Einleitung
Das
Pleuramesotheliom ist der häufigste maligne Pleuratumor
. Insgesamt ist das Mesotheliom
selten, wird fast immer durch inhalative Asbestexposition verursacht und ist wenig sensitiv gegenüber Chemotherapie und Bestrahlung. Meist erfolgt die Diagnose im fortgeschrittenen Stadium. Dann ist das mediane Überleben unter Chemotherapie mit Cisplatin und Pemetrexed 12 Monate. Maligne Mesotheliome können außerhalb der Pleura in allen serösen Häuten des Körpers auftreten, so auch im Peritoneum, im Perikard und in der Tunica vaginalis testis. Ein exsudativer
Pleuraerguss, häufig Erstmanifestation der Erkrankung, muss konsequent abgeklärt werden.
Aufgrund der nur in frühen Stadien günstigen Prognose sollte die Aufmerksamkeit bei Asbest-exponierten Personen sehr hoch sein. Asbestkrankheiten der Lunge sind Berufserkrankungen und das
Pleuramesotheliom ist als Verdacht auf eine Berufserkrankung zu melden (Ziffer 4105 der BKV).
Pathophysiologie
Beim Mesotheliom handelt es sich um eine Neubildung, die von dem die Körperhöhlen auskleidenden Mesothel ausgeht. Am häufigsten liegt es im Bereich der Pleura (
malignes Pleuramesotheliom) vor, in seltenen Fällen können aber auch Peritoneum (5–17 %), Perikard oder Tunica vaginalis testis Entstehungsort sein.
Während sich das Mesotheliom im Frühstadium häufig in Form multipler nodulärer Läsionen der Pleura manifestiert, imponiert das fortgeschrittene
Pleuramesotheliom makroskopisch meist als eine mantelförmige, den Brustkorb einseitig auskleidende und die Lunge komprimierende grauweiße bis zu mehreren Zentimetern breite, teils schwartige Tumormasse. Aufgrund des Wachstumsmusters des Pleuramesothelioms kommt es im Verlauf zur Schrumpfung der betroffenen Thoraxhälfte.
Mesotheliome wachsen sehr lange nur lokal infiltrierend. Allerdings werden häufig mediastinale Lymphknoten befallen. Als Ausgangspunkt der Karzinogenese wird die Pleura parietalis angenommen.
Der Zusammenhang zwischen Exposition mit Asbestfasern und der Entwicklung von Mesotheliomen ist seit 1960 bekannt. Alle Asbestformen
(Crocidolit, Amosit, Zeolit oder Tremolit) können mit einer Latenzzeit von 30–45 Jahren zum Mesotheliom führen. Die chronisch-entzündliche Reaktion der Pleura auf die inkorporierten Asbestfasern mit Freisetzung von reaktiven Sauerstoffradikalen und
Zytokinen wird als wesentlich für die Tumorentwicklung angesehen. Es finden sich verschiedene
onkogene Veränderungen, so zum Beispiel Mutationen im
BAP1 (BRCA1-associated protein 1)-Gen, diese eignen sich bislang aber nicht für eine zielgerichtete Therapie mit Inhibitoren.
Histologisch werden der mesenchymale oder sarkomatöse, der epitheliale und der biphasische Typ unterschieden. Der epitheliale Typ wird mit einer Häufigkeit von 50–70 %, der sarkomatöse von 7–20 % und die Mischform (biphasischer Typ) mit 20–35 % angegeben. Bei großen Gewebeproben und sorgfältiger Aufarbeitung steigt der Anteil der Mischformen.
Epidemiologie
In Deutschland beträgt die Inzidenz von Mesotheliomen etwa 2 Fälle pro 100.000 Einwohner (2010:1670 Neuerkrankungen). Entsprechend der Pathogenese ist die Inzidenz des Mesothelioms bei Personen mit beruflicher Asbestexposition
300-fach höher als in der Normalbevölkerung und so ist die Inzidenz in der Gruppe der Exponierten 6–11 %. Männer erkranken 4- bis 5-mal häufiger als Frauen, das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 73 Jahren. Da die Latenzzeit von Asbestexposition bis zur Manifestation des Mesothelioms 30–40 Jahre betragen kann, steigt die Anzahl der Neuerkrankungen jährlich. Damit ist das
Pleuramesotheliom die häufigste beruflich verursachte bösartige Tumorerkrankung in Deutschland.
Die maximale Asbestexposition der Bevölkerung in Deutschland wurde im Jahr 1977 erreicht. Seit 1993 ist Asbest in Deutschland und seit 2005 in der Europäischen Union verboten. Es wird aber weiterhin in vielen Ländern der Welt produziert und verarbeitet (Røe
2015).
