Fortschritte in Bildgebung und Medizintechnik haben mittlerweile dazu geführt, dass fetale Erkrankungen früh erkannt und in bestimmten Fällen auch intrauterin behandeln werden können. Ethisch darf eine fetale Therapie nur dann angeboten werden, wenn die intrauterine Behandlung einen deutlichen Vorteil gegenüber der postnatalen Behandlung darstellt bzw. wenn die intrauterine Therapie bleibende Schäden oder den intrauterinen Fruchttod (IUFT) verhindern kann. Invasive fetale Therapien werden z. B. bei einer fetalen Anämie, dem fetofetalen Transfusionssyndroms, der fetalen Spina bifida und der kongenitalen Zwerchfellhernie angeboten. Eine der Hauptkomplikationen der invasiven fetalen Eingriffe ist der vorzeitige Blasensprung.
Hinweise
Wissenschaftliche Leitung
Thomas Dimpfl, Kassel
Markus Hübner, Freiburg
Wolfgang Janni, Ulm
Nicolai Maass, Kiel
Nicole Ochsenbein-Kölble, Zürich
Olaf Ortmann, Regensburg
Barbara Sonntag, Hamburg
Klaus Vetter, Berlin
Roland Zimmermann, Zürich
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Lernziele
Nach Lektüre dieses Beitrags ...
kennen Sie die häufigsten invasiven intrauterinen Therapien.
können Sie aktuelle Indikationen für eine fetale Therapie aufführen.
kennen Sie die wichtigsten sonographischen Merkmale der fetalen Anämie, des fetofetalen Transfusionssyndroms, der fetalen Spina bifida und der kongenitalen Zwerchfellhernie.
sind Ihnen die wichtigsten Komplikationen der fetalen Therapien bekannt.
kennen Sie das Outcome nach den häufigsten invasiven intrauterinen Therapien.
Hintergrund
In den 1980er-Jahren wurde in den USA zum ersten Mal durch Prof. Michael Harrison ein Fet im Mutterleib operiert – der Fet wurde zum Patienten. Während initial nur wenige fetale Erkrankungen die Kriterien für eine intrauterine Therapie erfüllten, weitete sich das Feld zunehmend aus. Die Weiterentwicklung der Ultraschall‑, Instrumenten- und Operationstechniken hat mittlerweile dazu geführt, dass fetale Erkrankungen zunehmend früher erkannt und in bestimmten Fällen auch intrauterin behandeln werden können. Entsprechend wurden in den letzten Jahrzehnten im Bereich der intrauterinen Therapie wichtige Fortschritte erzielt. Studien hierzu sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Übersicht von Studien zu invasiven intrauterinen Therapien
Indikation
Therapie
Literatur
Evidenza
Interventionen an Plazenta, Nabelschnur oder Eihäuten
aBewertung der publizierten Literatur gemäß ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft nach Evidenzklassen. (Mod. nach AHCPR 1992; SIGN 1996)
bDiese Studie wurde wegen mangelnder Rekrutierung vorzeitig abgebrochen
Das Ziel einer intrauterinen Therapie besteht immer darin, die fetale Prognose zu verbessern. Sie soll dann angeboten werden, wenn die intrauterine Behandlung einen deutlichen Vorteil gegenüber der postnatalen Behandlung darstellt bzw. die intrauterine Therapie bleibende Schäden oder den intrauterinen Fruchttod (IUFT) verhindern kann. Für die Indikationsstellung müssen entsprechend auch die interventionsassoziierten Risiken für Mutter und Fetus, insbesondere vorzeitiger Blasensprung und Frühgeburt, mit abgewogen werden.
Im Folgenden werden einige fetale Erkrankungen und deren heute mögliche invasive intrauterine Therapien genauer beleuchtet.
Merke
Der Ultraschall spielt bei allen invasiven intrauterinen Therapien eine Schlüsselrolle in Diagnostik und Überwachung.
Merke
Die intrauterine Behandlung muss gegenüber der postnatalen deutliche Vorteile haben.
Cave
Die intrauterine Behandlung impliziert auch potenzielle Risiken für die Mutter.
