Es werden zentrale und renale Formen sowie erworbene und seltene familiäre Formen unterschieden.
Diabetes insipidus centralis
Der erworbenen
zentralen Form
liegt eine Erkrankung des Hypothalamus oder des Hypophysenstiels zugrunde. Die Ursachen lassen sich einteilen in posttraumatische oder postoperative Störungen, benigne oder maligne Raumforderungen einschließlich Metastasen und
Leukämien, entzündliche oder
granulomatöse Erkrankungen (Hypophysitis, Entzündung des Hypophysenstiels („Stalkitis“),
Enzephalitis,
Sarkoidose,
Langerhans-Zell-Histiozytose) oder Gefäßerkrankungen (Aneurysma, Infarkte). Bei Patienten mit
AIDS wurde ein
Diabetes insipidus nach
Infektionen des zentralen Nervensystems mit
Toxoplasma gondii,
Zytomegalie oder Herpes simplex oder bei lymphozytären Infiltrationen des Zentralnervensystems (ZNS) beschrieben. Weitere Ursachen des zentralen Diabetes insipidus sind Germinome und Pinealome.
Insbesondere bei
Kraniopharyngeomen ist der
Diabetes insipidus häufig ein Frühsymptom, das präoperativ bei etwa einem Viertel der Patienten besteht. Wenn eine komplette operative Exstirpation des hypothalamischen Tumors angestrebt wird, steigt die
Prävalenz eines permanenten Diabetes insipidus selbst bei Versuch der Kontinuitätserhaltung des Hypophysenstiels postoperativ auf etwa 70 % der Patienten.
Auch der komplette
Hirntod kann zu einem Untergang der
Vasopressin produzierenden Neurone führen, was bei hirntoten Patienten, die zur Organspende anstehen, eine Behandlung mit Desmopressin erforderlich machen kann.
Ein partieller (kompensierter)
Diabetes insipidus centralis kann in der Schwangerschaft aufgrund verstärkter ADH-Degradation durch eine Vasopressinase (Ocytocinase), die in der Plazenta gebildet wird, dekompensieren.
Ein milder
Diabetes insipidus bei Simmonds-Sheehan-Syndrom
kann sich nach Substitution des Kortisoldefizits aufgrund der ADH-inhibitorischen Wirkung von
Kortisol und aufgrund der kortisolinduzierten Verbesserung der Hämodynamik und der Nierenfunktion verschlechtern.
Wichtige Ursachen des
Diabetes insipidus centralis sind:
Familiär
Hereditär (autosomal dominant)
Assoziation von Diabetes insipidus, Diabetes mellitus, „optic atrophy“, „nerve deafness“ (DIDMOAD)
Granulomatöse Entzündungen
Infektionen
Encephalitis
Neurobrucellose
Erst wenn mehr als 80–90 % der magnozellulären ADH-sezernierenden Neurone
zerstört sind, resultiert das klinische Bild des
Diabetes insipidus. Je geringer die verbleibende Zellzahl unter dieser Schwelle ist, desto schwerer wird das Krankheitsbild sein. Das klinische Ausmaß der Polyurie hängt also nur von der verbleibenden Zahl der funktionstüchtigen Neurone ab. Aus diesem Grunde bewirkt die operative Entfernung des Hypophysenhinterlappens alleine allenfalls einen partiellen Diabetes insipidus, da mehr als 10 % der ADH- sezernierenden Neurone oberhalb des Hypophysenhinterlappens enden. Deshalb bewirken
Hypophysenadenome, auch mit extrasellärer Ausdehnung, ebenfalls fast nie einen Diabetes insipidus. Wenn ein Diabetes insipidus bei einem Patienten mit „Hypophysenadenom“ auftritt, sollte man an der Diagnose zweifeln, es könnte z. B. eine Hypophysitis vorliegen.
Nach transsphenoidaler Operation eines intrasellären oder extrasellären Hypophysenadenoms kann ein passagerer
Diabetes insipidus auftreten, nach transkranieller Operation deutlich häufiger als nach transsphenoidaler Operation.
Die polyurische Phase nach Operation im Bereich der Sellaregion ist in etwa 5 % der Fälle durch eine „Interphase“ eine Woche nach Operation unterbrochen, in der eine
Oligurie besteht und sich vielfach auch passager eine euvoläme
Hyponatriämie (
SIADH) entwickelt (Hensen et al.
1999). Die Interphase kommt durch ungeregelte verzögerte Freisetzung von ADH aus dem verletzten Hypophysenhinterlappen sowie durch aufsteigende, retrograde Degeneration von
Vasopressin sezernierenden Neuronen zustande, deren Axone bei der Operation beschädigt worden waren. Das SIADH kann postoperativ auch isoliert, d. h. ohne vorangehende Polyurie, auftreten, mit einem
Maximum am 7. Tag postoperativ.
Der postoperative
Diabetes insipidus
bildet sich im Verlauf häufig zurück. Im Erlanger Patientenkollektiv sind nach 3 Monaten 0,9 % der operierten Patienten behandlungsbedürftig, nach 1 Jahr sinkt die
Prävalenz des permanenten Diabetes insipidus auf 0,25 %.
