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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 09.11.2022

Schlafregulation

Verfasst von: Christian Cajochen
Die zirkadiane Rhythmik und die Schlafhomöostase sind zwei Hauptkomponenten der Schlaf-Wach-Regulation. Das fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel dieser zwei oszillatorischen Prozesse erlaubt dem Menschen optimale Aufmerksamkeit während des Wachseins am Tag und konsolidierten Schlaf in der Nacht. Kleine Abweichungen im Zusammenspiel beider Prozesse führen zu Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen.

Synonyme

Mechanismen, die die Regulation von Schlafen und Wachen kontrollieren

Englischer Begriff

sleep regulation

Definition

Die zirkadiane Rhythmik und die Schlafhomöostase sind zwei Hauptkomponenten der Schlaf-Wach-Regulation. Das fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel dieser zwei oszillatorischen Prozesse erlaubt dem Menschen optimale Aufmerksamkeit während des Wachseins am Tag und konsolidierten Schlaf in der Nacht. Kleine Abweichungen im Zusammenspiel beider Prozesse führen zu Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen, wie sie häufig bei Schichtarbeitenden, bei Jetlag, im Alter, bei Narkoleptikern, bei Blinden und beim Syndrom der vorverlagerten beziehungsweise nachverlagerten Schlafphase vorkommen. Siehe dazu „Nachtarbeit und Schichtarbeit“; „Jetlag“; „Lebensalter“; „Narkolepsie“; „Blindheit“; „Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen“.
Durch technologische Fortschritte, besonders in der Optogenetik, die es ermöglicht, funktionelle synaptische Verbindungen zwischen verschiedenen Neuronenpopulationen zu untersuchen, konnte in letzter Zeit ein viel genaueres Bild dieser beiden Prozesse in Bezug auf die Neurobiologie des Schlafs gewonnen werden:
  • Der suprachiasmatische Nukleus (SCN), Sitz des endogenen zirkadianen Schrittmachers, vermittelt die Zirkadianrhythmik mittels Aktionspotenzialen auf angrenzende Nuklei des anterioren Hypothalamus, einschließlich des paraventrikulären und des subparaventrikulären Nukleus, des dorsomedialen Nukleus und der medial-präoptischen Gegend, die ihrerseits die rhythmischen physiologischen Prozesse des Schlafs, der Körperkerntemperatur und endokriner Parameter steuern („Chronobiologie“; „Endokrinium“).
  • Feedback zum suprachiasmatischen Nukleus geschieht durch das Hormon Melatonin. Signale des suprachiasmatischen Nukleus gelangen über polysynaptische Wege zur Epiphyse, wo Melatonin während der Dunkelphase produziert wird („Melatonin und zirkadianer Rhythmus“).
  • Eine wichtige Hirnstruktur für die Regulation des Schlafs ist die ventrolaterale präoptische Region (VLPO) im Hypothalamus, die indirekten Input vom suprachiasmatischen Nukleus über den subparaventrikulären Nukleus und den dorsomedialen Nukleus erhält. Dieses Hirngebiet spielt als Initiator des Schlafs eine wichtige Rolle, indem es cholinerge, adrenerge und serotonerge Arousal-Systeme im Hirnstamm blockiert. Zusätzlich blockiert es auch das histaminerge Arousal-System im posterioren Hypothalamus und cholinerge Systeme im basalen Vorderhirn. Diese Systeme werden zusätzlich von Hypocretin/Orexin moduliert, das wachheitssteigernd wirkt. Jedes dieser Systeme fördert den aktiven Wachzustand im Gehirn, während das cholinerge System im Hirnstamm speziell den REM-Schlaf fördert.
  • Die VLPO wird vom Schlaf-Wach-Homöostaten durch die schlaffördernde Substanz Adenosin, das sich während der Wachphase kontinuierlich aufbaut, getriggert, um den Schlaf zu initiieren. Zudem erhält die VLPO auch zirkadiane Informationen via den SCN, um die optimale Zeit für den Schlaf zu gewährleisten.
  • Sobald der Schlaf beginnt, kontrolliert ein ultradianer Oszillator in der mesopontinen Kreuzung im Hirnstamm den regelmäßigen Wechsel zwischen NREM- und REM-Schlaf. Die Exekutivkontrolle dieses Oszillators schließt eine gegenseitige Wechselwirkung zwischen cholinergen REM-on- und aminergen REM-off-Zellengruppen ein, deren Einfluss aufeinander durch exzitatorische und inhibitorische Regelkreise vermittelt wird, die GABA und Glutamat sowie Serotonin, Adrenalin und Acetylcholin beinhalten („Neurotransmitter“; „Neuropeptide“).
  • Sowohl die Schlaf-Wach-Oszillatoren als auch die REM-NREM-Schlafoszillatoren verursachen regelmäßig wiederkehrende neuromodulatorsiche Änderungen in den Vorderhirnstrukturen, die Verhalten, Bewusstsein und kognitive Prozesse wie Gedächtniskonsolidierung vermitteln.
  • Metabolische Signale aus der Peripherie wie Leptin, Ghrelin, Insulin etc., aber auch zentrale metabolische Signale wie Orexin, brain-derived neurotrophic factor (BDNF), melanin-concentrating hormone (MCH) etc. spielen eine wichtige Rolle in der Regulation des Schlafes. Diese neurodendokrinen, hormonellen und peptidergen Signale integrieren Schlaf- und Appetitregulation/Essverhalten mit dem Energiemetabolismus.

