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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 23.12.2014

Hepatitis E

Verfasst von: Sven Pischke und Heiner Wedemeyer
Hepatitis E ist eine infektiöse Leberentzündung, die durch das Hepatitis-E-Virus (HEV) ausgelöst wird, zunehmend auch autochthon in Industrienationen. Es lassen sich fünf HEV-Genotypen unterscheiden, die sich u. a. bzgl. ihrer geographischen Verbreitung unterscheiden. Der Verlauf einer HEV-Infektion reicht von klinisch asymptomatisch bis zur Entwicklung eines akuten Leberversagens. Bei der akuten Hepatitis E folgen auf ein Prodromalstadium mit unspezifischen grippalen Symptomen sowie gastrointestinalen Symptomen meist Hepatitis-spezifischere Beschwerden (wie Ikterus, Dunkelfärbung des Urins und zunehmende Entfärbung des Stuhls). Chronische Verläufe wurden in Deutschland bisher nur bei Immunsupprimierten gefunden. Der sensitivste Test auf eine akute Hepatitis E ist der Nachweis des Virus im Stuhl per PCR, alternativ im Blut. Ribavirin und Interferon werden in der Behandlung der akuten und der chronischen Hepatitis E eingesetzt.

Einleitung

Die Hepatitis E ist eine infektiöse Leberentzündung, die durch das Hepatitis-E-Virus (HEV), ein 7,5 kb großes Plusstrang-RNA-Virus, ausgelöst wird. Während diese Erkrankung früher als reine Tropenkrankheit galt, wurden in den letzten Jahren zunehmend Fälle von Hepatitis E beobachtet, die in Industrienationen autochthon, d. h. dort erworben, auftreten (Wedemeyer et al. 2012).
Seit 1983 sind akute Hepatitis-E-Virusinfektionen bekannt, dagegen wurden erst in den letzten Jahren auch Fälle von chronischer Hepatitis E bei Immunsupprimierten beschrieben (Kamar et al. 2008), sodass man von einem Bedeutungswechsel der Hepatitis E sprechen kann.
Es lassen sich fünf HEV-Genotypen unterscheiden, die sich u. a. bzgl. ihrer geographischen Verbreitung unterscheiden (Abb. 1). Während die Genotypen 1 bis 4 humanpathogen sind, konnte Genotyp 5 nur in Vögeln nachgewiesen werden. Die Genotypen 3 und 4 kommen nicht nur im Menschen, sondern auch im Tierreich vor, sodass Infektionen mit diesen Genotypen als Zoonose gelten. Lange Zeit schloss man diesen zoonotischen Aspekt für die Genotypen 1 und 2 aus, doch kürzlich gelang der Nachweis von HEV-Genotyp 1 im Schwein. HEV muss auf über 70 °C erhitzt werden, um das Virus zu inaktivieren, sodass von gut durchgegarten Nahrungsmitteln keine Gefahr ausgeht.
Jüngst verdeutlichte eine Studie aus England die Relevanz der Hepatitis E für Blutprodukte (Hewitt et al. 2014). Es konnte gezeigt werden, dass 0,035 % der Blutprodukte in England HEV-RNA enthalten, und bei 42 % dieser Produkte kam es nach Transfusion zu Anzeichen einer Hepatitis E beim Empfänger.

Pathophysiologie

Der Verlauf einer HEV-Infektion reicht von klinisch asymptomatisch bis zur Entwicklung eines akuten Leberversagens. Die genauen Mechanismen, die dieser Variabilität zugrunde liegen, sind noch nicht komplett verstanden. Sowohl genetische Prädisposition als auch hormonelle und immunologische Faktoren beeinflussen den Verlauf in einem diffizilen Wechselspiel (Wedemeyer et al. 2012).

