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2020 | Buch

Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie

herausgegeben von: Prof. Dr. Olaf Hiort, Prof. Dr. Thomas Danne, Prof. Dr. Martin Wabitsch

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Das Standardwerk für die dreijährige Zusatzweiterbildung Kinder-Endokrinologie und –Diabetologie vereint zwei Subdisziplinen der Pädiatrie. Der Bogen spannt sich von den physiologischen Grundlagen bis hin zum speziellen Wissen über bestimmte Krankheitsentitäten und Untersuchungstechniken. Zudem werden Referenzwerttabellen für unterschiedliche Mess- und Laborwerte bereitgestellt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen der Endokrinologie

Frontmatter
1. Physiologie der Hormonsynthese und -wirkung bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Hormone sind Botenstoffe, die der Informationsübertragung dienen. Sie bestimmen dadurch die Kommunikation zwischen verschiedenen Hormondrüsen, regeln Organfunktionen und Stoffwechselvorgänge. Dies kann zu permanenten oder akuten Veränderungen im Organismus führen. Hormone können ihre Wirkung auf verschiedene Weise entfalten. Die Aktionsweisen von Hormonen bezeichnet man als autokrin oder intrakrin, wenn die Information die gleiche Zelle erreicht, als parakrin, wenn benachbarte Zellsysteme gesteuert werden, und als endokrin, wenn die Zielzellen über den Blutweg erreicht werden. Hauptsächlich werden Hormone in endokrinen Drüsen synthetisiert. Zusätzlich werden Hormone ubiquitär im Körper in verschiedenen Geweben produziert und auch enzymatisch verändert.
Olaf Hiort, Nils Krone
2. Embryologie, Wachstum und Entwicklung
Zusammenfassung
Das Ovulationsalter bezeichnet die Dauer der menschlichen Entwicklung von der Befruchtung bis zur Geburt. Dies sind in der Regel 264–268 Tage (38 Wochen). In der Klinik berechnet man die Schwangerschaftsdauer in der Regel vom 1. Tag der letzten Menstruation bis zur Geburt entsprechend 280 Tage (40 Wochen) und verwendet den Begriff Gestationsalter.
Annette Richter-Unruh, Mirkka Hiort
3. Molekulare und genetische Zusammenhänge in der pädiatrischen Endokrinologie
Zusammenfassung
Das Verständnis der molekularen Grundlage endokriner Erkrankungen ist durch die Methoden der Molekularbiologie, Molekulargenetik und Zellbiologie in den letzten 35 Jahren sprunghaft angestiegen. Ist die Pathophysiologie einiger monogener Krankheiten wie dem adrenogenitalen Syndrom weitgehend aufgeklärt, so sind Krankheitsbilder wie die Adipositas oder der Diabetes mit ihrer möglicherweise polygenen oder multifaktoriellen Genese weniger verstanden. Die Anwendung molekular- und zellbiologischer Methoden in der pädiatrischen Endokrinologie hat nicht nur zu einer Fülle neuer Informationen geführt, sondern auch die Komplexität der wissenschaftlichen Fragestellungen in der klinischen Endokrinologie drastisch erhöht. Das Verständnis der grundlegenden Zusammenhänge, Methoden und Nomenklaturen der Molekularbiologie ist eine wichtige Voraussetzung geworden, die Ätiologie und die neuen Therapieansätze endokriner Erkrankungen zu verstehen. In diesem Kapitel sind grundlegende Informationen zur Molekularbiologie und Molekulargenetik zusammengefasst, die in den folgenden Kapiteln bei der Beschreibung einzelner Erkrankungen Anwendung finden.
Angela Hübner, Barbara Kind, Katrin Köhler
4. Genetisch diagnostizierbare Krankheiten in der pädiatrischen Endokrinologie
Zusammenfassung
Mit der Etablierung der Methode des „Next Generation Sequencing“ sind große Fortschritte in der Diagnostik genetisch vererbter endokrinologischer Krankheiten gemacht worden und es werden immer wieder neue Gene und Krankheitsursachen in den kommenden Jahren identifiziert werden. Aus diesem Grunde wird es nicht möglich sein, alle Krankheitssubtypen aktuell zu erfassen, da ständig neue hinzukommen werden. Im Folgenden sind ausgewählte genetische Krankheiten tabellarisch zusammengefasst, die für die pädiatrische Endokrinologie relevant sind.
Angela Hübner, Barbara Kind, Katrin Köhler

Spezielle Untersuchungsmethoden

Frontmatter
5. Klinische Untersuchung in der pädiatrischen Endokrinologie
Zusammenfassung
Eine gute klinische Untersuchung ist auch in der pädiatrischen Endokrinologie die Basis für eine gute Diagnostik und Therapie. Vor extensiver oder gar unnötiger Labordiagnostik mit teuren molekulargenetischen Untersuchungen stehen auch heute noch eine umfassende allgemeine und spezifische Anamneseerhebung sowie eine komplette körperliche Untersuchung.
Norbert Albers
6. Grundlagen der Hormonbestimmung in der pädiatrischen Endokrinologie
Zusammenfassung
Die pädiatrische Endokrinologie ist auch ein „Laborfach“, welches das Gebiet der endokrinen Analytik beinhaltet. Im Unterschied zur Endokrinologie der Erwachsenen gelten für die pädiatrische Endokrinologie viele Besonderheiten. Viele angeborene Hormonstörungen manifestieren sich bereits in der Kindheit und stellen differenzialdiagnostische Herausforderungen dar. Störungen des Wachstums und der Pubertätsentwicklung sind Domänen der pädiatrischen Endokrinologie. Oft wird vergessen, dass praktisch alle kommerziell erhältlichen Hormonassays nur für Erwachsene entwickelt worden sind. Die unkritische Anwendung solcher Assays bei Kindern birgt oft Probleme. Die ständige Dynamik von Wachstum und Entwicklung des kindlichen Organismus schafft wechselnde analytische Anforderungen. Ferner müssen altersbezogene Referenzbereiche vorgehalten werden. Dies alles muss bei der Auswahl von Methoden zur endokrinen Diagnostik bei Kindern berücksichtigt werden, da sonst Fehlmessungen und Fehlinterpretationen unvermeidlich sind.
Stefan A. Wudy, Michaela F. Hartmann, Claudia Boettcher, Clemens Kamrath, Werner F. Blum
7. Testverfahren in der pädiatrischen Endokrinologie
Zusammenfassung
Endokrinologische Testverfahren dienen der Sicherung einer klinischen Verdachtsdiagnose oder dem Ausschluss einer Diagnose. Sie sind damit aus dem klinischen Alltag der Kinderendokrinologie und -diabetologie nicht mehr wegzudenken. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden eine ganze Reihe neuer Testverfahren und neuer Testsubstanzen entwickelt und für die klinische Routinediagnostik verfügbar gemacht. Ferner haben sich neue Indikationen für den Einsatz von dynamischen Testverfahren ergeben. Die Fülle der verfügbaren Tests und die für die Durchführung, Indikationsstellung und Interpretation notwendigen Detailinformationen sind in diesem Kapitel nicht erschöpfend darstellbar. Daher wurde eine Auswahl der gängigsten Tests ausgewählt. Für weitere Tests und weiterführende Informationen der dargestellten Tests ist das Studium der Originalliteratur unverzichtbar.
Carl-Joachim Partsch

