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Die Intensivmedizin
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Publiziert am: 28.03.2023

Intensivtherapie bei infektiöser Endokarditis

Verfasst von: Marcus Maximilian Mücke und Johanna Maria Kessel
Mit einer Inzidenz von 1,5–11,6 pro 100.000 Patientenjahren stellt die infektiöse Endokarditis (IE) eine eher seltene Erkrankung dar (Bin Abdulhak et al. 2014). Dennoch ist sie nach der Sepsis und Pneumonie eine der häufigsten lebensbedrohlichen Infektionen. Dies liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass zunehmend ältere Patienten betroffen sind und deutlich mehr IE nicht mehr durch Penicillin-sensible Streptokokken, sondern von den deutlich virulenteren Staphylokokken verursacht werden (Hoen et al. 2002; Allegranzi et al. 2011; Habib et al. 2019). Während das mediane Alter der Endokarditispatienten vor 100 Jahren noch unter 30 Jahren lag, sind die Patienten heute überwiegend über 50 Jahre alt. Zwei Drittel der Patienten sind männlich (Fowler et al. 2005). Darüber hinaus wächst die Zahl der IE bei Patienten mit künstlichen Herzklappen und Herzschrittmachern/ICDs stetig (Hoen et al. 2002; Cahill und Prendergast 2016). Die am häufigsten betroffenen Klappen sind die Mitralklappe (41 %) und die Aortenklappe (38 %) (Murdoch et al. 2009). Mittlerweile ist in knapp der Hälfte der Fälle zusätzlich zur antiinfektiven Therapie eine operative Sanierung notwendig. Die Krankenhausmortalität unter allen IE liegt mit knapp 18 % weiterhin hoch (Murdoch et al. 2009; Habib et al. 2019).

Einleitung

Mit einer Inzidenz von 1,5–11,6 pro 100.000 Patientenjahren stellt die infektiöse Endokarditis (IE) eine eher seltene Erkrankung dar (Bin Abdulhak et al. 2014). Dennoch ist sie nach der Sepsis und Pneumonie eine der häufigsten lebensbedrohlichen Infektionen. Dies liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass zunehmend ältere Patienten betroffen sind und deutlich mehr IE nicht mehr durch Penicillin-sensible Streptokokken, sondern von den deutlich virulenteren Staphylokokken verursacht werden (Hoen et al. 2002; Allegranzi et al. 2011; Habib et al. 2019). Während das mediane Alter der Endokarditispatienten vor 100 Jahren noch unter 30 Jahren lag, sind die Patienten heute überwiegend über 50 Jahre alt. Zwei Drittel der Patienten sind männlich (Fowler et al. 2005). Darüber hinaus wächst die Zahl der IE bei Patienten mit künstlichen Herzklappen und Herzschrittmachern/ICDs stetig (Hoen et al. 2002; Cahill und Prendergast 2016). Die am häufigsten betroffenen Klappen sind die Mitralklappe (41 %) und die Aortenklappe (38 %) (Murdoch et al. 2009). Mittlerweile ist in knapp der Hälfte der Fälle zusätzlich zur antiinfektiven Therapie eine operative Sanierung notwendig. Die Krankenhausmortalität unter allen IE liegt mit knapp 18 % weiterhin hoch (Murdoch et al. 2009; Habib et al. 2019).

Pathophysiologie

Angeborene oder erworbene strukturelle Veränderungen des Herzens, z. B. durch degenerative Veränderungen, rheumatische Auflagerungen oder angeborene Herzfehler prädisponieren ebenso für eine IE wie einliegende Fremdmaterialien, z. B. Schrittmacher, ICDs und Klappenprothesen. Während das intakte Endothel transienten Bakteriämien, z. B. beim Zähneputzen, standhält, führen Endothelverletzungen, z. B. durch ungünstige Strömungsverhältnisse wie etwa bei degenerativ veränderten Klappen, zur Bildung von Fibrin-Thromben, an denen Bakterien anheften können. Adhäsine, wie das Fibronektin-Bindeprotein von S. aureus vermitteln die Anheftung an den Thrombus. Die Kolonisation mit Bakterien verursacht weiteren Endothelschaden und weitere Adhäsion. Es bildet sich u. U. eine bakterielle Vegetation und im Verlauf ein Biofilm, in dem Bakterien persistieren und weitgehend unempfindlich gegenüber Antibiotika sind (Werdan et al. 2014).

