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Erschienen in: Der Anaesthesist 11/2010

01.11.2010 | Leitlinien und Empfehlungen

Präoperative Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen Eingriffen

Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

verfasst von: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und IntensivmedizinDeutsche Gesellschaft für Innere MedizinDeutsche Gesellschaft für Chirurgie

Erschienen in: Die Anaesthesiologie | Ausgabe 11/2010

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Zusammenfassung

Die präoperative Anamnese und körperliche Untersuchung sind anerkannter Standard bei der Risikoevaluation von Patienten vor elektiven chirurgischen Eingriffen. Ob und unter welchen Umständen technische Voruntersuchungen dazu beitragen können, das perioperative Risiko zu reduzieren, ist bislang häufig nur unzureichend untersucht. Auch besteht unter Anästhesisten, Chirurgen und Internisten vielfach erhebliche Unsicherheit im perioperativen Umgang mit der Dauermedikation. Die deutschen wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Chirurgie (DGCH) und innere Medizin (DGIM) haben daher eine gemeinsame Empfehlung zur präoperativen Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen und nichtlungenresezierenden Eingriffen erarbeitet. Zunächst werden die allgemeinen Prinzipien der präoperativen Evaluation dargestellt (Teil A). Das Vorgehen bei Patienten mit bekannten oder vermuteten kardiovaskulären Vorerkrankungen wird gesondert betrachtet (Teil B: „Erweiterte kardiale Diagnostik“). Abschließend wird der perioperative Umgang mit der Dauermedikation diskutiert (Teil C). Die vorgestellten Konzepte stellen fachübergreifende Empfehlungen dar, die ein strukturiertes und gemeinsames Vorgehen ermöglichen sollen. Ihr Ziel ist es, durch transparente und verbindliche Absprachen eine hohe Patientenorientierung unter Vermeidung unnötiger Voruntersuchungen zu gewährleisten, präoperative Untersuchungsabläufe zu verkürzen sowie letztlich Kosten zu reduzieren. Die gemeinsamen Empfehlungen von DGAI, DGCH und DGIM spiegeln den gegenwärtigen Kenntnisstand, aber auch die Meinungen von Experten wider, da nicht für jede Fragestellung wissenschaftliche Evidenz besteht. Daher werden eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Empfehlungen erfolgen, sobald gesicherte neue Erkenntnisse vorliegen.
Fußnoten
1
Allerdings liegen derzeit keine strukturierten Anamnese- und Untersuchungsbögen vor, deren Sensitivität und Spezifität bei der Diagnostik von bislang unbekannten, aber perioperativ relevanten Erkrankungen evaluiert worden wären.
 
2
Zum Beispiel die Bestimmung von Kalium nach präoperativer Darmspülung, die Bestimmung von Kreatinin nach Verwendung größerer Mengen an Kontrastmittel etc.
 
3
Art und Umfang der Diagnostik werden durch den hinzugezogenen Kardiologen indiziert. Die derzeit am häufigsten verwendete Methode zur Ischämiediagnostik ist die Ergometrie (Belastungs-EKG). Sie erlaubt eine Beurteilung der körperlichen Belastbarkeit, des Blutdruck- und Frequenzverhaltens sowie die Detektion ischämietypischer ST-Segmentveränderungen. Eine Belastbarkeit von 100 W entspricht hierbei etwa 4 metabolischen Äquivalenten (MET; s. auch Tab. 5). Die diagnostische Wertigkeit der Ergometrie ist limitiert, wenn wegen mangelhafter körperlicher Fitness oder Komorbiditäten (z. B. Arthrosen, pAVK, COPD) keine Frequenzausbelastung erreicht wird. Insbesondere bei älteren Patienten mit eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit werden daher alternativ die Dobutamin-Stress-Echokardiographie (DSE) bzw. die Adenosin-Myokard-Szintigraphie empfohlen. Das Myokardszintigramm eignet sich gut zur präoperativen Prädiktion kardialer Komplikationen bei allerdings geringerer Spezifität. Insgesamt wird derzeit die DSE als die beste diagnostische Methode zur Vorhersage perioperativer kardialer Ereignisse angesehen. Letztlich muss die Auswahl der Methode auf dem Boden der Verfügbarkeit sowie der untersucherabhängigen Erfahrungen jeweils vor Ort getroffen werden. Bei positivem Befund eines Belastungstests schließt sich in aller Regel eine Koronarangiographie an.
 
4
Das metabolische Äquivalent (engl. „metabolic equivalent“, MET) wird verwendet, um den Energieverbrauch verschiedener Aktivitäten zu vergleichen. Referenzpunkt ist dabei der Ruheumsatz des Menschen (1 MET). Eine körperliche Belastbarkeit von 4 MET bedeutet, dass der Mensch einer körperlichen Aktivität nachgehen kann, die seinen Ruheumsatz um das Vierfache steigert usw.
 
5
Sofern erwartet wird, dass die jeweiligen Untersuchungsergebnisse auch das weitere perioperative Management beeinflussen.
 
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Metadaten
Titel
Präoperative Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen Eingriffen
Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
verfasst von
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und IntensivmedizinDeutsche Gesellschaft für Innere MedizinDeutsche Gesellschaft für Chirurgie
Publikationsdatum
01.11.2010
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Die Anaesthesiologie / Ausgabe 11/2010
Print ISSN: 2731-6858
Elektronische ISSN: 2731-6866
DOI
https://doi.org/10.1007/s00101-010-1793-8

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