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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 13.09.2023

Intrazellulärer Fettstoffwechsel und Störung der β-Oxidation

Verfasst von: Jan Philipp Köhler
Fettsäureoxidationsstörungen (FAOD) sind eine heterogene Gruppe von seltenen Erkrankungen des Fettsäurestoffwechsels. Unterschieden wird je nach betroffenem Enzym in Störungen der kurzkettigen, mittelkettigen und langkettigen Fettsäureoxidation. In Deutschland stellt der MCAD-Mangel die häufigste FAOD dar. Durch autosomal-rezessive Vererbung kommt es zu einer verminderten Aktivität der Enzyme und bei einer Katabolie kann der Körper nicht auf Fett als Energieträger und Baustein der Ketogenese zurückgreifen. Folgen sind u. a. eine lebensbedrohliche hypoketotische Hypoglykämie und bei einer lcFAOD zusätzlich die Gefahr einer Rhabdomyolyse oder Kardiomyopathie.
Bei V. a. eine FAOD erfolgt die Bestimmung des Acylcarnitinprofils. Bei Auffälligkeiten kann eine molekulargenetische Untersuchung die Diagnose sichern. Therapeutisch steht primär die Vermeidung der Katabolie sowie eine entsprechende fettreduzierte Diät und in Abhängigkeit der Erkrankung die Substitution mit mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Fette) im Vordergrund.

Einleitung

Die Fettsäureoxidationsstörungen stellen eine heterogene Gruppe von seltenen, autosomal-rezessiv vererbten, monogenetischen Erkrankungen des Energiestoffwechsels dar. Durch Mutationen der verschiedenen, für die β-Oxidation notwendigen Enzyme wird die Energiegewinnung aus Fettsäuren deutlich eingeschränkt. Relevant wird dies im Rahmen einer katabolen Stoffwechsellage, beispielsweise während interkurrenter Erkrankungen oder perioperativer Fastenepisoden, da in diesen Phasen nach Aufbrauchen der Glykogenspeicher in Leber und Muskulatur, die Energiegewinnung durch Verbrennung von Fettsäuren essenziell ist. Dies kann in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Erkrankung zu lebensbedrohlicher hypoketotischer Hypoglykämie mit Enzephalopathie, Myopathie mit Rhabdomyolyse, Hepatomegalie oder Kardiomyopathie mit maligner Herzrhythmusstörung führen.
Die meisten der potenziell schwer verlaufenden Formen wie der VLCAD-, LCHAD- oder mTFP-Mangel werden, wenn sie nicht durch das erweiterte Neugeborenenscreening direkt nach der Geburt erkannt werden, bereits in der Kindheit symptomatisch und dann diagnostiziert. Dennoch gibt es auch leichtere Verlaufsformen, die aufgrund von myopathischen Schmerzen oder erhöhten CK-Werten erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden.
Durch die deutschlandweite Etablierung des erweiterten Neugeborenenscreenings im Jahr 2005 werden zahlreiche Fettsäureoxidationsstörungen bereits im Neugeborenenalter diagnostiziert und eine entsprechende Therapie kann vor einer ersten Stoffwechselentgleisung eingeleitet werden. Durch die frühzeitige diätetische Therapie, Reduktion von Stoffwechselentgleisungen und das Monitoring auf Komplikationen erreichen mehr Patienten das Erwachsenenalter. Es ist mit einer relevanten Zunahme der Patientenzahl im Bereich der Inneren Medizin in den nächsten Jahren zu rechnen. Hierdurch wird das Themengebiet der Fettsäureoxidationsstörungen zukünftig für die Innere Medizin deutlich an Relevanz zunehmen.