Grundlagen

Das zeitliche Auftreten, die Länge, die Intensität sowie die Struktur des Schlafs werden vorwiegend durch zwei Prozesse reguliert: den homöostatischen und den zirkadianen. Beide Prozesse beeinflussen den ultradianen Rhythmus, der seinerseits die Struktur des Schlafzyklus bestimmt (Abb. 1). Die Interaktion zwischen dem homöostatischen und dem zirkadianen Prozess wurde im Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation konzeptualisiert. Der vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängige Prozess S nimmt während des Wachseins zu und sinkt im Schlaf ab. Er entspricht damit einem Relaxationsoszillator. Im Modell ist die Veränderung von Prozess S nicht ein linearer, sondern ein exponentieller Vorgang. Das heißt, dass der Anstieg nicht beliebig hohe Werte erreichen kann, sondern zunehmend abflacht und zu einer oberen Asymptote hin tendiert. Nach Schlafbeginn zeigt Prozess S einen steilen Abfall, der im Laufe des Schlafs flacher wird. Der zweite Prozess, Prozess Z, ist der durch die Innere Uhr gesteuerte tagesperiodische (zirkadiane) Vorgang, der unabhängig von Schlafen und Wachen abläuft. Er entspricht dem zirkadianen Schlafdruck, der normalerweise während der nächtlichen Schlafepisode die höchsten Werte aufweist.

Schlafhomöostase

Studien zur Schlafdeprivation („Schlafentzug“), bei denen freiwillige Versuchspersonen am Schlafen gehindert werden, zeigen, dass der Schlaf – ähnlich wie Hunger und Appetit – ein Grundbedürfnis darstellt, das nach einer gewissen Zeit gestillt werden muss (Schlafdeprivation, erste publizierte Arbeit von Patrick und Gilbert 1896). Vor allem der Tiefschlaf und die langsamwellige EEG-Aktivität, auch Delta-Power genannt, hängen sowohl beim Tier als auch beim Menschen stark von der Dauer der vorangegangenen Wachzeit ab. Der Prozess S ist Ausdruck dieser homöostatischen Regulation (Abb. 1). Der Verlauf von Prozess S entspricht der Veränderung der langsamwelligen Aktivität im Schlaf. Tatsächlich wurde Prozess S aufgrund dieser Messgröße charakterisiert. Es wird vornehmlich die Intensität des Tiefschlafs, gemessen als erhöhte Delta-Power, und nicht seine Länge homöostatisch reguliert. Eine erhöhte Schlafintensität drückt sich aber nicht nur in einer erhöhten Delta-Power aus, sondern auch in einer erhöhten Weckschwelle während des Schlafs. Die langsamwellige EEG-Aktivität, auf der der Zeitverlauf von Prozess S beruht, wurde schon in den 1970er-Jahren charakterisiert. Die amerikanischen Wissenschaftler Wilse Webb und Herman Agnew sowie Irwin Feinberg zeigten, dass im Verlaufe der Nacht eine regelhafte Veränderung eintritt. So konnten die Autoren zeigen, dass der partielle oder totale Schlafentzug die langsamwellige Aktivität in der Erholungsnacht erhöht und dass Tagesschlafepisoden eine gegenteilige Wirkung haben. Ein Schlafdefizit kann ebenfalls über mehrere Tage akkumuliert werden (kumulatives Schlafdefizit), dies führt allerdings zu erheblichen Einbußen in der Aufmerksamkeit während des Wachseins. Durch Ausschlafen, beispielsweise am Wochenende, kann der unter der Woche angesammelte Schlafmangel teilweise kompensiert werden. Nach einer gängigen Theorie des Schlafes ist die langsamwellige Aktivität während des Schlafes dazu da, die synaptische Beanspruchung, die sich während des Wachseins erhöhte, auf ein Basisniveau abzubauen, mit dem Ziel, die neuronale Netzleistung zu erhöhen. Demnach ist der Schlaf der Preis, den wir für synaptische Plastizität bezahlen.
Das Zwei-Prozess-Modell erlaubt auch die Simulation der Veränderungen von Aufmerksamkeit und Schläfrigkeit. Untersuchungen von Dinges und Mitarbeitern zeigen allerdings, dass bei kumulativen Wirkungen von chronischem Schlafentzug möglicherweise weitere Prozesse im Spiel sind.

