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Ausbruchsmanagement und Krisenkommunikation

Verfasst von: Roland Schulze-Röbbecke und Mathias Brandstädter
Ausbrüche nosokomialer Infektionen sind oft Notfälle, die schnelles Handeln erfordern. Wichtig ist es zunächst, den Ausbruchsverdacht zu bestätigen und einen Pseudoausbruch auszuschließen. Auf Grund der vorliegenden Informationen über die Art des Ausbruchs und den Erreger kann das Ausbruchsteam meist schnell die wahrscheinlichsten Infektionsquellen und Übertragungswege identifizieren und mit den Interventionsmaßnahmen beginnen. Aufgrund der Ergebnisse interventionsbegleitender Maßnahmen wie deskriptiver Epidemiologie, Laboruntersuchungen, Ortsbesichtigung und aktiver Fallsuche müssen die Interventionsmaßnahmen im weiteren Verlauf bestätigt, ggf. ausgedehnt, verfeinert oder modifiziert werden. Wichtig ist die richtige Kommunikation über den Ausbruch innerhalb (ggf. auch außerhalb) der betroffenen Einrichtung und über den Fortschritt der Interventionsmaßnahmen. Das Ende des Ausbruchs sollte vom Ausbruchsteam festgestellt und bekannt gegeben werden.
Ausbrüche nosokomialer Infektionen sind oft Notfälle, die schnelles Handeln erfordern. Wichtig ist es zunächst, den Ausbruchsverdacht zu bestätigen und einen Pseudoausbruch auszuschließen. Auf Grund der vorliegenden Informationen über die Art des Ausbruchs und den Erreger kann das Ausbruchsteam meist schnell die wahrscheinlichsten Infektionsquellen und Übertragungswege identifizieren und mit den Interventionsmaßnahmen beginnen. Aufgrund der Ergebnisse interventionsbegleitender Maßnahmen wie deskriptiver Epidemiologie, Laboruntersuchungen, Ortsbesichtigung und aktiver Fallsuche müssen die Interventionsmaßnahmen im weiteren Verlauf bestätigt, ggf. ausgedehnt, verfeinert oder modifiziert werden. Wichtig ist die richtige Kommunikation über den Ausbruch innerhalb (ggf. auch außerhalb) der betroffenen Einrichtung und über den Fortschritt der Interventionsmaßnahmen. Das Ende des Ausbruchs sollte vom Ausbruchsteam festgestellt und bekannt gegeben werden.

Einführung

Definition
Von einem Ausbruch spricht man in der Epidemiologie, wenn in einer begrenzten Zeitspanne und auf begrenztem Raum bzw. in einer spezifischen Bevölkerungsgruppe mehr Fälle einer bestimmten Krankheit auftreten als erwartet (CDC 2012). Als Epidemien werden im eigentlichen Sinne Ausbrüche von Infektionskrankheiten bezeichnet, oft werden die Begriffe Ausbruch und Epidemie aber synonym verwendet.
Nosokomiale Infektionen treten meist als endemische Einzelfälle auf, nur in etwa 5 % im Rahmen von Ausbrüchen (Beck-Sague et al. 2004). Prinzipiell können Ausbrüche in allen Gesundheitseinrichtungen auftreten. Besonders häufig sind sie jedoch in Bereichen mit besonders gefährdeten Patienten und/oder mit hoher Invasivität, z. B. in Intensivstationen, in der Chirurgie und in Dialyseeinrichtungen.
Ausbrüche nosokomialer Infektionen sind oft Notfälle, die schnelles und sicheres Handeln erfordern (Ammon 2007). Um eine Gefährdung weiterer Patienten abzuwenden und wirtschaftliche Schäden zu begrenzen, ist es entscheidend, möglichst umgehend die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Die bei der Bekämpfung nosokomialer Ausbrüche üblichen Schritte sind in Abb. 1 schematisch dargestellt.
Über die Bekämpfung von Ausbrüchen wurde eine Reihe relevanter Arbeiten veröffentlicht (CDC 2012; Beck-Sague et al. 2004; Ammon 2007; Jarvis 2004; Ostrowsky und Jarvis 2003; Ammon et al. 2001; Arias 2010; Australian Government 2010; Schulze-Röbbecke und Hauer 2013). Die Autoren dieser Arbeiten berichten jedoch meist aus der Perspektive nationaler Behörden wie Robert Koch-Institut (RKI) oder Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die bei großen, überregionalen Epidemien und in ungewöhnlich schwierigen Fällen hinzugezogen werden. Im klinischen Alltag eignen sich Empfehlungen aus dieser Perspektive nur bedingt als Anleitung zur Bekämpfung nosokomialer Ausbrüche (Schulze-Röbbecke und Hauer 2013). Hier geht es beispielsweise um gehäufte Infektionen durch Noroviren, Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) und Clostridium difficile, bei denen das Vorgehen recht klar vorgegeben ist. Insbesondere von solchen Situationen handelt dieses Kapitel. Ausbrüche nosokomialer Infektionen können unter so verschiedenartigen Bedingungen entstehen und ablaufen, dass es unmöglich ist, ein allgemeingültiges „Kochrezept“ zu ihrer Eindämmung zu verfassen. Die nachfolgenden Ausführungen können daher nur Grundsätze des Vorgehens beschreiben; von ihnen muss sogar abgewichen werden, wenn es die besonderen Umstände erfordern.

