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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 15.03.2022

Analkarzinom

Verfasst von: Felix Aigner, Ricardo N. Werner und Robert Siegel
Das Analkarzinom ist mit einem Anteil von bis zu 5 % aller Karzinome im Gastrointestinaltrakt ein relativ seltener Tumor. Das Plattenepithelkarzinom des Analkanals und des Analrandes, welches mit etwa 90 % die weitaus häufigste Entität des Analkarzinoms ist, wird überwiegend durch Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) verursacht. Die Diagnose ist mit Inspektion (Analrandkarzinom) und digital-rektaler Untersuchung sowie Proktoskopie (Analkanalkarzinom) relativ einfach zu stellen. Die Biopsie bzw. Exzision des Tumors sichert die Diagnose. Abhängig vom Stadium ist die Therapie dann in Zusammenarbeit mit der Strahlentherapie und Onkologie zu koordinieren. Kleine, gut differenzierte Analrandkarzinome können mit einer R0-Exzision gut behandelt werden. Ab Stadium II ist die kombinierte Radiochemotherapie (RCT) die Standardtherapie. Die definitive RCT kann bei bis zu 85 % der behandelten Patienten zu einer kompletten Remission des Analkarzinoms führen.

Einleitung

Angelehnt an die Veröffentlichung der ersten deutschsprachigen evidenz- und konsensbasierten Leitlinie (S3-Leitlinie Analkarzinom 2020) zum Management des Plattenepithelkarzinoms des Analkanals und des Analrands, soll sich dieses Kapitel vornehmlich der chirurgischen Therapie des Analkarzinoms im interdisziplinären Kontext einer überwiegend primär radioonkologisch behandelbaren Tumorentität widmen.

Grundlagen

Ätiologie und Pathogenese

Ähnlich wie das Zervixkarzinom werden die meisten analen Plattenepithelkarzinome (89–100 %) durch persistierende Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) induziert, wobei die „High-risk-HPV-Typen“ 16 und 18 die wichtigste Rolle spielen. Mukokutane HPV-Typen infizieren, meist im Rahmen sexueller Kontakte, über Mikroläsionen die basalen Plattenepithelzellen der Haut und Schleimhaut. Anogenitale HPV-Infektionen sind bei sexuell aktiven Personen sehr weit verbreitet, verursachen aber als transiente, immunologisch kontrollierte Infektionen meist keine klinisch relevanten Läsionen.
Bei Persistenz von Infektionen mit High-risk-HPV-Typen über einen längeren Zeitraum kann es jedoch über eine vermehrte Expression der viralen Onkoproteine E6 und E7 zu einer Dysregulierung des Zellzyklus mit Instabilität des Genoms und Inhibition der Apoptose kommen. Die onkogene Transformation infizierter Keratinozyten erfolgt in einem mehrstufigen Prozess und unterliegt verschiedenen, unter anderem immunologischen Kontrollmechanismen. Klinisch entwickeln sich Analkarzinome meist über dysplastische Vorläuferläsionen, sogenannte anale intraepitheliale Neoplasien (AIN). Entsprechend des histopathologischen Grades ihrer Atypie werden AIN in die Grade I–III unterteilt.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Mit einer Inzidenz von 2–3 pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland ist das Analkarzinom ein relativ seltener maligner Tumor (Buttmann-Schweiger und Kraywinkel 2020). In den vergangenen Jahren ist es jedoch in vielen Industrienationen zu einem kontinuierlichen Anstieg der Anzahl neu diagnostizierter Analkarzinome gekommen und auch in Deutschland weist die Inzidenz des Analkanalkarzinoms (ICD-10 C21.0) einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg um 3 % bei Männern und 3,5 % bei Frauen zwischen den Jahren 1999 und 2016 auf. Im Jahr 2016 erkrankten Frauen in Deutschland etwa 1,6-mal häufiger als Männer am Analkanalkarzinom, dabei lag das durchschnittliche Erkrankungsalter bei 65 bzw. 64 Jahren. Das Gesamtüberleben 5 Jahre nach Diagnosestellung unterscheidet sich in Deutschland ebenfalls in Abhängigkeit vom Geschlecht und liegt bei 65 % für Frauen und 61 % für Männer (Buttmann-Schweiger und Kraywinkel 2020).
Entsprechend der ätiopathogenetischen Bedeutung persistierender Infektionen mit High-risk-HPV-Typen sind die wesentlichen Risikofaktoren für die Entwicklung von Analkarzinomen mit einer erhöhten Exposition gegenüber analen HPV-Infektionen und/oder einer verminderten immunologischen Clearance bzw. Kontrolle der HPV-Infektion assoziiert. Bestimmte Personengruppen weisen daher eine im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erheblich gesteigerte Inzidenz von Analkarzinomen auf. Hierzu gehören u. a. immunkompromittierte Personen (z. B. bei HIV-Infektion oder nach Organtransplantation), Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sowie Frauen nach HPV-assoziierten gynäkologischen Krebserkrankungen und Vorläuferläsionen (Clifford et al. 2021). Auch Nikotinabusus zeigte sich in Studien als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Analkarzinomen.