Neurophysiologie und Neuroanatomie des Schlafhomöostaten

Im Zusammenhang mit der Schlafhomöostase und der Schlafregulation wurden viele neurobiologische Substrate vorgeschlagen. Dazu gehören Acetylcholin, die biogenen Amine Adrenalin, Serotonin, Dopamin und Histamin, die Aminosäuren Glutamat und GABA, verschiedene Neuropeptide, Prostaglandine, Immunfaktoren und auch Adenosin. Adenosin ist ein inhibitorischer Neurotransmitter, der im Zentralnervensystem (ZNS) weit verbreitet ist. Methylxanthine wie „Koffein“ und Theophyllin, die antagonistisch auf Adenosinrezeptoren wirken, erhöhen die Wachheit beträchtlich. Adenosin akkumuliert im basalen Vorderhirn (BV) mit zunehmender Wachheit kontinuierlich. Dies könnte die schlaffördernde Wirkung des Schlafentzugs erklären. Da Adenosin mit zunehmender Schlafdauer wieder abgebaut wird, wurde Adenosin auch als „somnogene“ Substanz bezeichnet, die sich in ihrer Kinetik ähnlich wie Prozess S verhält.
Psychostimulanzien („Stimulanzien“) wie Amphetamine, Pemoline und Methylphenidate erreichen ihre aktivierende Wirkung auf die Vigilanz durch erhöhte cholinerge und monoaminerge Neurotransmission. Amphetaminartige Substanzen, die stärksten wachheitsfördernden Substanzen, blockieren die Dopaminwiederaufnahme und/oder stimulieren die Dopaminfreisetzung. Interessanterweise bildeten monoaminerge und cholinerge Transmittersysteme schon früh die Basis der meisten Schlafregulationsmodelle. So werden die Übergänge vom NREM- zum REM-Schlaf von reziproken monoaminergen-cholinergen Interaktionen im Hirnstamm kontrolliert (Abb. 2), während elektrophysiologische EEG-Veränderungen zwischen Wach und Schlaf durch Synchronisation bzw. Desynchronisation von thalamokortikalen Schaltkreisen erzeugt werden, wie weiter unten beschrieben wird. Gemäß dem monoaminergen-cholinergen Wechselwirkungsmodell, wie es im reziproken Interaktionsmodell des Schlafs von Hobson und McCarley dargestellt wird, ist die serotonerge (Raphe-Nuklei, RN), adrenerge (Locus coeruleus, LC) und die histaminerge (tuberomammillärer Nukleus, TMN) Aktivität während des Wachseins hoch, nimmt während den NREM-Schlafstadien ab und ist während des REM-Schlafs praktisch nicht vorhanden. Im Gegensatz dazu ist die cholinerge Aktivität im Hirnstamm (laterodorsales Tegmentum, LDT, und pedunkulopontine Nuklei, PPT) während des Wachseins und des REM-Schlafs hoch.
Ein hoher monoaminerger und cholinerger Tonus ist für die Desynchronisation des Elektroenzephalogramms während des Wachseins und des REM-Schlafs nötig. Dabei spielen cholinerge Projektionen zum Thalamus sowie cholinerge Projektionen vom basalen Vorderhirn zum Kortex eine wichtige Rolle.
Neben den monoaminergen und cholinergen Systemen sind weitere Transmittersysteme wie Histamin, die Hypocretine/Orexine und GABA für die Schlaf-Wach-Regulation von Bedeutung. Histamin-H1-Rezeptorantagonisten haben eine hypnotische Wirkung, und das Ausschalten von histaminhaltigen Neuronen im tuberomammillären Nukleus (TMN) produziert im Tierversuch eine lang anhaltende Tagesschläfrigkeit. Elektrophysiologische Studien und In-vivo-Mikrodialyse der Histaminfreisetzung zeigen eine höhere histaminerge Aktivität im Wachsein als im Schlaf.