Hintergrund und Pathobiochemie

Durch die in den Mitochondrien stattfindende und von Franz Knoop 1904 erstbeschriebene β-Oxidation werden langkettige Fettsäuren zu Acetyl-CoA sowie zusätzlich bei ungeradzahligen Fettsäuren zu Propionyl-CoA abgebaut. In einem weiteren Schritt folgt dann die Zuführung in den Citratzyklus zur weiteren Oxidation und Energiegewinnung oder die Bildung von Ketonkörpern. Während einer katabolen Stoffwechsellage im Rahmen von interkurrenten Erkrankungen oder Fastenperioden, kann so durch die β-Oxidation ein Großteil der für den Körper nötigen Energie gewonnen und in Form von Ketonkörpern z. B. dem Gehirn als Energieträger zur Verfügung gestellt werden. Die in den Fettzellen des Körpers als Triacylglycid gespeicherten Fettsäuren werden durch entsprechende Lipasen bei Bedarf ins Zytoplasma freigesetzt. Die Fettsäuren sind nativ nur gering stoffwechselaktiv, sodass diese durch eine ATP-vermittelte, energiereiche Thioesterbindung an das Coenzym A (CoA) in das stoffwechselaktive Acyl-CoA überführt werden müssen. Da die mitochondriale Innenmembran für langkettige Fettsäuren (≥ C10) nicht durchlässig ist, muss das Acyl-CoA mit Hilfe eines Acylcarnitin-Shuttles über die Membran transportiert werden. Die kürzeren, mittelkettigen Fettsäuren (< C10) können hingehen frei durch die innere Mitochondrienmembran diffundieren. An der Außenmembran der Mitochondrien katalysiert die Carnitin-Palmitoyltransferase I (CPT-I, auch Carnitin-Acyltransferase I genannt) die Bildung von Acylcarnitin und Coenzym A aus Acyl-CoA und Carnitin. Das Acylcarnitin kann nun durch den ATP-abhängigen Membrantransporter Carnitin-Acylcarnitin-Translokase (CACT) durch die Innenmembran ins Mitochondrium transportiert werden. Das sich an der Innenmembran befindliche Enzym Carnitin-Palmitoyltransferase II (CPT-II, auch Carnitin-Acyltransferase II genannt) überträgt den Acylrest erneut auf ein Coenzym A. Das freigewordene Carnitin wird in einem Antiport durch die CACT im Austausch mit Acylcarnitin zurück über die Innenmembran des Mitochondriums ins Zytoplasma transportiert und steht für einen weiteren Transportvorgang zur Verfügung. Das für diese Vorgänge benötigte Carnitin gelangt durch einen spezifischen Carnitintransporter aus dem extrazellulären Raum über die Plasmamembran ins Zytoplasma.
In den Mitochondrien findet nun in Abhängigkeit ihrer Länge der schrittweise Abbau der Fettsäure zu Acetyl-CoA statt. Je Sequenz wird diese um 2 C-Atome gekürzt. Dieser Vorgang wird über intramitochondriale Enzyme katalysiert, die spezifisch für die Länge der Fettsäure sind und dementsprechend benannt werden. Folgende Enzyme sind für die β-Oxidation von langkettigen Fettsäuren wie Stearinsäure (C18) in Acetyl-CoA-Moleküle notwendig:
  • Short-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase (SCHAD),
  • Short-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase (SCAD),
  • Medium-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase (MCAD),
  • Long-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase (LCHAD),
  • Very-long-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase (VLCAD).
Der entstehende C2-Rest wird durch das mitochondriale trifunktionale Protein (MTP bzw. mTFP) in drei Einzelschritten erst zu Acetyl-CoA sowie für Reduktion von NADH und FADH2 verwendet. Die drei beteiligten Enzyme sind 2-Enoyl-CoA-Hydratase, Long-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase und Long-chain-3-ketoacyl-CoA-Thiolase.
Alle bisher beschriebenen Einzelschritte der intrazellulären Fettsäureverwertung können durch monogenetische Mutationen gestört bzw. gehemmt sein. Ferner gibt es den multiplen Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MAD-Mangel bzw. Glutarazidurie Typ II), bei dem durch Mutationen in der α- und β-Untereinheit des Elektronen-Transfer-Flavoproteins (ETF) und der ETF-Coenzym Q-Oxidodereduktase mehrere Dehydrogenasen betroffen sind.
Im Folgenden werden für die relevantesten und häufigsten Erkrankungen die Pathomechanismen kurz dargestellt:
Medium-Chain-Acyl-Coenzym-A-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Mangel)
Bei einem MCAD-Mangel ist der Abbau der mittelkettigen Fettsäuren (C6–C12) gehemmt und es akkumulieren vorwiegend mittelkettige Fettsäuren der Länge C6–C10 im Serum, die per Tandemmassenspektroskopie nachgewiesen werden können. Durch den gestörten Abbau werden im Falle einer Katabolie vermindert Ketonkörper gebildet und das durch die Ketonkörper vermittelte Signal für die Glukoneogenese bleibt aus. Der Körper muss vermehrt auf Glukose als Energieträger zurückgreifen, sodass im Verlauf durch den vermehrten Glukoseverbrauch, die fehlende Glukoneogenese und Ketonkörperbildung eine lebensbedrohliche hypoketotische Hypoglykämie mit Gefahr einer Enzephalopathie resultiert.
Langkettige Fettsäureoxidationsstörungen („long-chain fatty acid oxidation defects“, lcFAOD)
Bei dieser Erkrankungsgruppe, bestehend aus dem VLCAD-, LCHAD- und TFP-Mangel, CPT-1-, CPT-2- und CACT-Mangel, stehen langkettige Fettsäuren dem Körper für die Energiegewinnung nicht ausreichend zur Verfügung. Die mittelkettigen (< C10) und kurzen Fettsäuren können ungehindert über die innere mitochondriale Membran diffundieren und können zur Energiegewinnung weiterverwendet werden. Im Falle einer Katabolie kann aufgrund der fehlenden Verwertung der langkettigen Fettsäuren in den Skelettmuskeln und dem Herzen nicht ausreichend Energie aus der Lipolyse gewonnen werden, was im schlimmsten Fall zur Rhabdomyolyse, Kardiomyopathie und akutem Leberversagen führen kann.
Ferner akkumulieren die langkettigen Fettsäuren, insbesondere im Falle einer gesteigerten Lipolyse bei einer katabolen Stoffwechsellage, in den Zellen und wirken toxisch. Hierdurch kann es als Langzeitkomplikationen zu Herzrhythmusstörungen, dilatativen Kardiomyopathien oder im Falle eines LCHAD- bzw. TFP-Mangels auch zu Neuropathien oder Retinopathien kommen. Da die durch die Lipolyse oder falsche Ernährung anfallenden Triglyzeride nicht suffizient abgebaut werden können, werden diese im Körper u. a. in der Leber gespeichert und verursachen eine Steatosis hepatis mit Gefahr der Entwicklung einer Leberzirrhose.