Klassifikation

Zur Klassifikation des Analkarzinoms sei auf die aktuelle Klassifikation der American Joint Committee on Cancer (AJCC) verwiesen (Tab. 1 und 2). Analrandkarzinome sind per Definition unter Spreizung der Nates vollständig sichtbar und liegen mit ihrem überwiegenden Gewebeanteil innerhalb eines Radius von 5 cm um die Linea anocutanea. Analkanalkarzinome sind mindestens teilweise so weit im Analkanal gelegen, dass eine Sichtbarkeit des Tumorbefundes unter Spreizung der Nates nicht oder nicht vollständig gegeben ist.
Tab. 1
TNM-Klassifikation des Analkarzinoms nach dem American Joint Committee on Cancer. (AJCC 2017, 8. Edition)
TNM
Definition
Definition des Primärtumors (T)
TX
Primärtumor nicht beurteilt
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Läsion (HSIL) (zuvor bezeichnet als Carcinoma in situ, Morbus Bowen, anale intraepitheliale Neoplasie II-III, high-grade AIN)
T1
Tumor ≤2 cm
T2
Tumor >2 und ≤5 cm
T3
Tumor >5 cm
T4
Tumor jeglicher Größe mit Infiltration in benachbarte Organe, z. B. Vagina, Urethra oder Harnblase
Definition der regionären Lymphknoten (N)
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionäre Lymphknotenmetastase
N1
Metastasen in inguinalen, mesorektalen Lymphknoten, Lymphknoten der Arteria iliaca interna oder der Arteria iliaca externa
N1a
Metastasen in inguinalen, mesorektalen Lymphknoten oder Lymphknoten der Arteria iliaca interna
N1b
Metastasen in Lymphknoten der Arteria iliaca externa
N1c
Metastasen in Lymphknoten der Arteria iliaca externa sowie N1a-Lymphknoten
Definition der Fernmetastasen (M)
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
Tab. 2
Stadieneinteilung des Analkarzinoms nach dem American Joint Committee on Cancer. (AJCC 2017, 8. Edition)
Stadium
Primärtumor (T)
Regionäre Lymphknoten (N)
Fernmetastasen (M)
0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
IIA
T2
N0
M0
IIB
T3
N0
M0
IIIA
T1, T2
N1
M0
IIIB
T4
N0
M0
IIIC
T3, T4
N1
M0
IV
jegliches T
jegliches N
M1

Klinische Symptomatologie

Patienten mit einem Analkarzinom klagen meist über unspezifische Symptome wie Blut am Toilettenpapier, Juckreiz, Fremdkörpergefühl oder Schmerzen anal bzw. perianal. Diese Beschwerden werden auch dem Hämorrhoidalleiden zugeschrieben und können dadurch eine korrekte Diagnosestellung verzögern. Bei Raumforderungen im Analkanal oder anorektalen Übergang werden auch Symptome wie Stuhldrang oder Inkontinenz berichtet. Einige Fälle werden zufällig im Rahmen der histopathologischen Untersuchung von resezierten Hämorrhoiden oder Marisken diagnostiziert. Mitunter können auch vergrößerte Leistenlymphknoten zur Detektion eines Analkarzinoms führen.
Analkarzinome können Symptome wie häufige proktologische Krankheitsbilder (z. B. Hämorrhoidalleiden) haben.

