bemerken, da keine Merkmale definiert wurden. Die Situation wird noch komplexer, wenn mehrere Personen – etwa im Rahmen einer systemischen Paar- oder Familientherapie – um eine Behandlung nachsuchen. Es ist dann nicht notwendigerweise davon auszugehen, dass alle Personen den gleichen Auftrag und die gleichen Ziele haben oder entwickeln. Insbesondere wenn man psychotische Klienten behandelt, ist es selten so, dass das psychotische Familienmitglied und seine Angehörigen die gleichen Aufträge und Ziele bereithalten.
Fragen zur Erzeugung von Neutralität
Fragen zur Erzeugung von sozialer Neutralität
  • Was müßte ich tun, um Ihren Mann ärgerlich auf mich zu machen?
  • Was müsste ich tun, damit Ihre Frau glaubt, ich stünde auf Ihrer Seite?
  • Was könnten Sie tun, um mich zu diesem Verhalten zu bewegen?
  • Angenommen, ich würde das tun, was Sie eben beschrieben haben, würden Sie es mich wissen lassen?
Fragen zur Erzeugung von Konstruktneutralität
  • Wie müsste ich mich verhalten, damit Ihre Frau zu der Überzeugung gelangt, ich sehe das Leben (nicht) als ein tiefes Jammertal?
  • Wenn wir so weitersprechen wie bisher, denkt Ihr Mann dann, ich sei auch der Meinung, dass das Leben ein verlängerter Kalauer sei?
  • Wie lange müsste ich mit Ihnen noch über Ihre Schicksalsschläge sprechen, bis wir hier alle der Meinung wären, dass Sie ein schweres und unveränderbares Schicksal hatten, haben und haben werden?
  • Angenommen, wir sprechen heute die gesamte Sitzung über Ihre düstere Stimmung, welche Auswirkungen hätte das auf Ihr Leben bis zur nächsten Sitzung?
Fragen zur Erzeugung von Veränderungsneutralität
  • Denken Sie, ich bin heute eher an einer Veränderung interessiert oder daran, dass alles so bleibt, wie es ist?
  • Angenommen, ich wollte erreichen, dass Sie mich als jemanden sehen, der an Ihrer Veränderung interessiert ist, was müsste ich dann tun oder unterlassen?
  • Angenommen, ich wollte erreichen, dass Sie mich als jemanden sehen, der daran interessiert ist, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind, was müsste ich dann tun oder unterlassen?
  • Was wäre eine gute Frage, die ich Ihnen stellen sollte, die Frage danach, wie es ist, oder danach, wie es sein könnte?
Die folgende Übersicht zeigt eine Auswahl von Fragen, die der Auftragsklärung und Zielbestimmung dienlich sein können.
Fragen zur Auftragsklärung und Zielbestimmung
  • Wie haben Sie den Weg zu mir gefunden?
  • Wer hatte die Idee, hierhin zu kommen?
  • Wer ist der „Überweiser“ (Klient, Angehöriger, andere …)?
  • Welche Vorstellungen gibt es über die Therapie, den Therapeuten, seine Institution …?
  • Wie lange haben Sie auf dieses Gespräch gewartet?
  • Was ist in der Wartezeit geschehen?
  • Wenn therapeutische Gespräche optimal verlaufen würden, was sollte dann für wen dabei herauskommen?
  • Wenn therapeutische Gespräche nichts bewirken würden, was würde dann für wen dabei herauskommen?
  • Wenn therapeutische Gespräche alles nur noch verschlimmern würden, was würde dann für wen dabei herauskommen?
  • Wer ist optimistisch, wer skeptisch in Bezug auf die Nützlichkeit einer solchen Therapie?
  • Wie müssten die therapeutischen Gespräche geführt werden, damit Sie Ihre Ziele (nicht) erreichen?
  • Angenommen, es fänden keine therapeutischen Gespräche statt, wer wäre darüber froh, ärgerlich, indifferent und wie würde das Leben für jeden einzelnen dann weitergehen?
  • Was waren Ihre bisherigen Lösungsversuche und mit welchen Ergebnissen?
  • Angenommen, es gäbe keine Psychotherapeuten und keine Psychotherapie auf dieser Welt, wie würde Ihr Leben dann weiter verlaufen?
Nach der ausreichenden Klärung dieser Fragen am Beginn einer systemischen Therapie sollte der Therapeut seinerseits folgende Frage beantworten können: Wer will was wann von wem und wozu?