Fetale Anämie
Zu den häufigsten Ursachen der fetalen Anämie zählen die maternale Alloimmunisation und die Parovirus-B19-Infektion, seltener finden sich auch andere Ursachen, wie z. B. eine fetomaternale Hämorrhagie oder plazentare/fetale Tumoren.
Mit der Einführung der Anti-D-Prophylaxe konnte die häufigste Alloimmunisation, nämlich die Rhesus-Alloimmunisation, deutlich reduziert werden. Die nichtinvasive fetale Blutgruppenbestimmung ermöglicht eine risikoarme vorgeburtliche fetale Blutgruppenbestimmung, sodass eine Anti-D-Prophylaxe gezielt eingesetzt werden kann. Trotz dieser Fortschritte werden wir weiterhin mit Fällen von fetaler Anämie konfrontiert sein.
Diagnose
Es konnte gezeigt werden, dass die Messung der maximalen systolischen Geschwindigkeit in der A. cerebri media („middle cerebral artery peak systolic velocity“, MCA-PSV) zuverlässig genug ist, um in der Diagnostik der fetalen Anämie die invasive fetale Hb(Hämoglobin)-Bestimmung zu ersetzen [17, 18], auch wenn sonographische Anämiezeichen, wie ein fetaler Aszites oder Perikarderguss, fehlen. PSV-Messungen können schon ab 16–18 Schwangerschaftswochen (SSW) verwendet werden, wobei sie ab 35 SSW wieder unzuverlässiger werden [18].
Besteht der Verdacht auf eine maternale Alloimmunisation empfiehlt es sich, gemäß dem Algorithmus in Abb. 1 vorzugehen.
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Fetale Intervention
Rodeck et al. [1], haben 1981 die heute als Therapie der Wahl geltende Therapie, die intravaskuläre, intrauterine Transfusion („intrauterine transfusion“, IUT), beschrieben. Wird eine fetale Anämie anhand von MCA-PSV-Werten hoch über dem Referenzwert (MoM [„multiple of the median“] > 1,5; Abb. 2) diagnostiziert, kann eine fetale Transfusion indiziert sein. Ultraschallgesteuert wird dabei, bestrahltes, 0‑negatives Blut per Chordozentese direkt in die Umbilikalvene gespritzt (Abb. 3). Je nach Befund und SSW muss eine Transfusion auch mehrmals durchgeführt werden.
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Outcome
Insgesamt gilt die fetale Transfusion in erfahrenen Händen als sichere Therapie mit einer kindlichen Überlebensrate von 95 %. Komplikationen, wie lokale Nabelschnurhämatome, Blutung aus der Punktionsstelle oder Blasensprung, sind selten, aber beschrieben [19]. Es ist nach Geburt eines intrauterin transfundierten Kindes damit zu rechnen, dass das Neugeborene noch weitere Transfusionen benötigt.
Merke
Besteht der Verdacht auf eine fetale Anämie, muss nach standardisiertem Abklärungsalgorithmus vorgegangen werden.
Merke
Bei bekannter maternaler Alloimmunisation ist die fetale MCA-PSV-Messung ein zuverlässiger Parameter für die Diagnostik einer fetalen Anämie.
Fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS)
Ungefähr 20 % aller Zwillinge sind monochorial mit 2‑ bzw. 4‑fach erhöhter Mortalität im Vergleich zu dichorialen Zwillingen oder Einlingen. In 10–15 % aller monochorialen Zwillingsschwangerschaften tritt ein fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS) auf, das durch eine unausgeglichene Blutflussbilanz über plazentare Gefäßverbindungen zustande kommt. Meist tritt das FFTS zwischen 16 und 26 SSW auf, es kann jedoch auch noch im späteren Schwangerschaftsverlauf diagnostiziert werden. Ohne Therapie beträgt die Mortalität > 90 %. Die Verödung dieser Gefäßverbindungen mittels fetoskopischer Lasertherapie ist entsprechend die einzige kausale Therapie.