Umgang mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen

Frontmatter
8. Psychologische und pädagogische Elemente der Langzeitbehandlung bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen
Zusammenfassung
Bei chronischen Krankheiten und endokrinologischen Störungen wird der Erfolg der Langzeitbehandlung zu einem erheblichen Teil davon bestimmt, ob und wie es Familien betroffener Kinder dauerhaft gelingt, körperliche Besonderheiten und erforderliche Therapien in ihren Alltag zu integrieren. Weiterhin ist wichtig, ob Eltern die Erkrankung akzeptieren und die damit verbundenen zusätzlichen Herausforderungen mit ihren allgemeinen Erziehungsaufgaben vereinbaren können. Zur Unterstützung der Familien ist daher eine umfassende und praxisorientierte Information der Eltern und altersadäquat auch der Kinder und später der Jugendlichen durch die jeweiligen Behandlungsteams unverzichtbar. Dabei sollten neben der somatischen Therapie auch die krankheitsbedingten psychosozialen Belastungen und der kognitive und soziale Entwicklungsstand der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie der kulturelle Hintergrund der Familien berücksichtigt werden.
Karin Lange, Gundula Ernst
9. Endokrinologische Langzeitfolgen in der pädiatrischen Onkologie
Zusammenfassung
Erkrankungen des endokrinen Systems gehören zu den häufigsten Folgen onkologischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Große Langzeitnachsorgestudien zeigen, dass jeder zweite Überlebende einer Krebserkrankung im Kindesalter im Verlauf des Lebens von mindestens einer endokrinologischen Störung erkrankt, die als direkte Spätfolge auf die antineoplastische Therapie (insbesondere Radiotherapie und Chemotherapie mit Alkylanzien) zurückzuführen ist. Endokrinologische Spätfolgen umfassen Störungen der hypothalamohypophysären Funktion, der Schilddrüse, der Gonaden, des Knochenstoffwechsels bis hin zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2. Nur durch eine systematische, an das individuelle, durch Grunderkrankung und therapeutische Expositionen bestimmte Risiko angepasste, lebenslange Nachsorge können endokrinologische Spätfolgen frühzeitig diagnostiziert, therapiert und so schwerwiegende Beeinträchtigungen von Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Patienten vermieden werden.
Christian Denzer, Thorsten Langer

