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2019 | Buch

S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen

S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie

herausgegeben von: Uta Gühne, Dr. Dr. Stefan Weinmann, Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller, Prof. Dr. Thomas Becker

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Die vorliegende Leitlinie ist die erste Überarbeitung einer S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Die Leitlinie wurde erstmals im Jahr 2013 veröffentlicht. Ihrer Erstellung liegen systematische Literaturrecherchen zugrunde, in deren Rahmen die relevante Evidenz zu den einzelnen Themen der Leitlinie ermittelt wurde. Es folgte ein formalisiertes, im nominalen Gruppenprozess auf Konsens zielendes Prozedere unter Einbindung von Experten, Betroffenen, Angehörigen und führenden Praxisvertretern des Feldes. In vielen Bereichen konnten auf Grund der umfangreichen Evidenz klare Behandlungsempfehlungen formuliert werden.

Das Besondere an dieser Leitlinie bleibt ihr diagnoseübergreifender Ansatz. Zielgruppe der Leitlinie sind Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen. Jedem praktisch Tätigen ist diese Gruppe von Patienten deutlich vor Augen. Menschen in dieser Zielgruppe leben mit einer schweren, längerfristigen psychischen Erkrankung. Die vorliegende S3-Leitlinie richtet ihren Blick auf psychosoziale Interventionen und die Krankheitsbewältigung von Menschen, die längere Zeit durch Symptome beeinträchtigt sind, deutliche Einschränkungen des sozialen Funktionsniveaus erleben und das Hilfesystem intensiv in Anspruch nehmen. Diese S3-Leitlinie sollte gemeinsam mit den diagnosebezogenen DGPPN-Leitlinien rezipiert werden.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Methoden der Leitlinienentwicklung