Merke
Die Verödung der Gefäßverbindungen mittels fetoskopischer Lasertherapie ist die einzige kausale Therapie des FFTS.
Diagnose
Die Diagnose eines FFTS wird mittels Ultraschall gestellt. Das durch die Gefäßanastomosen verursachte, chronische Ungleichgewicht im Blutvolumen führt zu folgendem Szenario: Der Spenderzwilling („Donor“) entwickelt eine Hypovolämie mit Oligurie und Oligohydramnion oder sogar Anhydramnion (Abb. 4a). Dadurch wird er durch das Amnion an die Plazenta fixiert, sodass er als „stuck twin“ imponiert. Der Empfängerzwilling („Rezipient“) hingegen ist einer Hypervolämie ausgesetzt und bewegt sich frei im Polyhydramnion infolge seiner Polyurie (Abb. 4b). Das Oligohydramion des Spenders ist durch ein tiefstes vertikales Fruchtwasserdepot („deepest vertical pocket“, DVP) von < 2 cm und das Polyhydramnion des Empfängers durch ein DVP ≥ 8 cm < 20 SSW bzw. ≥ 10 cm ≥ 20 SSW definiert [4].
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Merke
Bei Zwillingschwangerschaften mit Oligohydramnion beim einen und Polyhydramnion beim anderen Feten muss immer an ein FFTS gedacht werden.
Das FFTS lässt sich nach Quintero et al. [20] in 4 Stadien unterscheiden (Tab. 2). Kommt eine Therapie beim FFTS zu spät, können ein oder beide Feten intrauterin verstorben sein, was gelegentlich auch als Quintero-Stadium V bezeichnet wird.
Tab. 2
Stadieneinteilung des fetofetalen Transfusionssyndroms (FFTS) nach Quintero et al. [20]
Stadium
I
Oligohydramnion – Spender; Polyhydramnion – Empfänger; Harnblase des Spenders darstellbar
II
Im Vergleich zum Stadium I Harnblase des Spenders nicht darstellbar
III
Zusätzlich pathologische Dopplerwerte: enddiastolischer Nullfluss oder retrograder Fluss in der Nabelschnurarterie, meist beim Spender, oder retrograder Fluss im Ductus venosus, typischerweise beim Empfänger
IV
Zusätzlich Hydrops fetalis des Empfängers
Vor Planung eines Eingriffes sollte die transvaginale Zervixlänge gemessen werden, um das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt abzuschätzen.
Prognose
In ca. 80–90 % ist mit dem Überleben mindestens eines Kindes zu rechnen und in ca. 40–70 % mit dem Überleben beider Kinder. Die Prognose ist jedoch von verschiedenen Faktoren, wie dem Quintero-Stadium, Dopplerparametern, Zervixlänge und Gestationsalter (GA) bei Operation, abhängig. Die Überlebenswahrscheinlichkeit nimmt mit zunehmendem Quintero-Stadium ab. Auch schwere neurologische Beeinträchtigungen sind in einem Stadium 3 und 4 häufiger als in einem Stadium 1 oder 2. Ein enddiastolischer Nullfluss oder retrograder Fluss in der A. umbilicalis, ein transplazentarer Operationszugang und ein GA < 18 SSW haben ebenfalls eine schlechtere Prognose. Zeigt sich eine Zervixlänge ≤ 25 mm vor einer geplanten Fetoskopie, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit mindestens eines Zwillings auf 60 % [21].
Fetale Intervention
Im Stadium 1: Eine kürzlich veröffentlichte kontrollierte, randomisierte Studie konnte zeigen, dass bei einem FFTS im Stadium 1 mit einer Lasertherapie gegenüber einem abwartenden Procedere mit regelmäßigen klinischen und sonographischen Kontrollen kein Vorteil erzielt werden kann [2].