Merkmale nosokomialer Ausbrüche

Bei der Einschätzung, ob ein Ausbruch nosokomialer Infektionen vorliegt, sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Stationär und ambulant
Nosokomiale Infektionen sind nicht nur Infektionen, die im Krankenhaus erworben wurden, sondern auch in anderen stationären und ambulanten Einrichtungen der Patientenversorgung (vgl. Legaldefinition in § 2 Nr. 8 IfSG, Kap. Rechtliche Grundlagen und Infektionsschutzgesetz).
Kausaler vs. zeitlicher Zusammenhang
Für den Nachweis des Erwerbs einer nosokomialen Infektion wird nicht der Nachweis eines Kausalzusammenhanges gefordert, sondern ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang (so auch gemäß § 2 Nr. 8 IfSG).
Intoxikationen
Nicht nur Infektionen, sondern auch mikrobiell bedingte Intoxikationen (z. B. durch Enterotoxine von Staphylococcus aureus in Lebensmitteln) können gemäß § 2 Nr. 8 IfSG „nosokomial“ sein.
Personal
Nosokomiale Infektionen können nicht nur bei Patienten, sondern auch beim medizinischen Personal vorkommen.
Erworben vs. mitgebracht
Infektionen oder mikrobielle Intoxikationen, die bereits bei der ambulanten oder stationären Aufnahme bestanden, gelten nach § 2 Nr. 8 IfSG nicht als „nosokomial erworben“.
Exogen vs. endogen
Ausbrüche nosokomialer Infektionen sind meist exogen, das heißt, die Erreger werden von außen auf die betroffenen Personen übertragen. Sie müssen jedoch weder nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 8 IfSG noch nach wissenschaftlicher Auffassung zwangläufig auf ein exogenes Übertragungsgeschehen zurückgehen.
Endemische Grundrate
Die Einschätzung, ob ein Ausbruch vorliegt, setzt Kenntnisse über die durchschnittlich zu erwartende Häufigkeit bestimmter Infektionen in bestimmten Bereichen voraus. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der endemischen Grundrate, mit der eine bestimmte Infektion üblicherweise beobachtet wird.
Infektion vs. Kolonisation
Von einem Ausbruch spricht man bei gehäuften Infektionen, nicht aber bei gehäuften Kolonisationen.
Epidemiologischer Zusammenhang
Ein epidemiologischer oder – wie § 6 Abs. 3 IfSG es formuliert – „epidemischer“ Zusammenhang ist üblicherweise dann zu vermuten, wenn das gleiche Krankheitsbild oder der gleiche Erreger in einem umschriebenen räumlich-zeitlichen Kontinuum gehäuft auftritt. Ein epidemiologischer Zusammenhang verweist letztlich auf einen Kausalzusammenhang, auch wenn dieser erst später oder überhaupt nicht nachgewiesen wird.
Pseudoausbrüche
Ein Pseudoausbruch ist eine tatsächliche Häufung nicht vorhandener Infektionen (Pseudoinfektionen) oder eine nicht vorhandene Häufung tatsächlicher Infektionen (Schulze-Röbbecke 2008). So kann es z. B. durch Probenkontamination im mikrobiologischen Labor zum gehäuften Nachweis eines Bakteriums in Blutkulturen kommen, obwohl die betroffenen Patienten keine Anzeichen einer Sepsis haben (= tatsächliche Häufung von Pseudoinfektionen). Oder die Einführung eines neuen, sensitiveren Diagnoseverfahrens kann einen scheinbaren Anstieg bestimmter Infektionsfälle zur Folge haben, obwohl die Infektionsrate bei Fortführung des ursprünglichen Diagnoseverfahrens gleichgeblieben wäre (= nicht vorhandene Häufung tatsächlicher Infektionen).

Wie erkennt man einen Ausbruch?

Bei einer Häufung von Fällen mit auffälliger Symptomatik, kurzer Inkubationszeit und einem klaren räumlich-zeitlichen Zusammenhang sind Ausbrüche leicht erkennbar, zum Beispiel bei 5 Fällen von Norovirusgastroenteritis innerhalb von 2 Tagen auf einer Station. Schwieriger wird es den Ausbruch zu erkennen, wenn dieselben Fälle auf einer Station auftreten, auf der ein Großteil der Patienten Grundkrankheiten mit ähnlicher Symptomatik haben, wie beispielsweise auf einer hämatoonkologischen Station.
Auffällig sind auch Häufungen von Infektionen durch seltene Erreger wie Rhodococcus bronchialis oder Mycobacterium chelonae (Beck-Sague et al. 2004; Jarvis 2004). Schwer erkennbar sind dagegen Ausbrüche von Infektionen durch häufige Erreger, zum Beispiel postoperative Wundinfektionen durch einen Oxacillin-sensiblen S.-aureus-Stamm. Solche Ausbrüche werden oft erst durch eine Genotypisierung der asservierten Erreger erkannt. Schwierig ist die Ausbruchserkennung auch bei Infektionen mit fehlender oder unspezifischer Symptomatik und/oder langen Inkubationszeiten, z. B. bei der Übertragung von Hepatitis-B-Virus auf ambulante Patienten durch falsche Injektionstechnik.
Die oben aufgeführten Beispiele zeigen, dass Ausbrüche nosokomialer Infektionen im klinischen Alltag unerkannt bleiben können und oft erst bei aktiver Suche als solche erkannt werden. Auch die Aufzeichnung und Bewertung (Surveillance) nosokomialer Infektionen nach § 23 Abs. 4 IfSG gewährleistet die Erkennung von Ausbrüchen nicht. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme ist nicht die Ausbruchserkennung das Ziel der Surveillance nosokomialer Infektionen, sondern die Ermittlung der endemischen Grundrate (Kap. Surveillance nosokomialer Infektionen; Beck-Sague et al. 2004).

Schritte vor Einleitung von Interventionsmaßnahmen

Sobald ein Ausbruch nosokomialer Infektionen vermutet wird, sollten zunächst die intern für das Ausbruchsmanagement zuständigen Personen informiert werden. In der Regel sind das der Krankenhaushygieniker, die Hygienefachkräfte und der zuständige hygienebeauftragte Arzt. Wichtig ist es außerdem, schon zu Beginn alle unmittelbar verfügbaren Informationen über den Ausbruch zu sammeln und zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Ausbruch handelt bzw. dass der Ausbruchsverdacht begründet ist.

