Operative Therapie von Metastasen
Bei einer geringen Anzahl an Metastasen („Oligometastasierung“) kann die operative Entfernung ein Ansatz mit potenziell kurativer Intention darstellen. Essenziell für eine erfolgreiche Behandlung ist hier die Patientenauswahl. Vor allem Patienten mit einem langen Metastasen-freien Intervall profitieren von einer chirurgischen Intervention. Konzeptionell wird bei einer Oligometastasierung davon ausgegangen, dass immunologische Schutzmechanismen einer Metastasierung entgegenwirken. Aktuell erfolgt regelhaft im Anschluss an die Metastasenentfernung eine postjuvante Therapie. Durch Stärkung der immunologischen Prozesse können synergistische Effekte zwischen Operation und medikamentöser Therapie genutzt werden, die eine langfristige Kontrolle von Tumorzellen ermöglichen.
In den letzten Jahren hat sich die Metastasenchirurgie zu einem wichtigen Baustein multimodaler Therapiekonzepte entwickelt. Beispielsweise kann durch die Entfernung von therapieresistenten Metastasen die Wirkung einer Systemtherapie unterstützt werden. Darüber hinaus werden chirurgische Maßnahmen mit palliativer Intention durchgeführt, z. B. zur Prävention und Therapie von Komplikationen wie Blutungen, Gefäßverschlüsse oder Nervenkompressionen.
Injektion von Hautmetastasen mit onkolytischen Viren
Bei Patienten mit zahlreichen Metastasen, die auf die Haut und die Lymphknoten beschränkt sind (Stadium IIIB-IVM1a), kann eine Therapie mit dem onkolytischen Virus
Talimogen laherparepvec („T-Vec“, Imlygic) erwogen werden. Hierbei handelt es sich um ein damals völlig neues, erstmals im Dezember 2015 zugelassenes Therapieverfahren.
Talimogen laherparepvec ist ein genetisch modifiziertes
Herpes-simplex-Virus, das kutan, subkutan oder nodal in zugängliche Läsionen injiziert wird, für die eine operative Resektion nicht sinnvoll durchführbar ist. Es repliziert präferenziell in Tumorzellen, führt zur Expression des immunstimulierenden Zytokins
GM-CSF und bewirkt einen lytischen Zelltod. Im Rahmen der Phase-III-MASTERKEY-265-Studie wurde die Anwendung von
Talimogen laherparepvec zusammen mit Pembrolizumab geprüft. Da keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens oder Gesamtüberlebens nachweisbar war, besteht aktuell keine Zulassung für diese Kombinationstherapie. Derzeit befinden sich weitere onkolytische Viren zur Anwendung als Kombinationstherapie mit Immuncheckpointinhibitoren in klinischen Prüfungen.
Immuntherapie bei inoperablen Metastasen
Mit der Zulassung des biotechnologisch hergestellten vollhumanisierten monoklonalen Antikörpers Ipilimumab (Yervoy®) im Juli 2011 hat die Ära der modernen Immuntherapie begonnen. Das intravenös applizierte Ipilimumab blockiert den immunregulatorischen Rezeptor CTLA4 auf der Oberfläche von T-Zellen und kann zu einer Reaktivierung der Tumor-spezifischen zellulären Immunabwehr führen. Mit dieser Immuntherapie konnte bei einem Teil der Patienten mit metastasiertem, inoperablem Melanom eine lang anhaltende Remission erzielt werden. Auf der Basis dieses als „Immuncheckpointinhibition“ bezeichneten Therapiestrategie wurden weitere Wirkstoffe klinisch entwickelt, die die immunregulatorischen Rezeptoren PD-1 (Nivolumab [Opdivo®] und Pembrolizumab [Keytruda®]) oder LAG-3 (Relatlimab® [nur in Kombination mit Nivolumab als Opdualag verfügbar]) als Zielstrukturen
blockieren und die Wirksamkeit einer Blockade von CTLA4 hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens oder Gesamtüberlebens übertroffen haben. Auch mit der PD-1-Blockade können langfristige Remissionen bei Patienten mit ausgedehnter Metastasierung erreicht werden.