Ab Stadium 2: Senat et al. 2004 [3] konnten mit einer vorzeitig abgebrochenen, kontrollierten, randomisierten Studie zeigen, dass die Laserkoagulation den seriellen Fruchtwasserentlastungspunktionen klar überlegen ist. Alternativ zur Lasertherapie bei schwerem FFTS mit assoziierter Fehlbildung, TRAP(„twin reversed arterial perfusion“)-Syndrom oder falls die Plazentaanastomosen aufgrund der fetalen und plazentaren Lage nicht vollständig eingesehen werden kann ist der selektive Fetozid mittels fetoskopischem Nabelschnurverschluss durch Laser oder bipolare Koagulation zu diskutieren [4].
Nach fetoskopischer Laserkoagulation der Gefäßanastomosen werden heutzutage die koagulierten Anastomosen in der Regel durch eine Koagulationsstraße („Solomontechnik“) verbunden ([22]; Abb. 5). Das Hauptrisiko des Eingriffes ist mit ca. 30–40 % der vorzeitige Blasensprung.
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Outcome
Das Outcome der Kinder nach Lasertherapie aufgrund eines FFTS ist hauptsächlich vom GA bei Geburt abhängig und ist vergleichbar mit jenem von hinsichtlich GA, Jahrgang, Geburtsgewicht und Geschlecht adjustierten dichorialen Zwillingen [23]. Nach Lasertherapie kommen die Kinder im Mittel zwischen 32 und 34 SSW zur Welt. Eine 2020 veröffentliche Übersichtsarbeit von Sutton et al. [24] berichtet von sehr variabler Inzidenz (4–18 %) schwerer neurologischer Folgeschäden bei überlebenden Kindern mit Zustand nach Lasertherapie aufgrund eines FFTS. Im Alter von 6 Monaten wird die Inzidenz an zystischer periventrikulärer Leukomalazie mit 6 % angegeben [3]. Daten zum neurologischen Outcome von Kindern nach Lasertherapie im Alter von 6 Jahren berichten von 12 % schweren Auffälligkeiten, wie Hemiparesen, spastischen Tetraparesen und Blindheit [25].
Merke
Die Prognose bei FFTS ist vom Quintero-Stadium, Dopplerparametern, Zervixlänge und Gestationsalter bei Operation abhängig.
Fetale Spina bifida (SB)
Trotz Folsäureprophylaxe bleibt die Spina bifida (SB) bzw. ihre häufigsten Formen, die Myelomeningozele (Abb. 6a) und die Myeloschisis (Abb. 6b), eine gängige kongenitale Fehlbildung. Überlebende Kinder sind meist rollstuhlpflichtig, haben Blasen- sowie Darmfunktionsstörungen und brauchen aufgrund eines Hydrozephalus einen Shunt.
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Diagnose
Mittels Ultraschall zeigen sich typischerweise neben der SB-Läsion selbst ein Lemon- und ein Banana-Sign als indirekte sonographische Hinweiszeichen der Kleinhirnherniation (Abb. 7a, b). Oft geht die Läsion mit erweiterten Hirnseitenventrikeln (Abb. 7c), verursacht durch die Obliteration der Cisterna magna, Klumpfüßen (Abb. 7d) und einer verminderten Motilität der unteren Extremitäten einher. Wichtig ist es, immer weitere Malformationen im Sinne einer syndromalen Erkrankung auszuschließen. Vor einer fetalen Intervention ist auch immer eine genetische Abklärung mittels Amniozentese empfohlen. Zudem wird in der Regel eine fetale Magnetresonanztomographie (MRT) komplementierend durchgeführt.
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Fetale Intervention
Die erste erfolgreiche offene Operation bei Feten mit offener SB wurde bereits in den 1990er-Jahren durchgeführt. Die Rechtfertigung dieser fetalen Intervention basiert auf der Validation der „two hit hypothesis“, welche erhärtet, dass sich das klinische Bild der Patienten mit einer SB-Malformation einerseits durch die fehlende Neurulation („first hit“), andererseits aber auch durch die progrediente Schädigung der Läsion durch die Fruchtwasserexpositon und die mechanische Belastung während der Schwangerschaft und Geburt ergibt („second hit“; [26]). Eine große randomisierte, kontrollierte Studie, die Management of Myelomeningocele Study (MOMS), hat darauf basierend gezeigt, dass die fetale SB-Operation mit einer signifikant tieferen Shuntbedürftigkeit im ersten kindlichen Lebensjahr sowie mit einer besseren motorischen Funktion der unteren Extremitäten im Vergleich zur postnatalen SB-Operation einhergeht [7]. Seither gilt die offene fetale SB-Operation als Standardbehandlung für Fälle, die sich hierfür qualifizieren, und die Vorteile der fetalen gegenüber der postpartalen Versorgung konnte auch außerhalb der strikten Studienverhältnisse bestätigt werden [27].