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Perianale und anorektale Raumforderungen und Beschwerden sollen durch eine proktologische Vorstellung weiter abgeklärt werden. Die spezifische Anamnese sollte die Abklärung von Risikofaktoren (Immundefizienz einschließlich HIV-Infektion, rezeptiver Analverkehr, Vorerkrankung mit HPV-assoziierten anogenitalen Läsionen einschließlich anogenitaler Warzen und gynäkologischer intraepithelialer Neoplasien und Karzinome sowie Nikotinabusus) beinhalten. Die proktologische Untersuchung umfasst die Inspektion unter Spreizung der Nates, die digital-rektale Untersuchung und eine Proktoskopie sowie gegebenenfalls eine Rektoskopie und anale Endosonografie. Im Rahmen der Untersuchung sollen die Lokalisation (Analkanal oder -rand mit Lagebeziehung zur Linea dentata und Linea anocutanea sowie Position in Steinschnittlage), die Größe (in cm) und die Verschieblichkeit gegenüber der Unterlage beschrieben werden. Im Anschluss an die proktologische Untersuchung sollten die Leistenlymphknoten abgetastet werden. Da das Analkarzinom mit HPV-assoziierten anogenitalen (Vor-)Erkrankungen einschließlich Warzen, intraepithelialer Neoplasien und Karzinome assoziiert ist, soll bei allen Patienten eine vollständige Untersuchung der Anogenitalregion erfolgen, bei Frauen einschließlich eines Zervixkarzinom-Screenings. Die neue S3-Leitlinie Analkarzinom empfiehlt zusätzlich die Durchführung eines HIV-Tests bei unbekanntem HIV-Status, da das Analkarzinom zu den Indikatorkonditionen für HIV zählt.
Besteht der Verdacht auf das Vorliegen eines Analkarzinoms, soll eine Biopsie zur histopathologischen Sicherung durchgeführt werden. Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Analrandkarzinoms kleiner 2 cm Durchmesser und ohne Infiltration des Sphinkterapparates sollte zur Diagnosesicherung die komplette Läsion als Exzisionsbiopsie mit einem Sicherheitsabstand von 0,5 cm entfernt werden.
Nach histologischer Sicherung bzw. vor exzisionaler Biopsie soll eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Beckens erfolgen. Diese sollte als multiparametrische MRT, anguliert auf den Analkanal, durchgeführt werden. Die MRT dient sowohl der Bestimmung der Tumorkategorie als auch der Detektion lokoregionärer Lymphknotenmetastasen. Zusätzlich zur MRT hat sich die Durchführung einer Positronenemissionstomografie/Computertomografie (PET/CT) insbesondere in der Beurteilung von pelvinen Lymphknoten bei Patienten mit morphologisch normal großen Lymphknoten als nützlich erwiesen. Die Detektion zusätzlicher Lymphknotenmetastasen im PET/CT kann zu einer Änderung des therapeutischen Vorgehens mit Veränderung der Bestrahlungsplanung hinsichtlich Dosisverteilung und Feldbegrenzung führen. Bei geplanter definitiver Radiochemotherapie (RCT) soll keine histopathologische oder zytopathologische Sicherung suspekter Lymphknoten erfolgen. Diese hätte, da die inguinalen Lymphabflusswege per Standard zum Bestrahlungsvolumen gehören, keine therapeutischen Konsequenzen bei zusätzlich entstehender Belastung und einem aus dem Eingriff resultierenden Risiko für Morbidität. Zur Vervollständigung des Stagings und Detektion von Fernmetastasen soll eine Thorax-/Abdomen-CT erfolgen, alternativ kann auch die Durchführung einer PET/CT erwogen werden.
Aufgrund hoher Komplikationsraten (z. B. Lymphfistel, Wundheilungsstörung) sollen suspekte Leistenlymphknoten vor einer geplanten Radiochemotherapie nicht biopsiert oder zur Diagnosesicherung entnommen werden.
Das Analkarzinom als maligne Erkrankung sollte differenzialdiagnostisch bei benignen proktologischen Erkrankungen wie z. B. entzündlich veränderten Hämorrhoiden, Kondylomen, Lues-Primäraffekten, chronischen Fisteln oder Fissuren berücksichtigt werden. Im Zweifel sollte bei unklaren Befunden immer eine histologische Sicherung angestrebt werden. Seltene maligne Differenzialdiagnosen sind das nach anal infiltrierende Adenokarzinom des Rektums oder ein malignes Melanom des Analkanals oder Analrandes.