Klinischer Befund und Diagnose

Klinische Symptome und Labor

Die Symptome der IE sind oft divers und nicht selten zunächst unspezifisch, sodass die Diagnose auch für Erfahrene herausfordernd bleibt (Murdoch et al. 2009). Abhängig vom Patientenkollektiv und dem verursachenden Erreger kann sich eine IE als akute, rasch progressive Infektion darstellen, aber auch subakut oder chronisch mit (anfangs) lediglich unspezifischen klinischen Zeichen verlaufen. Bei jedem Patienten mit unklarer Sepsis oder (anhaltendem) Fieber und entsprechenden Risikofaktoren sollte eine IE in Betracht gezogen werden.
Typische kardiale Risikofaktoren für eine IE sind eine durchgemachte IE, künstliche Herzklappen (inkl. TAVI) oder Z. n. Klappenreparatur (z. B. Mitralrekonstruktion), ein implantierter Schrittmacher/ICD und angeborene oder erworbene Herz(-klappen-)fehler. Intravenöser Drogenabusus, einliegende intravenöse Katheter, Immunsuppression oder ein kürzlicher zahnärztlicher Eingriff können ebenfalls diagnostisch hinweisend sein (Cahill und Prendergast 2016).
In der klinischen Untersuchung imponiert in den meisten Fällen Fieber (in 90 % der Fälle) und ein (neues) Herzgeräusch (85 %). In einer prospektiven multizentrischen Studie von knapp 500 Patienten zeigten ca. 12 % der Patienten dermatologische Symptome: Klassische und diagnostisch wegweisende Befunde für eine IE wie Osler-Knötchen, Janeway-Läsionen (Abb. 1) oder Roth spots waren jedoch hingegen selten (0,6–2,7 %) (Servy et al. 2014). Splinter-Hämorrhagien zeigten sich zwar häufiger, sind aber weniger spezifisch.
Oft sind Symptome assoziiert mit Komplikationen der IE, welche sich auch ggf. erst im Verlauf entwickeln können. Hierzu gehören u. a. eine neue oder die Aggravation einer bestehenden Herzinsuffizienz mit (neuem) Vitium bis hin zum kardiogenen Schock, Organmanifestationen durch das Streuen weiterer Infektherde (z. B. Osteomyelitis, Abszesse) oder in bis zu 30 % der Fälle (septische) Embolien (z. B. Schlaganfall, Milz- oder Niereninfarkte, bei Rechtsherzendokarditis auch z. B. pulmonale septisch-embolische Herde/Infiltrate) (Thuny et al. 2005; Habib et al. 2019).
Laborchemisch findet sich ein erhöhtes CRP, oft mit Leukozytose und Linksverschiebung. Ein normales CRP schließt i. d. R. eine IE aus. Die BSG ist erhöht und man findet nicht selten eine normochrome-normozytäre Anämie. Der Rheumafaktor kann positiv sein und bei renaler Beteiligung findet sich oft eine Proteinurie und/oder Hämaturie ggf. mit Erhöhung der Retentionsparameter.
Im EKG können eine neue oder progrediente AV- oder Schenkel-Blockierung ein Hinweis auf eine zunehmende paravalvuläre oder myokardiale Ausweitung der Infektion sein (Meine et al. 2001). Deshalb sollten täglich und bei entsprechender Symptomatik 12-Kanal-EKGs geschrieben werden.

Blutkulturen und Erregerspektrum

Die Blutkulturdiagnostik stellt die wichtigste Laboruntersuchung bei V. a. IE dar. Der blutkulturelle Nachweis des Erregers ist ein Hauptkriterium nach Duke (s. u.) und daher entscheidend für die Diagnosestellung, aber auch für die gezielte Therapie der IE. Die Entnahme von Blutkulturen sollte möglichst vor dem Beginn einer kalkulierten Antibiotikatherapie erfolgen, diese aber nicht verzögern.
Übersicht
Blutkulturdiagnostik (gemäß RKI-Empfehlungen, modifiziert nach Seifert et al. 2007) bei V. a. IE:
  • Vor Beginn einer kalkulierten Antibiotikatherapie, wenn nicht möglich am Ende des Dosierungsintervalls oder (bei nicht septischen Patienten) ggf. unter Antibiotikapause
  • Mindestens drei Sets (= aerobe und anaerobe Flasche), idealerweise sechs Sets, bei klinisch subakutem Verlauf und/oder V. a. anspruchsvolle Erreger auch mehr
  • Abnahme unabhängig von Fieberhöhe, da bei IE eine kontinuierliche Bakteriämie vorliegt (Beeson et al. 1945)
  • Abnahme an verschiedenen peripheren Entnahmestellen zeitgleich oder im Abstand von wenigen Minuten bei kritisch kranken Patienten, sonst im Abstand von einer Stunde, bei subakutem Verlauf auch Gewinnung über 24 h möglich
  • Strikt aseptische Entnahmetechnik (Händedesinfektion, Einmalhandschuhe, Hautdesinfektion, keine Palpation der Vene vor Punktion), 8–10 ml/Flasche bei Erwachsenen, bei Kindern können Spezialflaschen mit 1–3 ml Beimpfungsvolumen verwendet werden, Herstellerangaben beachten
  • Septum der BK-Flaschen desinfizieren (Cave: Kein Einbringen von Desinfektionsmittel in die Flasche!)
  • Zuerst anaerobe Flasche beimpfen, dann aerobe Flasche, weder anaerobe noch aerobe Flasche belüften!
  • Zeitpunkt und Entnahmestelle auf dem Anforderungsschein vermerken
  • Bei V. a. Katheter-assoziierte Infektion, parallele Abnahme aus Katheter und peripherer Vene unter Bestimmung der Differential-time-to-positivity (DTP). Beträgt diese mehr als zwei Stunden, ist eine Katheter-assoziierte Bakteriämie anzunehmen
  • Möglichst sofortiger Transport in das mikrobiologische Labor (binnen 2–4 h), Zwischenlagerung bei Raumtemperatur sollte 12 h nicht überschreiten
  • Kontrollblutkulturen sollen in den ersten Tagen der Therapie zur Kontrolle des mikrobiologischen Ansprechens abgenommen werden
Prinzipiell können alle Bakterienspezies und einige Pilze Endokarditiden verursachen. Es gibt jedoch eine Prädominanz einiger Bakterienspezies. Sogar innerhalb dieser Spezies scheinen bestimmte Subspezies oder Stämme besonders häufig Endokarditiden zu verursachen (Simmon et al. 2008; Nienaber et al. 2011). In Europa werden ca. ein Drittel der Endokarditiden durch Streptokokken verursacht, dicht gefolgt von Staphylococcus aureus. Koagulase-negative Staphylokokken machen mehr als 10 % und Enterokokken weitere fast 10 % der Endokarditiserreger aus. Gram-negative Erreger sind vergleichsweise selten. Bei ca. 10 % liegt eine Blutkultur-negative Endokarditis (BCNIE) vor, meist aufgrund einer vorangegangenen Antibiotikatherapie (Holland, Baddour et al. 2015). Mitunter verbergen sich hinter BCNIE aber auch anspruchsvolle Erreger der HACEK-Gruppe Haemophilus, Actinobacillus, Cardiobacterium, Eikenella und Kingella. Diese werden bei etwa 2 % der Endokarditiden nachgewiesen. Zu den schwer bzw. nur durch spezielle Kulturverfahren anzuzüchtenden Erregern gehören auch Bartonellen, Chlamydien, Legionellen, Rickettsien, Mykobakterien, Mykoplasmen und Tropheryma whipplei – sie sind oftmals nur indirekt durch Serologien oder molekularbiologisch nachweisbar.
Postoperativ gelingt häufig noch der molekularbiologische oder immunhistochemische Nachweis aus infiziertem (Klappen-)Gewebe, auch wenn die Blutkulturen zuvor negativ waren und das Gewebe kulturell steril bleibt (Fournier et al. 2010; Vollmer et al. 2010; Eichinger et al. 2019).

