Mit 3,6 % machen Pflegeheimbewohner einen nicht unerheblichen Anteil aller Notaufnahmebesuche aus, der höher liegt als in einer amerikanischen Studie [
4]. Insgesamt erfolgten nur etwa 40 % der Transporte mit Überweisung eines Vertragsarztes, obwohl diese oft während der Praxisöffnungszeiten stattfanden. Dies untermauert Ergebnisse einer anderen Studie, dass die Entscheidung zum Krankenhaustransport oftmals allein vom Pflegepersonal getroffen wird [
18]. Nach einer Befragung sind auch 54 % der Hausärzte der Meinung, dass das Pflegepersonal solche Entscheidungen zu häufig ohne ärztliche Rücksprache trifft [
9]. Interessanterweise waren in dieser Studie nur 9 % der Heimleitungen der gleichen Ansicht, die jedoch deutlich häufiger eine bessere Erreichbarkeit des Hausarztes forderten. Dass durch eine bessere Kommunikation zwischen Pflegepersonal und Hausärzten Krankenhaustransporte vermieden werden können, befürwortet jedoch ein großer Teil beider Berufsgruppen (Hausärzte: 91 %; Heimleitungen: 64 %; [
9]). Auch ein systematischer Review hebt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer besseren Kooperation und Kommunikation zwischen qualifiziertem Pflegepersonal und Hausärzten sowie der Verfügbarkeit von Hausärzten als wesentliche Faktoren hervor [
17]. Eine hohe Barriere, um diese Maßnahmen umzusetzen, ist in Deutschland sicherlich die Tatsache, dass durchschnittlich 8,6 verschiedene Hausärzte an der medizinischen Versorgung der Bewohner jeweils eines Pflegeheims beteiligt sind [
20].
Weiterhin zeigte sich, dass Pflegeheimbewohner in 10,3 % der Krankenhausaufenthalte verstarben. Dieser Anteil ist nahezu identisch zu einer Studie mit Daten der AOK Bremen/Bremerhaven (9,6 %; [
8]). Insgesamt versterben in Deutschland etwa ein Drittel aller Pflegeheimbewohner im Krankenhaus und etwa die Hälfte wird innerhalb des letzten Lebensmonats stationär behandelt [
15]. Diese Anteile haben sich während der letzten 10 Jahre kaum verändert [
16], jedoch stieg zeitgleich die Bedeutung des Settings Pflegeheim für die Versorgung am Lebensende [
12]. Ein systematischer Review (
n = 35 Studien) fand, dass Pflegeheimbewohner in Deutschland im internationalen Vergleich häufiger in der letzten Lebensphase im Krankenhaus behandelt wurden [
2]. In der Literatur werden insbesondere kurze Krankenhausaufenthalte am Lebensende von Pflegeheimbewohnern als kritisch und oft vermeidbar angesehen [
10,
17]. In diesem Zusammenhang ist der Anteil von 28,2 % aller Verstorbenen, deren stationäre Aufenthaltsdauer genau einen Tag betrug, in dieser Studie bemerkenswert. Andere Studien aus Deutschland finden Werte zwischen 10 und 11 % [
14,
16]. Allerdings zeigen auch diese Studien, dass die stationäre Aufenthaltsdauer vor Tod bei etwa einem Drittel maximal 3 Tage betrug ([
14,
16], hier 48 %) und untermauern damit dieses Versorgungsproblem. Mit 71 % schätzt auch die große Mehrheit der Hausärzte ein, dass Pflegeheimbewohner am Ende des Lebens zu häufig im Krankenhaus behandelt werden [
1]. Bewohner, die während des Aufenthalts versterben, werden nach unserer Studie jedoch in lediglich 31 % der Fälle überhaupt durch einen Vertragsarzt eingewiesen. Hier zeigt sich nochmals die Notwendigkeit von besserer interdisziplinärer Kommunikation, aber auch von Advance Care Planning (ACP) idealerweise unter Einbezug der Angehörigen bzw. die Notwendigkeit aussagekräftiger Patientenverfügungen [
17]. Zwar wurden 2018 in § 132g SGB V Möglichkeiten zur gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase geschaffen, wodurch Heime zusätzliche Leistungen von ACP erbringen und abrechnen können, jedoch läuft die Umsetzung schleppend. Insgesamt besteht für geriatrische Patienten und Pflegeheimbewohner, bei denen nichtonkologische Krankheitsbilder führend sind, in Deutschland eine Unterversorgung im Bereich palliativer Angebote [
22] sowie eine erhebliche regionale Heterogenität in deren Verfügbarkeit bzw. Nutzung [
6].
Auffällig ist auch, dass Pflegeheimbewohner im Vergleich zu allen Notaufnahmepatienten deutlich dringlicher triagiert wurden, was jedoch zur internationalen Literatur passt [
5,
7]. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Multimorbidität dieser Klientel eher dazu führt, einen rascheren Arztkontakt als notwendig zu erachten. Dies zeigt sich insbesondere auch für im Krankenhaus verstorbene Bewohner, von denen nahezu die Hälfte als orange bzw. rot triagiert wurden und Atemnot das führende Beschwerdebild war. Dies lässt vermuten, dass klassische Instrumente zur Ersteinschätzung gerade bei diesen Patienten zu einer Über- bzw. Fehltriagierung führen, da sie auf akut lebensbedrohliche Symptome wie Atemnot oder Vigilanzveränderungen fokussieren, die in einer palliativen Situation jedoch einen gänzlich anderen Therapieauftrag auslösen. Entsprechend sollten für solche Patienten zusätzliche Instrumente zur Einschätzung eines geriatrischen bzw. palliativen Versorgungsbedarfs etabliert werden. Ohne den Einsatz umfassender Assessments besteht bei geriatrischen Patienten in der Notaufnahme die Gefahr, wesentliche versorgungsrelevante Informationen zu übersehen.