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Geriatrische Onkologie
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Publiziert am: 05.04.2017

Besondere Aspekte in der Versorgung alter und geriatrischer Patienten mit Gehirntumoren

Verfasst von: Frank A. Giordano und Frederik Wenz
Gehirnmetasten, Meningeome und maligen Gliome stellen Hirntumore mit Inzidenzgipfel im Senium dar. Oftmals muss sowohl die Tumorbehandlung als auch die Supportivtherapie bei geriatrischen Patienten individualisiert erfolgen. Insbesondere bei Metastasen muss sich die Therapieform nach definierten Kriterien aus Allgemeinzustand, Tumorentität, extrakranieller Tumoraktivität und Komorbiditäten richten. Für Meningeome sollte zwingend eine longitudinale Wachstumskinetik ermittelt werden und in eine Risiko-Nutzen-Bewertung einfließen. Bei den malignen Gliomen, den häufigsten primären Hirntumoren profitieren geriatrische Patienten auch von einer multimodalen Therapie in der Erst- und Zweitlinie.

Allgemeine Therapieprinzipien bei Hirntumoren im Alter

Wie bei der Mehrzahl der extrakraniellen Tumorerkrankungen ist auch die Therapie geriatrischer Patienten mit Hirntumoren durch wenig Evidenz abgesichert, da dieses Patientenkollektiv aus den meisten prospektiven klinischen Studien ausgeschlossen wurde. Zudem werden Hirntumore bei älteren Patienten oftmals durch verzögerten Einsatz weiterführender Diagnostik spät(er) diagnostiziert, da eine Schnittmenge zwischen tumor- und altersbedingten Symptomen besteht.

Prognostische Eingruppierung

Gleichwohl das Lebensalter den vermutlich stärksten prognostischen Faktor bei fast allen Gehirntumoren darstellt (Lagerwaard et al. 1999; Li et al. 2011), sollten auch beim hochbetagten Patienten noch Individualkonzepte geprüft werden. Neben dem komplexen geriatrischen Assessment kann auch bei älteren Patienten das Graded Prognostic Assessment (GPA) eine wichtige Entscheidungshilfe sein. Hierbei handelt es sich um eine 2008 eingeführte Graduierungssystematik, die eine Überlebenszeitabschätzung unter Berücksichtigung von Primärtumor-spezifischen Parametern (z. B. Histologie und extrakranielle Aktivität) erlaubt (Sperduto et al. 2012). Für die täglich Praxis ist eine Webseite eingerichtet – soll beispielsweise eine Therapie mit hohem Risiko für verzögert auftretenden Spättoxizitäten evaluiert werden, kann eine mittlere Lebzeitabschätzung in wenigen Schritten ermittelt werden (http://brainmetgpa.com. Zugegriffen am 15.02.2017).

Supportivtherapie

Nicht nur bei der Wahl der Therapiemodalität, sondern auch in der Symptomtherapie sind Nebenwirkungen und Interaktionen zu beachten. Eine häufig auftretende Hirndrucksymptomatik (Trias aus Kopfschmerz, Schwindel und morgendlichem Erbrechen) ist auch bei älteren Pateinten sehr effektiv mit Kortikosteroiden (Dexamethason) behandelbar. Hier gilt es allerdings zu beachten, dass im Gegensatz zu jüngeren Patienten häufiger therapieassoziierte Nebenwirkungen auftreten. Sehr rasch tritt bei älteren Patienten beispielsweise die Muskelatrophie auf, die durch konsequente Mobilisierung therapiert werden muss. Besonders bei prolongierter Anwendung können eine Osteoporose und Wirbelfrakturen auftreten, was durch eine Kalzium/Vitamin D-Therapie verzögert werden kann (Tatsuno et al. 2009).
Bei ausgeprägter Komorbidität sollte die antiepileptische Medikation nicht enzyminduzierend bzw. interagierend sein und daher sollten Medikamente wie Lamotrigin oder Levetiracetam bevorzugt eingesetzt werden (Arif et al. 2010). Ältere Patienten neigen zudem vermehrt zur Retention und Akkumulation, weshalb eine verlängerte Phase der Aufdosierung empfohlen wird (Waterhouse und Towne 2005).
Die per se reduzierte Mobilität im Alter wird durch Hirntumore nahezu immer aggraviert (oder gar fixiert). Ältere Patienten weisen in Folge ein vielfach erhöhtes Risiko für tiefe Venenthrombosen und pulmonalarterielle Embolien auf. Hier muss früher und konsequenter als bei jüngeren Patienten an Kompressionsstrümpfe und Antikoagulation gedacht werden, wobei auf Vitamin-K-Antagonisten aufgrund der Interaktionen verzichtet und stattdessen niedrig-molekulares Heparin bevorzugt eingesetzt werden sollte (Gallego Perez-Larraya und Delattre 2012; Robert-Ebadi et al. 2009).

