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Klinische Angiologie
Info
Publiziert am: 10.03.2023

Wundbehandlung und Infektionsmanagement bei diabetischen Fußsyndrom

Verfasst von: Michael Eckhard
Infektionen sind bei diabetischen Fußwunden eine gefürchtete Komplikation, weil sie über anatomische Strukturen wie Sehnen und Kompartimente sehr schnell zu einem tiefen oder aufsteigenden Fußinfekt führen können, der schlimmstenfalls zur Amputation führen kann. Daher sind alle Fuß- und Wundinfektionen bei Menschen mit Diabetes von Beginn an ernst zu nehmen. Aufgrund eines neuropathiebedingten Verlusts schützender Warnsignale wie Schmerzen nimmt der Patient die Problematik häufig nicht hinreichend ernst. Wenn zusätzlich noch eine relevante Durchblutungsstörung vorliegt, kann das klinische Bild einer Wund- oder Fußinfektion zudem weniger stark ausgeprägt sein. Statt eines geröteten, überwärmten und schmerzhaften Fußes oder Wundareals findet sich klinisch häufig das Bild einer „kalten Röte“ und auch die systemischen Infektionszeichen sind bis zum Zeitpunkt einer erfolgreichen Revaskularisation vielfach kaschiert. Aufgrund der Komplexität der Erkrankung sollten Patienten frühzeitig in einer spezialisierten Fußbehandlungseinrichtung behandelt werden. Eine systemische Antibiotikatherapie erfolgt allein auf Basis des klinischen Bildes einer Wundinfektion. Nach empirischem Beginn sollte das Therapieregime sobald als möglich gemäß Resistogramm adaptiert werden. Grundlegend für die Infektions- und Wundbehandlung ist stets eine adäquate begleitende Infektchirurgie welche von Beginn an den Erhalt von Gliedmaßen, Mobilität und Lebensqualität im Blick hat. Für die lokale Wundversorgung gelten die Prinzipien einer feuchten Wundbehandlung. Ausnahme bilden trockene und reizlose Nekrosen, solange eine relevante Durchblutungsstörung noch nicht behoben ist oder nicht mehr verbessert werden kann. Diese Nekrosen bleiben trocken oder werden trocken gelegt und werden nicht abgetragen, sondern druckgeschützt abwartend kontrolliert.

Infektionsmanagement

Wichtige Definitionen

Zunächst gilt es zu klären, ob überhaupt eine Infektion vorliegt, oder nicht. Chronische Wunden sind in der Regel nicht oder nur selten steril. In chronischen Fußwunden bei Menschen mit Diabetes finden sich in den meisten Fällen mehrere Keime. Art und Anzahl der zu findenden Keime verändern sich im Zeitverlauf. Diese Veränderungen sind unter anderem abhängig von Dauer, Lokalisation und Tiefe einer Wunde sowie von sozioökonomischen Umständen (Herafi et al. 2019) (Abb. 1).
Mehrheitlich (bis zu 88 %) findet sich bei chronischen DFS-Wunden eine polymikrobielle Konstellation (Jneid et al. 2018). In einer eigenen Untersuchung fanden wir in Wunden von 56 Patienten 1 Keim bei 24 %, 2 Keime bei 39 %, 3 Keime bei 18 % und ≥ 4 Keime bei 19 % (Eckhard, unpublished data).
Wesentlich ist, zwischen Kontamination, Kolonisation, kritischer Kolonisation, lokaler Infektion und systemischer Infektion zu unterscheiden.
Definition
  • Kontamination = Bakterienbesiedlung vorhanden, keine Vermehrung, in der Regel kein Krankheitswert
  • Kolonisation = Bakterienvermehrung aber keine sichtbare Reaktion des Wirts (Beeinträchtigung der Wundheilung aber möglich, Stichwort „Biofilm“)
  • Infektion = Bakterienvermehrung MIT Wirtsreaktion, Wundinfektion im eigentlichen Sinne
Diese Unterscheidung ist nicht nur theoretischer Art, sondern von ganz praktischer Bedeutung für die nachfolgenden therapeutischen Entscheidungen. Dabei erfolgt die Festlegung, ob eine Infektion vorliegt oder nicht, ausschließlich nach dem klinischen Bild und nicht etwa anhand eines mikrobiologischen Keimnachweises! Liegt eine Infektion vor, sollten für deren möglichst objektive Einschätzung unbedingt etablierte Klassifikationen zur Anwendung kommen.