Insulinsekretion und -wirkung

Frontmatter
10. Physiologie und Pathophysiologie der Insulinsekretion
Zusammenfassung
Kohlenhydrate und besonders Glukose stellen Energie für die Zellen des Körpers zur Verfügung. Außerdem ist Glukose ein Substrat für die Synthese von Glykoproteinen, Glykolipiden, Nukleotiden, nichtessenziellen Aminosäuren und spezifischen Fettsäuren. Zusätzlich bildet Glukose einen Baustein für Strukturmoleküle der Zellmembran. Schließlich nehmen Glukose und ihre phosphorylierte Form, Glukose-6-Phosphat, eine Schlüsselstellung innerhalb vieler Stoffwechselwege ein. Blutzellen und das Zentralnervensystem sind außerdem gänzlich auf die Zufuhr von Glukose angewiesen.
Thomas Kapellen, Wieland Kiess
11. Hyperinsulinismus
Zusammenfassung
Der kongenitale Hyperinsulinismus (KHI) ist die häufigste Ursache persistierender Hypoglykämien im Säuglings- und Kindesalter. Über Jahrzehnte handelte es sich dabei um ein sehr schlecht verstandenes Krankheitsbild, das durch klinisch völlig unterschiedliche Verläufe gekennzeichnet ist. Das gemeinsame Merkmal sind rezidivierende Hypoglykämien, die ohne eine suffiziente Behandlung zu schwerer geistiger Behinderung führen können.
Thomas Meissner, Oliver Blankenstein
12. Diabetesformen bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung charakterisiert durch eine chronische Hyperglykämie als Resultat einer fehlenden Insulinsekretion, einer gestörten Insulinwirkung oder von beidem. Eine eindeutige Zuordnung der Diabetesform ist für Betroffene von hoher prognostischer und therapeutischer Relevanz.
Olga Kordonouri, Klemens Raile
13. Hypoglykämie bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Komplikationen bei der Behandlung eines Typ-1-Diabetes entstehen durch zu viel oder zu wenig Insulin im Blut. Wird relativ zur körperlichen Bewegung und der Kohlenhydratzufuhr zu viel Insulin gespritzt, dann entstehen Unterzuckerungen. Wurde abhängig vom Bedarf längerfristig zu wenig oder gar kein Insulin injiziert, dann droht eine ketoazidotische Entgleisung.
Karl Otfried Schwab, Jürgen Doerfer
14. Diabetische Ketoazidose bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Elliot Proctor Joslin (1869–1962) war der Überzeugung, dass mit der Entdeckung des Insulins der Diabetes mellitus seinen Schrecken verloren habe und formulierte sinngemäß in den 1920er-Jahren „today it is not allowed to die of diabetic coma“. Dass sich diese Hoffnung nicht erfüllte, kann man in den ISPAD-Guidelines nachlesen: Die Mortalitätsrate bei einer diabetischen Ketoazidose scheint zwar insgesamt rückläufig zu sein, beim Vorliegen eines Hirnödems liegt sie jedoch nach wie vor bei 21–24 %. Ohne Zweifel ist die diabetische Ketoazidose nach wie vor ein zentrales Problem bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus.
Andreas Neu, Nicolin Datz
15. Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen: Stoffwechselkontrolle und Folgeerkrankungen
Zusammenfassung
Ziele der Langzeittherapie von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes sind eine normale körperliche und psychosoziale Entwicklung, Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen, Prävention und Reduktion der Häufigkeit diabetesbedingter Folgeerkrankungen und die frühzeitige Erkennung und Behandlung von zusätzlichen Risikofaktoren. Die Insulintherapie sollte individuell und mit dem Ziel möglichst niedriger HbA1c-Werte und Blutzucker bzw. Gewebezucker im Zielbereich („Time in Range“) durchgeführt werden. Diabetesassoziierte Folgeerkrankungen und weitere Autoimmunerkrankungen sollen durch ein leitliniengerechtes Screening rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Durch die sich rasch entwickelnde Diabetestechnologie wird sich in den nächsten Jahren auch die Erfassung der aktuellen Stoffwechselsituation stark ändern. Neben der Blutglukosemessung ist die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) ein wesentlicher Bestandteil der modernen Stoffwechselkontrolle. Die Auswertung der kontinuierlichen Glukosemessung ermöglicht die Beurteilung neuer Parameter der Stoffwechselleinstellung wie Time in Range und Glukosevariabilität.
Martin Holder, Simone von Sengbusch
16. Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen: Ernährung und Medikamente
Zusammenfassung
Die intensivierte Insulintherapie, entweder als Spritzen/Pen-Therapie mit Basis-Bolus-Prinzip oder als Insulinpumpentherapie sind auch in der pädiatrischen Diabetologie die Methoden der Wahl. Zu Beginn einer intensivierten Insulintherapie empfiehlt sich die Verwendung von NPH-Insulin oder langwirksamer Insulinanaloga als Basalinsulin, um die physiologische, circadiane Insulinsekretion und -wirkung möglichst bedarfsgerecht substituieren zu können. Für die Insulingaben zu den Mahlzeiten oder Korrekturen stehen Human- und kurzwirksame Analoginsuline zur Verfügung. Kurzwirksame Analoga werden auch in der Pumpentherapie eingesetzt. Umfangreiche Kenntnisse über die Zusammensetzung von Nahrung sowie die gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen nach dem Optimix Modell wird vermittelt, da sich die Ernährung nicht von denen ohne Diabetes unterscheidet. Ziel ist eine altersgemäße, sättigende, erfüllende und nährstoffdeckende Nahrung, die ein gesundes und normales Wachstum ermöglichen. Süßigkeiten sind hier im Rahmen der „erlaubten“ Lebensmittel fester Bestandteil im Leben von Heranwachsenden. Erfolgt die Berechnung des Kohlenhydratanteils (KE/BE) in der Nahrung zunächst anhand von Waagen und Kohlenhydrattabellen, neigen die meisten Familien mit zunehmender Erfahrung im Alltag zum Abschätzen des der KE/BEs. In Zukunft könnte eine orale Zusatztherapie mit sogenannten SGLT-Hemmern das therapeutische Spektrum in der Behandlung des Typ 1 Diabetes erweitern.
Thomas Danne, Torben Biester
17. Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen: Praxis der Insulininjektions- und Pumpentherapie
Zusammenfassung
Die grundlegenden Prinzipien der intensivierten Insulintherapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip mit Injektions- oder Pumpentherapie haben sich in der Kinderdiabetologie durchgesetzt. Während Vorschulkinder ab Manifestation mit (gegebenenfalls sensorunterstützer) Pumpentherapie behandelt werden, ist die intensivierte Insulintherapie (ICT) mit mehrfachen täglichen Injektionen zunächst die erste Wahl der Therapie ab dem Schulalter. Für die Insulintherapie im pädiatrischen Alter werden wegen der notwendigen Flexibilität der Therapieanpassung keine Misch- oder Kombinationsnsuline verwendet. Technologische Neuentwicklungen wie die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) und sensorunterstützte Pumpentherapie (SuP) haben bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1 Diabetes wegen der alterstypischen Stoffwechselschwankungen eine besondere Bedeutung.
Thomas Danne, Ralph Ziegler
18. Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen: Assoziierte Erkrankungen
Zusammenfassung
Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus treten weitere Autoimmunerkrankungen ca. fünfmal häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Die Prävalenz der Autoimmunthyreoiditis steigt mit zunehmendem Alter und Diabetesdauer und beträgt bis zu 25 % bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes. Die Diagnose wird über den Nachweis spezifischer Antikörper und den sonografischen Befund gestellt. Als Funktionsstörung tritt oft eine Hypothyreose auf, die zu Hypoglykämien führen kann und mit Thyroxin behandelt wird. Eine Zöliakie wird in ca. 5 % der Kinder mit Typ-1-Diabetes festgestellt, Kinder mit Diabetesmanifestation im Vorschulalter sind häufiger betroffen. Die Zöliakie wird über den Nachweis spezifischer Antikörper und den histologischen Befund diagnostiziert. Nach gesicherter Diagnose wird die glutenfreie Ernährung auch asymptomatischen Patienten empfohlen. Für alle Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes ist ein regelmäßiges Screening auf Schilddrüsenfunktionsstörungen und Zöliakie sinnvoll.
Beate Karges, Reinhard Holl