Der Einsatz von Immuncheckpointinhibitoren bei Melanom-patienten erfolgt im Gegensatz zu vielen weiteren Entitäten ohne Berücksichtigung der PDL1-Expression im Tumorgewebe – mit Ausnahme der Kombination von Relatlimab und Nivolumab, die jedoch nicht auf dem deutschen Markt verfügbar ist trotz EMA-Zulassung- und kann unabhängig vom Mutationsstatus der Tumorzellen durchgeführt werden. Als wirksamster Ansatz hat sich bislang die Kombination von Ipilimumab mit Nivolumab etabliert. Durch die duale Inhibition von PD-1 und CTLA-4 kann das Langzeitüberleben verbessert werden. Diese Therapie kann auch bei Patienten mit Hirnmetastasen, die nach wie vor ein Kollektiv mit einer eingeschränkten Prognose darstellen, insbesondere zusammen mit einer stereotaktischen Radiotherapie eindrucksvolle Remissionen bewirken.
Aufgrund ihres immunologischen Wirkmechanismus kann die Immuncheckpointinhibition zahlreiche Autoimmunphänomene als
unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) hervorrufen. Diese sog. „immune-related adverse events“ (irAE) stellen ein neues Nebenwirkungsprofil in der Tumortherapie dar, die einer besonderen Überwachung bedürfen. Schwere Nebenwirkungen (CTCAE-Grad 3–4) traten in den klinischen Studien mit Ipilimumab und Nivolumab bei 54 % der Patienten, in 19 % während der Therapie mit Relatlimab und Nivolumab auf. In den Studien mit Ipilimumab alleine waren 27 % der Patienten und in den Studien mit Nivolumab alleine 14 % der Patienten betroffen.
Das Spektrum an Nebenwirkungen ist sehr breit. Häufig beobachtet werden immunologisch vermittelte Hautausschläge und Juckreiz, gastrointestinale Beschwerden mit Diarrhoen durch eine Autoimmunkolitis, Leberenzymerhöhungen im Rahmen einer
Autoimmunhepatitis, Lungenentzündungen in Form einer Pneumonitis und endokrine Funktionsstörungen als
Thyreoiditis,
Pankreatitis oder Hypophysitis. Die meisten Nebenwirkungen entwickeln sich in den ersten zwölf Wochen der Immuntherapie, es gibt jedoch auch Spätnebenwirkungen, die zum Teil erst Monate nach Absetzen der Immuntherapie auftreten können. Durch die systemische Gabe von
Glukokortikoiden oder weiteren
Immunsuppressiva wie TNA-alpha-Inhibitoren kommt es zumeist zu einer Restitutio ad integrum. Lediglich die endokrinen Funktionsstörungen können persistieren und die
Lebensqualität langfristig beeinträchtigen. Interessanterweise ist insbesondere das Auftreten der endokrinen Nebenwirkungen mit einem guten Therapieansprechen assoziiert.
Zielgerichtete Therapie mit Signaltransduktionsinhibitoren
Für Patienten mit inoperabel metastasiertem Melanom und Nachweis einer Mutation im
BRAF-Gen (V600E oder V600K) sind mit Vemurafenib (Zelboraf®), Dabrafenib (Tafinlar®) und Encorafenib (Braftovi®) in Deutschland drei kleinmolekulare Signaltransduktionsinhibitoren zugelassen. Diese oral verfügbaren Substanzen werden heute in einer fixen Kombination mit einem MEK-Inhibitor (Cobimetinib [Cotelic®], Tramentinib [Mekinist®], bzw. Binimetinib [Mektovi®]) im inoperablen Stadium III oder IV eingesetzt. Diese Signaltransduktionsinhibitoren führen bei bis zu 75 % der Patienten zu einem oft raschen Ansprechen auch in weit fortgeschrittenen Stadien der Metastasierung. Hierdurch kann eine deutliche Verbesserung der
Lebensqualität, z. B. durch Verringerung von tumorbedingten Schmerzen, erreicht werden. Die Wirkung von Signaltransduktionsinhibitoren bei Patienten im Stadium der fortgeschrittenen Metastasierung hält oft nur einige Monate an. In dieser Zeit entwickeln residuale Tumorzellen eine Therapieresistenz und führen zu einem erneuten Progress der Erkrankung, sodass lang anhaltende Remissionen vergleichsweise selten sind.