Klassifikation und Bewertung

Für eine objektive Bewertung der klinischen Infektion eignet sich das 2004 erstmals veröffentlichte Klassifizierungsschema der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF), das von den meisten Fachgesellschaften empfohlen wird und auch in vielen Klassifikationen für die diabetischen Fußulcera integriert ist: So zum Beispiel in der sog. „Wifi“-Klassifikation (Wunde, Ischämie, Fußinfektion), PEDIS (Perfusion, Fläche [Extent], Tiefe [Depth], Infektion, Sensibilitätsstörung) oder SINBAD („Stelle“[site], Ischämie, Neuropathie, Bakterielle Infektion, Tiefe [depth]). In Tab. 1 ist die Klassifikation der IWGDF für eine Infektion bei DFS übersichtlich zusammengestellt (Lipsky et al. 2020). Dabei erhalten die Stadien 3 (mittelschwere Infektion) und 4 (schwere Infektion) den Zusatz „O“, wenn Knochen in die bakterielle Infektion einbezogen ist – also eine Osteomyelitis vorliegt.
Tab. 1
Das Klassifizierungssystem zur Definition des Vorliegens und der Ausprägung einer Fußinfektion bei Menschen mit Diabetes (modifiziert nach Lipsky et al. 2020., IWGDF infection guideline, 2019)
Klinische Klassifizierung der Infektion
IWGDF-Klassifizierung
Nicht infiziert
Keine systemischen oder lokalen Symptome oder Anzeichen einer Infektion
1 (Nicht infiziert)
Infiziert
Mindestens zwei dieser Faktoren sind vorhanden:
• Lokale Schwellung oder Verhärtung
• Erythem > 0,5 cm um die Wunde
• Lokale Empfindlichkeit oder Schmerzen
• Lokale Überwärmung
• Eitriges Sekret
Und keine andere(n) Ursache(n) für eine entzündliche Reaktion der Haut (z. B. Trauma, Gicht, akute Charcot Neuroosteoarthropathie, Fraktur, Thrombose oder venöse Stauungszustände). Achtung: eine klinisch signifikante Ischämie des Fußes kann die Diagnose und Therapie einer Infektion erheblich erschweren
Infektion OHNE systemische Manifestationen mit folgenden Symptomen
• nur die Haut oder das Unterhautgewebe
• Erythem < 2 cm um die Wunde
2 (leichte Infektion)
Infektion OHNE systemische Manifestationen mit folgenden Symptomen:
• Erythem > 2 cm um die Wunde
• Gewebe, tiefer als Haut und Unterhaut (z. B. Sehne, Muskel, Gelenk, Knochen,)
3 (mittelschwere Infektion)
Jede Fußinfektion MIT systemischen Manifestationen im Sinne eines systemisch-entzündliches Reaktionssyndrom (SIRS) m > 2 der folgenden Befunde:
• Temperatur > 38 °C oder < 36 °C
• Herzfrequenz > 90 Schläge/Minute
• Atemfrequenz > 20 Atemzüge/Minute oder PaCO2 < 4,3 kPa (32 mmHg)
• weiße Blutkörperchen > 12.000/mm3, oder < 4000/mm3, oder > 10 % unreife (Band) formen
4 (schweren Infektion)
Infektion mit Beteiligung von Knochen (Osteomyelitis)
Zusatz „(O)“ nach 3 oder 4 hinzufügen
Darüber hinaus gibt es Kennzeichen, welche im klinischen Alltag auf eine schwerwiegende Infektion beim DFS hinweisen. Diese sind in Tab. 2 zusammengestellt (modifiziert nach Lipsky et al. IWGDF infection guideline, 2019) (Jneid et al. 2018) und sollten Anlass zu erhöhter Vigilanz sein.
Tab. 2
Merkmale für eine schwerwiegende Infektion bei DFS (modifiziert nach Lipsky et al. 2020, IWGDF infection guideline, 2019)
Befunde, die eine schwerwiegendere diabetische Fußinfektion annehmen lassen (wundspezifisch)
Wunde
penetriert das Unterhautgewebe (z. B. Faszie, Sehne, Muskel, Gelenk oder Knochen)
Cellulitis
Großflächig (> 2 cm), ulkusfern oder schnell fortschreitend (einschließlich Lymphangitis)
Lokale Zeichen/Symptome
Schwere Entzündungen oder Verhärtungen, Krepitation, Blasen, Verfärbungen, Nekrosen oder Gangrän, Ekchymosen oder Petechien, neu aufgetretene Gefühlsstörungen oder lokale Schmerzen
Allgemein
Vorstellung
Akuter Beginn/Akute Verschlechterung oder schnell fortschreitend
Systemische Merkmale
Fieber, Schüttelfrost, Hypotonie, Verwirrung und Volumenmangel
Laborchemische Befunde
Leukozytose, stark erhöhtes C-reaktives Protein oder beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit, schwere oder sich verschlechternde Hyperglykämie, Azidose, neue/sich verschlechternde Ketose und Elektrolytstörungen.
Komplizierende Faktoren
Fremdkörper, Stichwunde, tiefer Abszess, arterielle oder venöse Insuffizienz, Lymphödem, immunsuppressive Erkrankung oder Behandlung, akute Störung der Nierenfunktion
Versagen der Behandlung
Progression unter bisheriger Antibiotika- und Begleittherapie
Wann sollte eine Fußinfektion Anlass für eine stationäre Einweisung in eine geeignete Fußbehandlungseinrichtung sein? Angesichts begrenzter Ressourcen gilt prinzipiell ambulant vor stationär. Es gibt allerdings Konstellationen, die eine stationäre Behandlung erfordern. Die internationale Arbeitsgruppe hat dafür einen Kriterienkatalog zusammengestellt (s. Tab. 3). Sind diese Kriterien erfüllt (schwerer Fußinfekt, komplizierter moderater Fußinfekt oder das Vorliegen additiver, relevanter Ko-Morbiditäten), wird mit starkem Empfehlungsgrad geraten, eine stationäre Einweisung zumindest zu erwägen.
Tab. 3
Faktoren, welche Anlass sein sollten, eine Krankenhauseinweisung zu erwägen (modifiziert nach Lipsky et al., IWGDF infection guideline, 2019)
Faktoren, welche eine Krankenhauseinweisung erfordern können
Schwere Infektion (siehe oben)
Metabolische oder hämodynamische Instabilität
Intravenöse Therapie erforderlich (und ambulant nicht verfügbar oder nicht geeignet)
Erforderliche Untersuchungen, die ambulant nicht zur Verfügung stehen
Es besteht zusätzlich zur Infektion eine relevante Fußischämie
Chirurgische Eingriffe (mehr als minor) erforderlich
Ausbleiben des Therapieerfolges im ambulanten Setting
Patient ist nicht in der Lage und/oder nicht bereit, die Erfordernisse des Behandlungsplan adäquat im ambulanten Setting umzusetzen
Notwendigkeit aufwendigerer Verbandwechsel oder Therapiemaßnahmen, die weder Patient noch ambulante Behandler leisten können oder die im ambulanten Leistungskatalog nicht abgebildet sind
Notwendigkeit engmaschiger, kontinuierlicher Beobachtung