Die Hypocretine/Orexine sind im Zusammenhang mit der Narkolepsie entdeckt worden. Narkolepsie wird beim Menschen durch eine unzulängliche Hypocretinneurotransmission im lateralen Hypothalamus verursacht. Preprohypocretin-Gen-Knock-out-Mäuse und Mäuse mit Ataxin-3-gesteuertem Hypocretinzellverlust haben anomale Wach-REM-Schlaf-Übergänge, Verhaltensänderungen, die kataplexieähnlich sind und zu mehr Schlaf während der aktiven Periode führen. Das Hypocretinsystem umfasst zwei Neuropeptide (Hypocretin-1 [Orexin A] und Hypocretin-2 [Orexin B]), die vom selben Vorläufergen kodiert werden, und zwei G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (Hcrtr1/OXR1 und Hcrtr2/OXR2) sind bisher bekannt. Hypocretinneurone haben weit verbreitete Projektionen mit dichten exzitatorischen Verbindungen zu allen monoaminergen und cholinergen Zellgruppen. Innerhalb monoaminerger Verbindungen sind Hcrtr2-Rezeptoren im TMN dicht vorhanden, während der adrenerge LC dichte Projektionen via Hcrtr1-Rezeptoren empfängt. Andere monoaminerge Gruppen wie die Raphe-Nuklei, das ventrale Tegmentum und die Substantia nigra haben beide Rezeptorsubtypen. Es wird angenommen, dass Hypocretin die wachheitsfördernde Wirkung durch seinen exzitatorischen Einfluss auf die oben erwähnten monoaminergen Arousal-Systeme bewirkt. Dadurch könnte der von Saper und Mitarbeitern postulierte hypothalamische Schlaf-Wach-Schalter stabiler werden, indem via Hypocretin ungewollte Übergänge von Wach zu Schlaf verhindert werden, was bei Narkoleptikern mit einem Hypocretindefizit häufig vorkommt.
Die Bedeutung von hemmenden GABAergen Mechanismen in der Regulation des Schlafs ist schon länger bekannt. Die weit verbreitete Wirkung des GABAergen Transmittersystems im Gehirn macht es schwierig, spezifische Schaltkreise bezüglich seiner Schlafwirkung zu lokalisieren. Sehr wichtig ist aber der GABAerge Input auf thalamokortikale Schaltkreise. Die meisten Schlafmittel steigern wie die „Benzodiazepine“ die GABAerge Transmission via den GABAA/BZ-Cl-ligand-gated-Ionenkanal, der aus mehreren Untereinheiten besteht, deren funktionelle Bedeutungen noch weitgehend unbekannt sind.
Wie oben erwähnt resultieren die Aktivitätsmuster des „Elektroenzephalogramm“ (EEG) aus Veränderungen im Verhalten von Neuronen im Kortex und Thalamus. Im Wachzustand und im REM-Schlaf feuern Neurone im Thalamus und Kortex in einem tonischen Aktivitätsmuster. Dieses Muster ist eine Antwort auf die Wirkung von monoaminergen und cholinergen Neuromodulatoren, die von Neuronen im Hirnstamm, dem Hypothalamus und dem basalen Vorderhirn produziert werden. Bei Schlafbeginn nimmt der Einfluss dieser aktivierenden Neurone auf den Thalamus und Kortex ab und das thalamokortikale System generiert allmählich langsamwellige (<15 Hz) Oszillationen, die das Elektroenzephalogramm im NREM-Schlaf charakterisieren. Diese langsamwelligen Oszillationen kommen durch rhythmische Schwingungen des Membranpotenzials der thalamokortikalen Neurone zustande. Das Membranpotenzial wechselt von einer Depolarisation zu einer länger andauernden Hyperpolarisation. Verschiedene oszillatorische Synchronmuster können identifiziert werden: Am Anfang des NREM-Schlafs treten vor allem sogenannte Schlafspindeln auf, die im Thalamus generiert werden, beim Menschen mit einer Häufigkeit von zirka zwei bis sechs Spindeln pro Minute bei einer Frequenz von 12–15 Hz; in den späteren Phasen des NREM-Schlafs treten zwei Typen von Deltawellen (1–4 Hz) auf, die im Thalamus und Neokortex generiert werden. Für die Generierung der Oszillationen in diesen neuronalen Regelkreisen sind hauptsächlich drei Neuronentypen verantwortlich:
  • thalamokortikale Relay-Neurone, deren Zellkörper im Thalamus lokalisiert sind und die mit ihren Axonen exzitatorische Synapsen mit den pyramidalen Neuronen im zerebralen Kortex sowie mit Neuronen im retikulären Nukleus des Thalamus bilden;
  • kortikothalamische Neurone, die exzitatorische Synapsen mit den thalamokortikalen Neuronen sowie mit Neuronen im retikulären Nukleus des Thalamus bilden;
  • Neurone im retikulären Nukleus des Thalamus, die inhibitorische Synapsen mit den thalamokortikalen Neuronen bilden.
Obwohl wesentliche Fortschritte im Verständnis der Generierung der EEG-Charakteristika im NREM-Schlaf erzielt wurden, sind detaillierte Angaben über neurophysiologische Mechanismen beim Menschen erst möglich, wenn eine nichtinvasive Mapping-Methode zur Erkennung der neuronalen Aktivität während des Schlafzyklus zur Verfügung steht. Mit dem Aufkommen der bildgebenden Verfahren, vor allem der Positronenemissionstomographie (PET), erhielt man Einblicke in die funktionelle Neuroanatomie des Schlafs. Dabei werden Veränderungen des regionalen Blutflusses im Gehirn graphisch dargestellt und als Korrelate der neuronalen Aktivität der jeweiligen Gehirnregion interpretiert. PET-Studien zeigen, dass der globale zerebrale Glukosemetabolismus im Tiefschlaf der Stadien 3 und 4 am tiefsten ist. Im REM-Schlaf hingegen wurde ein gleich hoher Glukosemetabolismus gemessen wie während des Wachseins. Inzwischen wurde die PET-Methode derart verfeinert, dass neben globalen Aussagen auch ausführliche Angaben über die Aktivität bestimmter Hirnregionen während eines Schlafzyklus gemacht werden können. So gilt für den Tiefschlaf, dass vor allem die folgenden Gebiete eine starke Reduktion des regionalen zerebralen Blutflusses zeigen: dorsaler Pons und Mesenzephalon, Thalamus, Basalganglien, basales Vorderhirn/Hypothalamus, orbitofrontaler Kortex, anteriorer zingulärer Kortex, Prekuneus und auf der rechten Seite der mediale Aspekt des Temporallappens. Interessant dabei ist, dass viele dieser Hirnregionen wie Thalamus, basales Vorderhirn, pontines und mesenzephales Tegmentum bei der Generierung der langsamwelligen Oszillationen eine wesentliche Rolle spielen. Im REM-Schlaf wurde demgegenüber ein ganz anderes Aktivierungsmuster der Hirnregionen gemessen. Versuchspersonen, die einen kontinuierlichen REM-Schlaf produzierten und beim Aufwecken über Träume berichteten, zeigten einen hohen regionalen zerebralen Blutfluss im pontinen Tegmentum, linken Thalamus, in beiden Amygdalakomplexen, im anterioren zingulären Kortex und dem rechten parietalen Operkulum. Limbische Strukturen, vor allem der Amygdalakomplex, sind wahrscheinlich bei der Generierung des REM-Schlafs involviert. Da die Amygdala für die Aufnahme emotional beeinflusster Gedächtnisinhalte wichtig ist, nimmt man an, dass die Aktivierung der Amygdala und der kortikalen Gebiete eine biologische Grundlage für den Aufbau bestimmter Gedächtnistypen im REM-Schlaf sein könnte.