Gehirnmetastasen

Da mit zunehmendem Alter das Krebsrisiko steigt und nahezu ein Viertel aller Patienten mit systemischer Erkrankung eine zerebrale Beteiligung aufweisen (Posner und Chernik 1978) ist im Rahmen des demographischen Wandels mit einer Zunahme der Inzidenz von Gehirnmetastasen zu rechnen. Als Therapieoptionen bei älteren Patienten stehen die Operation, die Ganzhirnbestrahlung, die stereotaktische Radiochirurgie (SRS) oder eine Kombination der Modalitäten (Tsao et al. 2012) zur Verfügung.

Chirurgie oder Radiochirurgie?

Liegen klinische oder bildgebende (z. B. Mittellinienverlagerung) Hinweise auf akuten Hirndruck vor, oder ist die Gewinnung von Tumormaterial von Relevanz für die weitere Therapie (z. B. der Einleitung einer „targeted therapy“) kann auch bei Multimetastasierung im Gehirn eine Operation sinnvoll sein. Bei solitärer (einzige Metastase im ganzen Körper) oder singulärer Metastasierung (einzige Metastase im Gehirn) profitieren bei funktioneller und lokaler Operabilität Patienten aus allen Altersklassen von einer Operation (Patchell et al. 1998). Zwar ist bis heute kein Trennstrich zwischen betagten und hochbetagten Patienten erkennbar, allerdings wird konsistent berichtet, dass Patienten über 80 Jahre eine deutlich erhöhte therapieassoziierte Mortalität aufweisen und bei diesem Kollektiv die Operation eher daher zurückhaltend eingesetzt werden sollte (Grossman et al. 2011; Pietila et al. 1999). Generell ist auch entscheidend, ob durch die Operation neue neurologische Defizite drohen (z. B. bei Tumoren in der Zentralregion), die von betagten Patienten deutlich schlechter kompensiert werden können, als von jüngeren Patienten.
Bei Oligometastasierung, ausgeprägter Komorbidität oder lokaler Inoperabilität kann älteren Pateinten eine stereotaktische Radiochirurgie (SRS) angeboten werden. Hierbei werden die Metastasen in einer (Einzeit-SRS) oder wenigen Sitzungen (fraktionierte SRS) unter Verwendung hoher Einzeldosen abladiert. Dies geschieht beispielsweise unter Verwendung hochpräziser Bestrahlungsgeräte wie dem Gamma-Knife (Abb. 1). Die Therapiemodalität erlangt zunehmend Bedeutung im Alter, da die Kontrollraten (80–90 %) und die Frequenz ernsthafter Komplikationen (<5 %) im Gegensatz zur OP von zunehmendem Alter unbeeinflusst bleiben (Minniti et al. 2013).
Bis heute existiert kein randomisierter Vergleich zwischen Operation und SRS, allerdings lassen die Ergebnisse der EORTC 22952-Studie vermuten, dass die Kontrollraten nach SRS etwas höher liegen als nach alleiniger Operation (die Rezidivraten waren 59 % nach OP und 31 % nach SRS). Gängige klinische Praxis ist daher auch nach erfolgter Operation eine kleinvolumige Kurzzeit-Bestrahlung der Tumorhöhle („Höhlenboost“), was die Rezidivraten insbesondere nach Resektion von größeren Metastasen (>3 cm) deutlich senken kann (Brennan et al. 2014).