Bestätigung des Ausbruchs bzw. des Ausbruchsverdachts

Um zu belegen, dass die Häufigkeit bestimmter Infektionsfälle tatsächlich oberhalb der erwarteten Häufigkeit liegt, wird die Inzidenz während des Ausbruchs bestimmt und mit der sonst üblichen Inzidenz verglichen. Um die vorhandenen Daten sinnvoll auswerten zu können, ist es angezeigt, eine Falldefinition festzulegen.
Falldefinition
Aufgrund der bisher vorliegenden Fakten sollte definiert werden, welche Fälle als Infektionsfälle zu betrachten sind, damit die weiteren Untersuchungen in standardisierter Weise erfolgen. Die Falldefinition kann auf klinischen Diagnosen beruhen (z. B. akute Gastroenteritis auf Station A), auf kulturell-mikrobiologischen Parametern (z. B. Nachweis von Klebsiella pneumoniae mit bestimmtem Antibiogramm im Zeitraum XY in Krankenhaus B), auf PCR-Befunden (z. B. Nachweis von Influenza-A-Virus-RNA im Zeitraum XY auf Station B) etc. Generell sollten bei der Falldefinition die Parameter klinische bzw. Labordiagnose, Zeitraum, Ortsangabe und Personeneigenschaften berücksichtigt werden (Ammon 2007).
Ausbruchsbestätigung
Für die zuvor definierten Fälle wird die Inzidenz in einem begrenzten Zeitraum außerhalb des Ausbruchs bestimmt (= Grundrate, erwartete Infektionsrate) wie auch für die Zeit während des (vermeintlichen) Ausbruchs. Für die Inzidenzberechnungen werden nur exponierte Patienten berücksichtigt, das heißt beispielsweise nur Patienten einer bestimmten Station, falls sich der Ausbruch auf eine Station beschränkt, oder nur beatmete Patienten, falls es sich um einen Ausbruch von Beatmungspneumonien handelt. Mithilfe des Vergleichs der beiden Inzidenzwerte lässt sich der Ausbruchverdacht in der Regel bestätigen oder verwerfen.
Ausschluss eines Pseudoausbruchs
Nicht selten stellen sich vermeintliche Ausbrüche nosokomialer Infektionen als Pseudoausbrüche heraus. Die Fehlinterpretation eines Pseudoausbruchs als Ausbruch kann erhebliche Ressourcen binden (Schulze-Röbbecke 2008). Entsprechend der Definition eines Pseudoausbruchs (s. oben) wird sichergestellt, dass die Diagnosen der in den Ausbruch involvierten Patienten auch mit entsprechenden Krankheitszeichen assoziiert sind (Ausschluss von Pseudoinfektionen) bzw. dass die Infektionshäufigkeit während und außerhalb der Ausbruchperiode mit vergleichbarer Methodik ermittelt wurde.

Meldung an das Gesundheitsamt

Gemäß § 6 Abs. 3 IfSG ist das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein „epidemischer Zusammenhang“ wahrscheinlich ist oder vermutet wird, dem Gesundheitsamt unverzüglich als Ausbruch nicht namentlich zu melden. Die unterlassene Meldung eines Ausbruchs ist nicht bußgeldbewehrt, denn bei der Bearbeitung von Ausbruchssituationen sollte es mehr auf partnerschaftliche Zusammenarbeit als auf Kontrolle ankommen (Bales et al. 2003). Die vertrauensvolle Kooperation mit dem Gesundheitsamt sollte einsetzen, bevor durch Aufmerksamkeit der Medien rationale Entscheidungen schwieriger werden und im schlimmsten Falle sogar politische Interessen das Handeln beeinflussen. Vermutlich sind solche Vorgänge mit verantwortlich dafür, dass die Ursachen einiger nosokomialer Ausbrüche, von denen die Medien in den letzten Jahren berichteten, nicht aufgeklärt werden konnten.

Intervention

Die nachfolgend beschriebenen Interventionsmaßnahmen und interventionsbegleitenden Maßnahmen haben sich im Rahmen des Ausbruchsmanagements als sinnvoll erwiesen, dürfen aber nicht starr und formalistisch „abgehakt“ werden. In der Realität laufen sie oft parallel oder in anderer Reihenfolge ab. Einzelne Schritte können unter Umständen überflüssig sein, während andere, hier nicht beschriebene Maßnahmen hinzukommen können. Vernünftige Überlegungen, der „gesunde Menschenverstand“ und ein gewisses Maß an fachlich basierter Intuition sind immer Teil des Ausbruchsmanagements.

Bildung eines Ausbruchsteams

Im Ausbruchsteam sollten sich diejenigen Personen zusammenfinden, die sich mit größter Wahrscheinlichkeit dazu eignen, die Ursache des Ausbruchs zu ermitteln und ihn rasch zu beenden. Kern des Teams bilden typischerweise der Krankenhaushygieniker, die zuständige Hygienefachkraft und der zuständige hygienebeauftragte Arzt. Oft ist es sinnvoll, zusätzliche Kliniker und Pflegekräfte des betroffenen Bereichs und/oder den Mikrobiologen bzw. Virologen mit einzubeziehen. Besonders bei Ausbrüchen von größerer epidemiologischer Relevanz sollten auch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes und ein Ansprechpartner für die Presse zum Ausbruchsteam gehören oder zumindest zeitweise hinzugezogen werden.
Das Ausbruchsteam benennt einen Koordinator (normalerweise den Krankenhaushygieniker). Das Team trifft sich besonders bei ungewöhnlichen oder epidemiologisch relevanten Ausbrüchen regelmäßig, verschafft sich gleichen Kenntnisstand über die aktuelle Sachlage und verteilt Aufgaben bezüglich der zu treffenden Interventions- und Begleitmaßnahmen. Daneben sollten der Stand der Erkenntnisse und die abgeleiteten Maßnahmen engmaschig dokumentiert werden. Die Aufzeichnungen sind auch Grundlage des späteren Abschlussberichtes (s. unten).
Wichtig
Kommunikation ist beim Ausbruchsmanagement wichtig. Kommunikationsmängel oder sogar die aktive Zurückhaltung von Informationen behindern dagegen die erfolgreiche Ausbruchsbekämpfung.

