Kommentar
Die häufigste akute Nebenwirkung der Brustbestrahlung ist die Radiodermatitis (RD). Trotz laufender Forschungsanstrengungen sind bisher nur wenig wirksame prophylaktische und therapeutische Optionen verfügbar. Darüber hinaus kann aus methodischen Gründen nur über wenige Substanzen eine sichere Aussage zur Effektivität getroffen werden, wodurch die Behandlung der RD weiterhin stark variiert.
Um die Effektivität von Mepitel-Film, einer Polyurethanfolie auf Silikonbasis, beurteilen zu können, wurde die Studie von Behroozian et al. mit einer Kohorte mit erhöhtem Risiko für eine RD durchgeführt – denn insbesondere das Brustvolumen gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer RD [
6]. Die meisten Patientinnen (93%) erhielten eine hypofraktionierte Strahlentherapie und der Anteil, der einen Boost oder Bolus erhielt, war in beiden Gruppen vergleichbar (29% vs. 30% bzw. 14% vs. 12%). Wertvoll sind die erhobenen
„patient-reported outcomes“, da es bei der ärztlichen Bewertung der RD oftmals Diskrepanzen zu den von den Patientinnen berichteten Beschwerden gibt, insbesondere hinsichtlich des Einflusses auf die Lebensqualität [
7]. Jedoch war aufgrund der sichtbar auf der Haut aufgeklebten Folienverbände eine Verblindung nachvollziehbarerweise nicht möglich, was einen Bewertungsbias damit aber wahrscheinlicher macht. Objektive RD-Bewertungsmethoden, obwohl in diesem Kontext bereits validiert [
4‐
6], wurden nicht angewendet. Es wurde auch nicht stratifiziert nach dem Hauttyp (z. B. analog Fitzpatrick): Hellere Hauttypen (I und II) sind ein prognostisch günstiger Faktor für die Entwicklung einer milden RD [
6] und waren häufiger in der Mepitel-Gruppe vertreten (33% vs. 22%;
p = 0,0556). Dies könnte das Ergebnis im Sinne der Intervention verfälscht haben. Auch dedizierte Angaben zu den verwendeten Bestrahlungstechniken bleiben offen.
Die bisher publizierten intrapatientenrandomisierten Studien mit Mepitel-Film zur RD-Prävention im Rahmen von Brustbestrahlungen waren teilweise inkongruent [
1,
2]. Herst et al. (
n = 78) berichteten über eine 92%ige Reduktion der RD (Graduierung nach kombinierter Radiation-Induced Skin Reaction Assessment Scale [RISRAS]) und eine vollständige Prävention feuchter Desquamationen unter Mepitel-Film, was allerdings von Møller et al. (
n = 79), die eine verblindete Beurteilung der Haut durch die Ärzte durchführten, nicht gleichermaßen bestätigt wurde. In der letztgenannten Studie erwiesen sich die
„patient-reported outcomes“ (Schmerzen, Juckreiz, Brennen, Ödem, Empfindlichkeit) zwar über alle Patientinnen hinweg, die
„clinician-reported outcomes“ jedoch nur bei der konventionellen Fraktionierung mit Mepitel-Film als vorteilhaft.
Zwei vergleichbare rezente Serien mit Hydrofilm (Polyurethanfilm; [
4,
5]) bestätigen den präventiven „benefit“ barriereschichtbildender Folienverbände bei der adjuvanten Ganzbrustbestrahlung. Sowohl bei der konventionellen Fraktionierung (
n = 56) als auch bei der moderaten Hypofraktionierung (
n = 74) zeigte sich eine signifikante Reduktion der Prävalenz und des Schweregrads sowie eine verminderte subjektive Beschwerdeintensität der RD (Schmerzen, Brennen, Juckreiz, Einschränkungen). Neben
„clinician-“ und „
patient-reported outcomes“ wiesen auch objektive Messverfahren (Spektrophotometrie) eine signifikant reduzierte Erythem- und Pigmentierungsintensität nach.
Nebenwirkungen waren selten, mild und selbstlimitierend. Lediglich ekzematöse Effloreszenzen und Juckreiz wurden beschrieben. Die vorausgehenden Arbeiten zu Mepitel-Film bei der Brustbestrahlung deuteten bereits auf eine gute Verträglichkeit und Compliance hin: Bei Herst et al. brachen 4%, bei Møller et al. 15% die Anwendung des Mepitel-Films vorzeitig ab. In anderen Körperregionen ist die Datenlage für die Anwendung von Mepitel-Film zur RD-Prophylaxe bislang deutlich schwächer, so im Kopf-Hals-Bereich. Aufgrund einer nur geringen Tolerabilität des Mepitel-Films im Kopf-Hals-Bereich wurde die Studie vorzeitig abgebrochen (46% konnten den Filmverband nicht dauerhaft tolerieren; [
8]).
Herausforderungen bei der Anwendung von Mepitel-Film waren laut den Autoren eine suboptimale Adhärenz in den Lymphabflussregionen (axillär, periklavikulär) oder bei Patientinnen mit großen Brüsten, wo ein Ersatz des Mepitel-Films öfter erforderlich war. Auch werden zusätzliche Kosten durch das Aufkleben und den Zeitaufwand der täglichen Positionskontrollen durch geschultes Personal beschrieben. Die durchschnittlichen Kosten an Mepitel-Film lagen bei den Brustbestrahlungen bei ca. 70 €, bei Thoraxwandbestrahlungen bei ca. 55 €.
Cas Stefaan Dejonckheere, Bonn
Ulrike Höller, Berlin
Leonard Christopher Schmeel, Bonn
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