Echokardiografie

Die Echokardiografie ist ein zentraler Baustein der Diagnose einer Endokarditis. Bei Verdacht auf eine IE sollte deshalb ohne zeitlichen Verzug eine Echokardiografie angestrebt werden (Baddour et al. 2015; Habib et al. 2015). Typische Zeichen einer Endokarditis im Echo sind (Herzklappen-)Vegetationen, Abszesse, Pseudoaneurysmata oder eine neue Klappendehiszenz bei einer künstlichen Herzklappe (s. Abb. 2 und 3). Die Sensitivität für die Diagnose von Klappenvegetationen liegt bei der transthorakalen Echokardiografie (TTE) für native und künstliche Herzklappen bei 70 % bzw. 50 %, bei der transösophagealen Echokardiografie (TEE) bei 96 % und 92 %. Die Spezifität wird in der Literatur mit ca. 90 % für beide Verfahren angegeben (Baddour et al. 2015; Habib et al. 2015). Schwierigkeiten kann die Diagnose insbesondere bei älteren Kunstklappen, bei bestehenden Veränderungen der Klappen (z. B. Mitralklappenprolaps, degenerative Kalzifikationen) und bei zusätzlichen intrakardialen Devices/Sonden sein (Baddour et al. 2015; Habib et al. 2015). Aktuelle Leitlinien empfehlen eine stufenweise Diagnostik bei geringer klinischer Wahrscheinlichkeit (TTE; TEE nur bei persistierendem Verdacht) und eine gestaffelte Diagnostik (unmittelbare TTE, zusätzlich TEE sobald verfügbar/durchführbar) bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit (s. Abb. 4) (Baddour et al. 2015; Habib et al. 2015).
Die Leitlinien empfehlen bei initial negativem oder unklarem Ergebnis in der Echokardiografie eine Wiederholung der Untersuchung bei weiterhin bestehendem Verdacht auf eine IE in 5–7 Tagen bzw. ggf. früher bei entsprechendem klinischen Befund. Ebenfalls sind Verlaufsechokardiografien bei bestätigter Diagnose einer IE sinnvoll, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und ein Therapieansprechen zu kontrollieren (Baddour et al. 2015; Habib et al. 2015).
Die transösophageale 3D-Echokardiografie kann insbesondere zur genauen Lokalisation und Abschätzung des Ausmaßes sowie Art und Weise des Klappenbefalls nützlich sein und ergänzend zur 2D-TEE/TTE durchgeführt werden (Berdejo et al. 2014).