Epidemiologie

Alle Fettsäureoxidationsstörungen sind sehr seltene Erkrankungen, die autosomal-rezessiv vererbt werden. Die Inzidenz, ob die Erkrankung im Neugeborenenscreening enthalten ist und die Online Mendelian Inheritance in Man Number sind in Tab. 1 aufgeführt. Die in Deutschland häufigste Fettsäureoxidationsstörung ist der MCAD-Mangel mit einer Inzidenz von 1:10.000–1:20.000. Aufgrund der autosomalen Vererbung gibt es bei den meisten Fettsäureoxidationsstörungen keinen geschlechtsspezifischen Unterschied. Beim CPT-2-Mangel sind mehr Frauen als Männer betroffen, wobei die genaue Ursache bisher nicht bekannt ist. Weltweit weisen die Erkrankungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen eine deutlich schwankende Inzidenz auf. Beispielsweise tritt der primäre Carnitinmangel, der in Deutschland je nach Publikation mit einer Inzidenz von 1:20.000–1:70.000 angegeben wird, auf den Faröer-Inseln mit einer Inzidenz von 1:300 auf. Auch regionale Unterschiede sind bekannt. So weist die in Deutschland am häufigsten vorkommende Mutation beim MCAD-Mangel ein deutliches Nord-Süd-Gefälle mit einer maximalen Inzidenz von 1:4900 in Norddeutschland auf. Es wird geschätzt, dass die für den MCAD-Mangel am häufigsten vorkommende pathogene Variante c.985A> G im ACADM-Gen in der Normalbevölkerung mit einer Frequenz von 1:40 auftritt.
Tab. 1
Bekannte Fettsäureoxidationsstörungen mit ihrer Inzidenz und OMIN. Aufgeführt sind die bekannten Fettsäureoxidationsstörungen mit ihrer Online Mendelian Inheritance in Man Number (OMIN), ihrer Inzidenz und ob die Erkrankung im Neugeborenenscreening nach dem GBA enthalten ist. Die anderen Fettsäureoxidationsstörungen werden im Rahmen von Studien ebenfalls im Neugeborenenscreening miterfasst
Name
OMIN
Inzidenz
Im Neugeborenenscreening enthalten
SCAD-Mangel
201470
1:40.000–1:100.000
Nein
SCHAD-Mangel
231530
< 1:1’000.000
Nein
MCAD-Mangel
201450
1:15.000
Ja
LCHAD-Mangel
600890
1:250.000
Ja
VLCAD-Mangel
291475
1:30.000–1:100.000
Ja
MTP-Mangel
600890
1:750.000
Ja
mTFP-Mangel
143450
  
CPT-1-Mangel
255120
1:1’000.000
Ja
CPT-2-Mangel
255110
1–9:100.000
Ja
CACT-Mangel
212138
< 1:1’000.000
Ja
MAD-Mangel/Glutarazidurie II
231680;
1:250.000
Nein
Primärer Carnitinmangel
212140
1:20.000–1:70.000
Nein
SCAD Short-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase; SCHAD Short-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase; MCAD Medium-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase; LCHAD Long-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase; VLCAD Very-long-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase; MTP oder mTFP mitochondriales trifunktionales Protein; CPT Carnitin-Palmitoyltransferase; CACT Carnitin-Acylcarnitin-Translokase; MAD multiple Acyl-CoA-Dehydrogenase