Diagnostische Prinzipien

Zu den diagnostischen Maßnahmen gehört eine genaue Anamneseerhebung inklusive Erfassung vorausgegangener Antibiotikatherapien sowie möglicher Allergien und Unverträglichkeiten.
Ab dem Stadium 3 sind auch ein laborchemisches Assessment (Blutbild, C-reaktives Protein (CRP), Kreatinin bzw. glomeruläre Filtrationsrate (GFR), Leberwerte, Gerinnung und im Stadium 4 zusätzliche standardisierte Abnahme von Blutkulturen) sowie eine nativ-radiologische Diagnostik indiziert. In Fällen unklarer Ausdehnung des Infektes im Weichteilgewebe und/oder Knochen kann zur differenzialdiagnostischen Abklärung und/oder zur Planung operativer Eingriffe eine Schnittbilddiagnostik mittels Magnetresonanztomografie (MRT) oder ggf. Computertomografie (CT) erfolgen.
Grundlage für eine gezielte antimikrobielle Therapie ist die Gewinnung einer repräsentativen mikrobiologischen Probe.
Die „Initiative Chronische Wunden“ (ICW e.V.) unterscheidet in ihrem aktuellen Standard zwei Techniken im Hinblick auf das Ziel der Probengewinnung:
1.
Gezielte Suche nach hygiene-relevanten multiresistenten Keimen; hierbei erfolgt vor Probennahme keine Reinigung der Wundoberfläche und der Abstrich wird in kreisenden Bewegungen von außen nach innen entnommen – sogenannter „Essener Kreisel“.
 
2.
Gezielte Suche nach Keimen, welche für die Wundinfektion relevant sind. Hierfür wird eine Probe aus der Tiefe der Wunde benötigt. Dazu wird die Wundoberfläche mit steriler NaCl-Lösung von möglichen Kontaminationen gereinigt, dann werden mögliche Krusten oder Nekrosen angehoben und eine Probe (Gewebsprobe oder tiefer Abstrich) vom Wundgrund gewonnen (z. B. als „bakteriologische Probe in Levine-Technik“). (Schwarzkopf und Dissemond 2015)
 
Die Probengewinnung sollte möglichst vor Beginn einer antibiotischen Therapie oder im Verlauf nach einer mindestens 48-stündigen Antibiotika-Pause erfolgen.

Therapeutische Maßnahmen

An erster Stelle der therapeutischen Maßnahmen bei infizierter (chronischer) Wunde, steht eine gründliche Wundreinigung. Das Wund-Debridement kann dabei manuell-mechanisch mittels Kompresse, Skalpell, Schere, scharfem Löffel, Kürette, Ultraschall (Jet-Lavage) oder auch „bio-chirurgisch“ mit Einsatz von Fliegenlarven erfolgen. Letztere sind nachgewiesenermaßen auch effektiv in der Eradikation von MRSA in einer Wunde. Auch kommen antiseptische Wundspüllösungen zum Einsatz, siehe dazu auch Ausführungen im Abschn. 2.3
„Es gilt nicht nur „time is brain“ beim Schlaganfall, sondern auch „time is leg“ beim DFS“. Es gibt den zeitkritischen Fuß-Notfall
Deshalb gilt:
Applikation des empirisch gewählten Antibiotikums innerhalb der ersten 30–60 min., direkt nach Gewinnung der mikrobiologischen Proben. Ebenso direkt ist zu entscheiden, ob ggf. eine dringliche Drainage-Operation inklusive Veranlassung der erforderlichen Vorbereitungen erfolgen muss und, falls ja, in welchem Zeitfenster (innerhalb von 2, 4, 8, 12 oder 24 Stunden)
Zum besseren Verständnis der Wege zur Entwicklung der gefährlichen tiefen und/oder aufsteigenden Fußinfekte empfiehlt sich die Kenntnis der anatomischen Strukturen, vor allem im Hinblick auf die Kompartimente und den Verlauf der Sehnen.
Für den Beginn einer empirischen antibiotischen Therapie gibt Tab. 4 einen guten Überblick. Jede Einrichtung, welche Patienten mit chronischen Wunden im Schwerpunkt behandelt, sollte ihre spezifische Resistenzlage und ihre Rate an nosokomialen Infektionen kennen und in deren Kenntnis jeweils einen aktuellen hauseigenen Antibiotika-Leitfaden erstellen. Entsprechende Absprachen sind mit dem Labor, dem Hygienebeauftragten und dem „Antibiotic Stewardship“ (ABS) abzustimmen. Unter „Antibiotic Stewardship“ versteht man den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika – durch den Nachweis einer (bakteriellen) Infektion, die Wahl des geeigneten Antibiotikums, Anpassung der Therapiedauer, Dosierung und Form der Antibiotika-Gabe. Ziel ist, die Patienten bestmöglich zu behandeln und gleichzeitig zu verhindern, dass Selektionsprozesse und Resistenzen bei den Bakterien auftreten.
Tab. 4
Empirische Erstwahl geeigneter Antibiotika bei diabetischen Fußinfektionen (modifiziert nach Lipsky A et al., IWGDF infection guideline 2019) (Jneid et al. 2018)
Infektionsgrad
Zusätzliche Faktoren
Gewöhnliche(r) Krankheitserreger er a
Mögliche empirische Ansätze b
Mild
Keine komplizierenden Merkmale
GPC
S-S pen; 1. Gen Ceph
 