Interventionsbeginn aufgrund erster Hypothesen zur Ausbruchsursache

Im klinischen Alltag sind meist schon bei Bekanntwerden eines nosokomialen Ausbruchs wesentliche Informationen über die Art des Ausbruchs und die Erreger bekannt. Mithilfe dieser Informationen lassen sich in der Regel Hypothesen über Infektionsquellen und Übertragungswege aufstellen, die einen raschen Einsatz von Interventionsmaßnahmen erlauben und sich im Nachhinein oft als zutreffend herausstellen. Voraussetzung für einen effektiven Interventionsbeginn aufgrund solcher Hypothesen sind Grundkenntnisse über die wesentlichen Infektionsquellen und Übertragungswege der Erreger nosokomialer Infektionen (Kap. Epidemiologische Grundlagen nosokomialer Infektionen; Schulze-Röbbecke und Hauer 2013; Schulze-Röbbecke 2014; Siegel et al. 2007).
Mit Kenntnis des Erregers sowie der wahrscheinlichen Infektionsquellen und Übertragungswege wird zu Beginn des Ausbruchsmanagements im Allgemeinen ein Paket mehrerer Interventionsmaßnahmen eingeleitet, wobei man sich in diesem Stadium im Zweifelsfalle eher für eine Erfolg versprechende Maßnahme entscheiden wird als dagegen; ggf. kann man später wieder deeskalieren (Schulze-Röbbecke und Hauer 2013).
Cave
Ein häufiger Fehler ist die Entfaltung eines auf Unsicherheit beruhenden Aktivismus und die zum Teil panikartige Einleitung von Maßnahmen, die das Ausbruchsgeschehen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht beeinflussen.
Solche Fehlentscheidungen sind kontraproduktiv, da sie Aufmerksamkeit und Ressourcen in falsche Richtungen lenken. Wichtig ist es in solchen Situationen, die Entscheidungen rational und möglichst evidenzbasiert zu treffen. Wichtig ist weiterhin, dass Aufwand und wahrscheinlicher Nutzen in vernünftiger Relation zueinander stehen.

Interventionsbegleitende Maßnahmen

Die zu Ausbruchsbeginn aufgestellten Hypothesen und die daraus abgeleiteten ersten Interventionsmaßnahmen sind nur teilweise so offensichtlich wirksam, dass der Ausbruch bereits dadurch zum Stillstand kommt und sich weitere Maßnahmen erübrigen. Der Ausbruch muss hinsichtlich seiner zeitlichen und räumlichen Ausbreitung sowie der betroffenen Personen beschrieben und dokumentiert werden. Darüber hinaus müssen in der Regel weitere begleitende Maßnahmen ergriffen werden, um das bisherige Vorgehen zu bestätigen oder ggf. zu modifizieren.
Die wichtigsten interventionsbegleitenden Maßnahmen werden nachfolgend beschrieben und diskutiert. Sie sollten möglichst aufgrund rationaler Überlegungen systematisch gewählt werden. Doch auch das Prinzip von Versuch und Irrtum lässt sich in gewissem Ausmaß nicht vermeiden.

Deskriptive Epidemiologie, Beschreibung des Ausbruchs

Die Ausbruchscharakterisierung hinsichtlich betroffenen Personen, Zeit und Raum wird auch als deskriptive Epidemiologie bezeichnet (Beantwortung der Fragen „Wer?“, „Wann?“, „Wo“?). Sie liefert eine übersichtliche und umfassende Beschreibung des Ausbruchs und erlaubt eine Einschätzung, ggf. eine Modifikation der ursprünglich aufgestellten Hypothese über die Ausbruchsursachen. Die deskriptive Untersuchung sollte möglichst früh begonnen und laufend aktualisiert werden.
Charakterisierung der betroffenen Personen
Über die wesentlichen Daten der gemäß Falldefinition (s. oben) betroffenen Personen sollte eine Liste geführt werden (sog. Line Listing). In einer Tabelle wird hierbei je eine Zeile für die betroffenen Personen und je eine Spalte für die wichtigsten Variablen eingefügt. Tab. 1 gibt ein Beispiel im Rahmen eines Hepatitis-A-Ausbruchs.
Tab. 1
Line Listing im Rahmen eines Hepatitis-A-Ausbruchs. (Modifiziert nach: CDC 2012)
Fall
Diagnostik
Klinik
Labor
Lfd. Nr.
Initialen
Alter
Geschlecht
Krankheitsbeginn
Ärztliche Diagnose
Ü
E
A
F
DU
I
HAV-IgM
Andere
1
JS
36
W
05.09.
+
+
+
+
+
+
GOT ↑
2
CK
52
M
08.09.
Hepatitis A
+
+
+
+
+
+
+
GPT ↑
3
FJT
18
M
12.09.
Hepatitis A
±
+
+
+
+
GOT ↑
4
ML
65
W
04.09.
Hepatitis A
+
+
+
+
S
+
HBsAg −
5
KV
44
M
06.09.
KA
+
+
+
+
KA
KA
6
RR
32
W
15.09.
Hepatitis A
+
+
+
+
?
+
GOT ↑
A Appetitlosigkeit; DU Dunkler Urin; E Erbrechen; F Fieber; GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase; GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase; HAV-IgM IgM-Antikörper gegen Hepatitis-A-Virus; HBsAg Hepatitis-B-Virus-Oberflächenantigen; I Ikterus; KA keine Angabe; S Skleren; Ü Übelkeit
Zeitliche Charakterisierung
Fast immer ist es sinnvoll, den zeitlichen Verlauf des Ausbruchs graphisch darzustellen. Dies geschieht in Form einer Epidemiekurve (kurz: Epi-Kurve), eines Histogramms, in dem die Zeit auf der X-Achse und die Zahl der erkrankten Personen (Erkrankungsbeginn bzw. Erstnachweis des Erregers) auf der Y-Achse eingetragen wird. Die Epi-Kurve zeigt den bisherigen Verlauf und gestattet Vermutungen über den weiteren Verlauf des Ausbruchs. Bei Ausdehnung der Zeitachse hilft sie bei der Einschätzung, ob es sich tatsächlich um einen Ausbruch handelt. Bei bekannter Infektionskrankheit und Inkubationszeit erlaubt sie Rückschlüsse auf den Zeitraum der Exposition, was wiederum hilfreich ist, die Ausbruchsursache zu ermitteln. Darüber hinaus ermöglicht sie Rückschlüsse auf das Übertragungsgeschehen, beispielsweise ob die Betroffenen zum gleichen Zeitpunkt einer gemeinsamen Infektionsquelle exponiert waren (sog. Punktquellenausbruch, „point source outbreak“, Abb. 2) oder ob sich der Ausbruch in Form einer Infektkette von Mensch zu Mensch ausgebreitet hat (Abb. 3).
Räumliche Charakterisierung
Bei einem Ausbruch, der sich auf eine Station beschränkt, sind die räumlichen Zusammenhänge meist klar. Bei räumlich ausgedehnteren Ausbrüchen, zum Teil auch in einem Krankenhaus oder auf einer Station, kann es jedoch sinnvoll sein, auf einem Grundriss die Orte zu kennzeichnen, an denen sich die betroffenen Personen jeweils bei vermuteter Exposition oder zu Krankheitsbeginn aufgehalten haben (Abb. 4). Finden sich auf einer solchen „Spot Map“ Zeichen einer räumlichen Häufung, so muss nach Erklärungen gesucht werden, beispielsweise nach Zusammenhängen mit dem Einsatzbereich eines bestimmten Mitarbeiters, mit dem Versorgungsbereich einer Küche oder einer Lüftungsanlage.
Wichtig sind „Spot Maps“ bei geographisch ausgedehnten Ausbrüchen. In komplexeren Fällen lassen sich manchmal erst durch die graphische Darstellung Zusammenhänge erkennen, wie zum Beispiel der Versorgungsbereich eines Wasserwerks oder einer Großküche bzw. der Emissionsbereich eines Rückkühlwerks.
Räumlich-zeitliche Charakterisierung der Verlegungshistorie
Bei Ausbrüchen in Einrichtungen, in denen Patienten öfters zwischen verschiedenen Stationen verlegt werden, sind „Spot Maps“, in die die Orte des Erregererstnachweises oder des Erkrankungsbeginns eingetragen werden, wenig aussagekräftig. Denn dies berücksichtigt nicht die Möglichkeit, dass die Übertragung auf einer anderen Station stattgefunden haben kann, auf der sich der Patient zuvor aufgehalten hat. In solchen Situationen hat es sich bewährt, die verschiedenen Aufenthaltsorte der betroffenen Patienten synchronoptisch in einem Balkendiagramm darzustellen. Abb. 5 zeigt am Beispiel eines MRSA-Ausbruchs, dass der Ort des Übertragungsgeschehens bei alleiniger Berücksichtigung der Station, auf der der Erstnachweis geführt wurde, nicht eindeutig identifizierbar ist (verdächtig wären sowohl Station 1 als auch Station 2). Berücksichtigt man aber alle Stationen, auf denen sich die Patienten aufgehalten haben, ist es oft leichter, den Ort des wahrscheinlichen Übertragungsgeschehens zu erkennen. Schwer zu berücksichtigen sind in solchen Balkendiagrammen allerdings sämtliche Aufenthaltsorte, wie z. B. Röntgenabteilungen, EKG-, Endoskopie- und Operationsräume.
Sollten sich in einem solchen Balkendiagramm keine eindeutigen räumlichen und zeitlichen Überschneidungen der Patientenaufenthalte ergeben, besteht die Möglichkeit, dass der für den Ausbruch verantwortliche Erregerstamm nicht von Patient zu Patient übertragen wurde, sondern aus einer Umgebungsquelle oder von einem kolonisierten/infizierten Mitarbeiter auf die Patienten.