Zirkadiane Schlafregulation

Um den Einfluss des zirkadianen Prozesses Z (Abb. 2) auf den Schlaf beim Menschen zu untersuchen, werden Probanden über Tage von der Umwelt hermetisch abgeschirmt, damit möglichst wenig „maskierende“ Einflüsse wie Licht, Temperatur und andere die zahlreichen Messungen der Inneren Uhr (Prozess Z) stören. Klassische zirkadiane Marker sind die Amplitude und die Phasenposition der Körperkerntemperaturrhythmik sowie der endogenen Melatoninsekretion. Isolationsstudien, in denen Versuchspersonen in einem abgeschirmten Bunker lebten, haben gezeigt, dass der Schlaf stark an das zirkadiane System gekoppelt ist. Die freiwilligen Probanden hatten keine Information über die Uhrzeit und konnten ihre Schlafzeiten selbst wählen. Unter solchen Bedingungen lebt man vornehmlich nach der Inneren Uhr, da exogene Faktoren, die die endogene Rhythmik mit dem 24-Stunden-Tag synchronisieren, fehlen. Immer wenn die Versuchspersonen das Körpertemperaturminimum erreichten, entschieden sie sich ins Bett zu gehen, obwohl sie sich ihrer zirkadianen Phasenposition nicht bewusst waren. Da die endogene zirkadiane Periodik etwas länger als 24 Stunden dauert, „verspätete“ sich der Zeitpunkt des Körpertemperaturminimums jeden Tag um zirka eine Viertelstunde. Das heißt, dass die Versuchspersonen nach geraumer Zeit am „Tag“ ins Bett gingen und in der „Nacht“ wach waren, ohne es zu realisieren. Neben der spontanen Entscheidung ins Bett zu gehen wurden andere Messgrößen wie die Schlafdauer, die Einschlafzeit, die Verteilung der verschiedenen Schlafstadien etc. in Studienprotokollen untersucht, in denen die Versuchspersonen zu verschiedenen Phasen ihrer zirkadianen Rhythmik schlafen mussten. Die Hauptergebnisse dieser Studien sind:
  • Die Einschlafzeit ist am kürzesten in zeitlicher Nähe zum Körpertemperaturminimum und paradoxerweise am längsten in den frühen Abendstunden. Dieses Phänomen wird als Zone des Wachhaltens oder verbotene Schlafzone bezeichnet. Das zirkadiane Wachsignal scheint am Ende des Tages so stark zu sein, dass man in den Abendstunden nicht einschlafen kann. Ein bisschen später jedoch verschwindet dieses Wachsignal, und die Schlafbereitschaft nimmt schnell zu (Abb. 3).
  • Die Dauer des REM-Schlafs unterliegt einer starken zirkadianen Kontrolle mit Höchstwerten von zirka ein bis zwei Stunden nach dem Körpertemperaturminimum (Abb. 3).
  • Der Tiefschlaf (der Stadien 3 und 4) weist praktisch keine zirkadiane Modulation auf.
  • Quantitative EEG-Analysen haben ergeben, dass das Vorkommen von Schlafspindeln (12–15 Hz) stark zirkadian moduliert ist mit Maximalwerten während der Nacht. Schlafspindeln blockieren die Weitergabe von sensorischem Input zum Kortex während des Schlafs. Dementsprechend könnte die zirkadiane Modulation der Spindeln einen Mechanismus darstellen, mit dem der zirkadiane Prozess die Weckschwelle während des Nachtschlafs erhöht.