Sind Mutter und Fet für die offene fetale SB-Operation geeignet, wird diese typischerweise zwischen 23 und 25 SSW durchgeführt. Die offene fetale Operation (Abb. 8) erfolgt per querer Laparotomie der Mutter. Unter sonographischer Sicht wird der Fet korrekt positioniert und eine ca. 5–6 cm lange, plazentaferne Uterotomie, durchgeführt. Der Verschluss der SB-Läsion wird entsprechend der ursprünglichen Anatomie dreischichtig vorgenommen (Dura, myofaszialer Lappen, Haut; [7, 28]). Der Geburtsmodus nach offener fetaler SB-Operation ist aufgrund des erhöhten Uterusrupturrisikos per definitionem immer ein Kaiserschnitt.
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Outcome
Das GA bei Geburt nach fetaler SB-Operation liegt im Durchschnitt zwischen 35 und 36 SSW [28, 29]. Im 5‑Jahres-Follow-up der MOM-Kohorte konnte gezeigt werden, dass ca. 70 % der Kinder unabhängig gehen konnten, 26 % hatten eine normale Blasenfunktion und die sozialen und konzeptuellen Fähigkeiten waren mit jenen von Kindern ohne SB vergleichbar [30]. Moehrlen et al. 2020 [28] berichtet auch außerhalb der strikten Studienverhältnisse von 150 Kindern nach fetaler SB-Operation mit einer 1‑Jahres-Shuntrate von 37 % und einer unabhängigen Gehfähigkeit von 84 % im Alter von 3 Jahren. Im Vergleich dazu brauchen 90 % der postnatal operierten Kinder in den ersten Lebenswochen einen Shunt und alle leiden an einer Paraplegie [7]. Trotz dieser vielversprechenden Daten sind die Risiken und Komplikationen, die mit der intrauterinen Operation einhergehen, nicht zu banalisieren. Moldenhauer et al. [29] berichteten von vorzeitigem Blasensprung bei 32 % und von perinatalen Todesfällen in 6 %. Vonzun et al. [31] konnten in ihrer 2020 publizierten systematischen Erfassung aller operationsbedingten Komplikationen aufzeigen, dass 6 % der Mütter und 2 % der Feten schwere Komplikationen erleiden, die eine lebensbedrohliche Situation mit intensivmedizinischer Betreuung für die Mutter bzw. eine extreme Frühgeburt vor 29 SSW für den Feten bedeuten. In dieser Kohorte von 125 Patientinnen wurden 2 % perinatale Todesfälle beschrieben.
Zunehmend wird die fetale SB-Operation auch fetoskopisch angeboten. Die Vorteile der minimal-invasiven Chirurgie liegen insbesondere beim kleineren Zugang und bei den mit der kleineren Uterusnarbe reduzierten Komplikationen einer uterinen Dehiszenz (0 vs. 11 %; [8]). Bisher sind die Raten an vorzeitigem Blasensprung (91 vs. 36 %), Frühgeburten (96 vs. 81 %) und der Revision der SB-Läsion selbst jedoch klar höher als beim offenen Zugang [8]. Im Jahr 2019 gab es ein internationales Treffen von Zentren, welche die fetoskopische SB-Operation anbieten, mit dem Ziel, die Behandlungstechniken zu vereinheitlichen und eine gemeinsame Datensammlung zu organisieren [32]. Bisher liegen weder Daten zum langfristigen kindlichen Outcome noch eine prospektive, kontrollierte, randomisierte Studie vor, welche die offene mit der fetoskopischen Operationstechnik vergleicht.
