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Die Urologie
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Publiziert am: 01.12.2022

Entwicklung und Physiologie der Nebennieren

Verfasst von: Paolo Fornara und André Schumann
Die Nebennieren sind endokrine Drüsen und bestehen entwicklungsgeschichtlich bedingt aus den histologisch und funktionell völlig verschiedenen Teilen Mark und Rinde. Sie liegen im Retroperitoneum den Nieren am Oberpol kappenartig auf. Dem Nebennierenmark kommt die Funktion eines sympathischen Paraganglions zu. Es sezerniert die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin. Der 3-schichtigen Nebennierenrinde entstammen die Mineralkortikoide, Glukokortikoide und Androgene. Bei abstrakter Betrachtung von Entwicklung und Funktion der Nebennieren könnte man Nebennierenrinde und Nebennierenmark als eigenständige Organe in engster topografischer Nachbarschaft sehen. In ihrer ausgewachsenen Form umschließt die 3-schichtige Nebennierenrinde das Nebennierenmark.

Nebennierenrinde (NNR)

Entwicklung und Aufbau

In der 5. Entwicklungswoche dringen proliferierende Zölomepithelzellen in das Mesenchym ein und differenzieren sich zur fetalen NNR. In der weiteren fetalen Entwicklung wird die fetale NNR von nachströmenden Zellmassen des Zölomepithels umwachsen. Hieraus entwickelt sich postnatal die definitive NNR. Die fetale NNR bildet sich nach der Geburt zurück. Der endgültige, 3-schichtige Aufbau der NNR wird erst vor der Pubertät abgeschlossen (Sadler 2003). Bei der adulten NNR können von außen nach innen 3 Zonen unterschieden werden (Abb. 1):
  • Zona glomerulosa: Hauptbildungsort der Mineralkortikoid e (z. B Aldosteron ). Die Sekretion der Mineralkortikoide wird vor allem durch Angiotensin II und weniger durch ACTH (adrenokortikotropes Hormon) bewirkt. Durch die mineralkortikoide Wirkung kommt es im Verbindungstubulus und im Sammelrohr der Niere zur Na +-und somit Wasser-Rückresorption und zur K +-Sekretion. Aldosteron wird bei Hypovolämie (Natriummangel) über das aktivierte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System vermehrt ausgeschüttet, weshalb es auch gelegentlich als „Dursthormon“ bezeichnet wird.
  • Zona fasciculata: Die Glukokortikoid -Bildung (v. a. Kortisol); nimmt den größten Teil der Rinde ein.
  • Zona reticularis: Vorwiegend Androgenproduktion, wovon nur ein geringer Teil auf das Testosteron abfällt. Beim Mann ist etwa ein Drittel aller Androgene adrenalen Ursprungs. Bei der Frau sorgen die Androgene der NNR zusammen mit den Androgenen der Ovarien für die sekundäre Geschlechtsbehaarung.
Merke
Die physiologische Bedeutung der Androgenproduktion der Nebenniere beim Mann war bisher weitestgehend unklar. Pathophysiologisch spielt sie jedoch bei bestimmten Erkrankungen eine wichtige Rolle (Hormontherapie beim Prostatakarzinom, adrenogenitales Syndrom). Neuere Erkenntnisse über die Existenz einer weiteren Gruppe sogenannter 11-oxygenierter Androgene, welche aufgrund ihrer hohen Potenz auch „Super-Androgene“ bezeichnet werden, räumen der Nebenniere möglicherweise unter diesem Aspekt eine weitere Bedeutung ein. Insbesondere bei Frauen könnte ein Zusammenhang mit der überschießenden Bildung von Super-Androgenen und hormonell bedingten Entwicklungsstörungen bzw. Krankheiten (Menstruationsstörungen, polyzystisches Ovarsyndrom, unerfüllter Kinderwunsch) bestehen. Auch bei Patienten mit Prostatakarzinom wird ein Zusammenhang von Super-Androgenen bei der Krankheitsentstehung diskutiert. (Quelle: Pressemeldung der deutschen Gesellschaft für Endokrinologie 10.02.2020)

Funktion

Bezüglich ihrer Hormonproduktion und Regulierung können die Zona fasciculata und Zona reticularis als funktionelle Einheit betrachtet werden. Beide produzieren Glukokortikoide und schwach wirksame Androgene. Sie stehen unter der Zielwirkung des ACTH aus dem Hypophysenvorderlappen, welches wiederum durch den negativen Feedback-Mechanismus durch das Kortisol der Nebenniere in seiner Ausschüttung gehemmt wird. ACTH hat einen trophischen Effekt auf die NNR. Wenn ACTH in hoher Konzentration vorliegt, kommt es zur Hyperplasie der beiden inneren Zonen mit konsekutiver Steigerung der Glukokortikoid-Sekretion. Die Zona glomerulosa zeigt bei Erkrankungen der Hypophyse keine morphologischen Veränderungen. Die Synthese sämtlicher Steroidhormone in der NNR geschieht durch enzymatische Umwandlung des Präkursors Cholesterin (Abb. 2, Tab. 1). Bei Enzymdefekten oder hormonproduzierenden Tumoren der NNR können charakteristische Krankheitsbilder entstehen (Löffler 1998).
Tab. 1
Hormone der Nebennierenrinde, nach Herold 2010
 