Neurophysiologie und Neuroanatomie des zirkadianen Prozesses

Der Sitz des zirkadianen Schrittmachers liegt in den suprachiasmatischen Nuklei (SCN) im vorderen Hypothalamus mit vielfältigen Projektionen zu anderen Hirnregionen, die vor allem für die kortikale Aktivierung wichtig sind, wie das Zwischen- und basale Vorderhirn. Eine dieser Regionen umfasst auch eine kleine Ansammlung von Neuronen in der ventrolateralen präoptischen Gegend (VLPO), die für die Regulation des Wach-Schlaf-Überganges eine wichtige Rolle spielt. Diese Hirnregion wurde schon als „Tor zum Schlaf“ bezeichnet und ist schon deshalb interessant, weil sie nahe beim suprachiasmatischen Nukleus liegt und zu den magnozellulären histaminergen Kernen im Hypothalamus projiziert. Diese histaminergen Neurone haben diffuse aktivierende Projektionen, die über das ganze Gehirn verteilt sind. Der suprachiasmatische Nukleus besitzt auch eine indirekte Verbindung zum Locus coeruleus (LC) via den dorsomedialen Nukleus im Hypothalamus (DMH). Wird der DMH ausgeschaltet, fällt die zirkadiane Aktivität im Locus coeruleus aus. Interessanterweise enthält der DMH zahlreiche Hypocretinneurone, die dicht mit dem Locus coeruleus in Verbindung stehen. Man nimmt an, dass Hypocretin die zirkadiane Information zu den aufsteigenden aktivierenden Arousal-Systemen vermittelt. Gen-Knock-out-Mäuse, die nicht mehr fähig waren, dieses Neuropeptid zu produzieren, litten an unkontrollierten Schlafattacken, die denen von Patienten mit Narkolepsie ähnlich sind. Hinzu kommt, dass bei Post-mortem-Analysen an Gehirnen von Narkolepsiepatienten sehr niedrige Hypocretin-/Orexinwerte gefunden worden sind. Man nimmt allgemein an, dass dieses Neuropeptid eine wachheitssteigernde Wirkung hat. Diese und andere neue Befunde führten dazu, dass Hypocretin/Orexin bereits in zirkadiane Modelle zur Schlafregulation eingebunden wird.
Andere Efferenzen des suprachiasmatischen Nukleus (SCN) umfassen angrenzende hypothalamische Strukturen, die die zirkadiane Regulation vieler physiologischer Prozesse steuern. Sie umfassen nicht nur den Schlaf, Körpertemperatur und Aktivitätsrhythmen, sondern auch zirkadiane neuroendokrine Rhythmen wie diejenigen von Kortisol, Schilddrüsenhormon- und Nebenschilddrüsenhormon-stimulierenden Hormonen, „Wachstumshormon“, „Prolaktin“ und besonders Melatonin („Endokrinium“; „Melatonin und zirkadianer Rhythmus“). Der suprachiasmatische Nukleus kontrolliert rhythmische Prozesse wie Schlaf, Aktivität, Körpertemperatur via seiner Efferenzen zu angrenzenden Regionen des vorderen Hypothalamus, wie der supraventrikulären Zone und dem dorsomedialen Nukleus im Hypothalamus (DMH). Melatonin wird in der Epiphyse produziert, die das zirkadiane Signal vom SCN über einen multisynaptischen Pfad empfängt, der den paraventrikulären Nukleus und sympathische Ganglien im oberen Rückgrat einschließt. Melatonin kann die zirkadiane Uhr durch Rückkopplungswirkungen auf Melatoninrezeptoren (MT1 und MT2) im suprachiasmatischen Nukleus beeinflussen. Die Fähigkeit von Melatonin die zirkadiane Uhr zurückzusetzen, ist während der Dämmerung abends und frühmorgens am stärksten. Der SCN projiziert auch zu nicht hypothalamischen Gehirnregionen, wie das basale Vorderhirn (BV) und die Amygdala. Die genauen Gebiete, wo die Efferenzen des SCN enden, hängen von der anatomischen und neurochemischen Unterteilung des SCN ab. Der SCN wird in einen Kernbereich unterteilt, der visuelle Afferenzen erhält, während der Schalenbereich nicht visuelle Afferenzen empfängt.