Zu den häufigsten substanzübergreifenden Nebenwirkungen zählen muskuloskelettale Beschwerden wie Arthralgien und Myalgien, Hautausschläge, gastrointestinale Beschweren wie Diarrhoen und Nausea, (vorübergehende) Sehveränderungen sowie kardiovaskuläre Beschwerden wie
Hypertension und Verminderung der kardialen Ejektionsfraktion. Präparate-spezifisch assoziiert sind das häufige Auftreten von Fieberschüben unter der Therapie mit Dabrafenib (Tafinlar®) und Tramentinib (Mekinist) sowie eine ausgeprägte Lichtempfindlichkeit unter Vemurafenib (Zelboraf) mit Cobimetinib (Cotelic®). Insgesamt ist auch das Auftreten kutaner Plattenepithelkarzinome und
Keratoakanthome sowie von Zweitmelanomen während der Therapie mit Signaltransduktionsinhibitoren erhöht. In den meisten Fällen sind die Nebenwirkungen moderat vom Schweregrad und durch Therapieanpassungen reversibel, sodass sie mithilfe eines effizienten Nebenwirkungsmanagement gut beherrscht werden können.
Vergleichbar mit der adjuvanten Situation ab dem Stadium III können Patienten mit BRAF-mutiertem metastasierten Melanom sowohl mit Signaltransduktionsinhibitoren als auch mit Immuncheckpoint-Inhibitoren behandelt werden. Somit steht bei einer Resistenz gegenüber einen der beiden Therapieansätze eine weitere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung. Im Gegensatz zur adjuvanten Therapie scheint die Therapiesequenz jedoch nicht gleichwertig zu sein. Neuere Studienergebnisse legen nahe, dass mit der Immuncheckpointinhibition als Erstlinientherapie und ggf. einer Signaltransduktionsinhibition als Zweitlinientherapie die besten Ergebnisse erreicht werden können. In klinischen Studien wurde auch die simultane Gabe von Signaltransduktionsinhibitoren mit einer Blockade von PD-1 bzw. PD-L1 untersucht. Im Juli 2020 hat die amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA die Kombination von Vemurafenib und Cobimetinib mit dem PD-L1 Inhibitor Atezolizumab (Tecentriq®) für Patienten mit BRAF-mutiertem fortgeschrittenen Melanom zugelassen. Diese Kombination hat jedoch in Europa keine Zulassung erhalten. Weitere Kombinationen beider Therapiestrategien in Form von Dreifach-, aber auch Vierfach-Kombinationen werden aktuell weiter in klinischen Studien untersucht.
Patienten mit einem metastasierenden Melanom, das eine c-Kit-Mutation trägt (meistens akro-lentiginöse Melanome und Schleimhautmelanome) profitieren in einigen Fällen von der Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren wie etwa Imatinib (Glivec®) oder Dasatinib (Sprycel®), die auch gegen c-Kit wirksam sind. Bei NRAS-mutiertem metastasiertem Melanom kann in Einzelfällen die Gabe eines MEK-Inhibitors geprüft werden. Zu beachten ist hier, dass diese Substanzen nicht zur Behandlung des Melanoms zugelassen sind und somit die Gabe „off-label“ erfolgt.
In molekularen Tumorboards kann in Einzelfällen der Einsatz weiterer patientenspezifischer zielgerichteter Therapien nach vorheriger Sequenzierung des Tumors und nach Ausschöpfung der leitliniengerechten Behandlung erwogen werden. Hierbei kann der Einsatz von zielgerichteten Therapieverfahren diskutiert werden, welche für andere Entitäten, jedoch nicht für die Behandlung des Melanoms, zugelassen sind. Ein Beispiel hierfür wäre ein „off-label“-Einsatz eines für das metastasierte, nicht-kleinzellige
Lungenkarzinom zugelassenen MET-Inhibitors bei Vorliegen einer MET-Exon-14-Skipping-Mutation bei einem Patienten mit Melanom.