Klinik

Die Klinik, Therapie und Prognose der verschiedenen Fettsäureoxidationsstörungen weist eine große Heterogenität auf und ist abhängig vom betroffenen Enzym. Während bei Störungen des Abbaus von kurzkettigen Fettsäuren wie dem SCAD-Mangel nahezu keine Symptome berichtet werden und die Erkrankung eher als ein biochemischer Phänotyp des Fettabbaus als eine eigenen Krankheitsentität betrachtet wird, kann es beim Vorliegen eines VLCAD-Mangels mit gestörtem Abbau der langkettigen Fettsäuren zu einer lebenslimitierenden dilatativen Kardiomyopathie, lebensbedrohlichen hypoketotischen Hypoglykämien oder Rhabdomyolyse kommen. Bei vielen der Erkrankungen kann außerdem in Abhängigkeit der erhaltenden Enzymfunktion zwischen frühen, meistens schweren Formen und im Verlauf erst symptomatisch werdenden, meist milderen Late-onset-Varianten unterschieden werden. Ein Großteil der Patienten mit einer metabolisch gut eingestellten Fettsäureoxidationsstörung imponiert zwischen den Stoffwechselentgleisungen klinisch sowie laborchemisch unauffällig. Die Klinik aller Fettsäureoxidationsstörungen basiert in unterschiedlichem Ausmaß, je nach Erkrankung, aus dem Mangel an Energie und v. a. bei den lcFAOD aus den toxischen Effekten durch die Akkumulation der langkettigen Acylcarnitine.
Im Folgenden werden die Erkrankungen, soweit möglich, in Gruppen zusammengefasst und in ihrer Klinik mit dem Fokus auf das Erwachsenenalter beleuchtet.
Medium-Chain-Acyl-Coenzym-A-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Mangel)
Kinder mit einem MCAD-Mangel imponieren nach der Geburt unauffällig und werden, sofern sie nicht im Rahmen des Neugeborenenscreenings detektiert werden, in den ersten Lebensjahren zumeist aufgrund akuter Infekte mit reduzierter Nahrungsaufnahme durch Entwicklung einer hypoketotischen Hypoglykämie und Enzephalopathie auffällig. Dahingegen kann bei einem Großteil der im Neugeborenenscreening diagnostizierten Kinder durch frühzeitige Kohlenhydratsubstitution im Rahmen dieser Situationen eine Stoffwechselentgleisung vermieden werden.
Der Körper kann, sobald die Glykogenspeicher in den Muskeln und der Leber im Falle einer katabolen Stoffwechsellage aufgebraucht sind, den Energiehaushalt nicht ausreichend durch die Verwertung von Fetten und der Bildung von Ketonen aufrechterhalten, sodass es zu einer hypoketotischen Hypoglykämie kommt. Da insbesondere das Gehirn in Fastenperioden auf die Verwendung von Ketonkörper zur Energiegewinnung angewiesen ist, kann es in solchen Fällen zu einer Enzephalopathie mit Krampfanfällen und Koma kommen. In der akuten Entgleisung tritt in sehr seltenen Fällen außerdem eine Hepatopathie mit elevierten Transaminasen- und Ammoniakkonzentrationen durch die akute Verfettung der Leber auf. Ferner kann es selten im Rahmen einer Stoffwechselentgleisung zu Herzrhythmusstörungen mit verlängerter QT-Zeit und schlussendlich zu ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern kommen.
Durch die deutschlandweite Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings Anfang der 2000er-Jahre wurden auch asymptomatisch verlaufende, milde MCAD-Mängel erkannt, die nur sehr geringe Veränderungen in ihrem Acylcarnitin-Profil aufweisen und durch eine entsprechende Therapie zeitlebens asymptomatisch verbleiben. Zur Vermeidung der oben aufgeführten Klinik ist bei den Patientinnen und Patienten dennoch eine lebenslange Betreuung notwendig.
Vor Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings war eine häufige Ursache des Sudden Infant Death ein unentdeckter MCAD-Mangel, da dieser, wenn er nicht vorbekannt ist, bei Erstmanifestation eine Letalität von 18–25 % aufweist.
Langkettige Fettsäureoxidationsstörungen („long-chain fatty acid oxidation defects“, lcFAOD)
Die Klinik des VLCAD-Mangels reicht von schweren neonatalen Verläufen, mit Kardiomyopathie ggf. mit malignen Rhythmusstörungen, Reye-ähnlichen Symptomen mit schwerer Hepatopathie oder Rhabdomyolysen mit Crush-Niere, bis hin zu milden, unter suffizienter Therapie nahezu asymptomatischen Verläufen. Es werden in Abhängigkeit der erhaltenden Enzymrestfunktion grob drei Verlaufsformen unterschieden: eine schwere neonatale Verlaufsform, die gekennzeichnet ist durch die oben geschilderten Organschäden, eine vorwiegend hepatische Form, bei der es zu hypoketotischen Hypoglykämien kommt, und eine mildere Form, bei der hauptsächlich muskuläre Probleme im Vordergrund stehen. Die mildere Verlaufsform wird, wenn nicht im Neugeborenenscreening detektiert, meist erst nach der Kindheit symptomatisch. Vor Etablierung des deutschlandweiten erweiterten Neugeborenenscreenings sind ein Großteil der Kinder mit den oben geschilderten schweren Symptomkomplexen erstmalig aufgefallen und häufig durch eine verspätete Diagnosestellung an den Folgen im Kindesalter verstorben. Durch eine frühzeitige Diagnose und suffiziente Therapie erreichen diese Kinder heutzutage meistens ohne relevante körperliche oder kognitive Defizite das Erwachsenenalter.