Therapieziele

Das Therapieziel wird im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Patient und Behandlungsteam definiert. Im Vordergrund stehen dabei Langzeitüberleben und Tumorfreiheit. Unter Berücksichtigung der Lebensqualität sind aber auch Fragen des Sphinkter- und Kontinenzerhaltes sowie das stomafreie Überleben von großer Bedeutung. Stadienabhängig haben sowohl die RCT als auch die lokale chirurgische Resektion unter Erhalt des Sphinkterapparates ihren Stellenwert in der kurativen Primärtherapie des Analkarzinoms. Die Indikation zur abdominoperinealen Rektumexstirpation, gegebenenfalls multiviszeral erweitert, ist weitestgehend auf die Situationen im Therapieversagen nach RCT (Residualtumor, Progress oder Rezidiv) beschränkt. In palliativer Intention oder in Einzelfällen vor Einleitung der RCT (z. B. bei maligner intestinaler Obstruktion, symptomatischer ano-/rektovaginaler Fistel oder ausgeprägter Stuhlinkontinenz) kann die Anlage eines Kolostomas notwendig werden.

Indikationsstellung und Therapiealternativen

Die Therapie ist abhängig vom Tumorstadium. In den frühen Stadien (I und II) ist zusätzlich die Differenzierung zwischen Analrand und Analkanal entscheidend für die Wahl der richtigen Therapie. Frühe Stadien des Analrandkarzinoms werden primär chirurgisch behandelt, fortgeschrittene Tumorstadien (>UICC IIA) werden unabhängig von ihrer Lokalisation mit einer RCT behandelt. Leitliniengerecht sollen Analrandkarzinome mit einem Durchmesser <2 cm ohne regionale Metastasen oder Fernmetastasen (Stadium I) unter Berücksichtigung eines adäquaten Sicherheitsabstands (0,5 cm) lokal exzidiert werden. Auch beim Analrandkarzinom im Stadium IIA (T2N0M0) kann die alleinige chirurgische Exzision durchgeführt werden (Abb. 1). Analkanalkarzinome mit einem Durchmesser <2 cm ohne regionale Metastasen oder Fernmetastasen (Stadium I) sollten mittels primärer kombinierter RCT behandelt werden. Alternativ kann aber bei Analkanalkarzinomen im Stadium I auch eine alleinige chirurgische Exzision erwogen werden. Die kombinierte RCT ist der Goldstandard in der Behandlung der Analkarzinome in den Stadien II–III. Im Rahmen der kombinierten RCT sollen Analkarzinome mit einem Chemotherapieregime aus Mitomycin C und 5-Fluoruracil (5-FU) behandelt werden. Das 5-FU kann durch Capecitabin ersetzt werden. Die Bestrahlung wird als intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) mit einer Höchstdosis von 59,4 Gy durchgeführt.
Bei Residual- oder Rezidivtumor nach Primärtherapie soll ebenso wie im Stadium IV (Fernmetastasen) die individuelle Behandlungsplanung im interdisziplinären Tumorboard erfolgen.
Kleinere Analkarzinome (T1) können sowohl am Analrand als auch im Analkanal mit entsprechendem Sicherheitsabstand (0,5 cm) primär lokal exzidiert werden.
Die chirurgische Therapie in kurativer Intention ist das Verfahren der Wahl für Patienten mit lokalem Residual- oder Rezidivtumor nach primärer RCT (ohne Fernmetastasierung). Die abdominoperineale Rektumexstirpation als sogenannte „Salvage-Operation“ ist bei Lokalisation des Rezidivs bzw. Residuums im Analkanal indiziert. Aktuellere Daten zeigen, dass bei ca. 15 % aller Patienten nach Radiochemotherapie in kurativer Intention eine Salvage-Operation notwendig ist (Alamri et al. 2016). Bei Kontraindikationen gegen eine Durchführung einer primären RCT (z. B. vorangegangene Bestrahlung ohne entsprechende Strahlenreserve) oder Ablehnung der Bestrahlung kann die abdominoperineale Exstirpation auch als primäre Therapie erfolgen.
Für das metastasierte Analkarzinom können eine platinbasierte Chemotherapie oder eine Kombinationstherapie von Carboplatin und Paclitaxel erwogen werden (Rao et al. 2020). In Abhängigkeit von der Tumorlast und Symptomatik kann beim synchron metastasierten Analkarzinom eine zusätzliche lokale Therapie für den Primärtumor erwogen werden. Im Rahmen eines multimodalen Vorgehens ist in Einzelfällen auch die chirurgische Resektion von Metastasen gerechtfertigt.