Ganzhirnbestrahlung bei älteren Patienten

Bei schlechtem klinischen Allgemeinzustand, hoher extrakranieller Tumoraktivität oder zerebraler Multimetastasierung kann eine alleinige palliative Ganzhirnbestrahlung Symptome lindern und das Gesamtüberleben günstig beeinflussen (Horton et al. 1971). Bei Patienten mit besserer Prognose ist die Bestrahlung des gesamten Neurokraniums jedoch umstritten, da sie mit einem nicht unerheblichen Risiko von Langzeittoxizität assoziiert ist (Giordano et al. 2012). Insbesondere kognitive Einschränkungen wie Einbußen im Kurzzeitgedächtnis können die Folge sein. Ursächlich ist die Störung der Gedächtniskonsolidierung durch Verlust von Stammzellen im Bereich des Hippocampus. Heute können in Abhängigkeit von der Histologie des Primarius neuere Bestrahlungstechniken wie die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) eingesetzt werden, um die Ganzhirnbestrahlung unter Schonung des Hippocampus durchzuführen (Gondi et al. 2014; Harth et al. 2013).
Nach erfolgter Operation oder SRS wurde lange Zeit eine adjuvante Ganzhirnbestrahlung durchgeführt. Aufgrund der angeführten Nebenwirkungen war dieses Vorgehen bei Patienten mit Oligometastasierung (<3 Metastasen) jedoch umstritten. Mit der Veröffentlichung der EORTC 22952-Studie, die keinen Nutzen hinsichtlich des Gesamtüberlebens, jedoch einen negativen Einfluss hinsichtlich der Neurokognition bei Patienten mit 1–3 Hirnmetastasen zeigte, wurde dies Praxis eingestellt (Kocher et al. 2011; Soffietti et al. 2013): Allerdings waren die Studienteilnehmer im Median nur 60 Jahre alt, sodass bei älteren Patienten nach wie vor Unklarheit über das korrekte Vorgehen herrscht. Eine kürzlich veröffentliche gepoolte Meta-Analyse aus 3 Phase III-Studien zeigte, dass die adjuvante Ganzhirnbestrahlung bei Patienten <50 Jahren einen negativen Einfluss auf das Überleben hat, wohingegen Patienten >50 Jahren vor allem hinsichtlich lokaler Kontrolle profitieren ohne dass ein Einfluss auf das Gesamtüberleben besteht (Sahgal et al. 2015).
Fakten zum Management von Gehirnmetastasen bei älteren Patienten
  • Bei der Wahl der Therapiemodalität sollten neben einem geriatrischen Assessment auch die extrakranieller Tumoraktivität und die Histologie (z. B. mittels GPA, http://brainmetgpa.com. Zugegriffen am 15.02.2017) berücksichtigt werden.
  • Ältere Patienten sollten eine an die Komorbiditäten angepasste Supportivtherapie erhalten.
  • Bei singulärer oder solitärer Metastase, gutem Allgemeinzustand, unkritischem Tumorsitz und entsprechender Prognose kann auch älteren Patienten zur Operation geraten werden.
  • Bei Hirndruckzeichen oder Relevanz der Histologie kann eine Operation auch bei Multimetastasierung indiziert sein.
  • Nach der Operation sollte zumindest das „Tumorbett“ nachbestrahlt werden, um das (Lokal-) Rezidivrisiko zu senken.
  • Patienten über 80 Jahre sollte auch bei funktioneller und lokaler Operabilität eher eine Radiochirurgie angeboten werden.
  • Eine Radiochirurgie kann Patienten aller Altersgruppen angeboten werden. Sie resultiert auch im hohen Alter in hohen Kontroll- und günstiger Nebenwirkungsraten.
  • Patienten >50 Jahren profitieren vermutlich von einer adjuvanten Ganzhirnbestrahlung nach Operation und Radiochirurgie, wobei eine Hippocampus-schonende Bestrahlung angestrebt werden sollte.
  • Bei Multimetastasierung und limitierter Prognose kann eine alleinige Ganzhirnbestrahlung angeboten werden.

