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Wachstumshormon

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Wachstumshormon
Synonym(e)
Somatotropes Hormon; Somatotropin; Somatropin
Englischer Begriff
growth hormone; human growth hormone; hGH; somatotropin
Definition
Von den somatotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens sezerniertes Peptidhormon (s. Peptidhormone) mit wachstumsfördernden, anabolen und metabolischen Effekten.
Struktur
Einkettiges Peptid, das in mehreren molekularen Isoformen vorliegt. Die Hauptisoform besteht aus 191 Aminosäureresten, die strukturell in 4 α-Helices mit 2 intramolekularen Disulfidbindungen angeordnet sind. Es existieren mehrere kürzere molekulare Isoformen, das Molekül zirkuliert als Homo- oder Heterodimer der verschiedenen Isoformen.
Molmasse
22.125 Da (Hauptisoform).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die hypophysäre Synthese und Sekretion werden durch verschiedene Peptide reguliert. Das hypothalamische „growth hormone releasing hormone“ (GHRH) sowie das gastrale Ghrelin stimulieren, das hypothalamische Somatostatin supprimiert die Sekretion. Diese ist pulsatil, wobei Pulsfrequenz und -amplituden im Schlaf am größten sind. Eine Besonderheit ergibt sich bei der Frau während der Schwangerschaft. Hier wird die pulsatile hypophysäre Wachstumshormonsekretion sukzessive ersetzt durch eine tonische Sekretion einer nur in 13 Aminosäuren unterschiedenen plazentaren Variante des Wachstumshormons (hGH-V). Postpartal übernimmt innerhalb von Minuten wieder die Hypophyse die Wachstumshormonsekretion.
Wachstumshormon zirkuliert zum Teil gebunden an ein Bindungsprotein („growth hormone binding protein“, GHBP), das der solublen Form der extrazellulären Domäne des Wachstumshormonrezeptors entspricht. Dieser gehört zur Familie der Zytokinrezeptoren, nach Bindung von Wachstumshormon kommt es zu einer Konformationsänderung des dimerisierten Rezeptors, die eine Signalkaskade unter Beteiligung der Januskinase und der STAT-(„signal transducers and activators of transcription“-)Proteine auslöst. Freies Wachstumshormon hat eine sehr kurze Halbwertszeit von weniger als 20 Minuten und wird nach Degradation vornehmlich renal elimiert.
Halbwertszeit
Ca. 20 Minuten.
Pathophysiologie
Physiologischerweise wird die Wachstumshormonsekretion durch körperliche Aktivität, Stress, Fasten und Schlaf stimuliert, durch freie Fettsäuren, orale Glukoseaufnahme und im Sinne eines negativen Feedback durch IGF-I (Insulin-like growth factor I) supprimiert. Wachstumshormon hat direkte Effekte wie z. B. eine ausgeprägte Stimulation der Lipolyse und eine Erhöhung der Blutglukose. Andere Effekte, darunter die namensgebende Beeinflussung des longitudinalen Knochenwachstums bei Kindern und Jugendlichen, werden jedoch wesentlich über die Stimulation der Synthese und Sekretion des peripheren Mediators IGF-I (Insulin-like growth factor I) vermittelt. Ca. 70 % des zirkulierenden IGF-I sind hepatischen Ursprungs, der Rest entsteht durch lokale Synthese in verschiedenen Organen. Während des pubertären Wachstumsschubs ist die Wachstumshormonsekretion besonders stark, es bleibt jedoch auch im Erwachsenenalter ein wichtiges metabolisches Hormon.
Ein Wachstumshormonmangel kann als Resultat spezifischer Genmutationen angeboren sein oder aufgrund hypophysen- bzw. hypothalamusdestruierender Prozesse (Hirntumoren, kranialer Bestrahlung) im Kindes- oder Erwachsenenalter erworben werden. Tritt er im Kindesalter auf, kommt es zum Minderwuchs, beim erst im Erwachsenenalter eintretenden Wachstumshormonmangel stehen die metabolischen Aspekte wie eine Verschlechterung des kardiovaskulären Risikoprofils im Vordergrund. Eine seltene Sonderform der wachstumshormonassoziierten Erkrankungen stellt die Wachstumshormonresistenz bei Mutationen im Wachstumshormonrezeptor dar (Laron-Syndrom). Hierbei findet sich das Wachstumshormon charakteristischerweise trotz sehr niedriger IGF-I-Konzentrationen erhöht. Auch orale Östrogene führen zu einer hepatischen Wachstumshormonresistenz. Der Wachstumshormonmangel bei Kindern und Erwachsenen kann durch die tägliche Injektion von rekombinantem Wachstumshormon therapiert werden.
