Erschienen in:
01.05.2019 | ADHS | Schwerpunkt: Neurowissenschaftlich fundierte Psychotherapie – Editorial
Neurowissenschaftlich fundierte Psychotherapie
verfasst von:
Prof. Dr. Anja Hilbert, Ann.-Christine Ehlis
Erschienen in:
Die Psychotherapie
|
Ausgabe 3/2019
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Auszug
Die neurowissenschaftliche Forschung hat in den vergangenen Jahren vermehrt Einblicke in neurokognitive und -physiologische Auffälligkeiten gewährt, die für psychische Störungen kennzeichnend sind. So wurde beispielsweise auf der Grundlage von neuropsychologischen Tests gefunden, dass Essstörungen wie die Binge-Eating-Störung durch neurokognitive Dysfunktionen gekennzeichnet sind, die in Beeinträchtigungen in der inhibitorischen Kontrolle und im Belohnungssystem bestehen, und zwar besonders bei der Verarbeitung von störungsrelevantem Material wie Nahrungsreizen (Kittel et al.
2015). Bildgebungsstudien, hauptsächlich auf Basis funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT), dokumentierten zudem eine differenzielle Aktivierung bestimmter Hirnregionen in der Verarbeitung von Nahrungsreizen, beispielsweise eine Hypoaktivität in präfrontalen Kontrollnetzwerken und eine Hyperaktivität im medialen orbitofrontalen Kortex. Solche Befunde legen ein verändertes Störungsverständnis nahe: Im Falle der Binge-Eating-Störung wäre in einem aktualisierten Störungsmodell die Aufrechterhaltung der Essanfälle durch inhibitorische Kontrolldefizite und eine erhöhte Belohnungssensitivität zu erklären, zusätzlich zu den „klassischen“ Aufrechterhaltungsfaktoren eines negativen Körperbildes und einer negativen Affektivität, sodass entsprechende neurowissenschaftlich fundierte Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden können (Hilbert
2019). Denn in „klassischen“ psychotherapeutischen Ansätzen wie der kognitiven Verhaltenstherapie werden diese Faktoren zumeist nicht direkt adressiert. …