Erschienen in:
27.11.2017 | Psychotherapie | Schwerpunkt: Geschichtsvergessenheit – Originalien
Verlorene Befunde der Psychotherapie(forschung)
Hintergründe einer Psychotherapiegeschichtsvergessenheit
verfasst von:
Prof. Dr. Bernhard Strauß
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 1/2018
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Zusammenfassung
Es wird der Frage nachgegangen, ob es in der Psychotherapie eine Geschichtsvergessenheit gibt, die sich u. a. daran zeigt, dass viele Befunde aus der Geschichte der Psychotherapieforschung in Vergessenheit geraten sind bzw. Erkenntnisse immer wieder neu generiert und unter anderen Labels „vermarktet“ werden. Thesen zu potenziellen Hintergründen dieser Beobachtung werden dargestellt. Hierzu gehört, dass die Stellung der Psychotherapie innerhalb der Wissenschaften nach wie vor nicht ganz geklärt ist. Wird Psychotherapieforschung der psychologischen Forschung zugeordnet, ist zu konstatieren, dass dort (wie auch in den Naturwissenschaften) zwar eine Fülle von Forschungsbefunden generiert wird, diese aber aus methodischen und wissenschaftstheoretischen Gründen oft auf sehr wackligen Beinen stehen. Dazu kommen sehr viele disparate Befunde innerhalb der Psychologie (und der Psychotherapiewissenschaft), die schwer integrierbar sind und dazu beitragen, dass es innerhalb der Psychotherapie immer noch keine Einigkeit über ein „Kernwissen“ gibt. Als Hintergründe für das Problem der Geschichtsvergessenheit in der Psychotherapie werden in Anlehnung an Goldfried (2000) 6 Themen reflektiert, nämlich die Lücke zwischen Forschung und Praxis, die Unterschiedlichkeit der theoretischen Ansätze zum Verständnis von Psychotherapie in Verbindung mit diesbezüglichen Sprachbarrieren. Des Weiteren tragen zur Geschichtsvergessenheit ein steter Wandel in der Forschungsmethodologie bei, die Wertigkeit vermeintlich neuer Befunde und generelle Spielregeln innerhalb der Wissenschaft (und der Psychotherapie) bei, die mehr und mehr den Gesetzen des Marktes folgt und gehorchen. Nur ein intensivierter offener Dialog zwischen Forschung und Praxis kann zur Generierung eines psychotherapeutischen Kernwissens beitragen.