Aktualisierung des Wissensstands

Oft verfügt das Ausbruchsteam nicht über alle Informationen, die zum Verständnis und zur Beendigung des Ausbruchsgeschehens notwendig sind. Wichtig sind beispielsweise Kenntnisse über potenzielle Erreger bei einer bestimmten Symptomatik, über Inkubationszeiten, Dauer der Infektiosität, Übertragungswege und effektive Maßnahmen zur Verhinderung von Übertragungen. Wichtige Informationsquellen sind zum Beispiel die Internetseiten der CDC (https://www.cdc.gov), des RKI (http://www.rki.de) und der Outbreak Database (https://www.outbreak-database.com) sowie Lehrbücher und Fachzeitschriften. Ein Zugang zu internationalen medizinischen Fachzeitschriften ist beispielsweise über PubMed möglich (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed).

Laboruntersuchungen

Ein intensiver Informationsaustausch mit dem mikrobiologischen/virologischen Labor ist nicht nur zur Sicherung der Diagnose, sondern auch aus mehreren anderen Gründen von Bedeutung:
Informationsaustausch und Erregerasservierung
Wenn es sich nicht um klinisch auffällige Erkrankungen handelt, ist es oft das Labor, dem eine Häufung bestimmter Erreger als erstes auffällt. Wichtig ist, dass das Labor diese Beobachtung sofort dem Krankenhaushygieneteam oder den behandelnden Ärzten mitteilt und die Isolate aufbewahrt (ggf. auch mehrere Isolate derselben Person), um sie für weitere Untersuchungen (z. B. Genotypisierung) zur Verfügung zu haben. Auch wenn der Erreger bei weiteren Patienten nachgewiesen wird, sollte dies sofort mitgeteilt werden.
Zusammenarbeit bei aktiver Fallsuche
Bei einer aktiven Fallsuche (s. unten) zur Ermittlung des Ausbruchausmaßes sind unter Umständen größere Probenmengen mit Spezialverfahren (z. B. Selektivmedien) zu untersuchen. Auch eine solche Maßnahme muss mit dem Labor abgesprochen werden.
Umweltuntersuchungen
Falls es begründete Hinweise darauf gibt, dass die unbelebte Umwelt als Infektionsquelle infrage kommt (z. B. bei Ausbrüchen von Legionellosen oder P.-aeruginosa-Infektionen), können neben Patientenmaterial auch beispielsweise Proben von Oberflächen, Leitungswasser, Medizinprodukten, Nahrungsmitteln oder Arzneimitteln untersucht werden. Die Indikation zu solchen Untersuchungen sollte fachlich begründet sein, denn erfahrungsgemäß gibt es eher selten nosokomiale Ausbrüche, die sich durch Umgebungsuntersuchungen aufklären lassen.
Erregertypisierung
Wenn der Verdacht besteht, dass es sich um einen Ausbruch durch Erregerübertragung handelt, kann durch eine Erregertypisierung festgestellt werden, ob die verschiedenen Erregerisolate klonal miteinander verwandt sind. Nicht erforderlich ist eine Typisierung bei klaren epidemiologischen Verhältnissen (z. B. bei den meisten nosokomialen Norovirusausbrüchen) oder bei Ausbrüchen mit seltenen Erregern. Bei vermehrtem Nachweis eines weit verbreiteten Erregers (z. B. S. aureus oder E. coli) und/oder bei unklaren epidemiologischen Zusammenhängen ist es oft jedoch erst mithilfe einer Typisierung unterhalb der Speziesebene möglich festzustellen, ob es sich um eine zufällige Häufung nicht verwandter Erreger handelt oder um eine tatsächliche Häufung verwandter bzw. identischer Erreger und somit um ein wahrscheinliches Übertragungsgeschehen.
Viele mikrobiologische Labors verfügen über die Möglichkeit der Erregertypisierung. Empfehlenswert ist es, sich auch an das für den jeweiligen Erreger zuständige nationale Referenzzentrum oder Konsiliarlabor zu wenden (Liste dieser Zentren auf der Internetseite des RKI, http://www.rki.de, Kap. Krankenhaushygienisches Labor).
Auf jeden Fall ist zu beachten, dass die Erregertypisierung die epidemiologische Aufarbeitung eines Ausbruchs nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann (Beck-Sague et al. 2004). Zu beachten ist auch, dass nosokomiale Ausbrüche nicht zwangsläufig durch den gleichen Erreger verursacht sein müssen. So kann z. B. ein bestimmter Prozessfehler bei Operationen oder der maschinellen Beatmung einen Ausbruch endogener Infektionen mit gleichem Krankheitsbild aber unterschiedlichen Erregern verursachen.