Epidemiologie

Die Hepatitis E tritt weltweit auf und ist in ihren Endemiegebieten, tropischen Entwicklungsländern mit oftmals reduziertem Hygienestandard, für Epidemien mit ca. 3 Millionen symptomatischen Infektionen und ca. 70.000 Todesfällen pro Jahr verantwortlich (Rein et al. 2012).
In den letzten Jahren wurden vermehrt Fälle von Hepatitis E in Industrienationen diagnostiziert, die zumeist autochthon, d. h. hier erworben, auftraten, sodass die Erkrankung ihr „Image als Reisekrankheit“ zunehmend verliert und die Möglichkeit, diese Infektion in Deutschland zu erwerben, zunehmend ins Bewusstsein der Ärzteschaft kommt. Es konnte gezeigt werden, dass die meisten HEV-Infektionen in Deutschland autochthon durch Genotyp 3 ausgelöst wurden, während importierte Infektionen seltener sind und zumeist durch Genotyp 1 verursacht werden.
PCR-Untersuchungen von Klärwasser der Kanalisation zeigten in verschiedenen europäischen Ländern sowie den USA, dass das HEV in nennenswerter Häufigkeit in Exkrementen in Industrienationen nachweisbar ist.
In den letzten Jahren zeigt sich in Deutschland ein steigender Trend an dem Robert Koch-Institut gemeldeten Fällen (Abb. 2), auch wenn die Erkrankung weiterhin nur selten auftritt oder nur selten diagnostiziert wird. Eine hohe Dunkelziffer an übersehenen HEV-Infektionen ist als sehr wahrscheinlich anzunehmen.

Klinik

Bei der akuten Hepatitis E folgen auf ein Prodromalstadium mit unspezifischen grippalen Symptomen (wie Fieber, Schüttelfrost und Arthralgien) sowie gastrointestinalen Symptomen (wie Übelkeit, Erbrechen und Diarrhöen) meist Hepatitis-spezifischere Beschwerden (wie Ikterus, Dunkelfärbung des Urins und zunehmende Entfärbung des Stuhls).
In der körperlichen Untersuchung findet man oft eine Hepato-/Splenomegalie. Laborchemisch zeigen sich erhöhte Werte für Bilirubin, Transaminasen und Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT) mit zumeist hepatitischem Muster, d. h. führender Alanin-Aminotransferase (ALT). Oftmals verläuft die Erkrankung selbstlimitierend, und die Leberenzyme normalisieren sich binnen sechs Wochen.
Selten kann es jedoch auch zur Entwicklung eines akuten Leberversagens kommen; dies wurde gehäuft bei Schwangeren und Patienten mit zugrunde liegender Lebererkrankung beobachtet. Jüngste Ergebnisse zeigten, dass die schweren Verläufe bei Schwangeren mit dem Progesteronrezeptorstatus assoziiert sein können, doch der genaue Pathomechanismus dieses Phänomens ist noch nicht geklärt (Wedemeyer et al. 2012).
Bis Anfang 2008 waren keine chronischen Verläufe einer HEV-Infektion bekannt. Vereinzelt waren jedoch prolongierte Verläufe mit einer Dauer von bis zu vier Monaten bei Lymphompatienten beschrieben worden.
Im Februar 2008 kam es zu einem Paradigmenwechsel in der Geschichte der Hepatitis E: Zwei unabhängige Gruppen aus Frankreich beschrieben chronische Verläufe einer Hepatitis E bei Organtransplantierten. Bald darauf wurden auch in den Niederlanden und in Deutschland Fälle chronischer Hepatitis E bei Leber-, Nieren- und Pankreastransplantierten beobachtet. Die chronische Hepatitis E kann über das Stadium der Leberfibrose zu einer Leberzirrhose und den damit verbundenen potenziell lebensbedrohlichen Folgen führen.
Vereinzelt konnten auch bei HIV-Patienten mit deutlich eingeschränktem Immunsystem chronische HEV-Infektionen beobachtet werden. Seitdem untersuchten zahlreiche Studien, wie oft es bei HIV-Patienten zu einer chronischen Hepatitis E kommt. Untersuchungen aus Deutschland fanden im Gegensatz zu Transplantierten solider Organe weder bei HIV-Infizierten, noch bei Stammzelltransplantierten oder bei Patienten mit variablem Immundefektsyndrom („common variable immunodeficiency“, CVID), einer angeborenen Störung der B-Zell-Immunabwehr, einen Fall einer chronischen Hepatitis E. Unter dem Dach der Deutschen Leberstiftung werden aktuell bundesweit Fälle von Hepatitis E bei Immunsupprimierten gesammelt, um dieses Krankheitsbild näher zu charakterisieren (http://www.deutsche-leberstiftung.de).