ß-Lactamallergie oder -unverträglichkeit
GPC
Clindamycin; FQ; T/S; Macrolide; Doxy
 
Antibiotikabehandlung in letzter Zeit
Gramnegativ (GPC) + Grampositiv (GNR)
ß-L-ase-1; T/S; FQ
 
Hohes MRSA-Risiko
Linezolid; T/S; Doxy; Macrolide
Moderat oder schwer c
Keine komplizierenden Merkmale
Gramnegativ (GPC) ± Grampositiv (GNR)
ß-L-ase 1; zweite/dritte Gen Ceph
 
Vortherapie mit Antibiotika in letzter Zeit
Gramnegativ (GPC) ± Grampositiv (GNR)
ß-L-ase 2; 3. Gen. Ceph; Gruppe 1 Carbapenem (abhängig von der vorherigen Therapie; Rat einholen)
 
Mazeriertes Geschwür oder warme Klimabedingungen
GNR, einschließlich Pseudomonas
ß-L-ase 2; S-S pen + Ceftazidime; S-S pen
+ Cipro; Gruppe 2 Carbapenem
 
Ischemic limb/necrosis/gas forming
GPC±GNR±
Anaerobe
ß-L-ase 1 oder 2; Gruppe 1 oder 2 Carbapenem; 2./3. Gen Ceph + Clindamycin oder Metronidazole
 
MRSA Risikofaktoren
MRSA
Erwägen Sie das Hinzufügen oder Ersetzen von Glykopeptiden; Linezolid; Daptomycin; Fusidinsäure T/S (±rif)**; Doxycyclin.
 
Risikofaktoren für resistente GNRs
ESBL
Carbapeneme; FQ; Aminoglykosid und Colistin
GPC: Grampositive Kokken (Staphylokokken und Streptokokken); GNR: Gramnegative Stäbchen; MRSA: methicillinresistent Staphylococcus aureus; ESBL: erweiterter ß-Lactamase produzierender Organismus; S-S-Pen: halbsynthetisches Penicillinase-resistentes Penicillin; ß-L-Ase: ß-Lactam, ß-Lactamase-Inhibitor; ß-L-ase 1: Amoxicillin/Clavulanat, Ampicillin/Sulbactam; ß-L-ase 2: Ticarcillin/Clavulanat, Piperacillin/Tazobactam; Doxy: Doxycyclin; Gruppe 1 Carbapenem: Ertapenem; Gruppe 2 Carbapenem: Imipenem, Meropenem, Doripenem; Ceph: Cephalosporin; Gen: Erzeugung; Pip/tazo: Piperacillin/Tazobactam; FQ: Fluorchinolon mit guter Aktivität gegen aerobe grampositive Kokken (z. B., Levofloxazin oder Moxifloxazin); Cipro: antipseudomonales Fluorchinolon, z. B. Ciprofloxazin: T/S, Trimethoprim/Sulfamethoxazol; rif: Rifamp(ic)in. ** Rifamp(ic)in: Da es mit einem höheren Risiko für Nebenwirkungen verbunden und in einigen Ländern eingeschränkt ist, kann es am besten zur Behandlung von Osteomyelitis oder metallimplantatbedingten Infektionen eingesetzt werden. a Bezieht sich auf Isolate von einem infizierten Fußulkus, nicht nur auf die Kolonisation an einem anderen Ort. b Verabreichung in den üblichen empfohlenen Dosen bei schweren Infektionen. Wenn mehr als ein Wirkstoff aufgeführt ist, sollte nur einer von ihnen verschrieben werden, sofern nicht anders angegeben. Es empfiehlt sich eine Änderung der Dosen oder Wirkstoffe bei Patienten mit Komorbiditäten wie Azotämie, Leberfunktionsstörung und Fettleibigkeit vorzunehmen. c Orale verabreichten Antibiotika sollten grundsätzlich nicht bei schweren Infektionen eingesetzt werden, außer als Folgebehandlung (Wechsel) nach der parenteralen Erstbehandlung
Nicht vergessen:
zeitnahe Adaptation der Antibiotikaauswahl an das aktuelle Resistogramm
und auch wieder an das
zeitgerechte Absetzen
denken wobei für die Festlegung des richtigen Zeitpunkts ehrlicherweise leider noch keine belastbaren allgemeingültigen Kriterien existieren.
Es bleibt noch, eine besonders wichtige Frage zu beantworten: Was tun bei Knochenbeteiligung (Osteomyelitis)? Befunde, welche für das Vorliegen einer Osteomyelitis sprechen, sind unter anderem: sichtbarer Knochen, positive „probe-to-bone“, ein geröteter und aufgetriebener Zeh („sausage toe“), ein Fistelgang in die Tiefe, besonders bei putrider Sekretion.
Eine aseptisch gewonnene Probe aus dem infizierten Knochen für Kultur und Histopathologie gilt als sicherer Nachweis einerseits und als Grundlage für eine gezielte antibiotische Therapie.
Ausgewählte Fälle können durchaus konservativ erfolgreich behandelt werden, insbesondere bei unkomplizierter Konstellation und nur geringer Ausdehnung im Vorfußbereich. Die systemische antibiotische Behandlung sollte möglichst gezielt und für ca. sechs Wochen erfolgen – ggf. kürzer, wenn der infizierte Knochen entfernt wurde. Daran sollte sich in der Regel eine Nachbeobachtung über 12 Monate anschließen, bei der auch nativ-radiologische Kontrollaufnahmen zu erwägen sind (Mutluoglu und Lipsky 2016).