Merke
Die Rationale hinter der SB-Operation ist die Vermeidung des „second hit“ und die damit verbundene Verbesserung des kindlichen Outcomes.
Cave
Die häufigste Komplikation nach invasiven fetalen Therapien ist der vorzeitige Blasensprung.
Kongenitale Zwerchfellhernie
Die Inzidenz einer kongenitalen Zwerchfellhernie („congenital diaphragmatic hernia“, CDH) liegt bei 1/2500–1/5000, wobei sie in ca. 80 % linksseitig auftritt. Assoziierte Fehlbildungen sind in etwa 40 % zu finden. Eine CDH ist in ca. 10–30 % letal.
Merke
Die CDH liegt in 80 % links.
Diagnose
Sonographisch fällt eine fetale Verdrängung des Herzens bzw. des Mediastinums auf, und es lassen sich je nach Befund Magen, Darm, Milz oder Leber im Thorax nachweisen. Neben einer Leberherniation in den Thorax ist eine niedrige „lung to head ratio“ (LHR), d. h. Verhältnis der Lungengröße auf der Gegenseite des Zwerchfelldefektes zum Kopfumfang, ein negativer Prognosefaktor [33, 34]. Die Lungengröße wird auf Höhe des Vierkammerblicks des Herzens gemessen, wobei der längste Durchmesser mit dem darauf senkrecht stehenden multipliziert wird (Abb. 9). Wird die LHR mit der LHR eines gesunden Feten zum gleichen GA verglichen, ergibt sich die o/e LHR („observed to exspected LHR“), die unabhängig vom GA ist [35]. Eine LHR < 1,0 entspricht bei 22–28 SSW ungefähr einer o/e LHR ≤ 25 %, wobei von einer schweren Lungenhypoplasie ausgegangen wird.
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Fetale Intervention
Physiologischerweise sezernieren die fetalen Lungen während der Schwangerschaft Flüssigkeit in die Luftwege, die während der fetalen Atembewegungen in das Fruchtwasser abgegeben wird. Darauf basierend, dass eine Okklusion der Trachea eine Ansammlung dieser Lungenflüssigkeit in der Lunge bewirkt und diese wiederum zu einer Dehnung und Förderung des Alveolenwachstums sowie zu vaskulären Veränderungen führt, ist die Idee der trachealen Balloneinlage entstanden. Kürzlich konnten Deprest et al. 2021 [9] mit einer kontrollierten, randomisierten Studie (TOTAL-trial) zeigen, dass sich das Überleben von Feten mit schwerer linksseitiger CDH (o/e LHR ≤ 25 %) durch eine fetale endoskopische Balloneinlage in die Trachea („fetal endoscopic tracheal occlusion“, FETO) signifikant verbessert (40 vs. 15 %). Hingegen konnte eine von derselben Studiengruppe durchgeführte, kontrollierte, randomisierte Studie zur moderaten CDH zwar eine Tendenz, aber keinen signifikanten Unterschied in der Überlebensrate durch FETO zeigen (63 vs. 50 %; [10]). Details dieser beiden Studien sind in Tab. 3 zusammengefasst.
Tab. 3
FETO(„fetal endoscopic tracheal occlusion“)-Trial für schwere und moderate linksseitige Zwerchfellhernie (CDH; [9, 10])
Schwere CDH
Moderate CDH
Definition LHR
LHR ≤ 25 %
o/c LHR 26–35 % oder 36–45 % mit Leberherniation in den Thorax
FETO
27 + 0–29 + 6 SSW
30 + 0–31 + 6 SSW
Lagedauer Ballon
34 (28–39) Tage
24 (19–28) Tage
Notfallmäßige Entfernung
17 %
39 %
FETO-Gruppe
(n=40)
Kontrollgruppe
(n=40)
FETO-Gruppe
(n=62)
Kontrollgruppe
(n=49)
Überleben
40 %*
15 %*
63 %
50 %
ECMO
5 %*
29 %*
21 %
20 %
Frühgeburt < 37. SSW
75 %*
29 %*
64 %*
22 %*
Pulmonale Hypertonie
94 %
100 %
74 %
67 %
ECMO „extracorporeal membrane oxygenation“, LHR „lung to head ratio“, o/c LHR „observed to exspected lung to head ratio“, SSW Schwangerschaftswoche
*Signifikanter Unterschied zwischen der FETO- und Kontrollgruppe
Eine FETO wird bei einer schweren CDH normalerweise zwischen 27 und 29 SSW durchgeführt. Dabei wird der Ballon in der fetalen Trachea zwischen Carina und Stimmbändern platziert. Anschließend wird die korrekte Lage des Ballons mittels Ultraschall kontrolliert. Ziel ist es, diesen Ballon bei 34 SSW wieder mittels Fetoskopie zu entfernen, um die Alveolarzellen Typ II, die das Surfactant produzieren, ausreifen zu lassen.