Energiebilanz

Frontmatter
19. Zentrale Regulation des Körpergewichtes
Zusammenfassung
In den letzten vier Jahrzehnten konnte man eine dramatische Zunahme der Adipositasrate beobachten. Die Betrachtung von Energiebilanz und Regulation des Körpergewichtes rückt daher zunehmend in den Fokus eines pädiatrischen Endokrinologen. Das Körpergewicht wird durch zahlreiche äußere und innere Einflussfaktoren sowie periphere und zentrale, meist redundante Regelmechanismen bestimmt. Neben dem individuellen genetischen Hintergrund und dem aktuellen Wandel von soziokulturellen Faktoren und Lifestyle sind Veränderungen der appetitregulierenden Peptide und Regulationsstrukturen im zentralen Nervensystem wichtige Faktoren für Störungen des Energiegleichgewichtes. Obwohl die Regulation des Körpergewichtes erstaunlich präzise erfolgt, kann es bei längerfristiger Störung der Balance der Energiezufuhr zu Über- oder Untergewicht kommen. Eine Veränderung der Homöostase des Energiestoffwechsels kann sowohl durch eine veränderte Nahrungsaufnahme als durch einen veränderten Energieverbrauch verursacht werden, der vom Grundumsatz, der Wärmeproduktion, die je nach Ernährungszustand variiert, der Muskelarbeit und dem Wachstum abhängt. Diese komplexen Regelmechanismen haben sich in der Evolution über einen langen Zeitraum entwickelt, um gegen den Hungertod zu schützen. Durch den modernen Lebensstil kehrt sich der evolutionäre Vorteil in ein höheres Risiko einer adipositasbedingten erhöhten kardiovaskulären Mortalität („thrifty gene hypothesis“) um. In diesem Kapitel werden zunächst Regulatoren des Körpergewichtes aus der Peripherie vorgestellt, deren Effekte über die zentralen Regelstrukturen der Energiehomöostase insbesondere des Hypothalamus und Hirnstamms vermittelt werden.
Christian Roth
20. Endokrine Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas
Zusammenfassung
Es gibt eine Reihe seltener endokriner Ursachen für eine Adipositas einschließlich definierter genetischer Syndrome. Jedoch gibt es häufige Veränderungen endokriner Funktionen bei Adipositas, die charakteristisch für die Adipositas sind, wie z. B. Störungen der Insulinsekretion und Wirkung, Wachstumshormon-IGF-I-Achse, Hypophysen-Schilddrüsen-Achse, Hypophysen-Gonaden Achse und Nebennierenrindenfunktion. Die charakteristischen endokrinen Veränderungen bei Adipositas haben sekundär einen Einfluss auf den Energiestoffwechsel und die Energiespeicherung. Am Beispiel der veränderten Glukokortikoidproduktion und der verminderten Wachstumshormonproduktion wird deutlich, dass die sekundären endokrinen Veränderungen eine weitere Gewichtszunahme begünstigen können. Ungeachtet dieser Tatsache sind alle in diesem Kapitel beschriebenen endokrinen Veränderungen unter einer Kalorienrestriktion und durch eine Gewichtsabnahme ganz oder teilweise reversibel.
Martin Wabitsch, Thomas Reinehr
21. Fettgewebe als endokrines Organ
Zusammenfassung
Adipositas ist durch eine Zunahme der Fettgewebsmasse charakterisiert. Diese beruht entweder auf einer Hypertrophie der vorhandenen Fettzellen oder einer Kombination aus Fettzellhypertrophie und -hyperplasie. Jede Gewichtszunahme führt dabei zunächst zu einer Volumenzunahme der vorhandenen Adipozyten. Ab einer kritischen Zellgröße kommt es durch bislang noch nicht identifizierte Signale, die wahrscheinlich von den vergrößerten Fettzellen selbst stammen, zur Rekrutierung von Vorläuferzellen und Bildung neuer Fettzellen.
Pamela Fischer-Posovszky, Jan-Bernd Funcke
22. Braunes Fettgewebe: Energiebilanz und Thermoregulation
Zusammenfassung
Zur Regulation der Körpertemperatur verfügen Säugetiere über braunes Fettgewebe („brown adipose tissue“, BAT), welches erhebliche Mengen von chemischer Energie in Wärme umwandeln kann. Die Entdeckung von funktionell aktivem BAT bei Erwachsenen führte zu Überlegungen, seine Aktivität im Rahmen einer Adipositastherapie zu nutzen. In diesem Kapitel sollen grundlegende Mechanismen der BAT-Thermogenese dargestellt sowie die physiologische Relevanz des BAT hinsichtlich der Körpergewichtsregulation beim Menschen mit Fokus auf Kinder und Jugendliche diskutiert werden.
Daniel Tews, Martin Wabitsch
23. Diagnostik der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Die Diagnostik der Adipositas im Kindes- und Jugendalter umfasst drei Schritte, die bei allen adipösen Kindern durchgeführt werden sollten: die Bestimmung des Ausmaßes der Adipositas, den Ausschluss von ursächlichen Grunderkrankungen der Adipositas und die Erfassung der Folgeerkrankungen der Adipositas.
Thomas Reinehr, Martin Wabitsch

Endokrinologie der Entwicklung: Wachstum und Pubertät

Frontmatter
24. Störungen des Wachstums
Zusammenfassung
Wachstum ist ein Prozess, der durch Zellvermehrung, Zellvergrößerung und kontrollierten Zelltod einen Zuwachs an messbarer Größe herbeiführt. Dieser Prozess ist kontrolliert, damit die erzielten Größen einen bestimmten vom Organismus als sinnvoll erachteten Rahmen nicht über- oder unterschreiten. Das menschliche Wachstum ist individuell verschieden und wird durch die genetische Ausstattung, durch Signalsysteme (die wesentlich vom Genotyp abhängen) sowie durch Ernährung und andere Umweltfaktoren kontrolliert. Die Zunahme an Körperhöhe ist kein linearer Prozess, es gibt verschiedene endogen getriggerte Phasen schnellen und langsamen Wachstums, die wiederum subtil moduliert werden durch andere Faktoren wie z. B. die Jahreszeit mit dem winterlichen Absinken der Wachstumsgeschwindigkeit. Während der Fokus der Wachstumsforschung in der Vergangenheit wesentlich auf dem Endokrinium lag, hat er sich in den letzten 10 Jahren mehr auf die Wachstumsfuge des Knochens verschoben. An diesem Ort ist die endokrinologische Kontrolle nur ein Teil des komplexen regulativen Apparates, der Knochenwachstum generiert. Gleichzeitig führten die Fortschritte in der genetischen Diagnostik zu einem besseren Verständnis von Wachstumsstörungen; so wurden u. a. bei proportioniertem Klein- und Hochwuchs genetische Veränderungen gefunden, die man bislang nur mit disproportionierten Wachstumsstörungen oder Skelettdysplasien in Verbindung gebracht hatte.
Gerhard Binder, Joachim Wölfle
25. Störungen der Geschlechtsreife
Zusammenfassung
Die Pubertät als Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter ist der Lebensabschnitt, in dem sich die sekundären Geschlechtsmerkmale bis zur kompletten Ausprägung des adulten weiblichen oder männlichen Phänotyps entwickeln, der Pubertätswachstumsschub abläuft und die Fertilität erreicht wird. Diese Entwicklungsphase wird von tief greifenden psychischen Veränderungen begleitet.
Berthold P. Hauffa, Sabine Heger
26. Endokrinologie des Neonaten
Zusammenfassung
Die Mortalität von kleinen Frühgeborenen konnte in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter gesenkt werden. Allerdings werden zunehmend auch langfristige Folgen der Frühgeburtlichkeit evident. Die im Rahmen der sog. Barker-Hypothese postulierten langfristigen Auswirkungen widriger perinataler Umwelteinflüsse konnten mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt werden. Aber auch unmittelbar in der Neonatalperiode sind Kenntnisse von Physiologie und Pathophysiologie der endokrinen Regulation wichtig, um Störungen der Funktion endokriner Organe beim Früh- und Reifgeborenen zu erkennen und diese adäquat zu therapieren. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über verschiedene Aspekte endokriner Funktionen und deren Störung in dieser besonderen Lebensphase, mit einem Fokus auf Wachstum, Glukose-Homöostase, Schilddrüsen- und Nebennierenfunktion sowie Kalziumstoffwechsel des Früh- und Neugeborenen. Dabei ist unser derzeitiges Verständnis der perinatalen Endokrinologie bei Weitem noch nicht umfassend oder abgeschlossen.
Joachim Wölfle, Bettina Gohlke