Verfahrenswahl und präoperative Planung

Entsprechend der aktuellen S3-Leitlinie soll zur Abklärung des Vorliegens von Sphinkterkontakt vor Durchführung einer therapeutischen Exzision bei Analkanalkarzinomen im Stadium I (T1N0M0) bzw. Analrandkarzinomen im Stadium I (T1N0M0) oder IIA (T2N0M0) eine multiparametrische MRT anguliert auf den Analkanal oder eine anale Endosonografie durchgeführt werden.
Analrandtumoren in den Stadien I und IIA ohne Nachweis einer Sphinkterinfiltration werden lokal mit einem Sicherheitsabstand von 0,5 cm zu den Seiten und nach basal exzidiert. Dabei sind partielle Resektionen des M. sphincter ani externus (subkutaner Anteil) und des Anoderms nach Erfahrung der Autoren ohne negativen Einfluss auf die Wundheilung und postoperative Kontinenz möglich und gegebenenfalls auch gegenüber den Folgen einer alternativen RCT weniger nachteilig.
Lokale Resektionsverfahren im Analkanal sind exzisionale Biopsien unter Schonung des Sphinkterapparates. Sollte am Präparat keine R0-Resektion nachgewiesen werden, so ist fast immer die RCT indiziert.
Eine Kolostomaanlage vor Beginn der RCT ist nach Erfahrung der Autoren sehr selten notwendig. Auch in der S3-Leitlinie wird empfohlen, die Indikation zur Stomaanlage vor einer RCT zurückhaltend zu stellen. Sollte eine Stomaanlage vor Therapiebeginn für notwendig erachtet werden, dann soll die Entscheidung im Tumorboard interdisziplinär getroffen werden.
Sowohl vor der prätherapeutischen Anlage eines Kolostoma als auch vor abdominoperinealer Rektumexstirpation soll die präoperative Markierung des Stomas erfolgen. Dies kann durch eine geschulte Pflegekraft (Stomatherapeut) erfolgen, die Verantwortung für die korrekte Markierung und korrekte Anlage des Stomas liegt aber beim Operateur. Für eine optimale Lage ist es erforderlich, dass die Stomaposition im Liegen, Sitzen und Stehen angezeichnet wird.