Als weiterer Ansatz einer patientenindividuellen, molekularbasierten Therapie kann in molekularen Tumorboards der Einsatz tumoragnostischer Medikamente (wie z. B. von NTRK-Inhibitoren) oder auch ein Studieneinschluss in sog. Basket-Studien für Patienten mit gewebespezifischen, molekularen Charakteristika behandelt werden. Letzteres kann z. B. bei Nachweis einer BRAF-Mutation außerhalb des
Codons 600 sinnvoll sein. Diese sogenannten BRAF Klasse II- und III Mutationen, die nach aktuellen Studienergebnissen etwa 20 % aller detektierten BRAF-Mutationen bei Melanom-Patienten ausmachen, führen nicht direkt zu einer Überaktivierung der Kinaseaktivität des Proteins, sondern bedingen über weitere Bindungspartner wie CRAF ihre
onkogene Triebkraft. In Abhängigkeit der Mutationsklasse können off-label klinisch etablierte MEK-Inhibitoren oder sogenannte pan-RAF-Inhibitoren in klinischen Studien eingesetzt werden.
Radiotherapie von Fernmetastasen
Eine Radiotherapie von Fernmetastasen bei Melanompatienten erfolgt überwiegend mit palliativer Intention zur Verbesserung der
Lebensqualität, beispielsweise durch eine lokale Tumorkontrolle oder die Linderung von Schmerzen. Durch die Einführung der
stereotaktischen Bestrahlung können einzelne Metastasen heute sehr präzise mit vergleichsweise hohen Bestrahlungsdosen behandelt werden. Dies hat vor allem die Therapie von Hirnmetastasen revolutioniert. Durch eine Kombination mit der kombinierten Immuncheckpoint-Inhibition konnte hier bei einer zunehmenden Anzahl an Patienten mit Hirnmetastasen eine lang anhaltende Remission erzielt werden. Diskutiert wird, dass die Radiotherapie u. a. durch die Erzeugung einer läsionalen und abskopalen Entzündungsreaktion das Ansprechen einer Immuncheckpoint-Inhibition verbessert.
Chemotherapie
In der klinischen Praxis erfolgt der Einsatz von Chemotherapeutika aufgrund der Überlegenheit der neuen immunologischen und zielgerichteten Therapieansätze nur noch selten und nachrangig in späteren Therapielinien. Eingesetzt und in Studien überprüft wurden u. a. Dacarbazin (DTIC), Temozolomid („off-label“), Carboplatin, Cisplatin, Paclitaxel, Vindesin, Doxorubicin und Fotemustin. Im Fall von Dacarbazin, das als Referenztherapeutikum gilt und als einziges Chemotherapeutikum zur Melanomtherapie in Deutschland zugelassen ist, lagen die Ansprechraten bei etwa 10 % ohne signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens. Polychemotherapien konnten initial zu höheren Ansprechraten führen, zeigten jedoch in randomisierten, multizentrischen Studien ebenfalls keine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens bei vergleichsweise wesentlich höherer Toxizität. Als neuer Aspekt der historisch etablierten Chemotherapie wird in Studienprotokollen untersucht, ob die therapeutische Induktion von DNA-Schäden zu einer höheren Mutationslast in Tumorzellen und dadurch zu einer höheren Immunogenität führt, die eine Resistenz gegenüber einer Immuntherapie aufheben kann.
Aufgrund der rasanten Entwicklung der Melanomtherapie und der zahlreichen zur Verfügung stehenden klinischen Studien sollte die Therapie des metastasierenden Melanoms in speziellen Behandlungszentren mit entsprechender klinischer Erfahrung erfolgen. Zur Verbesserung der
Lebensqualität sollte allen Patienten frühzeitig eine psychoonkologische und palliativmedizinische Betreuung angeboten werden.