Differenzierung des Klienten

Die Auftragsklärung und Zielbestimmung dient also auch der Informationserzeugung beim Therapeuten. Dieser sollte wissen, um welche Art von Klient es sich handelt, welche Art von Auftrag dieser vergibt, welche Selbstdefinition er vornimmt und welches Beziehungsangebot der Klient dem Therapeuten macht. Zur Organisation dieser beim Therapeuten erzeugten Information hat sich eine Differenzierung des Klienten in Besucher, Klagende und Kunden (De Shazer 1988) bewährt. Diese Differenzierung dient therapeutisch-pragmatischen Zielen, d. h. sie soll differenziertes Vorgehen bei unterschiedlichen Klienten mit unterschiedlichen Aufträgen ermöglichen und damit die Passgenauigkeit therapeutischer Maßnahmen erhöhen.
Besucher
Der Besucher ist ein Klient ohne Beschwerde, ohne Ziele, der meist von jemandem geschickt oder mitgenommen wurde. In psychiatrischen Kontexten ist es oft der unfreiwillig oder zwangsweise anwesende Patient. Hat man als Therapeut keinen sozialen Kontrollauftrag (den man aber meist nicht vom Besucher selbst bekommt, sondern von anderen, die den Besucher kontrolliert wissen wollen) oder will man keinen solchen Kontrollauftrag übernehmen, so kann man versuchen zu ermitteln, ob es vielleicht doch Beschwerden oder Ziele gibt, z. B. Beschwerden über den, der geschickt oder mitgenommen hat oder der kontrollieren will und das Ziel, diesen loszuwerden. Lassen sich solche Beschwerden und Ziele nicht ermitteln, so hat der Besucher keine gültige „Eintrittskarte“ für eine Therapie und eine Therapie kann und sollte nicht stattfinden, wenn man Therapie nicht als „niederstschwellige kostenlose Benefizveranstaltung“ disqualifizieren will.
Klagender
Der Klagende ist ein Klient mit Beschwerden und Ziel. Er sieht sich als Teil eines Problems und nicht als Teil einer Lösung, d. h. er erwartet, dass sich andere oder anderes verändert oder verändern wird. Der Klagende, der sich über andere beklagt, die sein Problem sind, bietet also ein Wahrnehmungsproblem an, kein Handlungsproblem. Der Klagende sollte daher nicht mit Versuchen verärgert werden, sein eigenes Handeln zu verändern und dadurch zur Nichtkooperation verführt werden, er glaubt ja, dass andere sich verändern müssten. Lohnenswerter und kooperationsfördernder sind dagegen therapeutische Interventionen, die seine Selbst- und Fremdwahrnehmung verändern.
Kunde
Der Kunde ist ein Klient, der ebenso wie der Klagende Beschwerden und Ziele hat. Im Gegensatz zum Klagenden sieht sich jedoch der Kunde nicht vorwiegend als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung, d. h. als jemand, der etwas gegen sein Problem tun kann und tun will. Hier wäre es therapeutisch falsch, dem Klienten keine Interventionen anzubieten, die Veränderungen auf der Verhaltensebene anstoßen sollen. Allgemein und formal ausgedrückt sollten einem Kunden Vorschläge gemacht werden zum Handlungsvollzug von neuen Handlungen oder von Handlungen, die im Sinne einer Lösung schon funktionieren, oder Vorschläge zur Handlungsunterlassung von Handlungen, die bisher nicht funktionierten.
Rollenwechsel
Die vorgenommene Differenzierung ist keineswegs sehr stabil: Man sollte damit rechnen, dass die Diagnosen sich leicht und schnell über die Zeit und abhängig vom interaktionellen Kontext ändern können. So kann es schon innerhalb einer einzigen therapeutischen Sitzung geschehen, dass ein Klient, der sich zunächst als Besucher gibt, zum Kläger oder gar Kunden wird und insofern auch Therapie stattfinden kann. Umgekehrt sollte in jeder erfolgreichen Therapie aus einem Klienten, der Kläger oder Kunde war, wieder ein Besucher werden, wenn die Therapie erfolgreich war, d. h. Kläger- oder Kundenwünsche erfüllt werden konnten. So muss der Kläger oder Kunde nicht länger ein solcher sein, sondern kann wieder zum Besucher werden; damit ist die Therapie eine endliche Therapie, d. h. sie kann erfolgreich abgeschlossen werden.