Radiologische Bildgebung

Klassischerweise erfolgt eine zusätzliche radiologische Bildgebung bei etablierter Diagnose einer IE, um Komplikationen, wie z. B. septische Embolien, frühzeitig zu erkennen. Eine Röntgenthoraxaufnahme kann Hinweise auf septische Emboli oder Infiltrate der Lunge aufzeigen. Besser noch demaskieren sich solche Herde in einer Computertomografie (CT) des Thorax. Zudem kann in einer zusätzlichen CT-Abdomen/Becken gezielt nach weiteren septisch-embolischen Manifestationen (s. Abb. 5) gesucht werden (Baddour et al. 2015; Habib et al. 2015).
Angemerkt sei hier auch, dass die Indikation einer radiologischen Bildgebung immer im Kontext der klinischen Präsentation und der körperlichen Untersuchung gestellt werden sollte. In einer kürzlich veröffentlichten prospektiven, multizentrischen Studie wurde bei über 500 Patienten mit gesicherter oder möglicher IE der Nutzen einer CT von Thorax/Abdomen/Becken und der Einfluss möglicher Befunde einer solchen Bildgebung auf die Diagnose und Therapie untersucht (Lecomte et al. 2019). In über 40 % der Fälle wurden eine oder mehrere IE-assoziierte Läsionen identifiziert. Nur vier Patienten wurden durch die Untersuchung von einer möglichen in eine gesicherte IE höhergestuft (0,8 %). Die gefundenen Läsionen beeinflussten weder die Dauer der antibiotischen Therapie (p = 0,55) noch die Entscheidung hinsichtlich eines operativen Ansatzes (p = 0,39). 42 Patienten (8,0 %) erhielten eine spezifische Therapie einer dieser Läsionen, allerdings waren nur 9 dieser Läsionen (1,9 %) vorher klinisch asymptomatisch und nur durch das CT detektiert worden. Hingegen fand sich ein akutes Nierenversagen innerhalb von fünf Tagen nach der CT bei 78 der Patienten (14,9 %). Diese Studie wirft deshalb Fragen zum Nutzen/Risiko-Verhältnis einer generellen CT-Diagnostik bei asymptomatischen Patienten auf. Zweifelsfrei ist eine weiterführende Diagnostik bei entsprechender Klinik sinnvoll. Ähnlich sollte dies bei Intensivpatienten gehandhabt werden, die klinisch nicht ausreichend beurteilt werden können (z. B., wenn sie analgosediert sind und keine Symptomäußerung möglich ist). Ergänzt wird dies ggf. durch eine weiterführende spezifische Diagnostik, z. B. durch ein MRT der Wirbelsäule bei klinischem Verdacht (z. B. Schmerzen) auf eine Wirbelsäulenbeteiligung.
Insbesondere bei Patienten mit neurologischen Auffälligkeiten oder solchen, die nicht adäquat neurologisch beurteilt werden können, sollte eine zerebrale Bildgebung erwogen werden. Ein generelles Screening bei asymptomatischen Patienten wird nicht empfohlen. Da asymptomatische zerebrale Infarkte bei einer IE relativ häufig beobachtet werden, kann insbesondere ein cMRT eine diagnostische Bedeutung bei Patienten haben, die weitere klinische Hinweise auf eine IE haben ohne bereits die klassischen Diagnosekriterien zu erfüllen: So führte eine frühe cMRT in einer prospektiven Studie mit 53 Patienten mit möglicher IE zu einer Höherstufung in eine gesicherte IE bei 1/3 der Patienten durch das Kriterium septische Embolien (Duval et al. 2010).
In den letzten Jahren wurden zudem mehrere vielversprechende Studien zur Detektion von Vegetationen im CT bzw. als Anreicherungen an Herzklappen im SPECT/CT und 18F-FDG PET/CT (s. Abb. 6) veröffentlicht (Feuchtner et al. 2009; Erba et al. 2012; Fagman et al. 2012; Saby et al. 2013). Dies hat die Taskforce der ESC-Leitlinien Endokarditis dazu bewegt, einen entsprechenden Nachweis in diesen Modalitäten bei initial möglicher oder ausgeschlossener IE nach den klassischen Diagnosekriterien (s. u.) bei persistierendem klinischen Verdacht – insbesondere bei Patienten mit künstlichen Herzklappen – als zusätzliches Kriterium hinzuzuziehen (s. Diagnosefindung) (Habib et al. 2015).

Diagnosefindung

Aufgrund der unterschiedlichen Manifestationsformen und -ausprägungen der Endokarditis sollten gemäß aktueller ESC-Leitlinie die modifizierten Duke-Kriterien zur Diagnosestellung einer IE herangezogen werden. Diese haben eine hohe Sensitivität und Spezifität in der Diagnosestellung. Dabei wird in Patienten mit gesicherter, möglicher und ausgeschlossener Diagnose einer IE unterschieden (Li et al. 2000). Um die diagnostische Genauigkeit – insbesondere bei Patienten mit künstlichen Herzklappen und implantierter kardialer Devices – weiter zu verbessern, empfiehlt die Taskforce der ESC-Leitlinien Endokarditis die zusätzliche Einführung und Verwendung der folgenden drei Kriterien in Ergänzung zu den bereits etablierten modifizierten Duke-Kriterien (Habib et al. 2015):
  • eindeutige paravalvuläre Läsionen im Herz-CT – als Major-Kriterium
  • 18F-FDG PET/CT-Anreicherung an einer Klappenprothese, wenn der Verdacht auf eine Endokarditis besteht und die Klappe vor > drei Monaten implantiert wurde bzw. radiomarkierte WBC-SPECT/CT – als Major-Kriterium
  • Identifikation kürzlicher embolischer Ereignisse oder infektiöser Aneurysmata (stumme Ereignisse) – als Minor-Kriterium
Einteilung der Wahrscheinlichkeit einer infektiösen Endokarditis gemäß den modifizierten Duke-Kriterien
  • Gesichert:
    • Pathologische Kriterien: Erregernachweis oder Histologie einer Vegetation, embolisierte Vegetation, intrakardialer Abszess (s. Abb. 7)
    • Klinische Kriterien:
      • Zwei Major-Kriterien ODER
      • ein Major-Kriterium UND drei Minor-Kriterien ODER
      • fünf Minor-Kriterien
  • Möglich:
    • Ein Major-Kriterium UND ein Minor-Kriterium ODER
    • drei Minor-Kriterien
  • Ausschluss
    • Bestätigte Alternativdiagnose ODER
    • das Syndrom einer IE verschwindet nach einer Antibiotikatherapie < vier Tage
    • Fehlender Nachweis einer IE im operativen Präparat oder während einer Autopsie nach einer Antibiotikatherapie < vier Tage
    • Die Kriterien einer möglichen IE werden nicht erfüllt
Modifizierte Duke-Kriterien (Li et al. 2000)
Major-Kriterien
  • Positive Blutkultur
    • IE typischer Erreger in ≥ zwei separaten Blutkulturen: Viridans-Streptokokken, Streptococcus bovis, Erreger der HACEK-Gruppe*, Staphylococcus aureus, ambulant erworbene Enterokokken ohne anderen Fokus
    • Mit IE vereinbare Erreger, wenn in ≥ zwei separaten Blutkulturen > 12 h getrennt abgenommen oder alle drei Blutkulturen positiv oder die Mehrzahl von ≥ vier separaten Blutkulturen positiv, wenn Abstand zwischen erster und letzter Blutkultur > 1 h
    • Eine Blutkultur positiv auf Coxiella burnetii ODER Phase I IgG-Antikörpertiter ≥ 1:800
  • Bildgebung
    • Echokardiografie positiv: Vegetationen, Abszess, Pseudoaneurysma oder intrakardiale Fisteln, neue Klappenprothesendehiszenz, neue Klappeninsuffizienz
Minorkriterien
  • Prädisposition, z. B. Klappenprothese, i.v.-Drogenabusus
  • Fieber > 38 °C
  • Vaskuläre Phänomene: arterielle Embolien, septische Lungeninfarkte, mykotisches Aneurysma, intrakranielle Blutung, Konjunktivalblutung, Janeway-Läsionen
  • Immunologische Phänomene: Glomerulonephritis, Osler-Knoten, Roth-Spots, Rheumafaktor
  • Positive Blutkultur(en), die nicht die Major-Kriterien erfüllen (außer: einfach positive Blutkultur für Koagulase-negative Staphylokokken oder andere Erreger, die keine IE verursachen) ODER serologischer Nachweis einer aktiven Infektion mit typ. IE-Erregern
*Haempophilus-Spezies, Aggregatibacter-Spezies, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens und Kingella-Spezies