Meningeome

Die Mehrzahl der neu diagnostizierten gutartigen Tumore bei geriatrischen Patienten sind Inzidentalome, die im Rahmen einer Diagnostik für andere Erkrankungen (z. B. Schlaganfallabklärung) erkannt werden und keine Symptomatik verursachten. Meningeome stellen dabei mit einen Altersgipfel um knapp 60 Jahre die mit Abstand häufigsten intrakraniellen Inzidentalome im Senium dar (Abb. 2). Die Prognose ist mit einer Wahrscheinlichkeit des 5-Jahresüberlebens von 75–90 % bei diesen vergleichsweise langsam wachsenden Tumoren wenig unterschiedlich von der eines gesunden älteren Patienten. Umso wichtiger ist es daher, zunächst in seriellen Untersuchungen die Wachstumskinetik abzuschätzen und dies in die Entscheidung für oder wider eine Therapie einfließen zu lassen.
Die häufigste und sicherste Therapiemodalität für Meningeome im Alter ist die stereotaktische Radiochirurgie (SRS) , die mit Kontrollraten von über 90 % das Ergebnis einer operativen Versorgung erreicht, jedoch mit kumulierten 10 Jahres-Komplikationsraten von weniger als 5 % deutlich risikoärmer ist (Kondziolka et al. 2008; Nicolato et al. 2002).
Besteht eine zur Lokalisation passende, ausgeprägte Symptomatik, ein sehr rasches Wachstum oder der Wunsch nach histologischer Sicherung des WHO-Grades, ist die chirurgische Therapie von Meningeomen indiziert. Allerdings sollte gerade bei geriatrischen Patienten eine sogfältige Risiko-Nutzen-Bewertung erfolgen. Es sollten unter keine Umständen neurologischen Defizite verbleiben, da diese schwer behandelbar sind und mit einer bedeutenden Einschränkung des täglichen Lebens einhergehen (s. o.). Zudem ist die Rate an thromboembolischen Komplikationen in der Meningeomchirurgie deutlich erhöht und mit einer Mortalität von 30 % assoziiert (Caroli et al. 2005; Chaichana et al. 2013). Wird allerdings konsequent antikoaguliert, sinkt das Risiko für Embolien, es steigt jedoch die Rate an Hämorrhagien auf ca. 6 % an – was ein im Vergleich zu anderen zerebralen Eingriffen ein fast verdoppeltes Risiko darstellt (Gerlach et al. 2003).
Fakten zum Management von Meningeomen bei älteren Patienten
  • Meningeome sind bei geriatrischen Patienten in der Regel nur behandlungsbedürftig, wenn sie rasch größenprogredient oder symptomatisch sind.
  • Die Radiochirurgie ist eine sichere und effektive Erstlinientherapie von Meningeomen.
  • In der Meningeomchirurgie treten überdurchschnittlich häufig thromboembolische- oder hämorrhagische Komplikationen auf.
  • Eine Operation sollte daher nur erwogen werden, wenn eine ausgeprägte Symptomatik, ein rasches Wachstum oder der Wunsch nach histologischer Sicherung des WHO-Grades besteht.

Maligne Gliome

Die häufigsten primären Hirntumore im Alter stellen maligne Gliome (anaplastische Astrozytome und Glioblastome) dar. Trotz Altersgipfel um 65 Jahre und steigender Inzidenz werden dennoch gerade ältere Patienten aus den meisten, so genannten „pivotal Trials“, also den evidenzgenerierenden klinischen Studien ausgeschlossen. Dies hatte zur Folge, dass brauchbare Prognoseschätzungen für geriatrische Patienten im Alltag nicht verfügbar waren. Beispielsweise lieferte die von der RTOG etablierte Eingruppierung in prognostische Gruppen keine wertvollen Abschätzungen, weil die Altersgrenze bei 50 Jahren lag und damit selbst ein 51-jähriger symptomfreier Patient ohne Vorerkrankungen mit leichten kognitiven Defiziten (z. B. mit einem MMSE-Score von 26 Punkten) der schlechtesten Prognosegruppe zugeordnet würde (Curran et al. 1993).
Seit einigen Jahren stehen jedoch drei von der EORTC etablierte Modelle zur Prognoseabschätzung zur Verfügung, die im klinischen Alltag unkompliziert über eine Webseite (https://www.eortc.be/tools/gbmcalculator. Zugegriffen am 15.02.2017) verfügbar sind (Gorlia et al. 2008). Die EORTC Modelle lassen unschwer erkennen, dass die Prognose bei malignen Gliomen (insbesondere bei Glioblastomen) in der geriatrischen Population nach wie vor infaust ist. Der individuelle Nutzen der zur Verfügung stehenden Therapien sollten daher offen mit den Patienten diskutiert werden. Denn nicht selten entscheiden sich gerade ältere Patienten gegen eine Therapie, die zwar die erwartete Überlebenszeit um 3–4 Monate verlängern kann, dabei allerdings eine hohe physische, psychische und logistische Belastung für die Patienten oder deren Angehörige darstellen kann.