Schlussintervention

Die Schlussintervention ist eine sprachliche Intervention am Ende einer Sitzung nach der Konsultation des systemischen Psychotherapeuten mit seinem Team. Dabei wird versucht, die Inhalte des Gespräches zu fokussieren und gezielt Informationen beim Klienten zu erzeugen. Während die Schlussintervention früher (z. B. Selvini Palazzoli et al. 1975) oft als die eigentliche therapeutische Intervention betrachtet wurde, werden inzwischen die sprachlichen Mikroprozesse während des vorangehenden Interviews – etwa die durch zirkuläre Fragen angestoßenen Prozesse – als zumindest gleichrangig neben die Schlussintervention gestellt. Inhalt und Funktion von Schlussintervention und vorangegangener therapeutischer Konversation unterscheiden sich nicht voneinander: Beide sollen stören und relevant sein.
Die Tab. 2 zeigt einige typische Schwerpunkte und Ziele von Schlussinterventionen, wobei in der therapeutischen Praxis die konkrete „Performance“ meist Elemente aus verschiedenen hier idealtypisch voneinander getrennten Schlussinterventionen zusammenführt. Schlussinterventionen werden hier nach ihrer therapeutischen Zielrichtung unterschieden in
Tab. 2
Schlussinterventionen
Kommentare
Positive Konnotation
Den im Interview geschilderten Verhaltensweisen der Klienten wird eine positive Bedeutung gegeben, etwa im Hinblick auf die Intentionen der Klienten und die Wirkungen ihres Verhaltens. Verhaltensweisen, denen eine positive Bedeutung zugeschrieben wird, können leichter unterlassen werden. Diese Verhaltensweisen müssen nicht länger verteidigt werden, da sie nicht (durch negative Konnotation) vom Therapeuten angegriffen werden
Umdeutung
Eine Umdeutung ist ein Kommentar, der einen neuen Kontext und damit eine neue Bedeutung für Verhalten schafft. Die positive Konnotation ist eine mögliche Form der Umdeutung. Umdeutungen können neue Beschreibungen (neue Aufmerksamkeitsfokusse, Erweiterung oder Verengung eines Aufmerksamkeitsfokus), neue Erklärungen (neue Ursache-Wirkungs-Relationen) und neue Bewertungen (positive und negative Konnotationen) erzeugen. Therapeutisch entscheidend für die Effektivität der Umdeutung ist, ob sie einen annehmbaren Unterschied für den Klienten macht
Einführung einer höheren Macht
Besonders dort, wo Versuche der Lösung zum Problem geworden sind, kann die Einführung einer höheren Macht (z. B. des Zufalles, des Trotzes des Klienten, des Schicksals …) zu einer Unterbrechung von problemaufrechterhaltenden Lösungsversuchen führen (Retzer 1988)
Das Splitting und die Ambivalenz
Klienten erleben ihre Welt und ihr Leben oft in einem formallogischen Entweder-oder-Muster (krank-gesund, abhängig-unabhängig, Problemlösung …). In der Uneinigkeit zweier Therapeuten (Splitting) oder der „inneren Zerrissenheit“ eines Therapeuten (Ambivalenz) kann dagegen ein Sowohl-als-auch-Muster angeboten werden, das häufig von Klienten mit einem Weder-noch-Muster beantwortet wird, d. h. der Klient verlässt seinen bisherigen Kontext (Retzer 1994a, S. 194 f.)
Handlungsvorschläge
Mehr, was funktioniert
Hier wird eine Differenzierung in problematisches und unproblematisches Verhalten vorgenommen und der Bereich des unproblematischen Verhaltens erweitert
Weniger, was nicht funktioniert
Hier gilt das Gleiche wie für das, was funktioniert, es wird jedoch von der problematischen Seite aus gesehen und behandelt
Etwas Neues, was das Alte stört
Oft genügt es nicht, etwas zu unterlassen, sondern es muss stattdessen etwas anderes vollzogen werden
Symptomverschreibungen
Der Klient wird aufgefordert, das problematische Verhalten zu zeigen. Er gerät damit in eine paradoxe Situation: Zeigt er sein Verhalten, zeigt er damit gleichzeitig, dass er sein Verhalten kontrollieren oder zumindest beeinflussen kann, zeigt er sein Verhalten nicht, weil er es nicht beeinflussen kann, reduziert er damit seine Symptome und beeinflusst sie dadurch (Watzlawick et al. 1974; Ruskin und Klein 1976)
Rituale
Rituale sind konkrete Handlungsaufforderungen mit genauer Bestimmung von Zeit und Ort ihrer Durchführung. Dadurch kann zu neuem Verhalten angeregt werden. Es können aber auch durch den Vollzug von Handlungen Bedeutungen verändert werden, so können etwa Entwicklungsetappen abgeschlossen oder begonnen werden, soziale Verbindungen können hergestellt oder gelöst werden etc. (Imber-Black et al. 1993; Retzer 2002)
  • Kommentare (Zielrichtung: Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen) und
  • Handlungsvorschläge (Zielrichtung: Verhalten).