Operationstechnik

Die primäre Resektion des Analkarzinoms (Analrandkarzinom im Stadium I und IIA sowie exzisionale Biopsie des Analkanalkarzinoms im Stadium I) erfolgt im Regelfall in Steinschnittlage. Zur besseren Exposition empfiehlt sich zumindest bei Befunden mit Kontakt zum Anoderm oder im Analkanal der Einsatz eines Häckchenretraktors (z. B. Lone Star® Retraktor, CooperSurgical Inc., Trumbull, CT, USA). Die lokale Resektion des Analrandkarzinoms erfordert einen ausreichenden Sicherheitsabstand von 0,5 cm. Nach Resektion muss der Operateur das Präparat eindeutig markieren (oral-anal). Wir empfehlen das Fixieren und Markieren auf einer Korkplatte. Die Wunde verbleibt fast immer offen mit intendierter sekundärer Wundheilung.
Bei der abdominoperinealen Rektumexstirpation als Salvage-Operation bei residuellem Karzinom oder Rezidiv bzw. als primäre Therapieoption bei kontraindizierter RCT wird wie beim tief sitzenden und sphinkterinfiltrierenden Rektumkarzinom die Methode der zylindrischen Rektumexzision (modifizierte extralevatorische Rektumexzision, ELAPE) bevorzugt. Je nach Tumorlage kann bei fortgeschrittenen Tumoren statt der Steinschnittlage auch eine modifizierte Kraske- bzw. Jackknife-Position die Exposition verbessern. Abhängig vom aktuellen Staging sind erweiterte Resektionen, z. B. eine Mitnahme von Scheidenhinterwand oder Prostata und auch Beckenexenterationen, notwendig. Die Salvage-Operation ist im Vergleich zur Exstirpation beim Rektumkarzinom meist mit einem größeren perinealen Haut- und Weichgewebedefekt verbunden und betrifft fast ausnahmslos vorbestrahltes Gewebe. Aus diesen Gründen gelingt ein primärer Wundverschluss nur selten und ist mit erheblichen Wundheilungsstörungen oder auch Komplikationen wie Vorfall von Dünndarmschlingen in das kleine Becken verbunden. Daher sollte im Anschluss an die Exstirpation eine entsprechende plastische Defektdeckung erfolgen. Die Autoren bevorzugen dafür den vertikalen Rektus-abdominis-myokutanenen(VRAM)-Flap.
Die notwendige Anlage eines endständigen Kolostomas im Rahmen der abdominoperinealen Rektumexstirpation sollte durch die primäre Platzierung eines peristomalen Netzes (prophylaktische Mesh-Einlage) ergänzt werden. Die primäre peristomale Mesh-Einlage kann das Auftreten von parastomalen Hernien reduzieren.

Intra- und postoperative Komplikationen

Komplikationen bei oder nach einer lokalen Resektion sind selten und sind vergleichbar mit denen anderer proktologischer Resektionen mit intendierter sekundärer Wundheilung. Bis zum Abschluss der Wundheilung, welche ja nach Wundfläche mehrere Wochen dauern kann, können Schmerzen, Blutungen und je nach Bezug zum Sphinkter und Anoderm auch Kontinenzbeschwerden auftreten.
Intraoperative Komplikationen bei einer abdominoperinealen Rektumexstirpation oder multiviszeralen Resektion umfassen u. a. Verletzungen des Harnleiters, der Urethra, der Blase und der Vagina sowie Blutungskomplikationen. Insbesondere venöse Blutungen aus den präsakralen Plexusgefäßen oder periprostatisch sind teilweise schwer kontrollierbar. Postoperativ können Wundheilungsstörungen, Nachblutungen, Blasenentleerungsstörungen und Stomakomplikationen (Stomaprolaps, Stomaretraktion und/oder -stenose sowie parastomale Hernie) auftreten.
Nach Rektumexstirpation, vor allem nach erweiterten Resektionen, kann es im späteren Verlauf zur Ausbildung einer perinealen Hernie kommen. Diese können z. B. durch eine insuffiziente Rekonstruktion des Beckenbodens oder Retraktion der Lappenplastik begünstigt werden und neben der Einschränkung der Lebensqualität auch zum Einklemmen von prolabierenden Dünndarmschlingen mit der Notwendigkeit einer erneuten Operation führen.

Postoperatives Management

Nach lokaler Resektion mit intendierter sekundärer Wundheilung wird die offene Wundbehandlung analog zu anderen proktologischen Operationen empfohlen. Dazu gehören ein Ausduschen der Wunde mehrfach am Tag und vor allem nach jedem Stuhlgang sowie die lockere Vorlage eines Kompressenverbandes.
Das Management nach Salvage-Exstirpation orientiert sich an den standardisierten Abläufen nach Rektumresektion bzw. Rektumexstirpation. Analog des Enhanced Recovery After Surgery-Konzeptes für Rektumoperationen sollen Mobilisation und Kostaufbau bereits am Operationstag begonnen werden. Abhängig von der perinealen Wundsituation bzw. nach plastischer Defektdeckung kann anfänglich eine spezialisierte Lagerung und Einschränkung der Mobilität das postoperative Ergebnis verbessern (Warbrick-Smith und Drew 2018).