Ortsbesichtigung, Beobachtung von Arbeitsabläufen

Bei einer Besichtigung der Räumlichkeiten, in denen sich die vom Ausbruch betroffenen Personen aufhalten und vermutlich infiziert haben, lassen sich oft Risikofaktoren erkennen und abstellen, die den Ausbruch möglicherweise begünstigt oder sogar verursacht haben.
Die alleinige Beobachtung bestehender Strukturen (z. B. räumliche Gegebenheiten, personelle Ausstattung) reicht bei einer Ortsbegehung meist nicht aus. In der Praxis ist es nicht selten die Beobachtung von Arbeitsabläufen, die entscheidende Hinweise auf die Ausbruchsursachen liefert, wobei den Personen vor Ort die Risiken bestimmter Prozesse oft nicht bewusst sind. Derartige Beobachtungen, die sich über mehrere Stunden, manchmal sogar Tage erstrecken können, sollten daher von geschulten externen Personen vorgenommen werden; prädestiniert sind Hygienefachkräfte und Krankenhaushygieniker. Wichtig ist es, dem Personal vor Ort deutlich zu machen, dass es bei den Beobachtungen nicht darum geht, Schuldige zu finden, sondern gemeinsam den Ausbruch zu beenden.

Aktive Fallsuche

Wann ist eine aktive Fallsuche indiziert?
Bei Infektionen mit hoher „Attack Rate“, hohem Manifestationsindex und charakteristischer Klinik (z. B. Keratoconjunctivitis epidemica, Norovirusgastroenteritis) ist es oft möglich, das tatsächliche Ausmaß eines Ausbruchs allein mithilfe der klinischen Infektionszeichen zu ermitteln. Bei Ausbrüchen, in denen die betroffenen Personen nicht durch charakteristische Symptome auffallen (z. B. klinisch inapparent kolonisierte oder subklinisch infizierte Personen), ist es dagegen meist schwierig, das tatsächliche Ausmaß des Ausbruchs festzustellen. In solchen Situationen sollte man sich nicht mit den Informationen über die anfänglich „passiv“ bekannt gewordenen Fälle begnügen, sondern sich durch aktive Fallsuche ein möglichst vollständiges Bild vom tatsächlichen Ausmaß des Ausbruchs zu verschaffen.
Ausdehnung auf bereits entlassene Patienten
Insbesondere bei Infektionen mit langen Inkubationszeiten (z. B. Hepatitis B) sollten unter Umständen auch bereits entlassene Patienten in die aktive Fallsuche mit einbezogen werden, da sonst das Ausmaß des Ausbruchs unterschätzt wird. Ergeben sich aus diesen Informationen Hinweise auf mögliche Fälle in anderen Krankenhäusern oder Einrichtungen, so ist es die Aufgabe des Gesundheitsamtes, auch in anderen Kliniken, Pflegeheimen, Laboratorien etc. nach weiteren Fällen zu suchen (Ammon 2007).
Ausdehnung auf zusätzliche Bereiche
Die aktive Fallsuche sollte man unter Umständen nicht auf den Bereich beschränken, in dem alle bisherigen Fälle beobachtet wurden. Gegebenenfalls sollte man auch Bereiche einbeziehen, in die der Ausbruch inzwischen unbemerkt vorgedrungen sein könnte. Wenn beispielsweise alle bisherigen Fälle einer nosokomialen Häufung von 3MRGN-Klebsiellen-Infektionen und -kolonisationen auf Station A auftraten, viele Patienten aber von Station A auf die Stationen B und C weiter verlegt werden, kann es sinnvoll sein, auch auf den Stationen B und C aktiv nach Patienten zu suchen, die mit den 3MRGN-Klebsiellen kolonisiert sind.
Personalscreening
Bei Ausbrüchen wird immer wieder die Frage gestellt, ob es nicht auch sinnvoll ist, ein Personalscreening durchzuführen, d. h. auch das medizinische Personal in die aktive Fallsuche mit einzubeziehen. In der Tat sind zahlreiche Ausbrüche beschrieben, die von Angehörigen des medizinischen Personals ausgingen (z. B. Hepatitis B, Hepatitis C, Influenza, S.-aureus-Infektionen) oder in denen sie auf andere Weise Anteil am Ausbruchsgeschehen hatten (z. B. als Teil einer Infektkette bei Norovirus- oder Adenovirusausbrüchen). Falls die deskriptive Epidemiologie Hinweise darauf gibt, dass ein Ausbruch durch unbekannte Ausscheider oder Träger unter dem Personal verursacht bzw. unterhalten wird, kann ein Personalscreening sinnvoll sein. An eine MRSA-Weitergabe durch einen oder mehrere Mitarbeiter einer Station würde man zum Beispiel denken, wenn die einzige Gemeinsamkeit aller in Abb. 5 wiedergegebenen Patienten der Aufenthalt auf einer Station war, sie sich dort aber nur teilweise zeitlich überschnitten hätten. In der Praxis sind solche Konstellationen aber eher selten. Bei Erregern wie Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) und MRGN sind sie nicht beschrieben.
Wichtig
Auf keinen Fall sollte man ein Personalscreening durchführen, ohne vorher vereinbart und schriftlich festgelegt zu haben, wie mit dem positiv getesteten Personal zu verfahren ist (von Baum et al. 2008).
Zusammenarbeit mit dem Labor
Die aktive Fallsuche muss in enger Zusammenarbeit mit dem bakteriologischen oder virologischen Labor durchgeführt werden. Entsprechend dem zu untersuchenden Personenkreis und der Fragestellung sind Probenumfang, Probeneingang, Entnahmetechnik, zu untersuchende Parameter etc. abzusprechen.