Im Erwachsenenalter stehen v. a. die muskulären Symptome im Vordergrund. Nach körperlicher Belastung und damit einhergehendem erhöhten Energiebedarf der Skelettmuskulatur, nach längeren Hungerphasen wie beispielsweise im Rahmen einer OP oder interkurrenter Erkrankungen kann es zu myopathischen Schmerzen, Schwäche der Muskulatur oder einer Lethargie kommen. Laborchemisch ist in diesen Fällen eine erhöhte Serumkreatinkinase bis hin zu einer schweren, lebensbedrohlichen Rhabdomyolyse mit Zeichen einer akuten Niereninsuffizienz nachweisbar. Das Neuauftreten einer Hepatopathie oder Kardiomyopathie im Erwachsenenalter ist untypisch, kann aber nach längerer unzureichender Stoffwechseleinstellung in Einzelfällen auftreten. Die Kardiomyopathie imponiert initial hypertroph und geht im Verlauf zu einer dilatativen Form über und kann ebenfalls zu den aus der Kindheit berichteten Herzrhythmusstörungen führen. Die Hepatopathie ist ein Ausdruck der vermehrten Fetteinlagerung in die Leber und geht meistens mit einer isolierten Transaminasenerhöhung im Sinne einer Steatosis hepatis einher. Sowohl die Kardiomyopathie als auch die Hepatopathie sind bei einer zeitigen Diagnose unter einer suffizienten Stoffwechseleinstellung reversibel.
Der LCHAD- und mTFP-Mangel sind ebenfalls Störungen des Abbaus und der Verwertung der langkettigen Fettsäuren und weisen in Symptomatik und Verlauf Ähnlichkeiten zum VLCAD-Mangel auf. Ebenfalls können drei Verlaufsformen unterschieden werden: Eine schwere neonatale und häufig letale Variante, eine sich in der Kindheit manifestierende, intermediär-schwere Form mit hauptsächlich kardialen und hepatischen Komplikationen einhergehend mit hypoketotischen Hypoglykämien und eine mildere, erst später auftretende Variante mit vorwiegend muskulären Symptomen. Bei Patientinnen und Patienten mit einem LCHAD-Mangel liegt im Gegensatz zum mFTP-Mangel meistens eine schwere oder intermediär-schwere Variante vor. Neben den bereits beim VLCAD-Mangel berichteten kardialen und hepatischen Komplikationen treten bei beiden Varianten auch Neuro- und Retinopathien im Verlauf auf. Eine isolierte neuromuskuläre Symptomatik ist hinweisend für einen milderen mTFP-Mangel. Die Patientinnen und Patienten entwickeln im Verlauf meistens eine ausgeprägte Muskelschwäche, sehr geringe körperliche Belastbarkeit und schwere Rhabdomyolysen nach geringeren körperlichen Anstrengungen. Ferner können sensorische und motorische Neuropathien und Retinopathien, eher beim LCHAD-Mangel, auftreten.
Die Transporterstörungen der langen Fettsäuren imponieren meist klinisch ähnlich wie ein VLCAD-Mangel. Der CPT-1-Mangel wird großteilig neonatal oder in den ersten Lebensjahren symptomatisch, wobei in einzelnen Fallberichten auch von einem Symptombeginn im jungen Erwachsenenalter berichtet wurde. In diesen Fällen kam es meistens zu einem fulminant verlaufenden Leberversagen. Bei den Kindern treten, bedingt durch eine Katabolie, ausschließlich hepatische Symptome mit erhöhten Leberwerten, hepatischer Enzephalopathie, hypoketotischer Hypoglykämie und Verfettung der Leber auf. Kardiale oder muskuläre Symptome treten nicht auf. Beim CPT-2-Mangel werden ähnlich wie beim VLCAD-Mangel eine letal verlaufende neonatale, eine hepatokardiale und eine mildere myopathische Form unterschieden, wobei die myopathische mildere Form, die am häufigsten auftretende Variante ist. Auslösende Faktoren sind wie beim VLCAD-Mangel eine Katabolie bzw. ein gesteigerter Grundumsatz, wodurch der Körper die Verbrennung von Fettsäuren als zusätzlichen Energieträger benötigt. Muskelschmerzen und vermehrte Müdigkeit nach Belastung stehen als Symptome im Vordergrund.
Im Gegensatz zum CPT-2-Mangel dominiert beim CACT-Mangel eine schwere und meist letal verlaufende neonatale Form mit schwerer Kardiomyopathie, maligner Herzrhythmusstörung und akuter Hepatopathie begleitet von einer Hyperammonämie. In seltenen Fällen kann auch eine mildere spätauftretende Form vorliegen, die wie bei den übrigen Störungen der Verwertung von langkettigen Fettsäuren mit vorwiegend muskulären Beschwerden einhergeht.