Therapie

Die Therapie der Endokarditis erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Infektiologie, Kardiologie, Mikrobiologie und Herzchirurgie. Die Etablierung von sogenannten „Endokarditis-Teams“ wird in der ESC-Leitlinie empfohlen und ist mit einer geringeren Mortalität assoziiert (Botelho-Nevers et al. 2009; Chirillo et al. 2013).

Operative Therapie

Tab. 1 gibt eine Übersicht zur Indikation und zum Timing einer operativen Therapie bei IE gemäß aktueller ESC-Leitlinien. Eine operative Therapie ist bei Vitien mit konsekutiver Herzinsuffizienz, paravalvulärem Abszess oder Fistelung sowie unzureichendem Ansprechen oder bei großen Vegetationen zur Vermeidung einer Embolisierung erforderlich (Cahill und Prendergast 2016). Endokarditiden durch besonders pathogene bzw. schwer behandelbare Erreger wie S. aureus, S. lugdunensis, P. aeruginosa und Candida spp. müssen i. d. R. für ein kuratives Behandlungsziel operiert werden, insbesondere bei Klappenprothesen (Chirouze et al. 2004). Etwa 40–50 % der Patienten müssen früher oder später operiert werden (Prendergast und Tornos 2010), der optimale Zeitpunkt der OP ist nicht klar definiert. Bei Patienten mit IE und persistierendem kardiogenem Schock oder Lungenödem sollte eine unmittelbare Operation angestrebt werden (Prendergast und Tornos 2010). Bei klinischer Stabilisierung nach Beginn einer konservativen Therapie muss bei bestehender OP-Indikation nicht unmittelbar operiert werden (Zeitraum für eine operative Therapie abhängig von Befund einige Tage bis wenige Wochen). Bei Nativklappen scheint die frühe Operation binnen 14d vorteilhaft zu sein (Liang et al. 2016). Angemerkt sei hier aber auch, dass trotz klar definierter (theoretischer) OP-Indikationen, die Einschätzung des (peri-)operativen Risikos in Abhängigkeit vom Befund, dem klinischen Zustand des Patienten und seiner Komorbiditäten ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Entscheidung für bzw. gegen eine operative Therapie sein kann und auch den Zeitpunkt beeinflusst (Habib et al. 2015). Die Herzchirurgie sollte daher von Beginn an am Therapiekonzept beteiligt werden.
Tab. 1
Indikationen und Timing einer operativen Versorgung bei infektiöser Linksherz-Endokarditis gemäß aktueller ESC-Leitlinie. (Modifiziert nach (Habib et al. 2015)).
Indikation
Zeitpunkt
Evidenzlage
Herzinsuffizienz
Hämodynamisch relevante Klappeninsuffizienz mit Lungenödem oder kardiogenem Schock
Notfällig
I/B
Relevante Klappeninsuffizienz mit klinisch/echokardiografischen Zeichen der Herzinsuffizienz
Zeitnah
I/B
Unkontrollierte Infektion
Lokal unkontrollierte Infektion (Abszess, Fistel, kein Ansprechen auf Therapie)
Zeitnah
I/B
Infektion mit Pilzen oder multiresistenten Erregern
Zeitnah/Elektiv
I/C
Persistierender Erregernachweis in Blutkulturen trotz adäquater antiinfektiver Therapie
Zeitnah
IIa/B
Künstliche Herzklappen IE mit Nachweis von Staphylococcus spp. oder nicht-HACEK gram-negativer Erreger
Zeitnah/Elektiv
IIa/C
Prävention von Embolien
IE der Aorten- oder Mitralklappe mit persistierenden Vegetationen > 10 mm nach einer oder mehrerer Embolien trotz adäquater antiinfektiver Therapie
Zeitnah
I/B
IE der Aorten- oder Mitralklappe bei nativer Klappe mit Vegetationen > 10 mm, assoziiert mit ausgeprägter Klappeninsuffizienz und niedrigem OP-Risiko
Zeitnah
IIa/B
IE der Aorten- oder Mitralklappe mit großen Vegetationen (> 30 mm)
Zeitnah
IIa/B
IE der Aorten- oder Mitralklappe mit großen Vegetationen (> 15 mm) und fehlender anderer Indikation für eine OP
Zeitnah
IIb/C