Analytische Epidemiologie

Während die deskriptive Epidemiologie (s. oben) nur den Ausbruch beschreibt, dienen analytisch epidemiologische Untersuchungen dazu, durch den mathematischen Vergleich von Risikofaktoren zwischen betroffenen und nicht betroffenen Personen nach den wahrscheinlichen Ausbruchsursachen zu suchen (Beantwortung der Frage „Warum“?). Hierzu werden in der Regel Fallkontrollstudien oder Kohortenstudien durchgeführt und die Ergebnisse statistisch ausgewertet (CDC 2012; Beck-Sague et al. 2004; Ammon 2007; Jarvis 2004; Ostrowsky und Jarvis 2003; Arias 2010). Solche Studien sind zeit- und arbeitsaufwendig, und es sind dafür entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen notwendig.
In der Praxis sind die Erreger und wahrscheinlichen Ursachen von Ausbrüchen nosokomialer Infektionen meist so weit bekannt, dass sich analytisch epidemiologische Untersuchungen erübrigen. Sollte dies in schwierigen oder ungewöhnlichen Situationen dennoch der Fall sein, empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit dem Robert Koch-Institut über das Gesundheitsamt und die oberste Landesgesundheitsbehörde.

Krisenkommunikation, Pressearbeit

Für die Medien ist ein nosokomialer Ausbruch immer ein potenzieller Anlass für Meldungen. Diese fallen selten sachlich aus, eignen sich immer wieder zur Konstruktion so genannter Hygieneskandale und können mit einer erheblichen Rufschädigung für das betroffene Haus einhergehen. Natürlich ist nicht jedes gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen ein Skandal. Dennoch sind die Grenzen dessen, was im Diskurs mit die Medien vermittelt wird, gerade in diesen Fällen eng gesteckt.

Ein praktisches Schema zur Krisenkommunikation

Für eine effiziente Krisenkommunikation bietet es sich an, zunächst einen Blick darauf zu werfen, wie sie eben nicht funktioniert. Welche Fehlannahmen sind gemeint?
1.
Nicht jede Unannehmlichkeit, mediale Auseinandersetzung oder Unwägbarkeit ist faktisch eine Krise. Der Begriff der Krise wird oftmals falsch und viel zu leichtfertig verwendet. Insoweit bedarf er einer Klärung, denn seine Verwendung ist eindeutig mehrdeutig. Eine Krise ist in kommunikativer Hinsicht immer auch eine Imagekrise, die bei relevanten Ziel- und Anspruchsgruppen einen Vertrauensverlust bewirkt. Ein Vorfall bewirkt eine Imageänderung und tangiert damit perspektivisch den Markenwert. Es besteht die Gefahr, dass sich Kunden und Kooperationspartner daraufhin vom Unternehmen abwenden (Brandstädter und Ullrich 2016).
 
2.
Durch eine Krise kann ein Schaden drohen. Dieser Schaden ist in erster Linie immateriell am fragilen Gut Vertrauen, mit kausalem Einfluss auf Umsatz und Ertrag eines Krankenhauses. Wer kommunikativ Schützenhilfe bieten will, muss diesen Zusammenhang entschlüsseln. Es gilt also: Nicht jede Existenzbedrohung führt zu einer relevanten Imageenttäuschung, aber jede Imageenttäuschung zieht, sofern er nicht nachhaltig geheilt wird, einen Vertrauensverlust beim Kunden und einen monetären Schaden nach sich. Der Schaden ist dabei proportional zur Summe der Vertrauensverluste abzüglich der Bekanntheitssteigerungen.
 
3.
Krisenkommunikation ist nur ein Spezialfall dessen, was man Issue oder Themenmanagement nennt. Darunter versteht man das aktive Managen von Themen (sog. Issues), die für eine Unternehmung von strategischer Bedeutung sind. Dabei gilt es, die Themen und die damit verbundenen Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen, geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln, Positionen und Begründungen zu erarbeiten und die interne und externe Kommunikation proaktiv vorzubereiten. Tritt ein Thema von der Latenzphase in die manifeste Phase, greifen die vorher erarbeiteten Kommunikationsstrategien. Diese Betrachtungsweise ist alles andere als trivial, denn daraus folgt, dass der überwiegende Teil der Krisenkommunikation unsichtbar bleibt und proaktiv oder antizipativ geschieht als kommunikative Vorsorge. Große Teile des Themenmanagements erblicken – vor allem dann, wenn sie funktionieren – nie das Licht der medialen Öffentlichkeit. Über diesen Aspekt der Krisenkommunikation wird aber kaum geredet, zumal er in der Regel nicht medial wahrnehmbar geschieht.
 
4.
Da in vielen Kommunikationsabteilungen ehemalige Journalisten arbeiten, kursieren Faustformeln zur Krisenkommunikation, die aus Sicht der Journalisten entwickelt wurden und offenbar auch in erster Linie deren Bedürfnisse widerspiegeln. Aktiv, transparent und authentisch heißen die Schlagwörter. Von Kommunikationsexperten wird oft betont, Unternehmen seien gut beraten, bei wichtigen negativen Informationen grundsätzlich die offene und aktive Kommunikation zu suchen. Das mag in einigen Fällen stimmen, aber nicht in allen und schon gar nicht per se im Gesundheitssektor, wo je nach Krise auch Fragen des Versicherungsschutzes und des Schutzes von Daten und Persönlichkeitsrechten oder Auflagen im Zuge staatsanwaltlicher Ermittlungen eine Rolle spielen. Hier ist eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht.
 

Der Ernstfall – was also tun?