Klinik
Der anfänglich in über 90 % führende klinische Befund ist der unklare
Pleuraerguss. Dieser sollte differenzialdiagnostisch immer auch an ein
malignes Pleuramesotheliom denken lassen. In frühen Stadien kann die tumoröse Pleuraveränderung kaum sichtbar sein, sodass nur der Befund des unklaren Pleuraergusses besteht.
Häufige Symptome bei Erstvorstellung sind
Thoraxschmerzen (59 %), Atemnot (50 %),
Husten (29 %) und Gewichtsverlust (20 %). Wegen der mantelförmigen Ausbreitung entlang der Pleura kann es im Verlauf zu einer Schrumpfung der betroffenen Thoraxhälfte kommen, was dem Patienten zusätzliche Beschwerden bereitet (Huber
2017).
Diagnostik
Sonographisch kann zusätzlich zum Erguss unter Umständen die Verdickung der Pleura dargestellt werden. Computertomographisch zeigen sich in frühen Stadien knotige Veränderungen der Pleura, in fortgeschrittenen Stadien dann die mantelförmige Ausbreitung entlang der Brustwand. Das FDG-PET/CT (18 F-Fluordeoxyglukose-Positronenemissionstomographie/Computertomografie-Untersuchung) zeigt teilweise aufgrund der Stoffwechselaktivität den Befund und die Ausbreitung schmaler
Pleuramesotheliome deutlicher als das konventionelle CT.
In der
Pleurapunktion kann ein exsudativer Erguss gewonnen werden, der nur in 35–50 % der Fälle zytologisch zum Nachweis von Mesotheliomzellen führt. Im Vergleich zum
Lungenkarzinom ist die Wahrscheinlichkeit postinterventioneller Stichkanalmetastasen beim
Pleuramesotheliom mit 20–50 % sehr hoch. Ist eine ausreichende pathologische Beurteilung der
Zytologie nicht möglich, muss eine interventionelle histologische Klärung erfolgen.
Zeichen der Asbestexposition im konventionellen Röntgen und CT sind Pleuraplaques
. Da insbesondere hier die morphologische Unterscheidung zum manifesten Mesotheliom schwierig sein kann, werden in diesen Fällen ausgiebige Biopsien unter thorakoskopischer Sicht gewonnen. Nur so ist die Differenzialdiagnose zu unspezifischen Pleuraveränderungen, benignen
Pleuratumoren und Pleurametastasen anderer Tumoren sowie die Klassifikation des Mesothelioms sicher möglich und können frühe Tumorstadien gefunden werden.
Marker wie
Osteopontin im
Serum und
serum mesothelin-related protein scheinen für Diagnostik und Verlauf hilfreich zu sein (Pass
2005; Robinson
2003).
Finden sich bildgebend suspekte mediastinale Lymphknoten, ist bei ansonsten operablen Patienten die Lymphknotenbiopsie erforderlich.
Für die Beurteilung der funktionellen Reserven für eine radikale operative Therapie kommen die beim
Lungenkarzinom definierten Methoden und Kriterien zum Einsatz. Das Ausmaß der restriktiven Ventilationsstörung ist auch als Verlaufsparameter geeignet.
Differenzialdiagnostik
Reaktive Mesothelveränderungen können morphologisch und auch histologisch schwer von einem Mesotheliom abgrenzbar sein, sodass immunhistochemische Untersuchungen und die Hinzuziehung eines Referenzpathologen empfohlen werden.
Bei praktisch allen Malignomen kann eine Metastasierung in die Pleura auftreten und einen malignen
Pleuraerguss verursachen. Häufig ist dies beim
Mammakarzinom, beim
Lungenkarzinom und beim Lymphom der Fall. Ein kleines peripheres Adenokarzinom der Lungen kann klinisch und bildgebend teilweise nicht von einem
Pleuramesotheliom unterschieden werden.
Andere primäre maligne
Pleuratumoren sind sehr selten: 12–37 % der solitären fibrösen
Tumoren der Pleura sind als maligne einzustufen und meist resektabel. Daneben können andere maligne Tumoren, z. B.
Lymphome oder Sarkome, primär in der Pleura auftreten.
Auch benigne
Pleuratumoren sind selten. Symptome sind je nach Ausdehnung, Größe und Mobilität des Tumors Schmerzen,
Fieber,
Husten und Atemnot und zum Teil „paraneoplastischer“ Natur (hypertrophe Osteoarthropathie und
Hypoglykämie), die nach Operation vollständig reversibel sind. In der Pleura entstehen Lipome typischerweise im oberen Teil des Thorax entlang der 2. oder 3. Rippe. Auch neurogene Tumoren müssen differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden. Eine weitere primäre Neoplasie der Pleura ist der seltene solitäre bzw. lokalisierte fibröse Pleuratumor, auch als solitäres fibröses Mesotheliom oder lokalisiertes (fibröses) Mesotheliom bezeichnet (Travis
2013).