Diagnostik

Die erste und wichtigste Diagnostik beim Verdacht auf eine Fettsäureoxidationsstörung ist die Bestimmung des Acylcarnitinprofils mittels einer Tandemmassenspektroskopie in einem entsprechenden Stoffwechsellabor. Hierfür wird Blut auf einer Trockenblutkarte benötigt, wobei die Bestimmung des Profils auch aus dem Plasma möglich ist. Anhand des Acylcarnitinprofils kann die zugrunde liegende Störung weiter eingegrenzt werden, da die Acylcarnitine der entsprechenden Erkrankung signifikant verändert sind. Beispielsweise liegt bei einem MCAD-Mangel eine deutliche Erhöhung der Acylcarnitine C6–C10 vor. Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass insbesondere bei milden Verlaufsformen ein unter anabolen Bedingungen abgenommenes Acylcarnitinprofil nicht verwertbar ist, da durch die Anabolie eine Fettsäureoxidationsstörung verschleiert werden kann. Tab. 2 stellt die entsprechenden Veränderungen der Acylcarnitine bei den verschiedenen Erkrankungen und die häufigsten zugrunde liegenden Mutationen in Deutschland dar, soweit bekannt.
Tab. 2
Das krankheitstypische Acylcarnitinprofil mit den betroffenen Genen. Aufgeführt sind für die verschiedenen Fettsäureoxidationsstörungen die spezifischen Veränderungen des Acylcarnitinprofils, das betroffene Gen und, soweit bekannt, die häufigsten Mutationen im zugrunde liegenden Gen bezogen auf Deutschland bzw. Europa
Name
Veränderung des Acylcarnitinprofilsa
Betroffenes Gen
Häufige Mutation
SCAD-Mangel
C4 erhöht
ACADS
c.511C > T, p.Argl71Trp c.625G > A, p.Gly209Ser
SCHAD-Mangel
C4-OH erhöht
HADHSC
/
MCAD-Mangel
C6–C10 erhöht, freies Carnitin reduziert
ACADM
c.985A > G, p.Lys329Glu c.199T > C, p.Tyr67His
LCHAD- u. mTFP-Mangel
C16-OH bis C18:1-OH erhöht, freies Carnitin reduziert
HADHA HADHB
c.1528G > C, p.Glu510Gln für HADHA
VLCAD-Mangel
C14–C16 erhöht, freies Carnitin erhöht
ACADVL
c.848T > C, p.Val283Ala
CPT-1-Mangel
Freies Carnitin erhöht, C14–C18 erhöht
CPT1a
/
CPT-2-Mangel
C14–C16 erhöht, freies Carnitin erhöht
CPT2
c.338C > T, p.Ser113Leu
CACT-Mangel
C14–C16 erhöht, freies Carnitin erhöht
SLC25A20
/
MAD-Mangel/Glutarazi-durie II
Freies Carnitin reduziert und verschiedenste Acylcarnitine erhöht
ETFA, ETFB, ETFDH
/
Primärer Carnitinmangel
Freies Carnitin und verschiedenste Acylcarnitine reduziert
SLC22A5
/
aC + Zahl bezeichnet die entsprechende Länge der Fettsäuren, mit oder ohne Hydroxylierung
SCAD Short-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase; SCHAD Short-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase; MCAD Medium-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase; LCHAD Long-chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase; mTFP mitochondriales trifunktionales Protein; VLCAD Very-long-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase; CPT Carnitin-Palmitoyltransferase; CACT Carnitin-Acylcarnitin-Translokase; MAD multiple Acyl-CoA-Dehydrogenase
Im Falle eines auffälligen Acylcarnitinprofils sollten organische Säuren im Urin untersucht und eine molekulargenetische Untersuchung auf das Vorliegen einer Mutation in dem entsprechenden Gen sich anschließen. Ferner kann eine Enzymfunktionsdiagnostik aus Fibroblasten erfolgen. Zu betonen ist, dass die meisten Patientinnen und Patienten mit einer Fettsäureoxidationsstörung bereits in der Kindheit aufgrund eines auffälligen Neugeborenenscreenings oder einer entsprechender Symptomatik erstdiagnostiziert werden. Eine Neudiagnose im Erwachsenenalter ist selten, aber sollte insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die über unklare Muskelschmerzen, geringe körperliche Belastbarkeit oder unklar erhöhte CK-Werte klagen, als Differenzialdiagnose erwogen werden.
Im Rahmen der regelhaften ambulanten Vorstellung erfolgt neben der Anamnese und einer klinischen Untersuchung eine laborchemische Bestimmung der Leber-, Nierenfunktion- und Kreatinkinasewerte im Serum. Das Vorstellungsintervall ist abhängig von der Erkrankung und dem bisherigen Verlauf, üblicherweise zwischen vierteljährlich bis jährlich. Ferner wird das Acylcarnitinprofil im vierteljährlichen Abstand entweder bei der ambulanten Vorstellung oder per postalisch eingesandter Trockenblutkarte zur Kontrolle der Stoffwechseleinstellung bestimmt. Bei den langkettigen Fettsäureoxidationsstörungen erfolgt, soweit keine neuen Beschwerden auftreten und keine gravierenden kardialen Komplikationen bekannt sind, zusätzlich mindestens jährlich eine Echokardiografie, ein Elektrokardiogramm und eine Abdomensonografie.
Im Falle einer akuten Entgleisung sollte neben einer Blutgasanalyse zur Erfassung des pH und Säure-Basen-Haushaltes eine Bestimmung der Kreatinkinase, der Nierenretentionswerte, der Transaminasen und des Ammoniaks erfolgen.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch sind bei unklaren, episodisch auftretenden Myalgien, Myasthenien und Rhabdomyolysen neben den primären Myopathien wie den Muskeldystrophien, kongenitalen oder mitochondrialen Myopathien mit Störung der Atmungskette, die ebenfalls mit Kardiomyo-, Hepato-, Neuro- und Retinopathien einhergehen, auch die Glukogenosen wie M. Pompe (Glukogenose Typ II) und M. McArdle (Glukogenose Typ V) zu nennen. Eine weitere seltene Erkrankung, die mit episodisch auftretenden Rhabdomyolysen einhergeht, ist der LPIN1-Mangel (Lipin-1-Mangel), bei der durch den Mangel an Phosphatidat-Phosphatasen zu wenig Phosphatidat in Diacylgylcerol konvertiert wird und es bei fieberhaften Infekten zum Zelluntergang mit Rhabdomyolyse kommt. Auch eine Hypo- oder Hyperthyreose kann eine Ursache von Myalgien sein, sodass die Bestimmung von TSH und ggf. von fT3/fT4 im Rahmen der primären Diagnostik bei unklaren Myopathien erfolgen sollte.