Krisenkommunikation ist kein unvermittelter Akt, den der Fachmann tagesaktuell beim Betreten des Büros spontan initiiert. Es ist ein rollierender Prozess, der mittels Themenmanagement, Vertrauensbildung und Organisation auch den Bereich Prävention umfasst. Bei einer akuten Kriseneindämmung ist die zentrale Frage vor dem Hintergrund der oben genannten Definition folgende: Wie muss kommuniziert werden, damit sich der Schaden via Vertrauensverlust minimieren lässt?
Im Detail gilt es dann, die Fragen zu klären, die sich am bekannten Modell der Massenkommunikation von Harold Lasswell orientieren:
Wichtig
Who says what in which channel to whom with what effect?
Wer
Hier sind je nach Glaubwürdigkeit und Sympathie und relativ im Blick auf den Kreis möglicher Adressaten zahlreiche Sprecher denkbar: Pressesprecher, Fachansprechpartner, Verbandssprecher oder Vorstand. Bedeutet konkret: Wer besitzt von Fall zu Fall die sprecherbezogenen, sach-/methodenbezogenen und adressatenbezogenen Eigenschaften.
Wann
Möglichst schnell zu kommunizieren ist kein Patentrezept, sondern Indiz mangelnder Reflektiertheit. Die Reaktion kann grundsätzlich proaktiv, unmittelbar, auf Nachfrage oder entsprechend gesetzlicher Erfordernisse geschehen und orientiert sich am Flussdiagramm in Abb. 6.
Was
Fakten sollten nicht bloß benannt werden, sondern wiederum mittels Relativierung, Versachlichung oder Konkretisierung sowie Verantwortungszuschreibung und geeigneten Reaktionsweisen des Unternehmens kontextualisiert werden (Abb. 7).
Wem
Kommuniziert wird mit den Massenmedien auf lokaler und überregionaler Ebene, aber vor allem auch mit den Einweisern, den Kooperationspartnern, den Behörden, der Mitarbeiterschaft sowie den Gesellschaftern bzw. dem Aufsichtsrat des Unternehmens.
Über welchen Kanal
Pressegespräch, Pressemitteilung, Mail, Fax, Telefon, Brief, Flyer, Poster, Anzeige, Kundennewsletter oder -zeitschrift? Vom reflexhaften Automatismus einer Pressekonferenz ist abzuraten, alternative Kanäle sind oftmals deutlich risikoärmer und einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Angesichts der vielfältigen Kombinations- und Reaktionsmöglichkeiten wird deutlich: Eine Faustformel kann es nicht geben, die Fragen sind kontextspezifisch zu beantworten. Die Beantwortung der Fragen kann durchaus ganz anders ausfallen, als es die üblichen Standardformeln der Krisenkommunikation vorsehen. Wer meint, Norovirusinfektionen nicht nur den gesetzlichen Vorgaben entsprechend nach § 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes melden, sondern auch gleich die Tagespresse und Einweiser verständigen zu müssen, hätte seinem Unternehmen einen zweifelhaften Dienst erwiesen. Wer denkt, proaktiv umfassende Kommunikation nach einem vermeintlichen Behandlungsfehler betreiben zu müssen, handelt nach den Klischees der Krisenkommunikation. Er begibt sich de facto aber auf dünnes Eis, da er in der Regel Gefahr läuft, durch unabsichtliche Selbstbelastung den Versicherungsschutz zu riskieren oder Ermittlungsverfahren zu tangieren. In Fällen, in denen eine nachhaltige Gefährdung von Gesundheit und Leben besteht, ist eine unmittelbare Information der betroffenen Personengruppen erforderlich. Letztlich spielt auch die Nachbereitung eines Ausbruchs oder einer anderen Krise eine entscheidende Rolle: Welche nachhaltigen Maßnahmen – auch zur Imagepflege – werden getroffen? Gibt es Strategien zur Repositionierung, Strategien zum Dialog mit den Zielgruppen? Hier – auch nicht nur in Krisenzeiten – ist in personelle und finanzielle Ressourcen zu investieren. Denn der Kern der Krise ist für Kommunikatoren eben der Vertrauensverlust durch Imageenttäuschung.

Ende des Ausbruchs und Dokumentation

Das Ausbruchsteam verfügt über die Kompetenz zu entscheiden, wann ein Ausbruch als beendet erklärt werden kann. Bei klassischen Infektionskrankheiten (z. B. Salmonellosen, RSV- oder Norovirusinfektionen) kann der Ausbruch als beendet betrachtet werden, sobald die doppelte maximale Inkubationszeit ohne Neuinfektionen verstrichen ist. Bei Ausbrüchen mit typischen Krankenhauserregern (z. B. durch S. aureus oder Enterokokken) ist diese Regel jedoch nicht anwendbar, weil keine Inkubationszeiten definierbar sind. Ein wichtiges Hilfsmittel, einen Ausbruch als beendet zu erklären, ist hier die Auswertung der aktualisierten Epidemiekurve.
Besonders nach komplizierteren Ausbrüchen ist eine Abschlussbesprechung des Ausbruchsteams wichtig. Als Themen einer solchen Besprechung empfehlen sich zum Beispiel:
  • Feedback an alle beteiligten Partner
  • Notwendigkeit, neue interne Regelungen zu schaffen oder bestehende Regelungen zu ändern, um ähnliche Ausbrüche künftig zu vermeiden
  • Definierte Fortführung der Surveillance zur Überprüfung der Effektivität der getroffenen Maßnahmen
  • Identifizierung langfristiger und struktureller Präventionsmaßnahmen und Planung ihrer Implementierung
  • Klarstellung ob und ggf. welcher Bedarf an strukturellen Veränderungen und Fortbildung besteht, um die Aufdeckung und Untersuchung zukünftiger Ausbrüche zu optimieren
  • Identifikation von Faktoren, die die Untersuchung behindert oder erschwert haben und Suche nach entsprechenden Lösungen
  • Ggf. Diskussion rechtlicher Aspekte
Die Daten des Ausbruchs sind auf jeden Fall zu dokumentieren und aufzubewahren. In komplizierteren Fällen ist es darüber hinaus sinnvoll, einen schriftlichen Abschlussbericht zu erstellen. Dieser dient der Dokumentation für interne Zwecke, unter Umständen auch der Information nach außen. Bei kritischer Auseinandersetzung mit diesem Bericht lassen sich manchmal Schwächen im Ausbruchsmanagement identifizieren, die bei einem nächsten Ausbruch vermieden werden können. Der Bericht kann somit einen wesentlichen Beitrag zur internen Qualitätssicherung liefern (Ammon 2007).
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