Der
Diabetes insipidus hypersalaemicus
, auch Hypodipsie-Hypernatriämie-Syndrom
genannt, wird durch eine Läsion im Bereich des Osmorezeptors bzw. der osmosensitiven Neurone verursacht. In diesem Fall versiegen sowohl die osmotisch stimulierte ADH-Sekretion als auch das schützende Durstgefühl. Ursächlich können z. B. Aneurysmablutungen im Bereich der A. cerebri communicans anterior oder neurochirurgische Eingriffe im Hypothalamusbereich, z. B. bei Kraniopharyngeom, sein. Die resultierende
Hypernatriämie bei diesem Krankheitsbild ist oft beträchtlich (bis 190 mmol/l). Unbehandelt scheiden die Patienten zunächst weiter einen hypotonen
Urin aus, und es kommt zur Hypernatriämie. Bei hohem Serumnatrium und Dehydratation kann der Urin durch nichtosmotisch bedingten ADH-Anstieg bei Hypotonie und
Hypovolämie wieder konzentriert sein.
Ein definierter und bekannter pathogenetischer Hintergrund besteht dafür eindeutig bei den seltenen familiären Formen.
Ein
Diabetes insipidus centralis tritt bei einem Drittel der Patienten des sehr seltenen Wolfram-
(DIDMOAD
-)Syndrom auf. Hierbei handelt es sich um eine seltene autosomal rezessiv vererbbare Erkrankung, die mit Diabetes insipidus (DI), Diabetes mellitus (DM), Nervus-opticus-Atrophie (OA) und Taubheit einhergehen kann (D).
Der familiäre
Diabetes insipidus centralis ist eine sehr seltene autosomal dominant vererbte Erkrankung mit 100 %iger
Penetranz. Das besondere Merkmal der Erkrankung ist der verzögerte Beginn im Kleinkindesalter bzw. in früher Kindheit. In den letzten Jahren wurden zahlreiche heterozygote Mutationen im Polypeptidpräkursor-Gen für AVP-Neurophysin II
(AVP-NP II) nachgewiesen. Die Mutationen stören einheitlich den Transportprozess bzw. die Faltung und Selbstassoziation des Prohormons: Unkorrekt gefaltete Proteine können nicht weitertransportiert werden. Sie verbleiben im endoplasmatischen Retikulum, wo sie als große Aggregate akkumulieren und vermutlich den Zelluntergang auslösen. Dieser Mechanismus erklärt die Dominanz der heterozygoten Mutationen (dominant negativer Effekt), die Autopsiebefunde der Degeneration von magnozellulären Neuronen, den verzögerten Beginn des Diabetes insipidus und die Einheitlichkeit des Krankheitsbildes trotz der Vielzahl von Mutationen.
Diabetes insipidus renalis
Bei der renalen ADH-Resistenz unterscheidet man zwischen angeborener und erworbener Endorganresistenz gegenüber ADH.
Zahlreiche Mutationen im V
2-AVP-Rezeptor-Gen bewirken den X-chromosomal rezessiv vererbten
Diabetes insipidus renalis (
nephrogener Diabetes insipidus, NDI). Die Erkrankung betrifft nur Knaben und Männer. Konduktorinnen können gelegentlich in geringerem Ausmaß polyurisch und polydiptisch sein, was auf eine vermehrte (einseitige) X-chromosomale Inaktivation des gesunden Allels zurückgeführt wird.
Auch die extrarenalen V
2-AVP-Rezeptoren sind von der Mutation betroffen. Dies lässt sich in einer abgeschwächten oder fehlenden Reaktion auf intravenös injiziertes Desmopressin nachweisen. Normalerweise kommt es nach Injektion von 4 μg
Vasopressin zu einer Vasodilatation im Bereich der Gefäße der Arme und zu einem Anstieg von
Gerinnungsfaktoren, wie dem von-Willebrandt-Jürgens-Faktor. Diese Effekte bleiben bei Mutationen im V
2-AVP-Rezeptor aus oder sind stark abgeschwächt.
In wenigen Familien mit renalem
Diabetes insipidus sind Frauen und Männer mit einem autosomal rezessiven Erbgang betroffen. Ursächlich konnten Mutationen des Aquaporin-2-(AQP2-)Gens nachgewiesen werden.
Weitaus häufiger als der kongenitale
Diabetes insipidus renalis ist die erworbene Form, die wesentlich milder verläuft.
Lithium bewirkt eine Polyurie, indem es zu einer Abnahme der ADH-abhängigen
Insertion von Wasserkanälen (Aquaporin-2
= AQP-2) in die luminale Zellmembran der Prinzipalzellen führt. Dadurch wird weniger Wasser aus dem Sammelrohr reabsorbiert. Auch die Hypokaliämie- oder Hyperkalziämie-induzierte Einschränkung der renalen Konzentrationskapazität scheint über eine Abnahme von AQP-2-Wasserkanälen verursacht zu sein. Der Vasopressin-„escape“, d. h. die Abnahme der Wirkung von ADH bei kontinuierlicher ADH-Erhöhung oder Langzeitgabe von ADH, geht ebenfalls mit einer Abnahme von AQP-2 einher. Demeclocyclin
bewirkt einen Diabetes insipidus renalis über Inhibition der ADH-induzierbaren Adenylatzyklase. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die den Mechanismus der Gegenstromkonzentration über eine Herunterregulation des Na-K-2Cl-Kotransporters einschränken. So ist auch in der polyurischen Phase der akuten tubulären Nekrose die medulläre Hypertonizität herabgesetzt und damit die ADH-induzierte Rückdiffusion von Wasser vermindert. Ob die Einschränkung der renalen Konzentrationskapazität durch übermäßiges Trinken (z. B. bei psychogener Polydipsie) eine Folge der Auswaschung der Nierenmarks ist, wurde in letzter Zeit infrage gestellt. Alternativ oder in Ergänzung zu dieser klassischen Hypothese spielt vermutlich bei fortwährender Polydipsie und vermehrtem Trinken auch in diesem Fall die Herunterregulierung der AQP-2-Expression eine wichtige Rolle.