Therapie

Die Therapie ist abhängig von der entsprechenden Erkrankung und reicht von regelmäßiger Kohlenhydrataufnahme, Vermeidung von Fastenzuständen und ggf. der oralen Substitution von Carnitin beim MCAD-Mangel bis hin zu strenger fettreduzierter und kohlenhydratreicher Diät, engmaschiger kardiologischer Mitbetreuung und Verwendung von MCT („medium-chain-triglyceride“)-haltigen Speziallebensmitteln bei den langkettigen Fettsäureoxidationsstörungen. Da eine lebenslange Therapiebedürftigkeit bei den Patientinnen und Patienten besteht, ist eine suffiziente Transition von einem Stoffwechselzentrum einer Kinderklinik in ein entsprechendes Zentrum in der Erwachsenenmedizin wichtig, um die Therapieadhärenz zu erhalten und zu verbessern, und sollte allen Patientinnen und Patienten ermöglicht werden. Für die einzelnen Erkrankungsgruppen werden nun im Folgenden die reguläre Therapie und das generelle Vorgehen in einer Notfallsituation beschrieben. Das Mitführen eines Notfallausweises mit dezidierten Handlungsanweisungen ist für alle Fettsäureoxidationsstörungen obligat.
Medium-Chain-Acyl-Coenzym-A-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Mangel)
Zur Vermeidung einer Stoffwechselentgleisung mit hypoketotischer Hypoglykämie und ggf. Rhabdomyolyse sollten bei Erwachsenen längere Fastenepisoden (> 12 h) unbedingt vermieden werden. Eine leichte Spätmahlzeit aus Kohlenhydraten wird vor dem Schlafen daher empfohlen. Im Falle einer interkurrenten Erkrankung wie beispielsweise eine Gastroenteritis sollte eine vermehrte Energiezufuhr erfolgen. Perioperativ ist eine entsprechende Glukosesubstitution zur Vermeidung einer Katabolie notwendig. Eine generelle strenge fettreduzierte Diät ist nicht notwendig, wobei diätetisch im Idealfall darauf geachtet werden sollte, dass nicht mehr als 30 % des täglichen Energiebedarfs aus Fetten bezogen wird. Ferner kann bei Nachweis eines Mangels an freiem Carnitin eine entsprechende Substitution erwogen werden (initial 30–50 mg/kg Körpergewicht pro Tag, verteilt auf 3–4 Einzeldosen), wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Benefit einer L-Carnitin-Substitution in den internationalen Fachgesellschaften aktuell kontrovers diskutiert und noch nicht abschließend bewertet wurde. Eine klare Empfehlung zur L-Carnitin-Substitution kann daher aktuell nicht erfolgen. In Mausmodellen konnte gezeigt werden, dass die im Blut gemessene Carnitinkonzentration nicht mit den Konzentrationen im Gewebe korreliert, da bei einem Carnitinverlust die endogene Carnitinsynthese in der Leber gesteigert und der Verlust im Gewebe lokal ausglichen wird.
Langkettige Fettsäureoxidationsstörungen („long-chain fatty acid oxidation defects“, lcFAOD)
Die Grundsäule der Therapie von lcFAOD ist, wie bei allen anderen Fettsäureoxidationsstörungen auch, die Vermeidung einer Katabolie. Die nächtlichen nüchternen Phasen sollten beim Erwachsenen maximal 12 h betragen. Bei schweren Verlaufsformen können auch schon bei einer kürzeren Nüchternzeit Symptome auftreten. Eine leichte Spätmahlzeit aus Kohlenhydraten wird daher vor dem Schlafen empfohlen. Bei körperlicher Aktivität muss in kürzeren Abständen regelmäßig Nahrung aufgenommen werden. In Abhängigkeit der Enzymrestaktivität bzw. der Schwere der Erkrankung ist eine kohlenhydratreiche Diät mit einem maximalen Fettanteil von 30 % zur Vermeidung einer Stoffwechselentgleisung notwendig, wobei ein Teil der langkettigen Fette durch synthetische MCT-Fette ersetzt werden muss. Je schwerer der Enzymdefekt und damit die Erkrankung, desto höher ist der Anteil der durch MCT-Fette zu ersetzenden natürlichen Fette. Der Anteil der durch MCT-Fette zu ersetzende natürliche Fette beträgt zwischen 5–15 %. Insbesondere vor körperlicher Belastung oder im Falle einer Erkrankung ist die Einnahme von MCT-Fetten zur Vermeidung einer Stoffwechselentgleisung sinnhaft (bspw. 0,5 g pro kg Körpergewicht 20 min vor der Belastung). Im Falle einer Erkrankung sollte die generelle Zufuhr von MCT-Fetten erhöht werden. Eine engmaschige Beratung und Betreuung durch eine geschulte Diätassistentin oder -assistenten sind obligat.
Wie bereits beim MCAD-Mangel erwähnt, wird die generelle Substitution von L-Carnitin kritisch diskutiert und sollte nur bei einem nachgewiesenen Mangel (freies L-Carnitin <8 μmol/l) erwogen werden. Eine generelle Substitution für jeden Patienten kann daher nicht empfohlen werden, insbesondere da die Substitution von L-Carnitin bei langkettigen Fettsäureoxidationsstörungen zu einer vermehrten Bildung von langkettigen Acylcarnitinen führt, welche toxisch auf das Myokard wirken und die Gefahr von Herzrhythmusstörungen noch erhöhen können. Eine L-Carnitin-Substitution sollte daher bei jedem Patienten im Einzelfall anhand des Acylcarnitinprofils erwogen werden. Eine Substitution erfolgt üblicherweise mit 10–25 mg pro kg Körpergewicht pro Tag, verteilt auf 3–4 Einzeldosen.
Eine weitere neue Therapieoption stellt die Substitution mit Triheptanoin (3 × C7-Fette) dar. Die ungeraden Fettsäuren werden in den Mitochondrien zu Acetyl-CoA und Propionyl-CoA abgebaut. Das Propionyl-Coa kann in anaplerotischen Reaktionen den sekundären Verlust von Substraten des Citratzyklus ausgleichen und den Stoffwechsel stabilisieren. Ferner werden hierdurch die Glukoneogenese und die Glykogenspeicherung angeregt. Es konnte gezeigt werden, dass durch die Substitution von 0,5–1 g Triheptanoin pro kg Körpergewicht pro Tag die Rate an Rhabdomyolysen, Kardiomyopathien und stationären Krankenhaustagen reduziert werden kann. Eine fettreduzierte Diät ist dennoch weiterhin notwendig. Als relevante Nebenwirkung können transiente abdominelle Schmerzen oder Diarrhöen auftreten. Triheptanoin wurde 2020 durch die FDA für die lcFAOD in den USA zugelassen. Eine generelle Marktzulassung in Deutschland durch die EMA ist aktuell ausstehend.Aktuelle kleinere klinische Studien konnten eine Verbesserung der Myalgien und auch der Lebensqualität bei Patientinnen und Patienten mit milder Symptomlast durch die Therapie mit Bezafibrat aufzeigen. Bezafibrat induziert als Agonist der Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPAR) verschiedene, für die Fettsäureoxidation notwendige Enzyme, wodurch wahrscheinlich der positive Effekt der Therapie erzielt wird. Außerhalb von Studien wird aktuell Bezafibrat noch nicht in der Therapie eingesetzt. Weitere Studien sind notwendig, um eine abschließende Bewertung vorzunehmen.Im Falle einer akuten Stoffwechselentgleisung ist das primäre Therapieziel die Durchbrechung der Katabolie mittels Gabe von Kohlenhydraten. Die Gabe kann oral bzw. bei kritisch kranken Patientinnen und Patienten intravenös erfolgen. Hierfür sollte, falls die orale Aufnahme nicht möglich ist, intravenös 2 ml 10 % Glukose pro kg Körpergewicht pro Stunde infundiert werden (bspw. bei einem 70 kg Patient 140 ml/h 10 % Glukose bzw. bei Vorhandensein eines zentralen Zugangs 28 ml/h 50 % Glukose). Das Blutzuckerziel beträgt 120–170 mg/dl. Bei schweren Entgleisungen kann eine intravenöse L-Carnitin Substitution mit 100 mg pro kg Körpergewicht erwogen werden. Eventuell kann zur Unterbindung der Lipolyse die zusätzliche Gabe von Insulin erfolgen. Bei schwerer metabolischer Azidose (pH < 7,1) sollte ein Puffern des pHs mit Bikarbonaten durchgeführt werden (Menge Natriumbikarbonat 8,4 % = [−BE] × 0,3, × kgKG, erste Hälfte sofort, zweite Hälfte langsam unter regelmäßigen pH-Kontrollen). Bei schwerer metabolischer Entgleisung, akutem Nierenversagen oder schwerer Kardiomyopathie sollte unbedingt eine zeitnahe Verlegung auf eine Intensivstation und die Kontaktaufnahme zu dem betreuenden Stoffwechselzentrum erfolgen. Ein Notfallausweis mit entsprechenden Handlungsanweisungen und Kontaktdaten zum behandelnden Stoffwechselzentrum ist daher obligat.

