Anamnese und körperliche Untersuchung
Die Genese einer Lebererkrankung kann mitunter bereits anamnestisch eingegrenzt werden. So sollten Medikamenteneinnahme, Ethanolkonsum, Drogenabusus, Blutübertragungen und Geschlechtsverhalten erfragt werden. Auch Art und Lokalisation von
Schmerzen können Hinweise auf die Genese von hepatobiliären Erkrankungen geben. Ein zwischenzeitlich aufgetretener
Ikterus kann durch die Betroffenen gelegentlich angegeben werden. Ein Sklerenikterus wird ab einer Bilirubinkonzentration von 2,0 mg/dl ersichtlich, derjenige der Haut ab einer Konzentration von 4,0 mg/dl.
Die Störung kann jedoch an allen Punkten des Bilirubinstoffwechsels (prä-, intra-, posthepatischer
Ikterus) liegen. Die Entfärbung des Stuhls und Dunkelfärbung des
Urins deuten jedoch eher auf eine posthepatische Ursache eines Ikterus hin. Die Störung der hepatischen Perfusion kann durch Entwicklung portosystemischer Shunts zum Caput medusae oder zu sichtbaren
Hämorrhoiden führen. Spider naevi zeigen eine
Leberzirrhose an und korrelieren mit der Aktivität der Zirrhose.
Aszites macht sich durch Gewichtszunahme und Bauchumfangsvermehrung bemerkbar.
Biochemische Parameter des Blutes
Zur Prüfung der hepatozellulären Integrität sind insbesondere die Aktivitäten der Aminotransferasen Aspartataminotransferase (AST; früher: Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, GOT) und Alaninaminotransferase (ALT; früher: Glutamat-Pyruvat-Transaminase, GPT) geeignet. Eine Erhöhung der ALT gilt als weitgehend spezifischer Befund für Leberzellschädigungen mit Permeabilitätsstörung. Im Gegensatz zu der ubiquitär vorkommenden AST führen chronische Leberschäden zu einer deutlichen Abnahme der ALT-Synthese.
Typisch für fortgeschrittene
Leberzirrhosen sind bei nur mäßig erhöhten Aktivitäten beider
Enzyme daher höhere Aktivitäten der AST als der ALT.
Die Synthese und Exkretion von Gallenflüssigkeit stellen fundamentale Funktionen der Hepatozyten dar. Eine mehr oder weniger ausgeprägte Reduktion des Gallenflusses wird als
Cholestase bezeichnet. Ein klassisches, jedoch wenig sensibles und unspezifisches Merkmal ist der
Ikterus. Die Bestimmung des konjugierten und unkonjugierten Bilirubinanteils sowie der Konzentration an Urobilinogen im
Urin kann die Ursache eines Ikterus
näher eingrenzen. So deutet ein Anteil des direkten (konjugierten)
Bilirubins von weniger als 20 % auf eine prähepatische Ursache hin, während bei einer intra- oder posthepatischen Ursache der Anteil auf mehr als 50 % ansteigen kann. Neben der vermehrten Freisetzung von Bilirubin
und
Gallensäuren kommt es im Rahmen einer Cholestase auch zur vermehrten Freisetzung von Proteinen und
Enzymen aus den gallenkanalikulären Membranen der Hepatozyten. Die
Cholestase-anzeigenden Enzyme Alkalische Phosphatase (AP
, diagnostische Sensitivität 80–100 %) und Leucin-Aminopeptidase deuten auf eine Beteiligung der großen oder kleinen Gallenwege hin, lassen jedoch eine Differenzialdiagnose in obstruktive und nichtobstruktive Ursachen nicht zu. Die
γ-Glutamyltransferase (γGT)
ist bereits bei diskreten Störungen aller hepatobiliären Erkrankungen erhöht.
Der Prozess der hepatischen Fibrogenesis lässt sich durch klinisch-chemische Parameter nur schlecht widerspiegeln. Einen beschränkten Nutzen bietet die Bestimmung des N-terminalen Propeptids von Typ-III-Prokollagen (PIIINP), zur Quantifizierung des Fibrosegrades sind die Elastographie und die Histologie vorzuziehen. Die Serumkonzentration von PIIINP dagegen korreliert mit dem Grad der Fibrogenesis, nicht jedoch mit dem Ausmaß des bereits vorhandenen Umbaus.
Die Synthesefunktion der Leber lässt sich durch die Aktivität der Cholinesterase, die Albuminkonzentration sowie durch globale Gerinnungsanalysen wie die Prothrombinzeit eingrenzen. Im Gegensatz zu den beiden ersten Faktoren zeigt die Einschränkung der
Gerinnungsfaktoren auch bei akuten Lebererkrankungen das Ausmaß der Parenchymschädigung an. Aus den Laborparametern
Kreatinin,
Bilirubin und INR lässt sich der prognostisch relevante
MELD-Score (Model for End-stage Liver Disease) berechnen:
$$ \mathsf{10}\times \left(\mathsf{0},\mathsf{957}\times \mathsf{\ln}\left(\mathsf{Serumkreatinin}\right)+\mathsf{0},\mathsf{378}\times \mathsf{\ln}\left(\mathsf{Bilirubin}\mathsf{ges}.\right)+\mathsf{1},\mathsf{12}\times \mathsf{\ln}\left(\mathsf{INR}\right)+\mathsf{0},\mathsf{643}\right). $$
Mit steigendem Wert steigt die Wahrscheinlichkeit des Todes in den kommenden 3 Monaten, woraus sich die Dringlichkeit einer
Lebertransplantation ergibt (siehe Tab.
1).
Tab. 1
Mortalität innerhalb von drei Monaten in Abhängigkeit vom MELD-Score
6 | 1 |
10 | 2 |
15 | 5 |
20 | 11 |
22 | 15 |
24 | 21 |
26 | 28 |
27 | 32 |
28 | 37 |
29 | 43 |
30 | 49 |
31 | 55 |
32 | 61 |
33 | 68 |
35 | 80 |
36 | 85 |
37 | 90 |
38 | 93 |
39 | 96 |
40 | 98 |
Zur Eingrenzung der Genese einer Hepatitis
stehen verschiedene biochemische Verfahren zur Verfügung. Die Hepatitis A kann zu Beginn durch Nachweis des
Antigens im Stuhl, im weiteren Verlauf serologisch durch IgM- oder IgG-Antikörper diagnostiziert werden. Die Virushepatitis B kann durch Bestimmung von HbsAg, Anti-Hbs, HbeAg, Anti-Hbe, Anti-Hbc-IgM und -IgG sowie HBV-DNA in ihre verschiedenen Phasen unterteilt werden. Die
Hepatitis C wird durch die Bestimmung eines Kapsidanteils mittels HCV-ELISA oder durch die HCV-RNA mittels PCR (quantitativ oder qualitativ) erfasst. Letztere Methode erlaubt auch die klinisch relevante Eingrenzung in die Subtypen. Bei Verdacht auf eine
Autoimmunhepatitis helfen die Bestimmung der IgG-Konzentration sowie der
Autoantikörper ANA, ASMA und SLA weiter, die primär biliäre
Cholangitis geht zumeist mit einer Erhöhung des IgM und dem Auftreten von AMA einher. Eine primär sklerosierende Cholangitis kann mit p-ANCA assoziiert sein.
Neoplastische Läsionen der Leber treten zumeist sekundär auf und können mit der Erhöhung des Tumormarkers des Primarius einhergehen. Das α-Fetoprotein (AFP) ist bei Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms in etwa 60 % der Fälle stark erhöht, geringere Erhöhungen treten jedoch auch bei entzündlichen Lebererkrankungen auf.