Operation

Das Resektionsausmaß stellt bei jüngeren Patienten mit malignem Gliom einen wichtigen prognostischen Parameter dar (Brown et al. 2016). Auch bei älteren Patienten besteht dieser Zusammenhang – wenngleich deutlich schwächer: So liegt die erwartete Überlebenszeit eines 65-jähigen Patienten mit Glioblastom auf Basis der EORTC-Schätzung bei 18,5 Monaten sofern eine komplette Resektion erreichbar ist und eine Radiochemotherapie toleriert wird (Modell 1, siehe https://www.eortc.be/tools/gbmcalculator. Zugegriffen am 15.02.2017). Verbleiben signifikante Tumoranteile in situ, so reduziert sich die mittlere Lebenserwartung auf 16 Monate. Wird der Tumor nur biopsiert, liegt die Lebenserwartung bei nur noch 14 Monaten (Gorlia et al. 2008). Der erwartete absolute Benefit durch die Operation liegt somit am höchsten, wenn eine Komplettresektion erreicht werden kann. Es sollte daher vor der Operation zwingend abgeklärt werden, ob eine Komplettresektion erreichbar ist. Zudem muss geklärt sein, ob neue neurologische Defizite durch die OP verursacht werden könnten. Schätzungen zufolge liegt die erwartete Minderung der Gesamtüberlebenszeit durch operationsinduzierte neurologische Defizite bei ca. 3 Monaten, was in Summe den absoluten Nutzen einer Operation in Frage stellen kann (McGirt et al. 2009).

Adjuvante Therapie im Senium: Radiotherapie oder Radiochemotherapie?

Der Nutzen einer Strahlentherapie ist in allen Altersgruppen sehr gut belegt und mit akzeptablen Risiken assoziiert, sodass sie auch geriatrischen Patienten mit malignen Gliomen angeboten werden soll (Keime-Guibert et al. 2007; Laperriere et al. 2013). Allerdings wurden gerade in der Dauer einer alleinigen Strahlentherapie über die letzten Jahre neue Erkenntnisse gewonnen. So stellte man in der randomisierten NORDIC-Studie fest, dass die ursprüngliche, 6-wöchige Bestrahlung gleich wirksam und gleich verträglich wie eine 2 oder 3-wöchige hypofraktionierte Bestrahlung mit höherer Einzeldosis ist (Malmstrom et al. 2012). Eine kürzlich veröffentlichte Studie der IAEA zeigte sogar, dass ältere Patienten keine Nachteile hinsichtlich Gesamtüberleben oder Toxizität durch eine einwöchige Bestrahlung mit insgesamt 25Gy in 5 Fraktionen (5Gy pro Fraktion) haben (Roa et al. 2015).
Während also die Dauer der alleinigen Bestrahlung signifikant reduziert werden konnte, verblieb unklar, ob gerade ältere Patienten eine Kombination der Kurzzeit-Strahlentherapie mit einer Temozolomid-basierten Chemotherapie tolerieren. Nur wenige Studien konnten bisher die Wirksamkeit der begleitenden und adjuvanten Chemotherapie mit Temozolomid in dieser Altersgruppe zeigen (Brandes et al. 2009; Minniti et al. 2008; Welzel et al. 2015). Erst die Ergebnisse der „Elderly-Studie“ der NCIC-CTG, EORTC und TROG konnten diese Frage klären. Die Studie randomisierte Patienten über 70 Jahren mit neu diagnostizierten Glioblastomen entweder in einen Therapiearm mit alleiniger Kurzzeit-Strahlentherapie oder einen Arm mit kombinierter Kurzzeit-Strahlentherapie und Chemotherapie. Hier zeigte sich, dass die Hinzunahme der Chemotherapie das Gesamtüberleben verbessert, allerdings lag der absolute Benefit bei 17 Monaten (von 76 auf 93 Monate), was zwar aufgrund des vergleichsweise gut verträglichen Medikaments Temozolomid akzeptabel ist, aber dennoch offen mit dem Patienten besprochen werden sollte (Perry et al. 2017).