Ein Wachstumshormonexzess geht in der Regel auf ein von den somatotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens ausgehendes autonomes Adenom zurück oder wird selten auch durch die ektope Produktion von GHRH ausgelöst. Tritt er im Kindesalter auf, kommt es zum exzessiven Längenwachstum (Gigantismus), im Erwachsenenalter imponiert er klinisch als Akromegalie mit Vergrößerung der Akren, Makroglossie und Organomegalie. Neben der operativen Entfernung des Hypophysenadenoms ist meist eine medikamentöse Therapie mit Somatostatinanaloga oder einem Wachstumshormonrezeptorantagonisten nötig.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Bis 48 Stunden bei Raumtemperatur, eingefroren (−20 °C) mehrere Jahre.
Präanalytik
Bei Patienten, die mit dem Wachstumshormonrezeptorantagonisten Pegvisomant behandelt werden, ist eine Bestimmung von Wachstumshormon nur mit besonderen Assays sinnvoll, da die meisten Routinemethoden durch die hohen Konzentrationen des zur Rezeptorblockade eingesetzten Wachstumshormonanalogons gestört werden.
Analytik
Immunoassay. Analytische Methoden sollten gegen den aktuellen rekombinanten Internationalen Standard 98/574 kalibriert sein und spezifisch die 22.000-Da-Hauptisoform erfassen. Die Kreuzreaktion mit der plazentaren Variante (hGH-V) muss bekannt sein.
Konventionelle Einheit
ng/mL.
Die mancherorts noch übliche, historisch aus der Zeit vor Herstellung des rekombinanten Standards stammende Angabe von Einheiten (International Units, IU), die sich auf einen Vergleich mit teilgereinigten hypophysären Extrakten bezogen, wird nicht mehr empfohlen. Für den rekombinanten Standard 98/574 gibt der Hersteller zur Umrechnung 1 mg = 3,0 IU.
Internationale Einheit
Nachdem Wachstumshormon aus einer Reihe molekularer Isoformen besteht, wäre eine Umrechnung in molare Einheiten nur isoformspezifisch möglich. Klinisch ist sie unüblich.
Referenzbereich
Die Wachstumshormonassays führen aufgrund ausgeprägter Unterschiede in Spezifität und Kalibrierung zu sehr unterschiedlichen absoluten Konzentrationen. Daher ist eine assayunabhängige Angabe von Referenzbereichen irreführend.
Die Bestimmung von Wachstumshormon in einer einzelnen, spontan abgenommenen Probe ist aufgrund der pulsatilen Sekretion in aller Regel wenig sinnvoll. Tagsüber ist Wachstumshormon vor allem bei Männern oft nicht messbar, was bei den meisten Assays Konzentrationen von <0,1 ng/mL entspricht. Findet die Blutentnahme jedoch zufällig um einen Sekretionspeak herum satt, finden sich auch bei Gesunden Konzentrationen von über 40 ng/mL. Die Diagnostik von wachstumshormonassoziierten Erkrankungen erfolgt daher immer über Stimulations- bzw. Suppressionstests.
Als Goldstandard der Stimulationstests gilt der Insulin-Hypoglykämie-Test, alternativ kommen auch der Wachstumshormon-Releasinghormon/Arginin-Test, der Glukagontest oder – bei Kindern – der Arginintest alleine zum Einsatz.
Als Suppressionstest wird der orale Glukosebelastungstest durchgeführt. Nach Trinken einer Lösung mit 75 g Glukose wird nach 30, 60, 90, 120 und 180 Minuten Wachstumshormon bestimmt. Bewertet wird die maximale Suppression (Nadir), bei Verwendung von modernen, isoformspezifischen und gegen den rekombinanten Standard kalibrierten Assays finden sich hierfür bei gesunden Probanden Nadirkonzentrationen deutlich unter 1 ng/mL.
Indikation
  • Differenzialdiagnose von Wachstumsstörungen
  • Verdacht auf Wachstumshormonmangel bei Kindern und Erwachsenen
  • Akromegalie, Gigantismus
Interpretation
S. Pathophysiologie und Referenzbereich.
Diagnostische Wertigkeit
Die Bestimmung von Wachstumshormon in einer einzelnen, spontan abgenommenen Probe ist aufgrund der pulsatilen Sekretion in aller Regel wenig sinnvoll. Die Diagnostik von wachstumshormonassoziierten Erkrankungen erfolgt daher immer über Stimulations- bzw. Suppressionstests.
Gegenüber dem pulsatil ausgeschütteten Wachstumshormon kann IGF-I in einer einzelnen Probe als generellerer Indikator der integrierten Wachstumshormonsekretion herangezogen werden. Zu den Limitationen s. IGF-I (Insulin-like growth factor I).
Literatur
Bidlingmaier M, Freda PU (2010) Measurement of human growth hormone by immunoassays: current status, unsolved problems and clinical consequences. Growth Hormon IGF Res 20(1):19–25CrossRef
Clemmons DR (2011) Consensus statement on the standardization and evaluation of growth hormone and insulin-like growth factor assays. Clin Chem 57(4):555–559CrossRefPubMed
Manolopoulou J, Alami Y, Petersenn S, Schopohl J, Wu Z, Strasburger CJ, Bidlingmaier M (2012) Automated 22-kD growth hormone-specific assay without interference from Pegvisomant. Clin Chem 58(10):1446–1456CrossRefPubMed