Stadienorientierte Wundbehandlung

Grundsätzliches vorweg: In Anbetracht einer großen und wachsenden Fülle an Herstellern und Anbietern von Wundauflagen und Materialien zur lokalen Wundbehandlung, die nahezu alle Fallbeschreibungen für ihre beworbenen Produkte vorzeigen können, in denen schnell und unkompliziert Wundheilungen erzielt werden können, entsteht vielfach das Missverständnis, dass alle Wunden zur Heilung gebracht werden könnten, würde man nur das richtige Produkt auswählen. Daher sei den anschließenden Ausführungen vorangestellt:
Diabetesbedingte Fußläsionen sind mehr als nur eine Wunde am Fuß eines Menschen mit Diabetes! Die Auswahl möglicher Produkte zur Wundbehandlung ist nur ein Faktor in einem ganzen Potpourri notwendiger Prinzipien und Maßnahmen.
Eine Übersicht der wichtigsten therapeutischen Maßnahmen beim diabetischen Fußsyndrom stellt die vom Autor publizierte Checkliste IRBESA-PP dar (Eckhard 2019).
Tipp
  
Check ☑
I
Infektionsmanagement
 
R
Revaskularisation
 
B
Begleiterkrankungen
 
E
Entlastung
 
S
Stadiengerechte Wundbehandlung
 
A
(Grenzzonen-) Amputation
 
P
Physiotherapie und Psychosoziale Unterstützung
 
P
Prävention inkl. Podologie
 
„IRBESA-PP“ Checkliste für ein interprofessionelles Behandlungskonzept beim DFS (Eckhard 2019)
Grundsätzlich gelten für auch für die lokale Wundbehandlung beim diabetischen Fußsyndrom die Grundregeln einer stadiengerechten Wundversorgung.
Außer bei trockenen, reizlos mumifizierten Nekrosen bei Patienten, die noch nicht oder nicht mehr revaskularisiert werden können,
gelten auch die Prinzipien der feuchten Wundbehandlung wie sie andernorts ausgeführt sind (Rüttermann et al. 2013).

Wundbeurteilung und Dokumentation

Für die Entscheidung, wie eine Wunde verbandstechnisch versorgt werden soll, gehört stets eine zuverlässige Erfassung des Wundstadiums (Infektion ja/nein, ist die Wunde überwiegend in der Exsudations-, Granulations- und/oder Epithelisierungsphase), die Einbeziehung der Wundumgebung (Rötung, Schwellung, Unverträglichkeitsreaktionen), das Erkennen von Wundtaschen, Fistelgängen und Wundhöhlen, die Beurteilung der Exsudation im Hinblick auf Menge, Farbe und Geruch sowie die standardisierte Erfassung des Wundschmerzes mittels visueller oder numerischer Analogskala.
Stellen Sie bei Versorgungen im Rahmen eines multiprofessionellen Behandlungs-Teams sicher, dass der abgenommene Verband nicht weggeworfen wird, bevor ihn der für die Versorgung verantwortliche Entscheidungsträger gesehen und im Hinblick auf die weitere Versorgung bewertet hat.
Sorgen Sie dafür, dass diese Erfassung – idealerweise inklusive repräsentativem Foto von Wunde und Wundumgebung – regelmäßig standardisiert erfolgt und auch dokumentiert wird.

Hygienestandard „SOP Verbandswechsel“

Für die Wundbehandlung und den Verbandswechsel gelten die gängigen Hygienestandards, die im Handbuch Ihrer Einrichtung entsprechend konkretisiert sein sollten. Septische Wunden sind mit der gleichen hygienischen Sorgfalt zu behandeln wie aseptische Wunden. Bei der Verband-Visite ist die Reihenfolge aseptische Wunden ➔ möglicherweise infizierte Wunden ➔ septische Wunden einzuhalten.
Insofern gelten die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) (2018).
Zur konkreten Durchführung der Verabandsechsel können die folgenden Tipps gelten (modifiziert nach Popp und Zastrow (2019)):
Tipp
  • Ideal wenn zu zweit: Eine Person führt den Verbandwechsel am Patienten durch, eine zweite Person bleibt am Verbandwagen und reicht Material an
  • Hygienische Händedesinfektion (durchführende und assistierende Person)
  • Durchführende Person legt Schutzkleidung an (Schutzkittel/Schürze, Mund-/Nasen-Schutz, keimarme Handschuhe)
  • Entfernen des alten Verbandes mit keimarmen Handschuhen
  • Verband (nach dessen Bewertung hinsichtlich des Wundexsudates nach dessen Menge, Geruch, Farbe etc.) und Handschuhe direkt im Abwurfbehälter entsorgen
  • Wundinspektion
  • Händedesinfektion wiederholen
  • Aseptischer Teil des Verbandwechsels mit neuen sterilen Handschuhen oder mit sterilem Instrumentarium (Non-Touch-Technik)
  • Wundreinigung und Wunddebridement bzw. Wundantiseptik falls infizierte Wunde
    • Die Wundreinigung darf ausschließlich mit sterilen Flüssigkeiten oder sterilem Wasser (Filter) durchgeführt werden
    • Hinsichtlich der Haltbarkeit angebrochener Spüllösungen müssen die Herstellerangaben berücksichtigt werden
  • Instrumentarium sachgerecht entsorgen bzw. sachgerecht zur Aufbereitung geben
  • Handschuhe ablegen und entsorgen
  • Abschließend Händedesinfektion durchführen
  • Verbandwagen aufräumen und wischdesinfizieren (1 × arbeitstäglich)

