Erschienen in:
01.11.2009 | Originalien
Notfallmedizinische Betreuung von Palliativpatienten am Lebensende
Juristische Beurteilung notfallmedizinischer Handlungsweisen – retrospektive Fallbetrachtung zur medizinischen Indikation und zum Patientenwillen
verfasst von:
Dr. C.H.R. Wiese, G. Duttge, A.K. Weber, Y.A. Zausig, D. Ruppert, G.G. Hanekop, B.M. Graf
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 11/2009
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Betreuung reanimationspflichtiger Patienten im palliativen Erkrankungsstadium erfordert in der präklinischen Versorgung häufig ein Abweichen von notfallmedizinischen Algorithmen. Deshalb sollte der Notarzt über besondere rechtliche, palliativmedizinische und ethische Kenntnisse und Erfahrungen in der Betreuung von Palliativpatienten am Lebensende verfügen. Insbesondere aus rechtlicher Sicht erfordern Reanimationen bei Palliativpatienten ein differenziertes Vorgehen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mittels Darstellung einer Fallserie reanimationspflichtiger Palliativpatienten rechtliche Besonderheiten zu diskutieren und mögliche notärztliche Vorgehensweisen zu empfehlen.
Methodik
Wir analysierten retrospektiv eine Fallserie notfallmedizinischer Einsätze bei Palliativpatienten am Lebensende. Auf der Basis dieser Fälle werden rechtliche Unsicherheiten und begehbare Wege/Optionen in der Versorgung dieser Patienten dargestellt und diskutiert.
Ergebnisse
Die Fallberichte stellen 6 unterschiedliche notfallmedizinische Therapiekonzepte und rechtliche Besonderheiten bezüglich der Versorgung von Palliativpatienten bei Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion dar. Die unterschiedlichen therapeutischen Vorgehensweisen zeigen sich in der Entscheidung von Notärzten und Rettungsassistenten, lebenserhaltende Maßnahmen zu beginnen, diese fortzusetzen bzw. zu beenden oder eine symptomkontrollierte Therapie durchzuführen. In der Handlungsweise bestehen zwischen Rettungsassistenten und Notärzten deutliche Unterschiede, die für den Patienten in der weiteren notfallmedizinischen Versorgung bedeutsam sind. So beginnen Rettungsassistenten entsprechend ihrer Ausbildung trotz Vorliegens einer gültigen Patientenverfügung (z. B. Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen) eher mit Reanimationsmaßnahmen als Notärzte.
Schlussfolgerungen
Jeder Notarzt und Rettungsassistent kann mit der Versorgung von sich in der letzten Lebensphase befindenden Patienten konfrontiert werden. In diesen Fällen entspricht eine Versorgung entsprechend notfallmedizinischern Algorithmen nicht immer dem Patientenwunsch. Insbesondere rechtliche Unsicherheiten im Rahmen der Therapieentscheidung, gerade auch bezüglich der aktuellen Gesetzgebung zu Patientenverfügungen, können vom Patienten nicht gewünschte Konsequenzen nach sich ziehen. Der Notarzt und der Rettungsassistent müssen sich trotz einer akuten Situation der rechtlichen Besonderheiten, die sich bei der Behandlung solcher Patienten ergeben, bewusst sein. Insbesondere das Vorliegen einer schriftlichen Verfügung mit eindeutiger Ablehnung von Reanimationsmaßnahmen erfordert grundsätzlich deren Unterlassen.