Die Syringomyelie ist gekennzeichnet durch röhrenförmige, flüssigkeitsgefüllte Aushöhlungen im Rückenmark. Es kommt zu einem charakteristischen zentralen Rückenmarksyndrom, dessen Leitsymptom die dissoziierte Sensibilitätsstörung ist. Fehlbildungen des kraniozervikalen Übergangs sind oft assoziiert; der untere Hirnstamm kann einbezogen sein (Syringobulbie). Die Behandlung ist nach Möglichkeit operativ und zielt auf die Normalisierung der zerebrospinalen Liquorzirkulation ab. In Fällen, wo keine kausale Operationsmaßnahme (z. B. Beseitigung von Fehlbildungen oder Raumforderungen) zur Verfügung steht, kann die operative Drainage der intrakavitären Flüssigkeit die Symptomatik bessern oder zum Stillstand bringen. Voraussetzung für die Entscheidung über das geeignete Operationsverfahren ist die Aufklärung der Ätiologie im Individualfall und die genaue anatomische Darstellung der Höhlenbildung mittels MRT. Unbehandelt ist der Verlauf häufig chronisch-progredient und kann zur schweren Behinderung führen.
Die Syringomyelie ist eine typische Spätkomplikation nach einem schweren spinalen Trauma – ein sorgfältiges klinisches Monitoring („daran denken‟) noch Jahre nach dem Trauma ist erforderlich.
Operative Therapieverfahren
Die Operationsindikation lässt sich mühelos bei denjenigen Patienten stellen, die jung sind, bei denen die Syringomyelie in einem frühen Stadium erkannt wird und die Progredienz rasch ist. Schwieriger ist die Entscheidung bei sehr langsamen Verläufen oder bei klinischem Stillstand, bei älteren Patienten und bei Patienten mit bereits sehr schwerwiegenden neurologischen Defiziten – hier kommt ggf. auch eine konservative Vorgehensweise in Frage.
Die Wahl der Operationsmethode hängt ab von einer genauen Klärung der ätiologischen und anatomischen Verhältnisse. Insbesondere ist die Aussage wichtig, ob es sich um eine kommunizierende oder eine nichtkommunizierende Syringomyelie handelt. Alle operativen Verfahren zielen darauf, die Liquorzirkulation zu normalisieren und eine Entlastung des Binnendrucks der flüssigkeitsgefüllten Syrinx zu erzielen. Die Rezidivrate ist trotz initialer guter Besserung hoch – 10 Jahre post operationem hat sich bei 50–60 % der operierten Patienten die neurologische Symptomatik wieder verschlechtert.
Syringopleurale, syringoperitoneale und syringosubarachnoidale Shuntverfahren sind möglich. Ihre Anwendung ist in Erwägung zu ziehen, wenn die Syrinx keine Verbindung zu den übrigen Liquorräumen hat und keine Option einer kausalen chirurgischen Behandlung besteht.
Alle operativen Vorgehensweisen, die – sofern möglich – auf eine Beseitigung der Ursachen der Syrinxentstehung abzielen, sind einem reinen Shunting überlegen. Spielt arachnoidales Narbengewebe eine Rolle, so lässt sich die langfristige Erfolgsrate eines Shunteingriffs deutlich verbessern, wenn das arachnoidale Narbengewebe mikrochirurgisch reseziert wird. Im Fall der kommunizierenden Syringomyelien, bei denen in der Regel pathologische Druck- und Flussverhältnisse in der Umgebung des kraniozervikalen Übergangs bestehen, sind kausal ausgerichtete Operationsverfahren dem reinen Shunting deutlich überlegen. Unter den Oberbegriff Foramen-magnum-Dekompression fallen hier alle Methoden, die durch Herstellung einer großen, künstlichen Cisterna magna mehr Platz und damit eine Druckentlastung in der Umgebung des Foramen magnum schaffen. Je nach den gegebenen Verhältnissen kann dies durch subokzipitale Kraniektomie, durch eine dorsale zeltförmige Duraplastik und/oder durch Resektionen im Bereich der oberen Halswirbelbögen erreicht werden, selten auch durch die Resektion eines Tumors in der hinteren Schädelgrube. Insgesamt scheint die Dekompression mit Duraplastik der rein knöchernen Dekompression überlegen zu sein (Förander et al.
2014). Prognostisch entscheidend ist die Schaffung klarer Liquorzirkulationswege zwischen den zerebellopontinen Zisternen, dem IV. Ventrikel und dem Spinalkanal. Ein begleitender
Hydrozephalus erfordert ggf. den Einbau eines ventrikuloatrialen oder ventrikuloperitonealen Shunts.
Handelt es sich um posttraumatische Syringomyelien, bei denen frakturbedingte Fehlstellungen der Wirbelsäulenachse bestehen, kann manchmal allein eine operative Aufrichtung der Wirbelsäule oder eine dekompressive Wirbelbogenteilresektion mit Rekonstruktion des Subarachnoidalraums die Syrinx zum Kollaps bringen.
Da bei jeder Syringomyelie mit einer irreversiblen Schädigung kleiner paravertebraler Muskeln gerechnet werden muss, ist bei allen wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen besonderes Augenmerk auf eine größtmögliche knöcherne Stabilität zu richten. Hemilaminektomien ist – sofern möglich – der Vorzug gegenüber Laminektomien zu geben, instrumentelle Stabilisation ist ggf. angebracht. Aufgabe des Neurologen ist es, durch sorgfältige klinisch-neurologische und elektromyografische Abklärung präoperativ das Ausmaß der motorischen Ausfälle zu erheben und detailliert mitzuteilen.
Ist die Syringomyelie durch einen spinalen Tumor entstanden, so ist dessen Resektion die Methode der Wahl. Ist dies nicht möglich, so kann ein Shunt versucht werden. Wegen des hohen Proteingehalts der Syrinxflüssigkeit bei Tumoren sind jedoch Shuntverklebungen häufig. Als Palliativverfahren kommt die Nadelaspiration des Syrinxinhalts in Betracht.
Wenn das Rückenmark unter starker Spannung steht (Tethered Cord
) – also bei
Skoliosen, bei
Arnold-Chiari-Malformationen oder posttraumatisch, kann die Durchtrennung des Filum terminale in manchen Fällen Entlastung schaffen und zu einem Kollaps der Syrinxhöhle führen (Kulwin et al.
2013).
Facharztfragen
1.
Weshalb ist zur diagnostischen Abklärung einer Syringomyelie eine kraniale Bildgebung erforderlich?
2.
Weshalb ist es wichtig, vor einem operativen Eingriff zur Behandlung einer Syringomyelie ein
EMG der paravertebralen Rückenmuskulatur durchzuführen?
3.
Ein junger Mann erleidet im Alter von 22 Jahren einen Motorradunfall mit mehreren Wirbelfrakturen und einem kompletten Querschnitt in Höhe Th6.
Rehabilitationsmaßnahmen sind so weit erfolgreich, dass er beruflich Fuß fassen und regelmäßigen Rollstuhlsport betreiben kann. Mit Anfang 30 entwickelt er erhebliche und zunehmende Schulter-Arm-Schmerzen beidseits, die kaum zu lindern sind. Einige Monate später klagt er über Parästhesien in beiden Händen. Woran müssen Sie denken?