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Osmolalität

Verfasst von: O. Müller-Plathe
Osmolalität
Englischer Begriff
osmolality
Definition
Die Osmolalität ist die Gesamtkonzentration aller pro kg Wasser gelösten und osmotisch wirksamen Teilchen (Nichtelektrolyte, Ionen und Kolloide) (bei Osmolarität pro Liter).
Funktion – Pathophysiologie
Plasma: Die Osmolalität im Plasma resultiert vor allem aus den Konzentrationen von Na+, Cl, HCO3, Glukose und Harnstoff. Die übrigen osmotisch wirksamen Substanzen wie K+, Ca2+ u. a. werden zusammen mit 9 mmol/L angesetzt. Die Plasmaproteine tragen weniger als 0,5 % zur Osmolalität bei.
Die Osmolalität im extrazellulären Raum einschließlich Plasma ist auf etwa 285 mmol/kg eingestellt und wird durch das Durstzentrum (orale Wasseraufnahme) und durch das vom Hypophysenhinterlappen sezernierte Adiuretin (renale Wasserabgabe) reguliert (Wasserhaushalt). Der normalen Osmolalität im Plasma entspricht ein osmotischer Druck, der zu einer Erniedrigung des Gefrierpunkts von 0,53 °C führt.
Urin: Die Osmolalität im Urin schwankt in Spontanproben je nach Situation im Wasserhaushalt enorm. Sie wird hauptsächlich zur Prüfung des renalen Konzentrationsvermögens (Durstversuch; Volhard-Konzentrationsversuch) gemessen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Heparinplasma, Urin.
Probenstabilität
Serum oder Plasma innerhalb 1 Stunde von Erythrozyten abtrennen. Serum, Plasma und Urin bei 4 °C in gut verschlossenen Gefäßen mehrere Tage lang haltbar.
Präanalytik
Vor Analyse Aufwärmung der Probe auf Raumtemperatur erforderlich.
Analytik
Kryoskopische Osmometrie:
Nach Kühlung der zu messenden Flüssigkeit auf einen Wert mehrere Grade unter dem zu erwartenden Gefrierpunkt wird durch einen Vibrationsstoß die Kristallbildung ausgelöst. Durch die dabei freigesetzte Kristallisationswärme steigt die Temperatur auf den Gefrierpunkt der Probe an und verharrt dort einige Minuten. Automatische Berechnung nach folgender Formel:
$$ \frac{\mathrm{Gefrierpunktserniedrigung}}{1,858}\times 1000=\mathrm{Osmolalit}\ddot{\mathrm{a}} \mathrm{t}\ \left[\mathrm{mmol}/\mathrm{kg}\right] $$
1,858 ist die Gefrierpunktserniedrigung, die einer Osmolalität von 1000 mmol/kg entspricht. Unpräzision: Interassay-VK <2 %, Richtigkeit 0,99–1,01.
Dampfdruckosmometrie:
Diese Methode basiert auf der Messung der Dampfdruckerniedrigung durch osmotisch wirksame Substanzen. Sie gilt als störanfällig. Deshalb und auch wegen Störung durch volatile Substanzen wie Ethanol wird sie im medizinischen Laboratorium nur selten eingesetzt.
Rechnerische Schätzung:
Wenn diabetische Acidose, Urämie und Intoxikationen (z. B. Ethanol) ausgeschlossen sind, kann die Osmolalität im Plasma näherungsweise berechnet werden:
Osmolalität (mmol/kg) = 1,86 Na+(mmol/L) + Glukose (mmol/L) + Harnstoff (mmol/L) + 9
Mit dem Faktor 1,86 werden Cl und HCO3 berücksichtigt.
Siehe unten: „Osmotische Lücke“.
Konventionelle Einheit
mOsmol/kg.
Internationale Einheit
mmol/kg.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
1.
Referenzbereich – Erwachsene
Plasma und Serum: 275–300 mmol/kg.
Urin (Spontanproben): 50–1200 mmol/kg.
Urin (nach 12 Stunden Dursten): >850 mmol/kg.
Referenzbereich – Kinder
S. Erwachsene.
Indikation
Plasma und Serum:
  • Störungen des Wasserhaushalts: Diabetes insipidus, primäre Polydipsie, Wasserintoxikation
  • Verdacht auf Vergiftung mit niedermolekularen Substanzen
  • Erkennung einer Pseudohyponatriämie (Natrium)
  • Ermittlung der osmotischen Lücke („osmolal gap“)
Urin:
  • Prüfung des Konzentrationsvermögens der Niere (Durstversuch und Wasserbelastung)
  • Klärung einer Polyurie
Interpretation
Immer im Zusammenhang mit dem Elektrolytstatus!
Hyperosmolalität im Plasma
Hypernatriämie, meistens als Folge unzureichender Flüssigkeitsaufnahme.
Harnstofferhöhung bei Urämie (Zunahme um 50–100 mmol/kg möglich).
Hyperglykämie bei Diabetes mellitus, hier vor allem bei der Sonderform des nicht-ketotischen, hyperosmolaren Coma diabeticum.
Intoxikationen, am häufigsten durch Ethanol (1 Promille entspricht einer Osmolalität von ca. 27 mmol/kg).
Hypoosmolalität im Plasma
Hyponatriämie bei Aldosteronmangel, Niereninsuffizienz, unkontrollierter ADH-Sekretion (SIADH), Infusionstherapie mit kochsalzfreien Lösungen.
Hypoosmolalität im Urin
Nur von Bedeutung, wenn sie fixiert ist und auch der Durstversuch pathologisch ausfällt: mangelhaftes Konzentrationsvermögen der Nieren oder Diabetes insipidus.
Osmotische Lücke (▵Osmol)
▵Osmol = gemessene Osmolalität – berechnete Osmolalität
▵Osmol von 7–10 mmol/kg ist typisch für die Zunahme organischer Säuren, z. B. Laktat-, Keto- und renale Acidose, kann aber auch auf Pseudohyponatriämie hinweisen (Natrium).
▵Osmol über 10 mmol/kg spricht für Intoxikationen durch Methanol, Ethanol, Glykol und andere kleinmolekulare Substanzen.
Diagnostische Wertigkeit
Präzis und einfach zu bestimmende Messgröße zur Erkennung von Störungen der inneren Wasserbilanz. Zunahmen der Osmolalität um mehr als 40–50 mmol/kg können zu Koma und Tod führen, wenn sie durch osmotisch aktive Substanzen wie Natrium oder Glukose verursacht sind. Für Erhöhungen durch Harnstoff oder Alkohole, die frei die Zellmembran permeieren, trifft das nicht zu.
Literatur
Seldin DW, Giebisch G (Hrsg) (1993) Clinical disturbances of water metabolism. Raven Press, New York