Diagnostik

Zwar gibt es zur Diagnostik einer Hepatitis E verschiedene serologische Tests zum Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern sowie mehrere PCR-Assays, doch bislang hat sich keiner dieser Tests als Goldstandard durchgesetzt (Wedemeyer et al. 2012). Die kommerziell erhältlichen Seroassays weisen deutliche Unterschiede bzgl. Sensitivität und Spezifität auf. Abhängig vom verwendeten Seroassay ergeben sich für die deutsche Normalbevölkerung Seroprävalenzraten zwischen 2 und 20 %. Der sensitivste Test auf eine akute Hepatitis E ist sicherlich der Nachweis des Virus im Stuhl per PCR. Da dies jedoch an die Abgabe von Stuhl gebunden und logistisch manchmal schwierig umzusetzen ist, sollte die PCR-Testung von Blut als adäquates Diagnostikum bei Verdacht auf akute Infektion angesehen werden, während IgM-Antikörper bei einer akuten oder kürzlich stattgehabten Infektion und IgG-Antikörper auch bei Zustand nach Hepatitis E positiv sind und somit nicht zwingend eine akute Infektion anzeigen.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch zur akuten Hepatitis E beim Immunkompetenten kommen vor allem die anderen Virushepatitiden A, B, C und D, aber auch die Erstmanifestation einer Autoimmunhepatitis oder ggf. eine alkoholische Steatohepatitis (ASH) sowie eine nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) infrage.
Die besondere Situation erhöhter Transaminasen nach Lebertransplantation bedarf genauer Abklärung. Klassischerweise dachte man früher in dieser Situation zumeist an eine Abstoßung oder an einen CMV-Infekt (Kap. Virale Hepatitiden: andere virale Infektionen), doch die Hepatitis E ist nun zunehmend als eine wichtige Differenzialdiagnose zu berücksichtigen. Bei Nieren-, Lungen- oder Herztransplantierten mit erhöhten Leberenzymen ist die Hepatitis E sogar eine noch wahrscheinlichere Differenzialdiagnose als bei Lebertransplantierten, denn hier fällt die Abstoßung als Differenzialdiagnose in dieser Situation weg.
Bei anderen Immunsupprimierten (HIV-Patienten, KMT-Patienten, CVID-Patienten) ist die Hepatitis E zwar seltener, sollte aber differenzialdiagnostisch bedacht werden (Wedemeyer et al. 2012).