Wundreinigung und Debridement

Grundlegend ist ein gründliches Debridement – in erster Linie scharf mit Skalpell, Kürette, scharfem Löffel oder Ultraschall und in besonderen Situationen auch biochirurgisch mittels Fliegenlarven.
Spezielle Lösungen – zu unterscheiden sind Antiseptika und Wundspüllösungen – sollten nur bei infizierten respektive kolonisierten Wunden (s. Abschn. 1.1) verwendet und ihr weiterer Einsatz nach ca. 14 Tagen kritisch überprüft werden. Als Mittel der 1. Wahl für chronische Wunden bei DFS gilt Natrium-hypochlorit/hypochlorige Säure (NaOCl/HOCl) oder Polihexanid. Als Mittel der 2. Wahl gelten Octenidin/Phenoxyethanol, die nur angewendet werden sollen, wenn ein sicherer Abfluss gewährleistet ist (Cave: kein Einbringen mittels Spritze in die Tiefe des Gewebes!). In besonderen Fällen kann, zumindest kurzzeitig, PVP-Jod (0,5 %) Verwendung finden. Für alle anderen Wunden sollten zur Wundreinigung nur körperwarme Kochsalz- oder Elektrolytlösungen (z. B. Ringer-Lösung) zum Einsatz kommen. Wasser aus der Wasserleitung sollte nur in speziellen Fällen und ausschließlich unter Verwendung eines 0,2 μg Mikrofilters eingesetzt werden.
Als entbehrlich gilt Silbersulfadiazin, und obsolet sind Farbstoffe, quecksilberorganische Verbindungen, Wasserstoffperoxid sowie die topische Anwendung von Antibiotika. Die lokale Anwendung von Silberionen oder Essigsäure wird nicht generell empfohlen, kann aber bei gezieltem und kontrolliertem Einsatz erwogen werden (Kramer et al. Konsensus Wundantiseptik, 2018).

Produkte und Maßnahmen zur Wundbehandlung

Die Auswahl möglicher Wundauflagen erfolgt gemäß Wundstadium und unter Berücksichtigung von Exsudat Menge und dem Vorhandensein von Belägen oder einer Wundinfektion.
Anhaltspunkte dazu gibt Tab. 5.
Tab. 5
Anhaltspunkte für eine stadiengerechte Auswahl von Wundauflagen
Beispiel
Vorherrschendes Stadium
Vorrangiges Behandlungsziel
Infiziert
Stark belegt
Exsudatmenge
+++
Exsudatmenge
+
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Nekrose
Chirurgisches Debridement
Wundreinigung
Exsudationsmanagement
Granulation erzielen
Kompressen Antispt.feucht
oder Feuchtkissen
oder grobporiger Schaum Hydrofaser od. Alginat ±Ag
ggf. + Superabsorber
Kompressen Antispt.feucht
oder Feuchtkissen
oder grobporiger Schaum Hydrofaser od. Alginat ±Ag
ggf. + Superabsorber
Alginat od. Hydrofaser
grobporiger Schaum
Superabsorber
Alginat od. Hydrofaser ggf. angefeuchtet/Gel
grobporiger Schaum
+ (Saug)kompresse
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Nekrose/Fibrinbeläge
Chirurgisches Debridement
Wundreinigung
Exsudationsmanagement
Granulation erzielen
Kompressen Antispt.feucht
oder Feuchtkissen
oder grobporiger Schaum Hydrofaser od. Alginat ±Ag
ggf. + Superabsorber
Kompressen Antispt.feucht
oder Feuchtkissen
oder grobporiger Schaum Hydrofaser od. Alginat ±Ag
ggf. + Superabsorber
Alginat od. Hydrofaser
grobporiger Schaum
Superabsorber
Alginat od. Hydrofaser ggf. angefeuchtet/Gel
grobporiger Schaum
+ (Saug)kompresse
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-61379-5_78-1/MediaObjects/473082_0_De_78-1_Figc_HTML.jpg?as=jpg&s=1
Fibrinbeläge
Chirurgisches Debridement
Wundreinigung
Exsudationsmanagement
Granulation erzielen
Kompressen Antisept.feucht
oder Feuchtkissen
oder grobporiger Schaum Hydrofaser od. Alginat ±Ag
ggf. Superabsorber
(Kompressen feucht/Gel)
oder Feuchtkissen Hydrofaser od. Alginat (±Ag)
Ggf. NPWT nach Debrid.
Alginat od. Hydrofaser
grobporiger Schaum
Superabsorber
Alginat od. Hydrofaser ggf. angefeuchtet/Gel
grobporiger Schaum
+ (Saug)kompresse
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-61379-5_78-1/MediaObjects/473082_0_De_78-1_Figd_HTML.jpg?as=jpg&s=1
Fibrin/Granulation
Debridement
Exsudationsmanagement
Granulation fördern
Alginat od. Hydrofaser (±Ag)
grobporiger Schaum
ggf. PU-Schaumverband
ggf. NPWT nach Debrid.
Hydrofaser od. Alginat (+ Gel)
grobporiger Schaum (+ Gel)
ggf. PU-Schaumverband
Ggf. NPWT nach Debrid.
Alginat od. Hydrofaser
Superabsorber Ggf. NPWT nach Debrid.
PU-Schaumverband grobporiger Schaum
+ (Saug)kompresse
ggf. NPWT nach Debrid.
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-61379-5_78-1/MediaObjects/473082_0_De_78-1_Fige_HTML.jpg?as=jpg&s=1
Granulation
Exsudationsmanagement
Granulation fördern und schützen
Epithelisierung fördern
Alginat od. Hydrofaser (±Ag)
grobporiger Schaum
ggf. PU-Schaumverband
ggf. NPWT nach Debrid.
 