Therapie
Allgemeine Therapieprinzipien
Der Nutzen der verschiedenen Therapiemodalitäten wird sehr kontrovers beurteilt. Der unterschiedliche und teilweise auch ohne Therapie lange Verlauf macht die Beurteilung ohne randomisierte Studien schwierig. Diese fehlen überwiegend. Für die meisten Patienten kommt nur ein rein palliatives Therapiekonzept zur Symptomkontrolle (Ergussfreiheit, Schmerzfreiheit) infrage. Eine palliative Reduzierung der Tumormasse (operativ oder durch Chemotherapie, teilweise auch durch
Strahlentherapie) kann durchaus eine verlängerte Symptomfreiheit und eine Verbesserung der
Lebensqualität bewirken. Die Behandlung sollte immer auch weitere supportive Maßnahmen wie die
Schmerztherapie umfassen. Nach Möglichkeit sollten alle Patienten in interdisziplinären Tumorkonferenzen besprochen und vor allem bei kurativ intendierten Therapieansätzen in Zentren mit entsprechender Erfahrung behandelt werden.
Operative Therapie
Bei den operativen Verfahren ist zwischen palliativen chirurgischen Verfahren und Verfahren in kurativer Absicht (maximale Entfernung des Tumors) zu unterscheiden. Bei den radikalen Verfahren wird zwischen der extrapleuralen
Pneumonektomie (EPP) und der Pleurektomie/Dekortikation (P/D) mit ihren verschiedenen Unterformen unterschieden. Bei der EPP werden en bloc die parietale und viszerale Pleura, die ipsilaterale Lunge und – falls nötig – Perikard und
Diaphragma entfernt. Bei der P/D wird der Tumor ohne Lunge entfernt, bei der extendierten P/D zusätzlich noch Zwerchfell und Perikard.
Die palliative partielle Pleurektomie beinhaltet die partielle Entfernung von viszeraler und/oder parietaler Pleura. Eine vollständige Entfernung des Tumors erfolgt nicht.
In
frühen Stadien (Stadium I und II) und bei ausreichender kardiopulmonaler Funktionsreserve kann bei jüngeren Patienten (unter 60 Jahre) in kurativer Absicht eine EPP oder extendierte P/D versucht werden. Nach einer EPP mit Perikard- und Zwerchfellresektion erleiden etwa 25 % der Patienten ernsthafte Komplikationen wie
bronchopleurale Fisteln, Empyeme,
Pneumonien, Rekurrensparesen, einen
Chylothorax oder eine
respiratorische Insuffizienz. Die Mortalität dieser Eingriffe schwankt erheblich zwischen 6 % und 30 %. In neueren Studien liegt sie allerdings unter 4 %. Die (extendierte) P/D bewirkt weniger Komplikationen und scheint prognostisch mindestens gleichwertig zu sein (Rusch
2013).
Palliative Eingriffe
Die meisten Beschwerden verursachen der rasch nachlaufende
Pleuraerguss und das infiltrative Wachstum. Beides bewirkt vor allem Atemnot und erhebliche Schmerzen. Die Chemotherapie kann die Beschwerden in vielen Fällen lindern. Dennoch ist eine Lokaltherapie entweder zusätzlich oder auch alleine oft sinnvoll.
Die partielle Pleurektomie wird bei hartnäckigen Pleuraergüssen oder zur Entfernung größerer Tumormanifestationen z. B. bei Schmerzen und/oder lokalen Komplikationen durchgeführt. Mittels videoassistierter chirurgischer oder auch internistischer
Thorakoskopie kann eine palliative Pleurodese mit Tetrazyklinen, Bleomycin oder Talkum versucht werden. Damit soll die rezidivierende Ergussproduktion verhindert werden. Talkum zeigt die besten Ergebnisse und sollte bevorzugt eingesetzt werden. Bei einer palliativen limitierten Pleurektomie und Dekortikation liegt die Mortalität unter 2 %. Alternativ muss – abhängig von der jeweiligen Situation – die internistische thorakoskopische Pleurodese oder die Anlage eines subkutan geführten Pleuraverweilkatheters diskutiert werden.
Strahlentherapie
Eine Bestrahlung in
kurativer Absicht wird durch die Wachstumsform des Mesothelioms und die dadurch bedingte Geometrie erheblich erschwert. Dies führt bei ausreichend hoher Strahlendosis zu einer zu hohen Strahlenbelastung der umgebenden Organe. Nach EPP im multimodalen Konzept und mit der schonenderen intensitätsmodulierten Radiotherapie (
IMRT) ist dies eher möglich.