Therapie

Zwar gibt es bislang noch keine etablierte Therapie, doch es gibt Berichte über die Wirksamkeit von Ribavirin und Interferon bei der akuten oder chronischen Hepatitis E (Wedemeyer et al. 2012).
In zwei kleinen Fallserien aus den Niederlanden und Frankreich konnte aufgezeigt werden, dass es prinzipiell möglich ist, die chronische Hepatitis E mit Interferon zu behandeln. Doch da die Behandlung mit Interferon nebenwirkungsreich und potenziell gefährlich ist und Abstoßungen induzieren kann, wurden auch andere Therapiestrategien evaluiert.
Bei Transplantierten mit chronischer Hepatitis E kann eine Reduktion der Immunsuppression eine Ausheilung der HEV-Infektion ermöglichen, doch dies beinhaltet ebenfalls das Risiko einer möglichen Abstoßung.
Eine Untersuchung aus Deutschland zeigte, dass sowohl bei Transplantierten mit chronischer Hepatitis E als auch bei akuter Hepatitis E beim Immunkompetenten mit Infektion mit dem tropischen HEV-Genotyp 1 Ribavirin eine Ausheilung bewirken kann (Pischke et al. 2013). Jüngst bestätigte eine große multizentrische französische Studie die Wirksamkeit von Ribavirin bei Leber- und Nierentransplantierten mit chronischer Hepatitis E (Kamar et al. 2014). Auch wenn weitere Untersuchungen erforderlich sind, um den Stellenwert von Ribavirin für diese Indikation näher zu evaluieren, so lässt sich bereits sagen, dass Ribavirin als Standardtherapeutikum bei Transplantierten mit chronischer Hepatitis E angesehen werden muss.
Sicherlich ist die Primärprophylaxe besser als die Therapie der Hepatitis E. So sollten Risikogruppen, insbesondere Immunsupprimierte und Schwangere Kontakt zu potenziell infizierten Tieren und Verzehr von unzureichend gegartem Fleisch vermeiden.
Ein erfolgreicher Impfstoff absolvierte 2010 eine Phase-3-Studie (Zhu et al. 2010) und wurde Anfang 2012 in China zugelassen. Ob dieser Impfstoff, der auf dem HEV-Genotyp 1, basiert auch vor dem in Deutschland vorherrschenden Genotyp 3 schützt, ist ungeklärt.

Verlauf und Prognose

Während Kontakte mit dem Hepatitis-E-Virus zumeist sowohl beim Gesunden als auch beim Immunsupprimierten asymptomatisch verlaufen, kann es bei diesen beiden Gruppen in einzelnen Fällen auch zu einer akuten Hepatitis E kommen. Im Gegensatz dazu verlaufen HEV-Infektionen beim Immunsupprimierten in ca. 50 % der Fälle chronisch.
Eine akute Hepatitis E kann in ein akutes Leberversagen übergehen. Insbesondere bei Schwangeren und Patienten mit zugrunde liegender Lebererkrankung treten fulminante Verläufe gehäuft auf.

Besondere Aspekte

Viele Phänomene, die im Zusammenhang einer akuten oder chronischen Hepatitis E auftreten können, sind bislang ungeklärt. Die beiden bekanntesten Phänomene sind sicherlich die hohe Mortalität von HEV-Infektionen im Rahmen einer Schwangerschaft und das gelegentlich beobachtete Auftreten extrahepatischer Manifestationen.
Während Studien aus Indien wiederholt eine hohe Mortalität einer HEV-Infektion im Rahmen einer Schwangerschaft zeigten, konnten Untersuchungen aus Industrienationen, in denen ein anderer Genotyp vorherrscht, diese Assoziation nicht bestätigen. Dies könnte ein Hinweis sein, dass der HEV-Genotyp eine Rolle für schwere Verläufe einer Hepatitis E in der Schwangerschaft spielt. Mittlerweile gibt es Hinweise dafür, dass eine genetische Prädisposition und hormonelle Faktoren ebenfalls von Bedeutung sind, doch das genaue Zusammenspiel dieser verschiedenen Faktoren ist noch nicht bekannt (Wedemeyer et al. 2012).
Bezüglich extrahepatischer Manifestationen gibt es zahlreiche Publikationen, die vor allem neurologische Symptome, aber auch nierenassoziierte Krankheitsbilder, wie die Glomerulonephritis, in Zusammenhang mit einer Hepatitis E beobachteten. Dies kann direkt pathogene Einflüsse des Virus oder indirekte immunologische Ursachen haben, wobei Letzteres sehr viel wahrscheinlicher ist. Jüngst wurde ein Fall einer schwerwiegenden Kryoglobulinämie im Zusammenhang mit einer Hepatitis E beschrieben (Pischke et al. 2014). Der genaue Stellenwert der mutmaßlich extrahepatischen Manifestationen einer HEV-Infektion ist noch nicht abschließend geklärt.
Literatur
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