Zona glomerulosa
Zona fasciculata
Zona reticularis
Gruppe
Mineralkortikoide
Glukokortikoide
Androgene
Hauptvertreter
Kortisol
Dihydroepiandrosteron
Hauptwirkung
Na +-Retention, K +-Sekretion
Hyperglykämie, eiweißkatabol
Virilisierung, Proteinsynthese
Sekretionsrate
50–250 μg/24 h
20–30 mg/24 h
m: 3,0 mg/24 h, w: 0,7 mg/24 h
Physiologische Plasmakonzentration
2–15 μg/100 ml
6–25 μg/100 ml
m: 0,3–0,85 μg/dl, w: 0,2–0,6 μg/dl

Nebennierenmark (NNM)

Entwicklung

Die Zellen des NNM entstammen der Neuralleiste, weshalb das NNM dem zentralen Nervensystem zuzuordnen ist. Es handelt sich somit um ein sympathisches Paraganglion. Während der Entwicklung der NNR sprossen Sympathikoblasten der Neuralleiste von medial in die fetale NNR ein. Das beim Embryo entlang der gesamten Aorta vorkommende paraganglionäre Gewebe bildet sich bei der Weiterentwicklung zurück und beschränkt sich beim Erwachsenen auf das NNM und wenige unregelmäßig verteilte chromaffine Epitheloidzellhaufen (Paraganglien, Sadler 2003).
Das NNM wird über präganglionäre Neurone aus den thorakalen Anteilen (Th5–11) des Rückenmarks sympathisch innerviert. Nach Herkunft und Funktion können die Markzellen als 2. Neurone des Sympathikus betrachtet werden, die über eine cholinerge Synapse mit dem 1. Neuron des Sympathikus in Verbindung stehen. Bei einem entsprechenden Reiz sezernieren die Zellen des Marks ein Katecholamin gemisch von Adrenalin (80 %), Noradrenalin (19 %) und Dopamin (1 %). Die Ruheausschüttung beträgt in etwa 9 ng/kg KG/min. Die katecholaminbildenden Zellen des NNM nehmen bei der Fixierung mit Chromsalzen aufgrund der chemischen Reaktion zwischen den Hormonen und dem Fixativum eine braune Färbung an. Sie heißen deshalb auch chromaffine Zelle n (Löffler 1998).
Der Metabolismus der Katecholamine ist komplex. Für klinische Belange (insbesondere Phäochromozytom-Diagnostik) sind Metanephrin, Normetanephrin und Vanillinmandelsäure von Bedeutung.

Anatomie

Die Nebennieren sitzen den Nieren kappenartig innerhalb der Gerota’schen Faszie auf. Sie liegen damit auf Höhe der 11. und 12. Rippe. Dorsal der Nebennieren befinden sich die Zwerchfellschenkel. In vivo imponieren die Nebennieren senfgelb.
Merke
Aufgrund ihrer häufig gelben Farbe, hat man die Entstehung von Nierentumoren früher fälschlicherweise den Nebennieren zugeordnet und sie deshalb Hypernephrom genannt.
Die rechte Nebenniere wird medial von der V. cava inferior und ventral von der Leber begrenzt, während die linke medial der Aorta abdominalis und ventral von Pankreas und Milzgefäßen gelegen ist. Die Blutversorgung ist, wie bei vielen endokrinen Organen, durch Mehrfachzuflüsse redundant. Obwohl sie sehr variabel ausfallen kann, erhält jede Nebenniere Blut aus 3 Hauptarterien:
  • Aa. suprarenales superiores (Äste aus der A. phrenica inferior),
  • suprarenalis media (Direktabgang der Aorta),
  • suprarenalis inferior (aus der ipsilateralen A. renalis).
Die Arterien vereinigen sich subkapsulär zu einem Plexus, aus denen Äste direkt in das Mark hineinziehen und andere wiederum zu Sinusoiden aggregieren, um die Rinde zu versorgen, und dann das mit Hormonen der NNR angereicherte Blut in das Mark zu transportieren (Abb. 3). Somit kommt es praktisch zu einer doppelten Blutversorgung des NNM. Venen kommen in der NNR nicht vor. Im NNM konfluieren kleinere Venen zu kräftigen Gefäßen (Drosselvenen), die zur V. suprarenalis werden. Aus der rechten Nebenniere zieht die V. suprarenalis direkt in die V. cava inferior, die linke Nebennierenvene mündet in der V. renalis sinistra.

Zusammenfassung

  • Aufbau der Nebenniere: NN-Mark und NN-Rinde.
  • Blutversorgung erfolgt über die Aa. suprarenales (aus Aorta, A. phrenica inferior und A. renalis), Abfluss über V. suprarenalis.
  • Hormonbildung:
Literatur
Herold G (2010) Innere Medizin. Herold-Verlag, Köln
Löffler G (1998) Basiswissen Biochemie mit Pathobiochemie, 3. Aufl. Springer, HeidelbergCrossRef
Sadler TW (2003) Medizinische Embryologie, 10. Aufl. Thieme, Stuttgart
Schiebler TH (2005) Anatomie, 9. Aufl. Springer, HeidelbergCrossRef
Schmidt RF, Lang F, Thews G (2000) Physiologie des Menschen, 28. Aufl. Springer, HeidelbergCrossRef
Tillmann B (2010) Atlas der Anatomie des Menschen. Springer, HeidelbergCrossRef