Outcome
Während eine frühere randomisierte Studie in den USA für FETO keinen Benefit im Vergleich zum postnatalen Vorgehen zeigte, was hauptsächlich an der unerwartet hohen Überlebensrate der postnatal behandelten Kinder lag, wies die TOTAL-Studie bei der schweren CDH eine deutliche Verbesserung der Überlebensrate nach FETO aus [9]. In der TOTAL-Studie für schwere CDH wird in der FETO-Gruppe zudem eine deutlich niedrigere ECMO(„extracorporeal membrane oxygenation“)-Rate (5 vs. 29 %) bei hingegen signifikant höherer Rate an Frühgeburten nach vorzeitigem Blasensprung (75 vs. 29 %) beschrieben [9]. Sowohl in der FETO- als auch in der Kontrollgruppe hatten die Feten in 95–100 % postnatal eine pulmonale Hypertonie. Eine problematische Komplikation nach FETO ist die Notwendigkeit einer notfallmäßigen Entfernung des Ballons bei vorzeitigem Geburtsbeginn. Unter Studienbedingungen war dies in knapp 20 % der Fall [9].
Merke
Maßgebend für die Einteilung des Schweregrades einer CDH ist die o/e LHR.
Seltenere Interventionen
Folgende invasive intrauterine Therapien werden seltener durchgeführt, und ihr Nutzen basiert bis dato auf einer schwächeren Evidenz. Trotzdem ist es wichtig, den Hintergrund und ihre Rationalen zu kennen.
Fetale Aorten- und Pulmonalstenose
Kongenitale Aorten- bzw. Pulmonalstenosen haben eine Inzidenz von etwa 1:5000 respektive 1:6000 Geburten. In ausgeprägter Form führen diese bereits pränatal zu einer Überdehnung des davorliegenden Ventrikels und sekundär zu einer mangelnden Kontraktilität und Ausbildung einer Endokardfibroelastose. Letztlich führen die kritische Aortenstenose zu einem hypoplastischen Linksherzsyndrom und die Pulmonalstenose zum hypoplastischen Rechtsherzsyndrom. Eine 2020 veröffentliche Übersichtsarbeit der Gruppe aus Boston zitiert Erfolgsraten der ultraschallgesteuerten Aortenklappensprengung (Valvuloplastie) mittels Ballon von 81 %, sowie eine biventrikulären Zirkulation bei Geburt von ~ 50 % [13].
Der Eingriff wird in ausgewählten Fällen mit bereits kritischen Klappenstenosen, aber noch erhaltener ventrikulärer Restfunktion nach 20 SSW [13] durchgeführt.
Fetale untere Harnwegsobstruktion
Die untere Harnwegsobstruktion („lower urinary tract obstruction“, LUTO) hat eine Inzidenz von etwa 1:1500 Geburten. Die frühe Obstruktion der unteren Harnwege zeigt sich sonographisch initial durch eine fetale Megavesica, gefolgt von einem Oligohydramnion oder Anhydramnion und konsekutiver Lungenhypoplasie. Um eine Nierenschädigung und Lungenhypoplasie zu vermeiden, kann ein vesikoamnialer Shunt (VAS) eingelegt werden. Eine multizentrische, kontrollierte, randomisierte Studie (PLUTO-Trial) bei LUTO zur Therapie mittels VAS wurde wegen mangelnder Rekrutierung abgebrochen [11]. Einzelne Zentren schlagen, um der fetalen Nierenschädigung vorzubeugen, eine Behandlung mittels VAS bereits im späten ersten Trimenon vor [12]. Ob diese Strategie zu einem besseren Outcome führt, ist zurzeit noch unklar.