Frontmatter
1. Zielsetzung, Anwendungsbereich und Adressaten
Zusammenfassung:
Die Behandlungsleitlinie hat zum Ziel, den gegenwärtigen Erkenntnisstand in der psychosozialen Therapie von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wiederzugeben und den mit der Behandlung und Versorgung der Betroffenen befassten Personen eine systematische Entscheidungshilfe für eine wirksame und umsetzbare psychosoziale Behandlung an die Hand zu geben. Ziel ist die Steigerung der Lebensqualität und die Verbesserung der individuellen Möglichkeiten der Betroffenen, in ihrer sozialen Umgebung zu leben und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Hauptadressaten der Leitlinie sind erwachsene Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung und deren Angehörige, professionell psychiatrisch Tätige (z. B. Psychiater, Psychotherapeuten, Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter) sowie andere Personen und Entscheidungsträger im Gesundheits- und Sozialsystem, die Unterstützungsleistungen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen anbieten oder organisieren.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
2. Relevante internationale Leitlinien
Zusammenfassung:
Vor Beginn der eigentlichen Recherchearbeiten erfolgte eine Suche nach relevanten Leitlinien, um zum einen sicherzustellen, dass es keine vergleichbare Leitlinie in Deutschland gibt und zum anderen zu gewährleisten, dass bereits existierende Evidenz und Empfehlungen zu relevanten Themen in die vorliegende Leitlinie einfließen können. Die zu berücksichtigenden Leitlinien durften nicht älter als 5 Jahre sein und sollten sowohl evidenz- als auch konsensbasiert sein. In diesem Kapitel werden die identifizierten Leitlinien aufgeführt. Im Rahmen der Erstellung dieser Leitlinie wurde für jede Fragestellung geprüft, ob es relevante Inhalte aus den bereits existierenden Leitlinien gibt. Ebenso erfolgte regelmäßig eine Prüfung hinsichtlich von Neuerscheinungen bzw. Aktualisierungen relevanter Leitlinien.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
3. Zusammensetzung und Organisation des Leitliniengremiums
Zusammenfassung:
Das multidisziplinäre Leitliniengremium ist zusammengesetzt aus Patienten- und Angehörigenvertretern und Vertretern relevanter Akteure im psychiatrisch-psychotherapeutischen Hilfesystem. Die Projektgruppe führte die Literaturrecherche und -auswertung durch, erstellte die Textentwürfe und war für die Gesamtkonzeption der Leitlinie verantwortlich. Die Expertengruppe bestand aus ausgewählten Experten, die für die jeweiligen in der Leitlinie behandelten thematischen Bereiche beratend tätig waren. Die Konsensusgruppe bestand aus Patienten- und Angehörigenvertretern und Vertretern relevanter Fachgesellschaften und Arbeitsgemeinschaften im psychosozialen Hilfesystem. Maßgeblich unterstützt wurde der Entwicklungsprozess in Form von Beratung und Begleitung sowie Moderation des formalisierten Konsensusverfahrens (Nominaler Gruppenprozess) durch die AWMF.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
4. Methodik der Erarbeitung des Updates
Zusammenfassung:
Die einzelnen Schritte bei der Aktualisierung der Leitlinie orientierten sich an den Schritten bei der Erstellung der ersten Auflage der Leitlinie und folgten gleichzeitig dem Regelwerk der AWMF. Für die Mehrheit der klinisch relevanten Fragestellungen wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, anhand derer Ergebnisparameter (Krankheits- und Behandlungsassoziierte Merkmale, Merkmale sozialer Inklusion/Exklusion, Zufriedenheit, Gesundheitsökonomische Parameter) festgelegt wurden. Für jedes Thema und jeden Ergebnisparameter wurde dann eine Evidenzgraduierung vorgenommen und Empfehlungsgrade (Soll, Sollte, Kann-Empfehlung, Klinischer-Konsens-Punkt) unter Berücksichtigung weiterer Kriterien nach einem formalisierten Konsensusverfahren (Nominaler Gruppenprozess, Delphi-Verfahren) verabschiedet.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
5. Methodenkritische Aspekte
Zusammenfassung:
Die Evidenzlage zur Gestaltung des Versorgungssystems und zu psychosozialen Interventionen bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren verbessert. Hier muss berücksichtigt werden, dass sich einzelne umschriebene Interventionen wie Psychoedukation leichter mittels kontrollierter Studien untersuchen lassen als komplexe Versorgungsmodelle oder gar die therapeutische Haltung. Zudem werden die Versorgungsmodelle mit dem Ausbau der gemeindepsychiatrischen Behandlung komplexer. In diesem Kapitel werden methodenkritische Aspekte wie zum Beispiel die Limitation von randomisiert kontrollierten Studien (RCTs) in der Evaluierung komplexer Versorgungsmodelle mit soziotherapeutischen Wirkfaktoren, Schwierigkeiten in der Übertragbarkeit der Studienergebnisse ins deutsche Versorgungssystem oder fehlende standardisierte Instrumente und Skalen für verschiedene Ergebnisparameter diskutiert.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
6. Formale Aspekte
Zusammenfassung:
Um den Aktualisierungsprozess möglichst transparent zu gestalten, wurde mit Beginn der Leitlinienentwicklung von allen Beteiligten eine Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten angefordert. Alle Teilnehmer der Konsensuskonferenz legten potenzielle Interessenkonflikte des laufenden Jahres und der drei zurückliegenden Jahre zu relevanten Aspekten schriftlich offen. Der Umgang mit potenziellen Interessenkonflikten folgte dabei dem Bewertungssystem der AWMF (http://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ll-entwicklung.html). Dem Risiko von Verzerrungen der Leitlinieninhalte durch etwaige Interessenkonflikte wurde zusätzlich durch die ausgewogene Zusammensetzung der Leitliniengruppe, die systematische Recherche und Bewertung der Evidenz und den Einsatz strukturierter Konsensfindung mit unabhängiger Moderation entgegengewirkt. Die Interessenkonflikte der Steuergruppe wurden von unabhängiger Seite bewertet. Zudem erfolgte ein externes Peer-Review-Verfahren.
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Empfehlungen und Statements im Überblick