Antibiotische Therapie

Kalkulierte antibiotische Therapie

Eine (zumeist initial kalkulierte) antibiotische Therapie sollte begonnen werden, sobald die erforderliche Zahl Blutkulturen asserviert wurde. Bei nicht-gesicherter Endokarditis und subakutem klinischen Verlauf sowie bei einem stabilen Patienten ist der Beginn weniger dringlich: Hier können in Einzelfällen die Kulturergebnisse abgewartet werden. Generell werden bakterizide Substanzen bevorzugt. Die Behandlungsdauer bei Nativklappen beträgt i. d. R. vier bis sechs Wochen, während die Therapie einer Prothesenendokarditis immer minimal sechs Wochen betragen muss, um eine Erregereradikation zu erzielen.
Die kalkulierte Initialtherapie der Endokarditis muss die häufigsten Erreger erfassen (s. Tab. 2). Eine bekannte MRSA-Kolonisation ist relevant, während MRGN und auch VRE eher selten als Erreger in Betracht kommen.
Tab. 2
Kalkulierte Initialtherapie bei V. a. Endokarditis ohne Erregernachweis
Antibiotikum
Dosierung
Kommentar
Ambulant erworbene Nativklappen-IE oder Prothesen-IE > 12 Monate postoperativ
Ampicillin
plus
Flucloxacillin
plus
12 g/d in 4–6 ED i.v.
12 g/d in 4–6 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
Gentamicin-Talspiegelmonitoring obligat, Zieltalspiegel < 2 μg/ml. Applikation als Einzeldosis reduziert Toxizität gegenüber der dreimal tgl. Applikation
Bei Penicillinallergie
Gentamicin
30–60 mg/kgKG/d in 2 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
Vancomycin Loading-Dosis 30 mg/kgKG
Die Kombination birgt ein hohes Risiko für Nephrotoxizität und sollte bei bestehender Niereninsuffizienz oder hohem Alter vermieden werden. Vancomycin- und Gentamicin-Talspiegel sowie Nierenfunktionsparameter sollten engmaschig bestimmt werden. Der angestrebte Vancomycin-Talspiegel liegt bei 20 mg/l. Gentamicin-Talspiegel < 2 μg/ml.
Daptomycin i.v.
plus
Gentamicin
10–12 mg/kgKG in 1 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
Weniger nephrotoxische Alternative zu Vancomycin plus Gentamicin, geringe Evidenz
Prothesen-IE < 12 Monate postoperativ
Vancomycin i.v.
plus
Gentamicin
plus
Rifampicin
30 mg/kgKG/d in 2 ED
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
900 mg/d in 2–3 ED i.v./p.o.
Vancomycin Loading-Dosis 30 mg/kgKG
Die Kombination birgt ein hohes Risiko für Nephrotoxizität. Gentamicin- und Vancomycin-Talspiegelmonitoring obligat.
Der angestrebte Vancomycin-Spiegel liegt bei 20 mg/l. Gentamicin-Talspiegel < 2 μg/ml.
Rifampicin sollte erst nach 3–5 Tagen, sobald die BK steril sind, hinzugefügt werden. (Expertenmeinung) Rifampicin interagiert als potenter Cytochrom P-450-Induktor mit zahlreichen Arzneimitteln, insbesondere auch Cardiaka, Opiate etc.!
Insbesondere hohe Dosierungen können Hepatotoxizität verursachen.
ED: Einzeldosis

Gezielte Therapie bei bakteriellem Erregernachweis

Die kalkulierte Therapie sollte nach Erhalt eines plausiblen Erregernachweises gezielt angepasst werden. Staphylokokken nehmen als kausale Erreger der IE zu, insbesondere bei Patienten mit kardialen Devices und Klappenprothesen. Vor allem S. aureus ist als Sepsis- und Endokarditiserreger mit hoher Mortalität gefürchtet. Der Nachweis von S. lugdunensis sollte analog S. aureus (MSSA) behandelt werden, da der Erreger ein ähnliches Pathogenitätspotential besitzt (Non und Santos 2017). Eine Therapieempfehlung bei Staphylococcus spp. IE ist in Tab. 3 aufgeführt.
Tab. 3
Therapieempfehlung bei Staphylococcus-spp.-Endokarditis
Antibiotikum
Dosierung
Therapiedauer (Wochen)
Kommentar
Staphylococcus spp., Methicillin-sensibel
Nativklappen-IE
Flucloxacillin
oder
Cefazolin
12 g/d in 4–6 ED i.v.
6 g–12 g/d in 3–4 ED i.v.
4–6
 