Fetale kongenitale Lungen- und Atemwegsmalformation („congenital pulmonary airway malformation“, CPAM)
Große, zystische fetale Raumforderungen im Thorax können zur Lungenhypoplasie, aber auch zum Hydrops und zum intrauterinen Versterben des Feten führen. Mittels Shunteinlage in eine der Zysten kann diese ins Fruchtwasser drainieren und damit zu einer Lungenentfaltung und Rückbildung eines fetalen Hydrops führen.
Fetaler bronchopulmonaler Sequester
Solide Raumforderungen im Thorax können ebenfalls zu Lungenhypoplasie und durch die Verschlechterung des venösen Rückflusses zu Hydrops und Herzversagen führen. In den vergangenen Jahren wurden erfolgreiche Fälle von intrafetalen Gefäßablationen durch Laserkoagulation beschrieben [15]. Aufgrund der kleinen Fallzahlen und fehlender randomisierter Studien sind diese Therapien noch zurückhaltend zu bewerten.
Fetales Steißbeinteratom
Große solide Steißbeinteratome können wegen der reichen Durchblutung und der dadurch verursachten Herzbelastung, zum Herzversagen oder intrauterinen Fruchttod führen. Es konnte gezeigt werden, dass dies durch eine fetoskopische Laserkoagulation oder Radiofrequenzablation der zuführenden Gefäße in gewissen Fällen vermieden und zudem das Wachstum des Tumors gehemmt werden kann [16]. Wegen kleiner Fallzahlen und der bisher fehlenden Evidenz gilt diese Therapie als experimentell.
Fazit für die Praxis
Fortschritte in der Bildgebung und Medizintechnik haben mittlerweile dazu geführt, dass fetale Erkrankungen zunehmend früher erkannt und in bestimmten Fällen auch intrauterin behandelt werden können.
Ziel der invasiven fetalen Therapie muss es sein, bleibende Schäden oder den intrauterinen Fruchttod zu verhindern.
Frauen, die ein Kind mit kongenitaler Erkrankung erwarten oder bei denen Komplikationen auftreten, wie eine fetale Anämie oder ein fetofetales Transfusionssyndrom, sollten über die Möglichkeit der invasiven fetalen Therapie informiert und zur Beratung an spezialisierte Zentren zugewiesen werden.
Wegen kleiner Fallzahlen ist es sinnvoll, dass intrauterine Eingriffe an den jeweiligen Referenzzentren durchgeführt werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren
L. Vonzun: A. Finanzielle Interessen: L. Vonzun gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Oberärztin, Klinik für Geburtshilfe, UniversitätsSpital Zürich | Mitgliedschaften: SGGG/DGGG, SGUM/DGUM, FMH, VSAO. N. Ochsenbein-Kölble: A. Finanzielle Interessen: Forschungsförderung zur persönlichen Verfügung: Innosuisse-Projekt, 2021–2023, zur Therapie des vorzeitigen Blasensprungs. – Patent zur Therapie des vorzeitigen Blasensprungs: „Device and method for sealing a membrane“; European Patent-Nr. 18705560.3-1122. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Leitende Ärztin in der Klinik für Geburtshilfe, UniversitätsSpital Zürich, Schweiz | Mitgliedschaften: Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), Akademie Feto-Maternale Medizin Schweiz (AFMM), Schweizerische Akademie für Perinatale Pharmakologie (SAPP), Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (SGUM), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Deutschland (AGG), Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), International Fetal and Medicine and Surgery Society (IFMSS) | Ehrenmitglied: Rumänische Gesellschaft für minimal-invasive Chirurgie in der Gynäkologie.
Wissenschaftliche Leitung
Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.springermedizin.de/cme.
Der Verlag
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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