Rezidivtherapie

Für rezidivierte maligne Gliome bei geriatrischen Patienten gibt es bis dato keine etablierte Standardtherapie und es existieren keine randomisierten Daten, die eine spezifisches Vorgehen rechtfertigen. In einer Subgruppenanalyse der IAEA Studie konnte gezeigt werden, dass auch ältere Patienten im Vergleich zur besten Supportivtherapie noch von einer Rezidivtherapie profitieren, wobei die erwarteten mittleren Überlebenszeiten nach erneuter operativer Entfernung im Median mit ca. 10 Monaten vermutlich am höchsten liegen (Socha et al. 2016). Kommt es allerdings postoperativ zu Einschränkungen im Allgemeinzustand, oder sind neue neurologische Defizite verursacht worden (z. B. wenn sich der Tumor in funktionell wichtigen Regionen wie der Zentralregion befand), sinkt die Prognose auf wenige Wochen. Bei funktioneller Operabilität sollte daher zwingend vor übereilter Operation eine Prognoseabschätzung unter Berücksichtigung der Tumorlage erfolgen (Park et al. 2010).
Wie bei jüngeren Patienten sind die wenigsten rezidivierten maligen Gliome im Senium ohne Risiko neuer neurologischer Defizite operabel. Die erneute Bestrahlung und die Zweitlinienchemotherapie (meist in Sequenz) stellen daher die am häufigsten applizierten Salvagetherapien dar (Socha et al. 2016). Bei der Wahl der Technik kann nur auf retrospektive Analysen zurückgegriffen werden, es sollten jedoch keine prolongierten (normofraktionierten) Bestrahlungsserien (meist unter vollstationärer Versorgung) eingesetzt werden. Bei umschriebenen Läsionen kann beispielsweise eine Radiochirurgie angeboten werden (Patel et al. 2009). Bei multifokalen oder multilokulären Rezidiven kann eine Kurzzeit-Strahlentherapie mit erhöhter Einzeldosis erfolgen. In einer retrospektiven Analyse aus Deutschland lag die mediane Überlebenszeit nach Kurzzeit-Bestrahlung bei rund 9 Monaten (Vordermark et al. 2005).
Nach wie vor existiert auch bei jüngeren Patienten kein Standard für die Zweitlinienchemotherapie. Aufgrund der guten Verträglichkeit wird oft über alle Altersgruppen hinweg – und immer im interdisziplinären Konsens – eine zyklische Monotherapie mit CCNU (Lomustin) gewählt. Zwar konnte eine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch eine antiangiogenen Therapie mit Bevacizumab bei Rezidivgliomen bisher nicht bestätigt werden (Wick et al. 2016), allerdings kann eine Verlängerung der Zeit bis zum zweiten Progress mit entsprechender (kurzfristiger) Besserung der klinischen Symptomatik erreicht werden (Chamberlain 2011).
Fakten zum Management von malignen Gliomen bei älteren Patienten
  • Nach wie vor ist die Prognose von malignen Gliomen bei geriatrischen Patienten sehr schlecht.
  • Eine Prognoseabschätzung (https://www.eortc.be/tools/gbmcalculator. Zugegriffen am 15.02.2017) sollte trotzdem erfolgen und der Patient sollte über den erwarteten Benefit geplanter Therapien aufgeklärt werden.
  • Die Operation ist insbesondere dann sinnvoll, wenn eine komplette Resektion ohne neurologische Defizite erreichbar ist.
  • Eine Radiochemotherapie verlängert bei geriatrischen Patienten das Gesamtüberleben.
  • Bei Kontraindikationen für eine Chemotherapie sollte eine Kurzzeit-Strahlentherapie angeboten werden.
  • Beim Rezidiv sollte vor Operation eine Prognoseabschätzung unter Berücksichtigung der Tumorlage vorgenommen werden.
  • Auch bei Rezidiven profitieren ältere Patienten von einer Radiochirurgie (bei unifokalem Rezidiv), von einer Kurzzeit-Strahlentherapie, von einer Salvage-Chemotherapie, oder einer sequenziellen Kombination der Modalitäten.
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