Organbezogene endokrinologische Erkrankungen

Frontmatter
27. Hypothalamus und Hypophyse: Anatomie, Physiologie und Erkrankungen
Zusammenfassung
Der Hypothalamus ist evolutionsgeschichtlich eine der ältesten Hirnregionen der Säugetiere. Er ist die übergeordnete Steuerungseinheit, die Informationen aus der Umwelt (Licht, Wärme, Schmerz, Geruch etc.), Informationen aus dem Körper (Blutdruck, Osmolarität, Blutzucker) und Informationen aus dem zentralen Nervensystem (ZNS) verarbeitet und steuert. Somit werden in diesem zentralen Steuerungszentrum unter anderem die Temperaturregulation, Kreislauffunktion, Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Stressantwort, zirkadiane Rhythmik, Sexual- und Fortpflanzungsfunktion und das Wachstum reguliert. Erkrankungen des Hypothalamus führen zur hypophysären Dysfunktion, neuropsychiatrischen Verhaltensauffälligkeiten und zu Störungen der autonomen und metabolischen Regelkreise.
Sabine Heger, Berthold P. Hauffa
28. Schilddrüse: Biochemische und physiologische Grundlagen
Zusammenfassung
Schilddrüsenhormone regulieren eine Vielzahl physiologischer Prozesse und sind wesentlich für die Entwicklung und das Wachstum von Kindern. Hierbei ist in ganz besonderer Weise die frühe ZNS-Reifung von einer normalen Schilddrüsenfunktion abhängig. Die zentrale Rolle der Schilddrüsenhormone zeigt sich bei der klinischen Ausprägung der unbehandelten angeborenen Hypothyreose. Hierbei sind der Kleinwuchs, die schwere motorische und kognitive Entwicklungsstörung, die Adipositas und die Depression eindrückliche Zeichen der physiologischen Bedeutung der Schilddrüsenhormone. Tritt eine schwere Hypothyreose im Kindes- oder Adoleszentenalter auf – z. B. durch eine Hashimoto-Thyreoiditis – ist die weitere kognitive Entwicklung nicht beeinträchtigt; allerdings ist dann das somatische Wachstum verzögert, das ggf. auch bei adäquater Therapie zu einer geringeren Endgröße führt.
Heiko Krude, Annette Grüters-Kieslich
29. Erworbene Hypothyreose
Zusammenfassung
Eine erworbene Hypothyreose ist im Kindes- und Jugendalter eher selten. Im Kleinkindalter tritt eine Hypothyreose fast nie auf. Die Hauptmanifestation findet sich im Pubertätsalter, vor allem bei Mädchen. Als Ursache einer erworbenen Hypothyreose ist fast ausschließlich die Hashimoto-Thyreoiditis zu nennen. Lediglich ein kleiner Anteil an betroffenen Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis entwickelt allerdings eine manifeste Hypothyreose. Neben den Fällen der erworbenen Hypothyreose bei Hashimoto-Thyreoiditis müssen die iatrogenen Fälle nach Thyreoidektomie – bei Morbus Basedow und Schilddrüsentumoren – und nach Behandlung einer malignen Erkrankung mit Bestrahlung der Halsregion (dann primäre Hypothyreose) oder nach Therapie eines hypophysären Tumors (dann sekundäre Hypothyreose) abgegrenzt werden; diese sind ebenfalls sehr selten. Für die Diagnose einer manifesten Hypothyreose ist der Nachweis erniedrigter T4- oder T3-Werte obligat; für die alleinige Erhöhung des TSH, die als Hyperthyreotropinämie bezeichnet wird, konnten im Kindes- und Jugendalter bisher keine Krankheitskorrelate beschrieben werden.
Heiko Krude, Annette Grüters-Kieslich
30. Hyperthyreose bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Die häufigste Ursache einer Hyperthyreose im Kindes- und Jugendalter ist der Morbus Basedow. Er tritt mit einer Inzidenz von 1 in 100.000 auf. Daneben kann es in wenigen Fällen einer Hashimoto-Thyreoiditis initial zu einer Hyperthyreose kommen. Noch deutlich seltenere Sonderformen der Hyperthyreose sind autonome Adenome der Schilddrüse, aktivierende Mutationen des TSH-Rezeptors und TSH-produzierende Adenome der Hypophyse. Die Diagnose einer Hyperthyreose ist im Kindes- und Jugendalter schwierig zu stellen. Die Manifestation der Autoimmunthyreoiditiden findet sich meist im Rahmen der Pubertät und die eher unspezifische klinische Symptomatik der Hyperthyreose ähnelt den Auffälligkeiten bzw. Beschwerden der pubertierenden Jugendlichen.
Heiko Krude, Annette Grüters-Kieslich
31. Schilddrüsenneoplasien bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Schilddrüsenknoten sind im Kindesalter relativ häufig, Schilddrüsenkarzinome dagegen sehr selten. Eine populationsbezogene Ultraschallscreening-Studie hat in Deutschland eine Prävalenz von Knoten > 1 cm von 0,6 in 100 Kindern und Jugendlichen ergeben. In neueren Studien aus Japan mit hochauflösenden Ultraschallgeräten wurde eine Knotenprävalenz von 1 in 100 beschrieben. Nur ein Bruchteil dieser Knoten ist maligne. In der japanischen Studie, in der Knoten per Ultraschall und Feinnadelbiopsie nachuntersucht wurden, fand sich eine Malignitätsrate von nur 4 %. Die Malignitätsrate bei klinisch auffallenden Knoten, die im Mittel einen Durchmesser von 20 mm aufweisen, liegt dagegen bei 20–25 %. Bei häufigem Einsatz der Schilddrüsensonografie werden aktuell sehr viele der gutartigen kleinen Schilddrüsenknoten zufällig diagnostiziert (Schilddrüseninzidentalome). Die richtige Beurteilung dieser Befunde mit der Notwendigkeit, differenzialdiagnostisch die häufigen gutartigen von den wenigen malignen Knoten abzugrenzen, stellt aktuell die größte Herausforderung auf dem Gebiet der Schilddrüsenneoplasien – nicht nur im Kindesalter – dar.
Heiko Krude, Annette Grüters-Kieslich
32. Angeborene Schilddrüsenerkrankungen bei Neugeborenen und Kleinkindern
Zusammenfassung