Betalaktam-Allergie* oder Methicillin-resistente Staphylokokken
30–60 mg/kgKG/d in 2–3 ED i.v.
4–6
Loading-Dosis 30 mg/kgKG
Vancomycin-Talspiegel sowie Nierenfunktionsparameter sollten engmaschig bestimmt werden.
Der angestrebte Vancomycin-Spiegel liegt bei ≥ 20 mg/l.
Daptomycin i.v.
ggf. plus
Fosfomycin i.v.
10–12 mg/kgKG/d in 1 ED
8(−24) g/d in 4 ED
4–6
Daptomycin kann eine Rhabdomyolyse verursachen, bei klinischer Symptomatik CK-Bestimmung
Fosfomycin-Natrium kann aufgrund des hohen Natrium-Gehalts schwere Elektrolytstörungen verursachen
Prothesen-IE
Methicillin-sensible Staphylokokken
Flucloxacillin
plus
plus
Rifampicin
12 g/d in 4–6 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
900 mg/d in 2–3 ED i.v./p.o.
> 6
Gentamicin-Talspiegelmonitoring obligat, Ziel-Talspiegel < 2 μg/ml. Rifampicin sollte erst nach 3–5 Tagen, sobald die BK steril sind, hinzugefügt werden°. Rifampicin interagiert als potenter Cytochrom P-450-Induktor mit zahlreichen Arzneimitteln, insbesondere auch Cardiaka, Opiate etc.! Insbesondere hohe Dosierungen können hepatotoxische Nebenwirkungen verursachen.
Betalaktamallergie* oder Methicillin-resistente Staphylokokken
Vancomycin
Plus
Gentamicin
Plus
Rifampicin
30–60 mg/kgKG/d in 2–3 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
900 mg/d in 2–3 ED i.v./p.o.
> 6
Vancomycin Loading-Dosis 30 mg/kgKG
Die Kombination birgt ein hohes Risiko für Nephrotoxizität. Vancomycin und Gentamicin-Talspiegelmonitoring obligat. Der angestrebte Vancomycin-Spiegel liegt bei 20 mg/l. Gentamicin-Talspiegel < 2 μg/ml. Rifampicin sollte erst nach 3–5 Tagen, sobald die BK steril sind, hinzugefügt werden. Rifampicin interagiert als potenter Cytochrom P-450-Induktor mit zahlreichen Arzneimitteln, insbesondere auch Cardiaka, Opiate etc.! Insbesondere hohe Dosierungen können hepatotoxische Nebenwirkungen verursachen.
ED: Einzeldosis
*Eine anamnestische Penicillin-Allergie sollte stets auf Plausibilität geprüft werden! Die Behandlungsergebnisse mit Glykopeptid-Antibiotika sind ungünstiger, sodass bei fehlendem Hinweis auf stattgehabte Typ-I-Reaktion alternativ ein Cephalosporin unter Überwachung versucht werden kann.
°Expertenmeinung – ggf. auch Kombination direkt zu Beginn an
Der Nachweis unterschiedlicher Streptokokken kann Hinweise auf die mögliche Eintrittspforte geben. So kolonisieren Viridans- oder vergrünende Streptokokken den Rachenraum (z. B. Karieserreger), die Vagina und den Gastrointestinaltrakt. Der Nachweis von Streptococcus gallolyticus kann mitunter auf ein bislang unentdecktes kolorektales Karzinom hindeuten (Boleij et al. 2011). Die Therapieauswahl (Tab. 4) hängt von der Empfindlichkeit der Erreger ab, die Angabe von MHKs ist daher essenziell.
Tab. 4
Therapieempfehlung bei Streptokokken-Endokarditis
Antibiotikum
Dosierung
Therapiedauer (Wochen)
Kommentar
Orale und Verdauungstraktstreptokokken inkl. Strep.-bovis-Gruppe Penicillin-MHK ≤0,125 mg/l
Standardtherapie
Penicillin
oder
Ampicillin
oder
Ceftriaxon
20 Mio IE/d in 3–4 ED i.v.
100–200 mg/kgKG/d in 4–6 ED i.v.
2 g/d in 1 ED i.v.
4
6 bei Prothesen-IE
Das Regime sollte bevorzugt bei kompliziertem Verlauf, älteren Patienten, eingeschränkter Nierenfunktion oder Schädigung des N. vestibulocochlearis angewendet werden.
Verkürzte Therapiedauer, nur bei unkompliziertem Verlauf, niedrigem Lebensalter, Krankheitsdauer < drei Monate, Penicillin-MHK ≤0,125 mg/l
Penicillin
oder
Ampicillin
oder
Ceftriaxon
Jeweils plus
20 Mio IE/d in 3–4 ED i.v.
100–200 mg/kgKG/d in 4–6 ED i.v.
2 g/d in 1 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
2
Nur bei Patienten mit unkompliziertem Verlauf und normaler Nierenfunktion. Voraussetzungen: Nativklappen-IE, keine septischen Absiedlungen. Das Schema ist nicht erprobt bei Pneumokokken und Beta-hämolysierenden Streptokokken
Gentamicin-Talspiegel < 2 μg/ml
Penicillin-Allergie
30 mg/kgKG/d in 2–3 ED i.v.
4
6 bei Prothesen-IE
Zieltalspiegel 10–15 mg/ml
Streptokokken mit relativer Penicillin-Resistenz (MHK 0,250–2 mg/l)*
Penicillin
oder
Ampicillin
oder
Ceftriaxon
jeweils plus
Gentamicin
24 Mio IE/d in 4–6 ED i.v.
100–200 mg/kgKG/d in 4–6 ED i.v.
2 g/d in 1 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
4
6 bei Prothesen-IE
 