Alginat od. Hydrofaser
Superabsorber +/− Distanzgitter ggf. NPWT bis Hautnievau.
PU-Schaumverband ggf. NPWT bis Hautniveau
ggf. Hydrokolloid
ggf. sek. Wundverschluß
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-61379-5_78-1/MediaObjects/473082_0_De_78-1_Figf_HTML.jpg?as=jpg&s=1
Granulation/Epithelisierung
Exsudationsmanagement
Granulation schützen
Epithelisierung fördern und schützen
Distanzgitter + Kompressen
Alginat od. Hydrofaser
Superabsorber +/− Distanzgitter ggf. PU-Schaumverband
 
Distanzgitter + Kompressen
Alginat od. Hydrofaser
Superabsorber<+/− Distanzgitter ggf. PU-Schaumverband
Distanzgitter + Kompressen
PU-Schaumverband
Hydrokolloid
ggf. sek. Wundverschluß
Eine wichtige Variable neben der Produktauswahl ist das zu wählende Intervall des Verbandswechsels. Während Verbände infizierter Wunden in der Regel täglich gewechselt werden sollten, orientiert sich die Liegedauer des jeweiligen Verbandes an der Exsudatmenge in Bezug zu der Kapazität des verwendeten Materials.
Tipp
Für spezielle Wundzustände gibt es folgende wichtige Tipps
Wundrandschutz
Bei mazerierten Wundrändern Produktwahl überprüfen, VW-Intervalle überprüfen, ggf. Wundrandschutz durch z. B. Silicon-Film (braucht nur alle ca. 72 h aufgetragen werden)
Atraumatischer Verbandswechsel (VW)
nur zum Schutz in der Epithelisierung oder wegen des Schmerzes. Bei hinreichender neuropathischer Analgesie und starken Belägen darf der VW debridierend wirken
Blutende Wunde
Hier eignen sich vor allem Calciumalginate wegen ihrer adstringierenden Wirkung
Trockene Nekrose
Sicher trockene Nekrosen bleiben trocken solange keine kausale Therapie erfolgt ist oder erfolgen kann. Druckvermeidung im betroffenen Gebiet, ggf. Polsterung
Wundtaschen, tiefe Wunden
Kontakt mit dem Wundgrund herstellen, Keine Tamponaden! Verwenden spezieller Verbandstoffe, siehe Manual, ggf. Kontakt mit dem QZW bzw. WKD aufnehmen
Verbände an Fingern und Zehen
Keine zirkulären Verbände oder Fixierungen an Fuß und Zehen! Cave Druckschaden und kritische Ischämie!
Hypergranulation über Hautniveau
Lokale Kompression sofern medizinisch vertretbar, Silbernitrat (Höllenstift, nur durch erfahrene Anwender), bei chron. Situation ggf. chirurgische ausschneiden
Wundheilungs-störungen (Stagnation > 14 Tage)
Überprüfen der Kausaltherapie, ggf. erneute Diagnostik, Verwenden spezieller Verbandstoffe, interdisziplinäre Falldiskussion
Stark exsudierende Wunden (VW- Intervall < 24 h)
Offene, feuchte Wundversorgung mit NaCl 0,9 %- oder Ringerlösung und Baumwollkompressen, Superabsorber, oder Vakuumversiegelung erwägen
1. Behandlung der Ursachen (u. a. Herzinsuff., Albumin Mangel, Niereninsuff., bei CVI OP-Indik. prüfen),
2. Drainage + Kompressionstherapie (manuelle/maschinelle LD, KV-Therapie)
Lange bestehende chronische Wunden
An Möglichkeit einer malignen Entartung denken, ggf. großzügige Indikationsstellung zur Biopsie
Übersicht
Nachfolgende Übersicht fasst die ergänzenden Empfehlungen aus der IWGDF Leitlinie zur Intervention und Verbesserung der Wundheilung bei chronischen Fußläsionen bei Menschen mit Diabetes zusammen (ergänzt und modifiziert nach Rayman et al. 2020):
1. Es sollten KEINE Fußbäder erfolgen!
2. Erwägen Sie eine Unterdruck-Wundtherapie (negative pressure wound therapy (NPWT)) für eine verbesserte Wundheilung und Wundbettkonditionierung für frische Wunden nach Operationen. Klinische Studien zeigen eine Überlegenheit der Unterdruck-Wundtherapie gegenüber der Standardtherapie im Hinblick auf Effektivität, Wundheilung und Amputationsrate und das ohne eine höhere Rate an unerwünschten Wirkungen (Borys et al. 2019)
3. Wenn trotz optimaler Versorgung nach 4–6 Wochen keine Wundheilung in Gang kommt und KEINE Infektion vorliegt, dann sollte der Einsatz spezieller Wundauflagen erwogen werden:
 a) Sucrose-Octasulfat-imprägnierte Wundauflagen:
  Unter Berücksichtigung des auf neuro-ischämische Fälle ohne schwere Ischämie und ohne Infektion beschränkten Kollektivs kam es mit Sucrose- Octasulfat-haltigen Wundauflagen (Nano-Oligosaccarid-Faktor (NOSF)) im Vergleich zu Auflagen ohne NOSF innerhalb von 20 Wochen zu einer verbesserten Abheilungsrate (48 % vs. 30 %) (Edmonds et al. 2018)
 NOSF-haltige Wundauflagen stehen auch in Deutschland zu Verfügung.
 b) Multilayer Matrix aus Leukozyten, Thrombozyten und Fibrin, gewonnen aus autologem Material (18 ml Eigenblut). Studiendaten aus Meta-Analysen bei Wunden bis zu einer moderaten Ischämie lassen einen signifikanten Vorteil annehmen (Del Pino-Sedeno et al. 2018)
 Gegenwärtig ist das Produkt auf dem deutschen Markt außerhalb von Studien nicht frei verfügbar.
 c) Allografts aus Plazenta Membran (bis moderate Ischämie)
(in Deutschland nicht auf dem Markt)
4. Die lokale Anwendung von Kaltplasma konnte in jüngster Zeit zunehmend Evidenz gewinnen. Der Einsatz kann nach derzeitigem Kenntnisstand mindestens erwogen werden. In einer erst kürzlich publizierten randomisierten Studie mit 62 diabetischen Fußulcera bei 43 Patienten konnte zwar die theoretisch zu erwartende Keimreduktion insbesondere in kolonisierten (Biofilm) und infizierten Wunden mit dem gewählten Studiendesign nicht bestätigt werden, allerdings zeigten die mit Kaltplasma behandelten Wunden eine signifikant schnellere Wundheilung (Stratmann et al. 2020). In einer weiteren, ebenfalls randomisierten Studie an 44 Patienten mit diabetischer Fußläsion führte die 3 x wöchentliche Anwendung von Kaltplasma sowohl zu einer signifikant besseren und schnelleren Wundheilung als auch zu einer signifikanten Keimreduktion (Mirpour et al. 2020)
5. Bisher ohne Empfehlung für die Routine-Anwendung sind biologisch aktive Produkte wie z. B.:
 • Kollagen
 • Wachstumsfaktor
 • Bio-engineered tissue
 • Silber oder andere antimikrobielle Wirkstoffe (ob in Wundauflagen oder als topische Applikationen)