Angeborene Schilddrüsenfunktionsstörungen führen unbehandelt zu erheblichen Entwicklungsdefekten der betroffenen Neugeborenen. Neben der häufigen angeborenen Hypothyreose, die unbehandelt zu einem Kretinismus führt, können auch die selteneren angeborenen Hyperthyreosen unbehandelt zu kognitiven und somatischen Defekten der Kinder führen, z. B. einer Kraniosynostose. Eine angeborene Hypothyreose kann bei sehr schwerem Jodmangel auftreten. Diese Form der Hypothyreose, der endemische Kretinismus, ist nach Einführung der Jodsupplementationsprogramme der WHO sehr selten. Genetisch vererbte und familiär gehäuft auftretende Formen der angeborenen Hypothyreose treten durch autosomal-rezessiv vererbte Synthesedefekte der Schilddrüsenhormone auf. Die häufigste Variante ist die Schilddrüsendysgenesie, sie tritt mit einer Athyreose, Ektopie oder Hypoplasie auf. Die Ursache der Dysgenesien ist in den allermeisten Fällen noch immer unbekannt. Neben den primären Formen der Hypothyreose, die mit einem Defekt der Schilddrüse selbst einhergehen, sind wenige Kinder von einer sekundären/zentralen Hypothyreose betroffen. Hierbei handelt es sich um Neugeborene, die durch eine fehlende Stimulation der Schilddrüse durch einen Mangel an TSH eine z. T. auch schwere Hypothyreose aufweisen können. Die angeborene Hyperthyreose ist dagegen extrem selten. Dies gilt sowohl für die autoimmun bedingten Fälle bei Morbus Basedow der Mutter als auch für die genetisch bedingten Fälle mit aktivierender Mutation des TSH-Rezeptors. Die Diagnose sollte ebenso wie bei der Hypothyreose rasch gestellt werden, da die unbehandelte Hyperthyreose ebenfalls die Entwicklung der Kinder gefährdet. Neben den hypo- und hyperthyreoten Defekten finden sich seltene, z. T. sehr komplexe Erkrankungen, die aus angeborenen Störungen des Schilddrüsentransports und der Schilddrüsenhormonwirkung resultieren und zusammen als „Schilddrüsenhormonresistenzen“ zusammengefasst werden. Das folgende Kapitel beschreibt den heutigen Stand des Wissens zu diesen angeborenen Störungen der Schilddrüsenhormonbildung und -wirkung.
Heiko Krude, Annette Grüters-Kieslich
33. Embryologie und Anatomie der Nebenniere und Hormone der Nebennierenrinde
Zusammenfassung
Die Nebenniere besteht embryologisch und anatomisch aus zwei Anteilen: der Nebennierenrinde und dem Nebennierenmark. Die Nebennierenrinde ist mesodermalen Ursprungs. Hingegen ist das Nebennierenmark neuroektodermaler Herkunft. Die ersten Vorläufer der Rindenzellen kann man als Verdickung des Zölomepithels neben der primitiven Nierenanlage ungefähr in der 4. Woche post conceptionem identifizieren. Diese Zellen sind der Ursprung der steroidbildenden Zellen der Nebenniere und der Gonaden. Nach der Teilung der Nebennieren- und Gonadenanlage wandern die primitiven adrenalen Zellen zum Oberpol des Mesonephros, bevor es in der 8. Woche zur Einwanderung neuroektodermaler Zellen in die unreife Nebenniere kommt, die später das Mark bilden werden. Die fetale Nebennierenrinde besteht aus einer äußeren definitiven Zone und einer inneren fetalen Zone. Die Letztere ist um ein Vielfaches größer und stellt die Synthese von Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEA-S) sicher, das für die plazentare Synthese von Östriol genutzt wird. Nach der Geburt kommt es bis zum 6.–12. Lebensmonat zur Involution der fetalen Rinde. Die Entwicklung der Nebenniere ist durch verschiedene Transkriptionsfaktoren gesteuert. Durch Untersuchungen von Patienten mit Nebennierenentwicklungsstörungen ist bekannt, dass der Wnt-Signalweg, das Tumorsuppressorgen WT-1, die Transkriptionsfaktoren SF-1 und DAX-1, Koregulatoren wie CITED2 oder Telomerasefaktoren wie ACD eine Rolle spielen. Weiter sind die trophischen Effekte von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) und ACTH-Rezeptorsignaltransduktion wichtig für die Nebennierenrindenentwicklung.
Clemens Kamrath, Felix Riepe
34. Primäre Nebenniereninsuffizienz bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Die primäre Nebenniereninsuffizienz ist durch eine erniedrigte Produktion von Glukokortikoiden (Kortisol) mit oder ohne erniedrigter Produktion von Mineralokortikoiden (Aldosteron) gekennzeichnet. Die Diagnose der Nebenniereninsuffizienz ist wegen seiner unspezifischen klinischen Symptome oft verzögert. Allerdings können eine verpasste Diagnose einer Nebenniereninsuffizienz oder deren unzureichende Behandlung tödlich sein. Bei den Ursachen der primären Nebenniereninsuffizienz im Kindesalter lassen sich genetische Störungen der Nebennierenentwicklung (adrenale Dysgenesien), der einzelnen enzymatischen Schritte der Steroidhormonsynthese, der ACTH-Wirkung, metabolische Störungen sowie erworbene, hauptsächlich autoimmune, Ursachen unterscheiden.
Clemens Kamrath, Felix Riepe
35. Nebennierenüberfunktion bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Als Cushing-Syndrom (CS) bezeichnet man die klinischen Folgen eines chronischen Hyperkortisolismus. Im Kindesalter ist das iatrogene CS nach lang dauernder Therapie mit hoch dosierten Glukokortikoiden oder auch adrenokortikotropem Hormon (ACTH) am häufigsten. Das im Kindesalter seltene endogene CS wird in ACTH-abhängige und in ACTH-unabhängige Formen unterteilt. Bei Ersteren verursacht ein ACTH-produzierendes Hypophysenadenom (meist Mikroadenom) eine adrenale Kortisolüberproduktion, was man als Morbus Cushing bezeichnet. Der Morbus Cushing ist unter den endogenen CS-Formen die häufigste Ursache und ist bei Kindern über 7 Jahren für ca. 75 % der CS-Fälle verantwortlich. Das ACTH-unabhängige CS wird durch eine autonome Kortisolüberproduktion der Nebennieren verursacht und ist vor dem Schulalter für die meisten CS-Fälle verantwortlich. Zu den klinischen Zeichen des Hyperkortisolismus gehören eine Wachstumsstörung, Gewichtszunahme mit Entwicklung einer stammbetonten Adipositas, ein gerötetes „Vollmondgesicht“, eine dünne Haut, Striae distensae, Akne, ein „Büffelnacken“, Bluthochdruck, Muskelschwäche und psychische Auffälligkeiten. Die Labordiagnostik dient der Bestätigung der Diagnose sowie der Unterscheidung in ACTH-abhängige und -unabhängige Formen.
Clemens Kamrath, Felix Riepe