Betalaktam-Allergie
Vancomycin
plus
Gentamicin
30 mg/kgKG/d in 2–3 ED i.v.
3 mg/kgKG/d in 1 ED i.v./i.m.
4
6 bei Prothesen-IE
Die Kombination birgt ein hohes Risiko für Nephrotoxizität. Vancomycin und Gentamicin-Talspiegelmonitoring obligat. Der angestrebte Vancomycin-Talspiegel liegt bei 10–15 mg/l.
ED: Einzeldosis
*Streptokokken mit Penicillin-Resistenz (MHK > 2 mg/l) sollten wie Enterokokken behandelt werden
Endokarditiden durch Enterokokken werden überwiegend durch E. faecalis verursacht (90 %), nur relativ selten durch E. faecium (5 %) sowie andere Enterokokken (Chirouze et al. 2013). Eine IE durch E. faecalis kann auf ein okkultes kolorektales Karzinom hindeuten (Ursi et al. 2021). Die Therapie ist langwierig und erfordert zwei zellwandaktive und/oder synergistische Antibiotika, wobei die Auswahl aufgrund der Resistenzsituation limitiert ist (Tab. 5). Die Dosierungen sind generell höher als bei Viridans-Streptokokken und Streptokokken der Bovis-Gruppe.
Tab. 5
Therapieempfehlung bei Enterokokken-Endokarditis
Antibiotikum
Dosierung
Therapiedauer (Wochen)
Kommentar
Enterokokken, Betalaktam- und Gentamicin-Highlevel-sensibel
Ampicillin
plus
200 mg/kgKG/d in 4–6 ED i.v.
3 mg/kgKG/d i.v. in 1 ED
4–6
Eine Therapiedauer von sechs Wochen wird empfohlen, wenn die Symptome bereits > drei Monate vor Diagnosestellung bestanden.
Gentamicin-Talspiegelmonitoring, Ziel < 2 μg/ml.
Bevorzugte Therapie bei höherem Alter und/oder eingeschränkter Nierenfunktion, bei Highlevel-Aminoglykosid-Resistenz (nur E. faecalis, nicht wirksam bei E. faecium!)
Ampicillin
plus
Ceftriaxon
200 mg/kgKG/d in 4–6 ED i.v.
4 g/d in 2 ED i.v.
6
Die Kombination ist sowohl bei Highlevel- als auch bei Low-Abstand-level-Gentamicin-Resistenz geeignet. Bei Gentamicin-Highlevel-Resistenz ist sie die Therapie der ersten Wahl.
Betalaktam-Allergie oder -Resistenz (z. B. E. faecium, Vancomycin-sensibel)
plus
30 mg/kgKG/d in 2 ED i.v.
6
Zieltalspiegel 10–15 mg/l
Gentamicin
3 mg/kgKG i.v. in 1 ED
2–6
Talspiegelmonitoring, Ziel < 2 μg/ml
VRE
Daptomycin plus
eine weitere aktive Substanz, wenn möglich
10–12 mg/kgKG/d in 1 ED i.v.
6
CK-Kontrolle
Infektiologische Mitbetreuung
Unter den gram-negativen Erregern von Endokarditiden finden sich die Erreger der HACEK-Gruppe (Haemophilus parainfluenzae, Aggregatibacter spp). [A. actinomycetemcomitans, A. aphrophilus, A. paraphrophilus und A. segnis], Cardiobacterium spp. [C. hominis, C. valvarum], Eikenella corrodens und Kingella spp. [K. kingae, K. denitrificans]. Es handelt sich um schwer anzüchtbare, langsam wachsende Erreger, die normalerweise den Oropharyngealraum und mitunter den Urogenitaltrakt kolonisieren und für 1–3 % der Endokarditiden verantwortlich sind. Die Standardtherapie ist Ceftriaxon für vier Wochen bei Nativklappenendokarditis und für sechs Wochen bei Prothesenendokarditis (Revest et al. 2016).

Blutkultur-negative Endokarditis (BCNIE)

Häufiger Grund einer BCNIE ist die Abnahme von Blutkulturen unter laufender Antibiotikatherapie. Es gibt aber auch Erreger, die auf konventionellen Nährmedien nicht anzüchtbar sind und die daher meist indirekt (serologisch) oder mittels PCR-Verfahren nachgewiesen werden müssen. Dazu gehören Brucella spp., Bartonella spp., Coxiella burnetii, Legionella spp., Mycoplasma spp. und Tropheryma whipplei. Die Therapie wird mit intrazellulär aktiven Substanzen wie z. B. Doxycyclin, Levofloxacin,oder Clarithromycin durchgeführt, die Therapiedauer ist z. T. sehr lang. Bei entsprechendem Nachweis sollten Infektiologen und Mikrobiologen zur Interpretation der Befunde und Erstellung eines Therapieplans konsultiert werden.

Pilzendokarditis

Endokarditiden durch Pilze betreffen vor allem Patienten mit Z. n. Klappenersatz und Immunsupprimierte. Jeder Nachweis von Candida spp. in Blutkulturen sollte, insbesondere bei Risikogruppen, Anlass geben, nach einer IE zu suchen bzw. diese auszuschließen. Aspergillus spp. werden fast nie in der BK nachgewiesen. Ein Klappenersatz ist zur Sanierung der Infektion fast immer erforderlich. Ist dies nicht möglich, muss meist eine lebenslange Suppressionstherapie durchgeführt werden. Zur Therapie der Candida-IE wird entweder liposomales Amphotericin B mit oder ohne zusätzliches Flucytosin (außer Handel in Deutschland) eingesetzt oder aber hochdosierte Echinocandine. Zur Therapie von Aspergillus-Endokarditiden werden Aspergillus-wirksame Triazol-Antimykotika eingesetzt. Eine infektiologisch-mikrobiologische Mitbetreuung wird empfohlen.

Zusammenfassung

Die infektiöse Endokarditis stellt trotz niedriger Inzidenz nach wie vor eine der häufigsten lebensbedrohlichen Infektionserkrankungen dar. Ein zunehmendes Alter und eine entsprechend hohe Morbidität der Patienten sowie die zunehmende Beteiligung von künstlichen Herzklappen und Herzschrittmachern/ICDs und damit einhergehend eine deutliche Zunahme von Staphylokokken als verursachende Erreger sind dafür verantwortlich. Die Diagnosefindung und Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer IE erfolgen anhand der modifizierten Duke-Kriterien. Da klinische Symptome und Labor häufig unspezifisch sind, kommen der Bildgebung (insb. der transösophagealen Echokardiografie) und der Erregerdiagnostik eine zentrale Bedeutung zu. Die Therapie der IE erfordert aufgrund der Komplexität stets einen interdisziplinären Ansatz. Die kalkulierte und auch spezifische antibiotische Therapie richtet sich nach der betroffenen Klappenart, dem (erwarteten) Erreger(-spektrum) und individuellen Patientenfaktoren. Nicht selten ist eine operative Sanierung notwendig.
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