Anwendungsbereiche systemischer Psychotherapie

Neben der Verbreitung von systemischer Psychotherapie in Erziehungsberatungs-, Jugendhilfe- und Familienberatungskontexten, finden sich innerhalb der Medizin inzwischen in vielen Bereichen eine Anwendung systemischer Psychotherapie und die Entwicklung differenzierter therapeutischer Modelle und Methoden. Die wichtigsten und entwickeltsten Anwendungsbereiche sind im Folgenden zusammengefasst:
  • Theoriebildung und Entwicklung von therapeutischer Methodik bei körperlichen Erkrankungen (Retzer 1988, 1994b, 2005; Simon 1995; Häuser 1989),
  • die Behandlung von Essstörungen (Selvini Palazzoli 1974; Weber und Stierlin 1989; Schmidt 1989),
  • die Suchtbehandlung (Schmidt 1988; Efran et al. 1989; Berg und Miller 1992; Klein 2003),
  • im Bereich der allgemeinärztlichen Praxis und der Familienmedizin (McDaniel et al. 1990, 1992; Retzer 1994b),
  • im Bereich der Psychiatrie, insbesondere der systemischen (Familien-)Therapie von Psychosen (Selvini Palazzoli et al. 1975; Simon 1990; Weber und Retzer 1991; Retzer 1994a, 2003; Keller und Greven 1996; Ruf 2005),
  • im Bereich der Paar- und Sexualtherapie (Retzer 2004, 2009; Clement 2004; Willi und Limacher 2005).