Die Indikation für eine Radiotherapie ist meist
palliativ. Lokale Beschwerden an der Thoraxwand können durch die
Strahlentherapie gut beeinflusst werden.
Eine
prophylaktische Bestrahlung der Punktions- bzw. Dränagestellen wird meist durchgeführt, da eine Tumorinfiltration der Thoraxwand nach diagnostischen Eingriffen (Biopsie,
Thorakoskopie) möglich ist. Empfohlen wird die zügige postinterventionelle Applikation von 21 Gy in 3 Fraktionen innerhalb einer Woche.
Chemotherapie
Beim Mesotheliom zeigen nur wenige zytostatische Substanzen in der Monotherapie reproduzierbar ein Ansprechen. Häufig eingesetzte Monotherapeutika waren Cisplatin, Carboplatin und Doxorubicin.
In kleinen Studien wurde insbesondere
Kombinationschemotherapien mit Cisplatin untersucht, wobei die medianen Überlebenszeiten zwischen 5 und 19 Monaten lagen. Die palliative Therapie mit Cisplatin und Pemetrexed sowie Cisplatin plus Ralitrexed wurde jeweils in randomisierten Phase-III-Studien untersucht. Diese Kombinationen sind bei günstigen Nebenwirkungsprofilen wirksamer als eine Monotherapie mit Cisplatin, was zur Zulassung von Pemetrexed beim Mesotheliom geführt hat. Die Gabe von Pemetrexed zusätzlich zu Cisplatin verlängerte das mediane Überleben um 2,8 Monate und führte zu einer besseren Symptomenkontrolle sowie zu einer deutlichen Verbesserung der Lungenfunktion. Gerade das Monitoring der Lungenfunktion ist ein guter und reproduzierbarer Parameter für das Ansprechen auf die Therapie und die Verbesserung der Parameter essenziell für die
Lebensqualität der Patienten (van Meerbeeck
2005; Vogelzang
2003).
Multimodale Therapie
Analog zum nicht kleinzelligen
Lungenkarzinom wird versucht, mit multimodalen Therapieansätzen (Kombination von lokalen und systemischen Verfahren) die Prognose zu verbessern. In der Regel wird bei operablen Patienten eine EPP oder P/D durchgeführt, die mit einer neoadjuvanten Chemotherapie mit Cisplatin und Pemetrexed und teilweise einer adjuvanten
Strahlentherapie kombiniert werden kann. Bezüglich der adjuvanten Strahlentherapie ist zu beachten, dass auch bei Entfernung der Lunge strahlenempfindliche Organe (Herz, Leber, Rückenmark, Ösophagus) im Bestrahlungsfeld verbleiben und die Applikation hoher Strahlendosen limitieren. Dennoch ermöglicht die intensitätsmodulierte Radiotherapie (
IMRT) die Applikation von kumulativen Dosen zwischen 50 und 54 Gy, was lokale Tumorrezidive signifikant verringern kann. Trotz einer solchen trimodalen Therapie kommt es in über 50 % der Fälle zum Rezidiv. Dabei handelt es sich meistens um lokale Rezidive.
Da keine prospektiven randomisierten Studien vorliegen, die die Überlegenheit dieses Vorgehens beim Mesotheliom belegen, sollten Patienten möglichst in randomisierte Studien eingeschlossen werden (Scherpereel
2010; Van Schil
2014).
Verlauf und Prognose
Die Prognose des Mesothelioms ist schlecht. Das mediane Überleben liegt bei 12 Monaten, die 5-Jahres-Überlebensrate bei 3 %. Im Einzelfall leben Patienten auch ohne Therapie mehrere Jahre. Die Prognose hängt neben dem Stadium (Lymphknotenstatus!) und den Therapiemöglichkeiten auch vom Zelltyp ab. In der retrospektiven IASCL-Analyse ist das mediane Überleben beim epithelialen Typ 19 Monate, beim gemischten Typ 13 Monate und beim sarkomatösen Typ 8 Monate. Nur frühe, auf die Pleurablätter begrenzte Tumorstadien sind kurativ operabel. Weitere Faktoren, die eine schlechte Prognose andeuten, sind schlechter Allgemeinzustand, LDH-Wert >500 IE/l, Leukozytose, hoher CRP-Wert, Thrombozytose, thorakale Schmerzen und höheres Lebensalter (>75 Jahre). Am häufigsten werden die prognostischen Indizes von EORTC und CALGB benutzt.
Besondere Aspekte
Die Kenntnis der Lokalisation der Tumormanifestation u. a. durch bildgebende Verfahren ist für die histopathologische Differenzialdiagnose hilfreich. Die Nutzung einer Referenzpathologie wird empfohlen. Die Meldung an das Mesotheliomregister sollte erfolgen.