Interaktion des homöostatischen und zirkadianen Prozesses

Der zirkadiane Prozess stimmt die zeitliche Koordinierung des Schlafs bzw. des Wachens auf den externen Licht-Dunkel-Wechsel (24-Stunden-Periodik) ab. Der homöostatische Prozess anderseits reguliert die Schlafstruktur und die Schlaflänge in Abhängigkeit der Dauer vorhergehender Schlaf- bzw. Wachzeiten. Wie unabhängig diese beiden Prozesse wirklich sind, wird in letzter Zeit immer klarer. Aus Tierversuchen weiß man, dass schlafdeprivierte Ratten eine erniedrigte neuronale SCN-Aktivität zeigen. Einen solchen Zusammenhang konnte auch bei fMRT-Untersuchungen beim Menschen nachgewiesen werden. So wurde das BOLD-Signal in der suprachiasmatischen Hirnregion schwächer bei erhöhtem Schlafdruck während einer Daueraufmerksamkeitsaufgabe. Zusätzlich korrelierte die BOLD-Aktivität in der SCN-Region negativ mit der langsamwelligen EEG-Aktivität während des ersten NREM-Zyklus. Der homöostatische und zirkadiane Prozess beeinflussen sich gegenseitig, was aus Resultaten aus „forced desynchrony“-Protokollen beim Menschen mehrmals bestätigt werden konnte. Wäre die Regulation der Aufmerksamkeit und der Schläfrigkeit nur unter homöostatischer Kontrolle, würde es unmöglich sein, eine relativ konstante Aufmerksamkeitsleistung über den ganzen Tag mit zirka 16 Stunden zu erbringen. Darum wird angenommen, dass der suprachiasmatische Nukleus (SCN) ein Wecksignal aussendet, das dem immer stärker werdenden Schlafdruck während des Wachseins entgegenwirkt (Abb. 4). Diese Hypothese wird durch Einzelfallbeobachtungen an Patienten mit Läsionen im Gebiet des SCN bestätigt. Solche Patienten schaffen es nicht mehr, konsolidierte Wach- bzw. Schlafphasen aufrechtzuerhalten. Sie können zwar immer noch schlafen, aber die zirkadiane Organisation des Schlaf-Wach-Rhythmus ist schwer gestört, auch können sie dem Schlafdruck während des Wachseins nur für die kurze Zeitspanne von zwei bis vier Stunden standhalten. Gemäß dem Modell erreicht das SCN-Signal ein Maximum am Abend in der Wachzone und nimmt danach rapide ab. Kurz nach der Wachzone erreicht der Schlafdruck Maximalwerte, was uns veranlasst ins Bett zu gehen und zu schlafen. Während des Schlafs schwindet der Schlafdruck kontinuierlich (homöostatischer Prozess), und das SCN-Signal beginnt kurz nach dem Körpertemperaturminimum wieder aktiv zu werden, was uns veranlasst aufzuwachen. Dies ist eine Möglichkeit, das Zusammenspiel der beiden Prozesse zu beschreiben – bleibt aber ein Modell der komplexen Wirklichkeit dieser Interaktion. Neuere Modelle der Schlaf-Wach-Regulation integrieren diese Interaktion auf zerebraler Ebene und erweitern so das klassische Borbély-Daan-Modell. Im Zentrum des Phillips-Robinson Modells stehen die wachaktiven monoaminergen Neurone und die schlafaktiven Neurone im VLPO, die sich gegenseitig inhibieren. Dieser sogenannte Flip-flop-Schalter wird durch zirkadiane und homöostatische Inputs moduliert und ist durch spezielle Photorezeptoren im Auge auf den Licht-Dunkel-Wechsel synchronisiert. Im Gegensatz zum Zwei-Prozess-Modell ermöglicht dieses Modell eine direkte Verbindung zwischen physiologischen Veränderungen mit Veränderungen des Schlaf-Wach-Zyklus. Zudem konnten in letzter Zeit Faktoren wie Alter, Adenosin, und Orexin erfolgreich in das Modell integriert werden.
Die Komplexität der Faktoren, die den Schlaf beeinflussen, bleibt jedoch hoch. Diese Vielfalt an Faktoren bietet aber auch eine Vielfalt von potentiellen Möglichkeiten, das Schlafverhalten zu kontrollieren und schlafgestörte Menschen zu therapieren.
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