Evaluation systemischer Psychotherapie

Die bisher umfassendste und methodisch anspruchsvollste Metaanalyse zur Effektivität von systemischer Paar- und Familientherapie wurde von Shadish (1992) und Shadish et al. (1993, 1997) vorgelegt. In diese Metaanalyse gingen für den Zeitraum bis 1988 insgesamt 163 kontrollierte Studien mit randomisierten Stichproben ein, davon 71 Vergleiche mit unbehandelten Kontrollgruppen und 105 Vergleiche mit anderen Therapieverfahren. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
  • systemische Paar- und Familientherapie ist wirksam;
  • dieser Wirksamkeitsnachweis ist mindestens so gut belegt wie der anderer Psychotherapieverfahren, wobei andere Psychotherapieverfahren selten so ausgiebig und methodisch anspruchsvoll untersucht wurden;
  • in einem Vergleich mit humanistischen, eklektischen und unklassifizierbaren Familientherapien waren systemische Familientherapien immer überlegen. Die Autoren betrachten die systemische Familientherapie als die wirksamste Orientierung innerhalb eines familientherapeutischen Settings;
  • im Vergleich von systemischer und psychodynamisch/psychoanalytischer Familientherapie zeigt sich die systemische Therapie als die effektivere. Dies entspricht auch den Ergebnissen der Therapievergleichsstudie von Goldman und Greenberg (1991), in der systemische mit psychodynamischer Paartherapie verglichen wird.
  • Der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) hat im Dezember 2008 die systemische Therapie als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren eingestuft – sowohl für die Psychotherapie Erwachsener als auch für die Kinder- und Jugendpsychotherapie – und daher als Verfahren für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten empfohlen.
  • Der wissenschaftliche Beirat hat die wissenschaftliche Anerkennung der systemischen Psychotherapie insbesondere für die folgenden Anwendungsbereiche festgestellt: Affektive Störungen (ICD-10 F30 bis F39) und Belastungsstörungen (F43), Essstörungen (F50), psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten (F54), Verhaltensstörungen (F90 bis F92, F94, F98) mit Beginn in der Kindheit und Jugend und Tic-Störungen (F95), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60, F62, F68, F69), Störungen der Impulskontrolle (F63), Störungen der Geschlechtsidentität und Sexualstörungen (F64 bis F66), Abhängigkeiten und Missbrauch (F1, F55), Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F20 bis F29).

Wirkfaktoren und -mechanismen

Nachdem die generelle Wirksamkeit systemischer Psychotherapie nachgewiesen und auch anerkannt ist, bestehen die zukünftigen Aufgaben der Evaluationsforschung in der Untersuchung unterschiedlicher Wirkfaktoren und -mechanismen bei unterschiedlich definierten Situationen, Problemen, Diagnosen und Klientengruppen. Dazu gibt es schon erste Ergebnisse, jedoch bisher nur aus Studien ohne ein Kontrollgruppendesign:
  • Weber und Stierlin (1989) untersuchten 42 Familien mit einer anorektischen Tochter nach systemischer Familientherapie und einem durchschnittlichen Katamnesezeitraum nach Beendigung der Familientherapie von 4 Jahren und 7 Monaten. 86 % der Fälle zeigten deutliche Verbesserungen in 8 Kategorien (Essverhalten, Gewicht, Menstruation, Individuation, Peergroup-Beziehungen, Familienbeziehungen, Symptomatiken anderer Familienmitglieder, Paarbeziehungen der Eltern).
  • Retzer (1994a) untersuchte 60 Familien mit einem schizophrenen, schizoaffektiven oder manisch-depressiven Familienmitglied nach einer systemischen Familientherapie und einem Katamnesezeitraum von durchschnittlich über 3 Jahren nach Beendigung der Familientherapie. Die Rückfallrate (stationär behandelte Rückfälle innerhalb eines definierten Zeitraumes) reduzierte sich um 75 %, es zeigten sich positive Berufs- und Ausbildungsentwicklungen und eine drastische Reduzierung von Medikamentenverordnungen.
  • Ludewig (1992) berichtet über eine Nachbefragung von 225 Familien, die in durchschnittlich 3 Sitzungen in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz behandelt wurden. Insgesamt 60 % der Familien gab an, das Problem sei gelöst, und 75 % beschrieb, mit dem gegenwärtigen Zustand des Kindes und mit ihrer Lebenssituation zufrieden zu sein.
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