Frontmatter
7. Darstellungen aller Empfehlungen und Statements im Überblick
Zusammenfassung:
Die Übersicht der Empfehlungen und Statements erlaubt einen schnellen Überblick über NEU konsentierte Empfehlungen bzw. NEU formulierte Statements und Empfehlungen/Statements, die unverändert aus der ersten Auflage der Leitlinie (2012) übernommen wurden. Diese werden in diesem Kapitel unter Angabe von Evidenzebenen, Empfehlungsgraden sowie Stärke des Konsens und Zeitpunkt der Abstimmung für alle Bereiche dargestellt.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker

Hintergrund und Evidenz

Frontmatter
8. Grundlagen psychosozialen Handelns
Zusammenfassung:
Wichtige Ziele in der Behandlung und Rehabilitation von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sind in der seelischen und körperlichen Stabilisierung, der Aktivierung und Förderung von Motivation und Ressourcen sowie der Entwicklung von Fähigkeiten für eine weitestgehend selbstständige und eigenverantwortliche Lebensführung und Alltagsgestaltung zu sehen. Neben somatischen, psychotherapeutischen und den in dieser Leitlinie adressierten psychosozialen Behandlungsansätzen spielen hierbei auch gesundheitspolitische Orientierungen sowie Grundhaltungen und die Gestaltung therapeutischer Beziehungen aller Beteiligten und auch die Gestaltung der Behandlungssysteme eine bedeutende Rolle. Damit bilden diese eine Grundlage täglichen Handelns in psychiatrisch-psychosozialen Handlungsfeldern. Einige zentrale Konzepte, die sich über die letzten Jahrzehnte international entwickelt haben werden in den folgenden Kapiteln aufgegriffen und beschrieben.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
9. Selbstmanagement und Selbsthilfe
Zusammenfassung:
Der Selbsthilfe kommt eine erhebliche Bedeutung in der Behandlung von Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen zu. Der Nutzen von Selbsthilfe ist mittlerweile unumstritten. Dabei existiert kaum ein einheitliches Verständnis von Selbsthilfe. Die Vielfalt von Handlungsformen und Akteuren sowie unterschiedliche Konzeptionen führten zu einer breiten Fächerung des Begriffes. Selbsthilfe fördert die Selbstmanagement-Kompetenz der Betroffenen und Angehörigen. Zudem erfahren die Betroffenen untereinander Verständnis, Akzeptanz und Toleranz für die Besonderheiten ihres Denkens, Fühlens und Handelns. Selbsthilfe bietet ihnen die Möglichkeit, spezifische Strategien und Ressourcen zu entwickeln. Förderlich ist eine Verzahnung professioneller und nichtprofessioneller Interventionen. Betrachtet werden in den Abschnitten verschiedene Formen von Selbsthilfe: 1) Selbstmanagement, 2) Mediengestützte Edukation und Selbsthilfe, 3) Selbsthilfegruppen und 4) Peer-Support.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
10. Systeminterventionen
Zusammenfassung:
Bei den so genannten Systeminterventionen, handelt es sich um psychosoziale Interventionen, bei denen es darum geht, Versorgungsangebote in einer bestimmten Art und Weise und in einem definierten Setting zu organisieren und bereit zu stellen. Häufig sind diese Interventionen multiprofessionell ausgerichtet. Behandelt werden in den folgenden Abschnitten die Frühintervention, gemeindepsychiatrische Behandlungsansätze, wie z. B. die Akutbehandlung im häuslichen Umfeld, das Case Management oder die intensive aufsuchende Behandlung durch ein multiprofessionelles Team sowie Ansätze der Arbeitsrehabilitation und des Unterstützten Wohnens.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
11. Einzelinterventionen
Zusammenfassung:
In den Abschnitten werden Einzelinterventionen beschrieben, relevante Evidenz aufgeführt und Empfehlungen gegeben. Einzelinterventionen können als Interventionen verstanden werden, die in verschiedenen Settings, ob im ambulanten Bereich, der Tagesklinik oder der stationären psychiatrischen Behandlung aber auch in Bereichen des Wohnens oder der Arbeitsrehabilitation Anwendung finden können. Aktuelle Literaturrecherchen liegen für Ansätze der Psychoedukation und des Trialogs, für Künstlerische Therapien, für Bewegungs- und Sporttherapien sowie für Gesundheitsfördernde Interventionen vor. Letztere wurden im Update neu aufgenommen. Für Ansätze der Ergotherapie sowie für das Training von Alltags- und sozialen Fertigkeiten fand keine aktualisierte Literaturrecherche statt. Allerdings wurde das Kapitel zur Ergotherapie inhaltlich neu überarbeitet.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker

Matrix des Deutschen Versorgungssystems: Hilfen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen

Frontmatter
12. Hintergrund
Zusammenfassung:
Seit mehr als 40 Jahren besteht Einvernehmen in der Psychiatrie, dass Versorgungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen gemeindeintegriert und damit möglichst dicht an der Lebenswirklichkeit angesiedelt sein sollten. 1975 legte die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages zur Lage der Psychiatrie in Deutschland ihren 1800-seitigen Bericht vor. „Menschenunwürdige Zustände“ wurden vorgefunden und eine Psychiatrie-Reform angestoßen. In Deutschland hat sich seither die psychosoziale Versorgungslandschaft weitreichend entwickelt. In den folgenden Abschnitten werden relevante Angebote beschrieben. Hierbei wird versucht, Querverweise zu den Evidenzkapiteln herzustellen. Vorangestellt werden Aspekte zu sozialrechtlichen Rahmenbedingungen in der Versorgung psychisch kranker Menschen in Deutschland.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
13. Sozialrechtliche Rahmenbedingungen
Zusammenfassung:
Wichtige gesetzliche Grundlage für die Versorgung schwer psychisch kranker Menschen bilden die Sozialgesetzbücher I-XII, in denen entsprechend dem gegliederten deutschen Sozialrechtssystem die Leistungen für Behandlung, Rehabilitation, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie Pflege geregelt sind. Diese werden hier kurz skizziert. Ab 2020 werden die Leistungen zur Eingliederungshilfe (medizinische Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung, soziale Teilhabe) in der Neufassung des SGB IX, dem Bundesteilhabegesetz (BTHG), geregelt. Die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgungsstrukturen ist im Hinblick auf die ambulante Versorgung zum Teil den gesetzlichen Rahmenbedingungen vorausgegangen, andererseits haben sie eine Grundlage für innovative Entwicklungen geboten. So sind zahlreiche Neuerungen entstanden, die neben Entstigmatisierung und Gleichstellung, die Versorgung psychisch kranker und seelisch behinderter Menschen deutlich verbessern konnten.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
14. Niedrigschwellige Angebote
Zusammenfassung:
In diesem Kapitel werden relevante sogenannte niedrigschwellige Angebote, wie sie beispielsweise Beratungsangebote bieten, aufgezeigt. Beratungsangebote stellen unbürokratische Leistungen dar und stehen beispielsweise in Form kommunaler Beratungsstellen oder Psychiatrie-Beschwerdestellen zur Verfügung. Beratung zu gesetzlichen Hilfen und regionalen Behandlungsangeboten ermöglichen z. B. die Gesundheitsämter. Koordinierende Aufgaben und Aufgaben in der Behandlung und Versorgung psychisch kranker Menschen übernehmen auch die Sozialpsychiatrischen Dienste. Daneben gibt es Selbsthilfe- und Angehörigengruppen sowie gemeinsame Servicestellen zur Beratung von Menschen mit Behinderung oder die von einer Behinderung bedroht sind.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
15. Leistungen der ambulanten, teilstationären und stationären Behandlung sowie der Pflege
Zusammenfassung:
Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen lässt sich folgendermaßen abbilden: Maßnahmen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung und Pflege stehen in ambulanter, teilstationärer und stationärer Form zur Verfügung und sind darauf ausgerichtet, Gesundheit zu unterstützen, Symptome zu lindern sowie Krankheitsfolgen zu überwinden bzw. zu reduzieren. Insbesondere für psychisch kranke Menschen mit chronischen und schweren Krankheitsverläufen, häufig verbunden mit Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen, sind darüber hinaus Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowie Leistungen zur Teilhabe an Bildung und Arbeit sowie zur sozialen Teilhabe von großer Bedeutung. In den folgenden Abschnitten werden Angebote der ambulanten, teilstationären und stationären Behandlung sowie der Pflege benannt und beschrieben.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
16. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Teilhabe an Bildung und Arbeit sowie zur sozialen Teilhabe
Zusammenfassung:
Die Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen lässt sich folgendermaßen abbilden: Maßnahmen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung und Pflege stehen in ambulanter, teilstationärer und stationärer Form zur Verfügung und sind darauf ausgerichtet, Gesundheit zu unterstützen, Symptome zu lindern sowie Krankheitsfolgen zu überwinden bzw. zu reduzieren. Insbesondere für psychisch kranke Menschen mit chronischen und schweren Krankheitsverläufen, häufig verbunden mit Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen, sind darüber hinaus Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowie Leistungen zur Teilhabe an Bildung und Arbeit sowie zur sozialen Teilhabe von großer Bedeutung. Auf diese wird in den folgenden Abschnitten eingegangen.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
17. Vernetzung und Kooperation
Zusammenfassung:
Vor dem Hintergrund der noch wenig integrierten psychiatrischen Versorgungslandschaft in Deutschland mit einer Vielzahl von Akteuren und Einrichtungen sowie großen regionalen Unterschieden ist insbesondere in der Versorgung von schwer und chronisch psychisch kranken Menschen die Vernetzung der notwendigen psychiatrischen Hilfen von großer Bedeutung – zum einen im Sinne der Behandlungsoptimierung über längere Zeiträume und zum anderen hinsichtlich der Integration medizinischer und aller anderen Versorgungsleistungen. In diesem Kapitel werden mögliche Ansätze aufgezeigt.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
18. Hilfen für Kinder psychisch kranker und suchtbelasteter Eltern
Zusammenfassung:
Kinder psychisch kranker und suchtbelasteter Eltern stellen eine besondere psychiatrische Risikogruppe dar. Unterstützungsangebote zielen vor allem auf die Stärkung bzw. Schaffung präventiver und Resilienz fördernder Angebote für Kinder und Jugendliche (z. B. gemeinsame Freizeitaktivitäten, Patenfamilien) sowie altersgerechter Informations-, Beratungs- und Therapieangebote für Kinder und Jugendliche ab. Informations- und Beratungsangebote müssen gleichzeitig für die erkrankten Eltern und ggf. ihre Partner sowie weitere Angehörige zur Verfügung stehen sowie möglichst niedrigschwellig sein (z. B. Frühe Hilfen, Erziehungsberatung, ambulante Erziehungshilfen). Ein internationaler Ansatz, der sich insbesondere an Eltern mit schweren psychischen Erkrankungen richtet, wird mit Supported Parenting verfolgt. Ziel hierbei ist die Stärkung der Elternrolle in betroffenen Familien.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker

Die Bedeutung psychosozialer Interventionen in benachbarten Praxisfeldern

Frontmatter
19. Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Zusammenfassung:
Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind unabdingbar und erfordern sowohl familienbezogene Interventionen (Familientherapie) als auch solche, die auf schulische Integration abzielen. Alle Behandlungsformen dieser Leitlinie stehen auch für Kinder und Jugendliche sowohl (teil-)stationär als auch ambulant zur Verfügung. Vor allem Home Treatment sowie Psychoedukation und Elterntraining zeigen in internationalen Studien positive Wirkungen. In der Praxis haben sich ebenfalls Sozialkompetenztrainings, Erlebnispädagogik/Erlebnistherapie und Skills-Trainings etabliert. Herausforderungen bestehen in der bisher mangelnden Vernetzung der Akteure.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
20. Psychosoziale Therapie für Menschen mit Intelligenzminderung und psychischer Erkrankung
Zusammenfassung:
Der Versorgungsbedarf von Menschen mit Intelligenzminderung (IM) ist komplex. Aufgrund ihrer intellektuellen Beeinträchtigung sowie zusätzlicher, oft chronischer körperlicher Erkrankungen und psychischer Störungen benötigen sie Hilfen sehr unterschiedlicher Art. Die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung gilt vielfach als nicht ausreichend. Zudem herrscht ein eklatanter Mangel an wissenschaftlicher Evidenz hinsichtlich der Effektivität psychosozialer Interventionen für Menschen mit IM und psychischen Problemen. Interventionen bestehen in speziellen Wohnangeboten (stationäre Wohnstätten), speziellen Werkstätten für behinderte Menschen (WfbMs), Angeboten zur Tagesstrukturierung, dem Erwerb/Erhalt alltagspraktischer Fähigkeiten, Unterstützung der Selbständigkeit und Gestaltung sozialer Kontakte. Herausforderungen bestehen in der Integration pädagogischer und heilpädagogischer Ansätze mit biopsychosozialen Handlungsansätzen.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
21. Psychosoziale Therapien im höheren Lebensalter
Zusammenfassung:
Es liegen bislang nur wenige randomisiert-kontrollierte Studien zu psychosozialen Interventionen bei alten Menschen mit Demenz und Depression, als häufigste psychische Erkrankungen des höheren Lebensalters, vor. Gründe liegen in den Herausforderungen an das Studiendesign. Jedoch kann durch soziotherapeutische Interventionen im Kontext von Alter, Demenz und Depression eine Fokussierung auf Erlebnisfähigkeit und individuelle Ressourcen gelingen. Neben der Einbindung und Schulung pflegender Angehöriger haben sich als besonders wichtig folgende Wirkfaktoren herausgestellt: Individualisierung der Therapie, kurze und eindeutige Anleitungen während der Aktivität, räumliche Anpassung sowie der Einsatz von technischen Hilfen, die den spezifischen und individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Herausforderungen für die Anwendung psychosozialer Therapien und Versorgungsoptionen im höheren Erwachsenenalter liegen in defizitorientierten Altersbildern.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
22. Die Bedeutung interkultureller Aspekte in Psychiatrie und Psychotherapie
Zusammenfassung:
Bei der Inanspruchnahme von psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungsangeboten bei Menschen mit Migrationshintergrund spielen der ethnisch-kulturelle Hintergrund sowie die psychosozialen Rahmenbedingungen eine bedeutende Rolle (kulturbezogene Aspekte, Lebensalter, Identität mit biografischer Prägung). Es gibt zunehmende Evidenz für einen Einfluss psychosozialer Aspekte – wie beispielsweise migrationsspezifischer Stressoren – auf Manifestation und Verlauf seelischer Erkrankungen bei Migranten. Die Datenlage aus der Literatur über die Entwicklung psychischer Störungen im Zusammenhang mit dem Migrationsprozess ist jedoch insgesamt noch inkongruent und je nach Herkunfts- und Aufnahmeland durchaus heterogen. Es bestehen notwendige nachhaltige und alltagsfähige Verbesserungen in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung von Migranten, was durch interkulturelle Öffnung, Migrationsbeauftragte und dem Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern erreicht werden kann.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker

Leitlinienimplementierung, Qualitätsindikatoren und Desiderate

Frontmatter
23. Maßnahmen zur Leitlinienimplementierung
Zusammenfassung:
Leitlinien sind sowohl für die individuelle Behandlung von Menschen als auch für die weitere Ausgestaltung des psychiatrischen Hilfesystems auf der Ebene von Anbietern von Leistungen, Leistungsträgern, der Finanzierung und allgemein auf politischer Ebene relevant. Die Wirksamkeit einer Leitlinie in der Routineversorgung ist letztendlich entscheidend von der methodischen Qualität der gesamten Leitlinie, aber auch von der Akzeptanz bei Betroffenen und Anbietern von Hilfeleistungen und von der Umsetzbarkeit durch die Anwender abhängig. Für die Verbreitung und Implementierung der Leitlinie ist der Einsatz multifaktorieller Strategien von Bedeutung. Die vorliegende Leitlinie wird als Volltext in Buchform sowie in der Kurzfassung publiziert. Des Weiteren gibt es eine Patientenversion sowie eine Ultra-Kurz-Version bzw. Wartezimmerversion. Alle Versionen werden auch im Internet zugänglich sein.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
24. Qualitätsindikatoren
Zusammenfassung:
Wesentliche Instrumente der Leitlinienimplementierung sind Qualitätsindikatoren, welche die Qualität der Behandlung und Versorgung, wie sie in der Leitlinie definiert ist, abbilden sollen. Qualitätsindikatoren können z. B. die Krankenhaus-Wiederaufnahmerate, Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt oder der Besuch einer Selbsthilfegruppe sein. Dabei stoßen Qualitätsindikatoren für psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen an Grenzen der Messbarkeit und der Validität, da die Gesundheitsoutcomes von individuellen Faktoren der Patienten, dem Krankheitsverlauf und soziodemografischen Charakteristika wie Herkunft, soziale Schicht, finanzielle Ressourcen, psychosoziale Einbindung und familiäre Unterstützungssysteme abhängen. Qualität zeigt sich in der Art der Interaktion zwischen Betroffenen und einzelnen Komponenten, Teilsystemen und dem Gesamtbehandlungs- und -versorgungssystem.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
25. Berücksichtigung der Steuerungswirkungen des Versorgungssystems
Zusammenfassung:
Was letztendlich an Versorgungsangeboten bei schwer psychisch kranken Menschen ankommt, hängt von vielen Faktoren ab. Zu diesen Faktoren zählen neben persönlichen Faktoren, wie den eigenen Präferenzen und Bedingungen des sozialen Umfelds auch das Vorhandensein von regionalen Versorgungsangeboten wie niedergelassenen Ärzten und ambulanten Diensten, Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen und Angeboten zum unterstützten Wohnen oder Selbsthilfeangeboten Die Entscheidungen, wie Behandlungs- und Unterstützungsangebote für schwer psychisch kranke Menschen im Allgemeinen ausgerichtet werden, werden durch verschiedene Akteure auf überörtlicher oder auch auf Bundesebene getroffen. Dabei spiegeln Empfehlungen und Entscheidungen auch immer gesellschaftliche Entwicklungen wider. Eine Besonderheit in Deutschland ist die Fragmentierung des Gesundheits- und Sozialsystems, was einen hinderlichen Faktor darstellen kann.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
26. Desiderate für die Forschung
Zusammenfassung:
Betrachtet man den bisherigen Erkenntnisstand zur Wirksamkeit psychosozialer Interventionen bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, so wird deutlich, dass in den einzelnen Bereichen unterschiedlich starke Evidenz vorliegt, die sich zu großen Teilen aus Studien generiert, die nicht in deutschsprachigen Ländern durchgeführt wurden. Differenzierte Fragestellungen, so z. B. zur Intensität und Dauer einer bestimmten Intervention, zu Setting-spezifischen Aspekten (Wo wird die Intervention durchgeführt?) oder zur Wirksamkeit personengruppenspezifischer Modifikationen bestimmter Anwendungen, müssen derzeit oft unbeantwortet bleiben. Die Beobachtungsintervalle sind insbesondere vor dem Hintergrund der chronisch verlaufenden langen Zeiträume schwerer psychischer Erkrankungen viel zur kurz. In diesem Abschnitt werden Forschungserfordernisse aufgezeigt.
Uta Gühne, Stefan Weinmann, Steffi G. Riedel-Heller, Thomas Becker
Backmatter
Metadaten
Titel
S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen
herausgegeben von
Uta Gühne
Dr. Dr. Stefan Weinmann
Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller
Prof. Dr. Thomas Becker
Copyright-Jahr
2019
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-58284-8
Print ISBN
978-3-662-58283-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58284-8