36. Hormone und Erkrankungen des Nebennierenmarks bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Das Nebennierenmark stellt ein peripheres sympathisches Ganglion dar, das nach Einwanderung sympathischer Nervenzellen in das Primordium der Nebennierenrinde ab der 7. Gestationswoche hormonelle Funktion erhält. Das wesentliche Hormon des Nebennierenmarks ist Adrenalin. Die Biosynthese von Adrenalin geht von der Aminosäuren L-Tyrosin aus, die durch die Tyrosinhydroxylase in L-DOPA hydroxyliert wird. Nach einer Decarboxylierung zum biologisch aktiven Dopamin erfolgt eine Hydroxylierung zum Noradrenalin, welches als Transmitter in sympathischen Neuronen fungiert. Noradrenalin wird unter dem Einfluss von Kortisol aus der Nebennierenrinde im Nebennierenmark durch die Phenylethanolamin-N-Methyltransferase in Adrenalin umgewandelt. Adrenalin wird nach seiner Freisetzung durch die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) zu Metanephrin und durch die Monoaminooxidase (MAO) zu Vanillinmandelsäure abgebaut. Noradrenalin wird durch die COMT zum Normetanephrin metabolisiert.
Clemens Kamrath, Felix Riepe
37. Knochenerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Die Entwicklung des muskuloskelettalen Systems war und ist in allen Kulturen und Epochen eng mit den Lebensgewohnheiten der Menschen verbunden. Bis zu den 1930er-Jahren stand in unseren Breiten vor allem die Mangelernährung mit Kalzium und Vitamin D bei der Entwicklung von metabolischen Knochenerkrankungen im Vordergrund. Alimentäre Kalzium- und Vitamin-D-Mangel sind heute in der westlichen Industriegesellschaft, nicht zuletzt aufgrund der ubiquitär durchgeführten Vitamin-D-Prophylaxe, eine Rarität. Heute stehen vor allem die Auswirkungen einer relativen Bewegungsarmut unserer Gesellschaft und sekundäre Effekte chronischer Erkrankungen bei der Entwicklung muskuloskelettaler Störungen im Vordergrund.
Jörg Oliver Semler, Eckhard Schönau
38. Endokrine Störungen des Mineralhaushaltes bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Kalzium und Phosphor sind die hauptsächlichen mineralischen Elemente des Knochens. Dadurch sind diese beiden Metabolite – bezogen auf die im Körper vorhandene Gesamtmenge – fast gänzlich (zu 99 %) dem Knochen zuzuordnen, obwohl sie zudem in vielen anderen Kompartimenten eine gewichtige Rolle spielen. Kalzium wird sowohl extrazellulär als auch intrazellulär als Kofaktor für verschiedene enzymatische Reaktionen verwendet und stellt einen bedeutsamen intrazellulären Botenstoff zur Signalvermittlung dar. Dies gilt insbesondere für die neuromuskuläre Signalübertragung. Im Serum liegt Kalzium etwa zur Hälfte an spezifische Trägerproteine oder Albumin gebunden vor; nur die ionisierte Fraktion ist als biologisch aktiv anzusehen. Phosphor liegt meist als Phosphat vor, davon ist wiederum der überwiegende Teil im Skelett verankert und mitverantwortlich für die altersgerechte Knochenmineralisation. Etwa 15 % des Phosphats sind als organische oder anorganische Fraktionen intrazellulär oder extrazellulär zu finden. Das organische Phosphat spielt eine wesentliche Rolle im Aufbau von vielen Molekülen, so z. B. in Phosphoproteinen, bei Energieträgern wie Adenosintriphosphat (ATP) und anderen Molekülen der intrazellulären Signalübertragung, bei der Zellmembranstabilität, dem Lipidstoffwechsel sowie auf die Aktivität der Muskulatur und der Enzyme.
Olaf Hiort, Dirk Schnabel
39. Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung
Zusammenfassung
Mit der Befruchtung der Eizelle durch das Spermium wird der Chromosomensatz des Embryos festgelegt. Üblicherweise entsteht ein 46,XY-Karyotyp oder ein 46,XX-Karyotyp. Die Anlage der Gonaden (Keimdrüsen) erfolgt beim etwa 4 Wochen alten Embryo in Form sog. Genitalleisten zwischen Urniere und dorsalem Mesenterium. Die Gonadenanlagen sind zunächst ontogenetisch bipotent, d. h., ihre weitere Differenzierung kann grundsätzlich sowohl in die männliche als auch in die weibliche Richtung erfolgen. Bis zur 6. Woche post conceptionem existieren im menschlichen Embryo wahrscheinlich noch keine geschlechtsspezifischen morphologischen Unterschiede. In Gegenwart des 46,XY-Karyotyps kommt es zur Expression des hodendeterminierenden Faktors Sex determining region Y (SRY) (Sinclair et al. 1990). Dadurch wird ein genetisches Entwicklungsprogramm initiiert, das den geschlechtlichen Dimorphismus des Menschen einleitet, indem es bis zur 7. Woche post conceptionem zur Entwicklung des männlichen Hodens führt. Es umfasst eine Vielzahl dem SRY nachgeschalteter Gene, die zumeist als Transkriptionsfaktoren wirken, z. B. SOX9 (SRY-related HMG-box gene 9), WT1 (Wilms tumor 1 gene), SF1 oder NR5A1 (Steroidogenic factor 1), DMRT1 (Doublesex-and MAB3-related transcription factor 1), DHH (Desert hedgehog). Sie sind Teil eines komplexen Netzwerks mit zusätzlichen Faktoren der Gonadenentwicklung (u. a. WNT4, DAX1, CXorf6) und modulieren gegenseitig ihre Expression in einem zeitlich und örtlich abgestimmten Programm. Mutationen in Genen der Gonadenentwicklung können die empfindlichen Abläufe der Gonadendeterminierung beeinträchtigen und konsekutiv zu einer Gonadendygenesie als Ursache einer Besonderheit oder Störung der Geschlechtsentwicklung („disorder or difference of sex development“, DSD) führen. Die besonderen gewebespezifischen Expressionsmuster gonadaler Entwicklungsgene können typische Kombinationen funktioneller Störungen und Fehlbildungen, z. B. Wilms-Tumor (Köhler et al. 2007), Nebenniereninsuffizienz (Achermann et al. 2001), Skelettdysplasie (Foster et al. 1994), Neuropathie (Werner et al. 2015), Herzfehler (Lorenco et al. 2011), im Zusammenhang mit Gonadendysgenesien verursachen, die im Einzelfall klinisch wegweisend sein können.
Paul-Martin Holterhus, Olaf Hiort
40. Endokrine Störungen der Nierenfunktion und des Wasserhaushalts bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Die Niere ist einerseits ein Steuerorgan, das einen wesentlichen Anteil an der endokrinen Regulation von Erythropoese, Blutdruck und Knochenstoffwechsel spielt. Daneben werden durch die renale Funktion Wachstum und Pubertät modifiziert. Andererseits ist die Niere, vor allem auf Tubulus- und Sammelrohrebene, das wesentliche Effektororgan bei der Regulation von Salz- und Wasserhaushalt. Während Defekte der renalen Steuerfunktion vor allem bei chronischer Niereninsuffizienz auftreten, sind Störungen der Effektorfunktion naturgemäß durch Dysfunktion der entsprechenden Steuerorgane oder auf renaler Ebene zu sehen.
Jörg Dötsch, Carl-Joachim Partsch

Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie

Frontmatter
41. Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie: Anthropometrische Parameter
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden Referenzwerte für verschiedene anthropometrische Parameter vorgestellt, wie sie in deutschsprachigen Zentren für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie verwendet werden. Die Referenzwerte sind durchaus unterschiedlich. Ursachen für die Unterschiede liegen in den unterschiedlichen Erhebungsjahren der Messdaten und den verschiedenen Kinderkohorten. Eine Bewertung der einzelnen Referenzwerte oder gar eine Empfehlung kann hier nicht ausgesprochen werden. Dies wäre ein Thema für die Weiterentwicklung der Leitlinien in diesem Bereich.
Martin Wabitsch
42. Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie: Äußeres Genitale
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die Referenzwerte für das äußere Genitale dargestellt.
Martin Wabitsch
43. Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie: Inneres Genitale
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die Referenzwerte für Uterus- und Ovarialvolumen in Abhängigkeit vom Pubertätsstadium dargestellt.
Martin Wabitsch
44. Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie: Schilddrüsenvolumen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die Referenzwerte für das sonografisch bestimmte Schilddrüsenvolumen von Kindern und Jugendlichen dargestellt.
Martin Wabitsch
45. Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie: Blutdruck
Zusammenfassung
In diesem Kapitel sind die Referenzwerte für den Blutdruck bei Kindern und Jugendlichen zusammengestellt.
Martin Wabitsch
46. Referenzwerte pädiatrische Endokrinologie: Endokrinologische Parameter
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die Referenzwerte für endokrinologische Parameter bei Kindern und Jugendlichen zusammengefasst.
Martin Wabitsch, Stefan A. Wudy
Backmatter
Metadaten
Titel
Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie
herausgegeben von
Prof. Dr. Olaf Hiort
Prof. Dr. Thomas Danne
Prof. Dr. Martin Wabitsch
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-57309-9
Print ISBN
978-3-662-57308-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-57309-9

Neuer Typ-1-Diabetes bei Kindern am Wochenende eher übersehen

23.04.2024 Typ-1-Diabetes Nachrichten

Wenn Kinder an Werktagen zum Arzt gehen, werden neu auftretender Typ-1-Diabetes und diabetische Ketoazidosen häufiger erkannt als bei Arztbesuchen an Wochenenden oder Feiertagen.

Neue Studienergebnisse zur Myopiekontrolle mit Atropin

22.04.2024 Fehlsichtigkeit Nachrichten

Augentropfen mit niedrig dosiertem Atropin können helfen, das Fortschreiten einer Kurzsichtigkeit bei Kindern zumindest zu verlangsamen, wie die Ergebnisse einer aktuellen Studie mit verschiedenen Dosierungen zeigen.

Spinale Muskelatrophie: Neugeborenen-Screening lohnt sich

18.04.2024 Spinale Muskelatrophien Nachrichten

Seit 2021 ist die Untersuchung auf spinale Muskelatrophie Teil des Neugeborenen-Screenings in Deutschland. Eine Studie liefert weitere Evidenz für den Nutzen der Maßnahme.

Fünf Dinge, die im Kindernotfall besser zu unterlassen sind

18.04.2024 Pädiatrische Notfallmedizin Nachrichten

Im Choosing-Wisely-Programm, das für die deutsche Initiative „Klug entscheiden“ Pate gestanden hat, sind erstmals Empfehlungen zum Umgang mit Notfällen von Kindern erschienen. Fünf Dinge gilt es demnach zu vermeiden.

Update Pädiatrie

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