Verlauf und Prognose

Durch das erweiterte Neugeborenenscreening und die damit einhergehende, zeitgerechte Therapie hat sich die Prognose der Patientinnen und Patienten seit 2005 deutlich verbessert und immer mehr Patientinnen und Patienten erreichen das Erwachsenenalter. Bei einer guten Stoffwechseleinstellung mit regelhafter Vermeidung einer Katabolie liegt bei dem MCAD-Mangel keine Einschränkung der Lebenserwartung vor. Bei den lcFAOD ist bei rechtzeitiger Diagnose und suffizienter Therapie die Prognose ebenfalls gut und bei guter Stoffwechseleinstellung liegt eine normale Lebenserwartung ohne relevante Einschränkungen vor. Eine Ausnahme bildet der LCHAD- und mTFP-Mangel. Beim LCHAD-Mangel kommt es trotz guter Stoffwechseleinstellung häufig zu einer Retinopathie, die im Verlauf zu einer Erblindung der Patientin oder des Patienten führen kann. Eine schwere Neuropathie entwickelt sich meist beim mTFP-Mangel trotz einer ausreichenden Stoffwechsellage, wodurch die Patientinnen und Patienten körperlich eingeschränkt und zumindest auf einen Rollstuhl im Verlauf ihres Lebens angewiesen sind. Bei schlechter Stoffwechseleinstellung und Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie mit ggf. Herzrhythmusstörung ist die Prognose hingegen deutlich eingeschränkt.
Besondere Aspekte
Wie bei den meisten angeborenen Stoffwechselerkrankungen stellt eine Schwangerschaft für die Patientinnen eine kritische Phase dar, da durch die Schwangerschaft die Gefahr einer potenziell lebensbedrohlichen Katabolie aufgrund des gesteigerten Energiebedarfs steigt. Beim MCAD-Mangel ist die alleinige Vermeidung einer Katabolie durch regelmäßige Nahrungsaufnahme für eine erfolgreiche Schwangerschaft ausreichend. Bei den lcFAOD kann es sogar durch die die kindliche bzw. fetale β-Oxidation während der Schwangerschaft zu einer Verbesserung der Stoffwechsellage kommen. Nichtsdestotrotz ist eine ausreichende Kalorienzufuhr mit Vermeidung einer Katabolie ebenfalls essenziell. Insbesondere die Geburt mit der Gefahr von katabolem Stress stellt für die werdenden Mütter eine hohe Gefahr dar, sodass in der Phase eine engmaschige Mitbetreuung durch ein erfahrenes Stoffwechselteam und eine intravenöse Kohlenhydratsubstitution notwendig sind.
Das Risiko für die Entwicklung eines HELPP-Syndroms („hemolysis, elevated liver enzymes and low platelets“) oder einer akuten Schwangerschaftsfettleber (AFLP) in der Schwangerschaft ist für heterozygote Anlageträger, insbesondere beim LCHAD-/mTFP-Mangel deutlich erhöht. Bei bekannter positiver Familienanamnese sollte daher ein engmaschiges Monitoring der Schwangeren erfolgen.
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