Ernährungstherapie
Basis der Therapie der Gastroparese ist eine diätetische Behandlung mit Ernährungsberatung. Diese allein führt allerdings selten zu einer ausreichenden klinischen Besserung. Empfohlen wird eine fett- und ballaststoffarme Diät mit vielen kleinen Mahlzeiten. Die Zufuhr von Fetten ist zu reduzieren, weil Fette die Magenentleerung verzögern, Ballaststoffe benötigen eine effektive Antrummotilität. Trinkmahlzeiten können, wenn erforderlich, supplementiert werden. Bei schwer betroffenen Patienten, die auf keine der unten aufgeführten Maßnahmen ausreichend ansprechen, kann eine enterale oder sogar die parenterale Ernährung notwendig sein.
Speziell für Patienten mit
Diabetes mellitus ist eine gute Blutzuckerkontrolle durch diätetische und sonstige Maßnahmen dringend wünschenswert, wenn auch schwer zu erreichen, weil Hyperglykämie die Magenentleerung zusätzlich hemmt (
Bundesärztekammer 2011).
Prokinetika
Bevor eine andere als die orale Ernährung in Erwägung gezogen wird, sollten selbstverständlich Prokinetika und ggf. Antiemetika eingesetzt werden, um die Magenentleerung zu verbessern. In Bezug auf die prokinetische Therapie bestehen folgende Optionen:
Metoclopramid (MCP) ist ein Dopamin-2-Rezeptor-Antagonist und 5-HT
4-Rezeptor-Agonist. Die Substanz ist Blut-Hirn-Schranken-gängig und hat sowohl prokinetische als auch antiemetische Eigenschaften. Ein positiver Effekt auf die Symptome der Magenentleerungsstörung wurde gezeigt (Sturm et al.
1999), es können jedoch schwere extrapyramidal motorische Störungen als Nebenwirkung auftreten, z. B. tardive Dyskinesie, Akathisie oder medikamentös induziertes Parkinson-Syndrom. Das Risiko für eine tardive Dyskinesie bei Langzeittherapie wurde früher mit 1–10 % angenommen, scheint neuen Daten zufolge aber unter 1 % zu liegen (Rao und Camilleri
2010).
Domperidon ist ebenfalls ein Dopamin-2-Rezeptor-Antagonist und bei Gastroparese effektiv (Sturm et al.
1999), aber nicht Blut-Hirn-Schranken-gängig. Domperidon führt sehr viel seltener, wenn überhaupt, zu extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen.
Domperidon und MCP waren in Deutschland bislang für die Behandlung der Gastroparese zugelassen und wurden deshalb bevorzugt eingesetzt. Beide unterliegen aber einer deutlichen Tachyphylaxie. Unserer Erfahrung nach kann die Wirksamkeit durch wechselnde Gabe der Präparate im 2-Wochen-Rhythmus verlängert werden. In 2014 wurde darüber hinaus die Zulassung der Präparate in dieser Indikation eingeschränkt bzw. zurückgenommen, sodass aktuell kein Prokinetikum mehr für die dauerhafte Therapie der Gastroparese zugelasssen ist.
Erythromycin ist ein Motilin-Rezeptor-Agonist. Die Substanz wirkt prokinetisch und beschleunigt die Magenentleerung durch eine starke Steigerung der antralen Motilität (Janssens et al.
1990). Hierfür sind sehr viel niedrigere Dosen als für die antibiotische Therapie erforderlich, nämlich 50–100 mg bei intravenöser Gabe bzw. 250 mg oral kurz vor den Mahlzeiten. Allerdings vermindert Erythromycin gleichzeitig die Relaxationsfähigkeit des Magenfundus. Hierdurch können Symptome wie Völlegefühl und Übelkeit verstärkt werden. Dies erklärt vermutlich, weshalb es nur bei einem Teil der Patienten zu einer Besserung der Symptomatik kommt (Maganti et al.
2003). Außerdem ist Erythromycin wegen seiner antibiotischen Wirkung nicht gut für die Langzeittherapie der Magenentleerungsstörung geeignet, und der Effekt auf die Magenentleerung unterliegt einer starken Tachyphylaxie. Zudem wird es in dieser Indikation ggf. „
off label“ eingesetzt
. Zu bedenken ist auch die potenzielle proarrythmogene Wirkung von Erythromycin.
Prucaloprid (Resolor®) ist ein im Gegensatz zu Cisaprid (wegen kardialer Nebenwirkungen vom Markt genommen) selektiver 5-HT
4-Rezeptor-Agonist. Die
Affinität zu kardialen Kaliumkanälen ist 20-fach geringer als bei Cisaprid, sodass kardiale Nebenwirkungen äußerst selten vorkommen (Potet et al.
2001). Zahlreiche Studien belegen die prokinetische Wirkung von Prucaloprid am Kolon mit Erhöhung der Stuhlfrequenz (Bouras et al.
1999,
2001; Emmanuel et al.
2002) und deutlicher Symptombesserung bei schwerer chronischer
Obstipation (Tack et al.
2009b). Bisher ist Prucaloprid zur Behandlung der Obstipation bei Frauen zugelassen, sofern diese auf Laxanzien nicht ansprechen oder die Laxanzientherapie nicht vertragen. Hierbei wird abhängig vom Alter und von der Nierenfunktion eine Dosis von (1–)2 mg pro Tag empfohlen. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bei Prucaloprid bisher nicht bekannt (Camilleri et al.
2009). Die häufigsten Nebenwirkungen sind
Kopfschmerzen,
Schwindel, Übelkeit, Erbrechen,
Bauchschmerzen und Diarrhö, die nach dem ersten Behandlungstag meist abklingen. Die Wirkung des Präparates auf die Magenentleerung ist noch unzureichend untersucht, es konnte aber gezeigt werden, dass Prucaloprid auch die Magenentleerung bei Patienten mit verzögertem Kolontransit beschleunigt (Bouras et al.
2001). Beim probatorischen Einsatz bei Patienten, die auf andere Prokinetika nicht ansprechen, lassen sich im Einzelfall gute Effekte auf die Magenentleerung und die Symptomatik erzielen („off label use“) (Keller et al.
2011).
Gastraler Neurostimulator
Seit einigen Jahren besteht bei einer anderweitig therapierefraktären chronischen Magenentleerungsstörung auch die Möglichkeit, einen gastralen Neurostimulator
, den sog. Magenschrittmacher
, zu implantieren (
Bundesärztekammer 2011). Dieser bessert die Symptomatik bei vielen dieser Patienten signifikant, besonders gut scheint er bei postoperativer und diabetischer Gastroparese, etwas schlechter bei idiopathischen Formen zu wirken. Die gastrale Neurostimulation hat auch einen günstigen Effekt auf den Langzeitverlauf (McCallum et al.
2011). Allerdings stimuliert der Neurostimulator mit höherer Frequenz und niedrigerer Energie als für die Induktion gastraler Motilität eigentlich erforderlich. Dementsprechend führt er auch nicht oder nicht sicher zu einer Beschleunigung der Magenentleerung. Die Wirkung wird demgegenüber wahrscheinlich über eine Modulation der Afferenzen erzielt.