Sekundärer Wundverschluss

Wann immer möglich, sollte die Option eines sekundären Wundverschlusses geprüft werden. Das gelingt umso besser, als das Ziel der weiteren Versorgung bereits von Beginn an im Auge behalten wird. Hier kann der Einsatz einer Unterdrucktherapie zur Konditionierung des Wundbettes für eine nachfolgende Deckung (wie zum Beispiel Vollhaut, Reverdin-Inseln, Spalthaut, epidermale Mikrodome) ebenso zum Einsatz kommen (wie Lappenplastiken und/oder retrahierende Wundverkleinerungen mittels vessel loops).

Weiterführende Informationen zum Thema Wundversorgung bei DFS

Guidelines oft the international working group diabetic foot (IWGDF), Chapter on woundhealing (2019), im Original (englisch): https://iwgdfguidelines.org/wound-healing-interventions-guideline/
Guidelines oft the international working group diabetic foot (IWGDF), Kapitel zur Wundbehandlung (2019), Deutsche Übersetzung: https://ag-fuss-ddg.de
zu potenziellen Interessenkonflikten (Transparenzkodex)
Honorare für Vortrags- oder Beratertätigkeiten, Drittmittelförderungen (letzte 5 Jahre):
Abott, Ascensia Diabetes Care, AstraZeneca, Berlin-Chemie, Boehringer-Ingelheim, Diabetologen Hessen e.G., Lilly Deutschland, Landesärztekammer Hessen, MSD, NovoNordisk, Reapplix, Roche, Sanofi Aventis, Springer Verlag
Arbeitgeber/Organisationen/Positionen/Mitgliedschaften
Ärztl. Leiter Univ. Diabetes-Zentrum Mittelhessen am UKGM, Giessen
Chefarzt GZW Diabetes Klinik, Bad Nauheim
Vorsitzender Hessische Diabetes Gesellschaft (HDG) e.V.
Mitglied Vorstand AG Fuß DDG, seit 06/2020 als deren Sprecher
Mitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) Member of the European Association for the Study of Diabetes (EASD)
Mitglied der Deutschen Gesellschaft f. Endokrinologie (DGE)
Mitglied der Deutschen Gesellschaft f. Innere Medizin (DGIM)
Literatur
Borys et al (2019) Eur J Clin Invest. https://​doi.​org/​10.​1111/​eci.​13067
Del Pino-Sedeno T et al (2018) Wound Repair Regen. https://​doi.​org/​10.​1111/​wrr.​12690
Eckhard M (2019) Das diabetische Fußsyndrom – mehr als eine Wunde am Fuß. In|Fo|Diabetologie 13(6):26–36
Edmonds M, Lázaro-Martínez JL, Alfayate-García JM, Martini J, Petit J-M, Rayman G, Lobmann R, Uccioli L, Sauvadet A, Bohbot S, Kerihuel J-C, Piaggesi A (2018) Sucrose octasulfate dressing versus control dressing in patients with neuroischaemic diabetic foot ulcers (Explorer): an international, multicentre, double-blind, randomised, controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 6(3):186–196. https://​doi.​org/​10.​1016/​S2213-8587(17)30438-2. Epub 2017 Dec 20CrossRefPubMed
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