Erschienen in:
21.06.2018 | Leistenhernie | Chirurgie und Recht
Juristische Relevanz von Leitlinien
Kontextualisierung am Beispiel internationaler Empfehlungen zur Therapie des Leistenbruches bei Erwachsenen
verfasst von:
PD Dr. med. D. Weyhe, Dr. rer. Nat. V. N. Uslar, C. Mählmeyer, Dr. jur. H. Oehlers
Erschienen in:
Die Chirurgie
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Ausgabe 8/2018
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Zusammenfassung
Hintergrund
Leitlinien sollen basierend auf Literaturevidenz Therapiekonzepte standardisieren und somit eine kollegiale Hilfestellung sein. Somit sollen diese Handlungsempfehlungen in erster Linie immer dem vulnerablen Patienten dienen. Unklar ist die juristische Relevanz und Rechtsverbindlichkeit internationaler Leitlinien im Vergleich zu den nationalen AWMF-Empfehlungen.
Methodik
Es erfolgte eine Literaturrecherche zu Leitlinien der AWMF und zu internationalen Leitlinien zur Versorgung der Leistenhernie des Erwachsenen. Unterschiede im Aufbau der Leitlinien werden analysiert und juristische Begriffe wie medizinischer Standard, Patientenrechtegesetz und die aktuelle Literatur zur Rechtsfindung werden in Bezug auf leitlinienkonforme Therapie definiert und kommentiert.
Ergebnisse
Seit 2003 wurden 15 Leitlinien und Empfehlungen zu der Versorgung von Leistenhernien publiziert. Eine AWMF-Leitlinie zu dem in Deutschland mit am häufigsten durchgeführten Eingriff existiert nicht. Unter anderem scheint der 2013 verabschiedete § 630 des BGB besonders bedeutsam zu sein, der den Begriff „medizinischer Standard“ normiert und Standardunterschreitungen nach Aufklärung explizit zulässt.
Diskussion
Aus juristischer Sicht kommen der Patienteneinwilligung und der Eingriffsaufklärung eine besonders hohe Bedeutung zu. Grundsätzlich kann ein nicht leitlinienkonformes Therapieverfahren vereinbart werden. Der Patient muss über die nach medizinischem Standard relevanten Therapieoptionen aufgeklärt werden, der Eingriff nach medizinischem Standard indiziert sein und die Operation gemäß dem nationalen medizinischen Facharztstandard erfolgen. Internationale Leitlinien können nicht a priori für sich beanspruchen, unbesehen befolgt zu werden und sind nicht mit deutschen S3-Leitlinien der AWMF juristisch gleichzusetzen. In jedem Fall wird dringend angeraten auf Standardunterschreitungen, individuelle Heilversuche und sog. Außenseitermethoden ausdrücklich hinzuweisen und explizit aufzuklären.