Ergebnisse und Lebensqualität

Ein erfolgreicher Abschluss der nichtoperativen Therapie ist durch die vollständige Remission 26 Wochen nach Beginn der primären RCT definiert. Die vollständige Remission kann sehr langsam verlaufen. Zur Response-Beurteilung sollen klinische Untersuchungen (digital-rektale Untersuchung, Proktoskopie) 11, 18 und 26 Wochen nach Beginn der RCT erfolgen (Glynne-Jones et al. 2017). Nur bei Verdacht auf einen Progress sollte in den ersten 26 Wochen nach Beginn der RCT eine Biopsie oder Exzision erfolgen.
Der erfolgreiche Abschluss der nichtoperativen Therapie ist durch die vollständige Remission 26 Wochen nach Beginn der primären RCT definiert.
Nach RCT werden 5-Jahres-Überlebensraten von ca. 75 % berichtet (Ajani et al. 2008). Die Ergebnisse der RCT sind für T1- und T2-Tumoren mit einem 3-Jahres-progressionsfreien Überleben von 81 % deutlich besser als bei Patienten mit T3-, T4- oder nodalpositiven Tumoren, die nur ein 3-Jahres-progressionsfreies Überleben von 63 % erreichen (James et al. 2013).
Als Ausgangsbefund für die Nachsorge und zur Befundbestätigung nach erfolgreichem Abschluss der Therapie (komplette Remission 26 Wochen nach Beginn der Radiochemotherapie oder histologisch gesicherte R0-Resektion) sollte eine MRT des Beckens erfolgen.
Entsprechend den Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie sollte die Nachsorge über einen Zeitraum von 5 Jahren erfolgen. Für die Nachsorgeuntersuchungen kann das folgende Nachsorgeschema angewandt werden (Tab. 3).
Tab. 3
Nachsorgeuntersuchungen bei Patienten mit Analkarzinom nach erfolgreichem Therapieabschluss einer Behandlung in kurativer Intention. (Aus S3-Leitlinie Analkarzinom 2020, Tabelle 9, Seite 95, Langversion 1.1)
Untersuchung
Monate nach erfolgreichem Therapieabschluss
3
6
9
12
15
18
21
24
30
36
42
48
54
60
Anamnese
X
X
X
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
Klinische Untersuchung inklusive inguinaler Palpation und digital-rektaler Untersuchung
X
X
X
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
Proktoskopie und ggf. Rektoskopie
X
X
X
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
(X)
X
MRT-Becken
 
(X)
 
X
   
X
 
(X)
 
(X)
  
CT-Thorax und -Abdomen mit Kontrastmittel(a)
 
X
   
(X)
  
(X)
     
Optional PET/CTb
 
(X)
   
(X)
  
(X)
     
Untersuchungen in Klammern sind für Patienten mit erhöhtem Risiko empfohlen. Dies umfasst alle Patienten mit Analkarzinom ab Stadium IIB sowie stadienunabhängig alle HIV-positiven und anderweitig immun-kompromittierte Patienten.
MRT Magnetresonanztomografie, CT Computertomografie, PET Positronenemissionstomografie
(a) gilt ab Stadium IIA, für Analrandkarzinome nach Radiochemotherapie und für Analkanalkarzinome unabhängig von der primären Therapie.
b CAVE: Die PET-Untersuchung ist im Rahmen der Diagnostik bei Analkarzinomen nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (Kostenübernahme nicht gesichert)
Die sehr effektive RCT ist mit erheblichen akuten und späten Nebenwirkungen verbunden. Darmassoziierte Beschwerden wie Diarrhöe, aber auch häufige Stuhlfrequenzen, Inkontinenz, Stuhldrang und Tenesmen führen zu einer Einschränkung der Lebensqualität. Neben diesen Beschwerden sind sexuelle Dysfunktionen (bei Frauen vor allem Dyspareunie, vaginale Trockenheit, Fibrose und Stenose; bei Männern Impotenz) potenzielle Konsequenzen der Therapie. Akut treten oft Hauttoxizitäten auf, die brennenden Charakter haben können und meist als sehr störend und schmerzhaft wahrgenommen werden (Sodergren et al. 2015; Das et al. 2010).
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