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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 08.10.2021

Ganglioneurome, Neuroblastome und Myelolipome

Verfasst von: Nada Rayes
Neuroblastome und Ganglioneurome sind sehr seltene Tumoren des autonomen Nervensystems mit unterschiedlichem Differenzierungs- und Malignitätsgrad. Neuroblastome treten bei Kindern auf und sind meist hochmaligne. Die beinahe ausschließlich bei Erwachsenen vorkommenden Ganglioneurome sind fast immer gutartig, aber bildmorphologisch schwierig zu diagnostizieren. Myelolipome wiederum bestehen aus Fett- und hämatopoetischem Gewebe, sind ebenfalls gutartig und im CT leicht zu erkennen. Eine Operationsindikation für die zwei letzteren Entitäten besteht nur bei größenbedingten Symptomen. Neuroblastome hingegen sollten in einem pädiatrisch-onkologischen Zentrum zur interdisziplinären Therapieplanung vorgestellt werden.
Epidemiologie und klinische Symptomatologie
Ganglioneurome, Ganglioneuroblastome (Mischtumoren) und Neuroblastome gehören zur gleichen Tumorgruppe und unterscheiden sich nur in ihrem Differenzierungsgrad. Sie stammen von Zellen des autonomen Nervensystems ab. Während die ausgereiften Ganglioneurome meist gutartig sind, handelt es sich bei den Neuroblastomen um Malignome (siehe Tab. 1).
Tab. 1
Einteilung der Neuroblastome gemäß INPC (International Neuroblastoma Pathologic Classification). (Nach von Schweinitz 2018)
Tumortyp
Stromaarme Neuroblastome (Schwann-Zell-Stroma-arm)
 
Undifferenziert
Gering differenziert
Differenzierend
Ganglioneuroblastom
 
Diffus gemischt (Schwann-Zell-Stroma-reich)
Nodulär
Ganglioneurom (Schwann-Zell-Stroma-dominant)
 
Ausreifend
Reif
Neuroblastome gehören zu den häufigsten extrakraniellen malignen Tumoren des frühen Kindesalters mit einem medianen Erkrankungsalter von 14 Monaten. Etwa 125 Neuerkrankungen werden jährlich in Deutschland diagnostiziert (von Schweinitz 2018). Nur 20 % der Neuroblastome sind in der Nebenniere lokalisiert (Geoerger et al. 2001). 40 % der Neuroblastome werden zufällig entdeckt. Daten der deutschen NB97-Studie zeigen weiterhin, dass bei etwa 10–30 % der Patienten unspezifische Symptome wie Fieber, Erschöpfung, Schmerzen und Gewichtsverlust beobachtet werden können. Ein tastbarer Tumor tritt bei ca. 20 % auf und kann aufgrund der Größe zu Harn- oder Gallestau führen (Hero und Berthold 2011).
Das biologische Verhalten von Neuroblastomen ist sehr variabel mit einerseits hochmalignem aggressivem Wachstum bis andererseits Ausdifferenzierung in benigne Ganglioneurome oder bei sehr jungen Kindern auch spontanen Regressionen. Wichtige prognostische Faktoren sind dabei das Alter der Patienten, das Tumorstadium und molekulargenetische Marker, vor allem das Vorliegen einer Mutation des MYCN-Onkogens. Patienten mit dieser Erkrankung sollten in die Studie NB2004 (risikoadaptierte Therapie des Neuroblastoms bei Kindern) der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie eingeschlossen werden (Hero und Berthold 2011). Als Behandlungsoptionen werden Resektion, Chemotherapie, Bestrahlung und MIBG-Therapie alleine oder in Kombination angewendet.
Bei Erwachsenen hingegen treten diese Tumoren meist im ausgereiften Stadium (Ganglioneurom) auf. Sie machen 1–2 % der adrenalen Neoplasien aus. Der Erkrankungsgipfel liegt dabei zwischen 30 und 50 Jahren. Neuroblastome im Erwachsenenalter werden in <2 % aller Neuroblastomerkrankungen beobachtet. Hier sollte eine referenzpathologische Untersuchung der Biopsie oder des Tumors in einem spezialisierten Zentrum erfolgen. Die Therapie entspricht den Leitlinien für Kinder. Sie sprechen allerdings nicht gut auf Chemotherapie an und haben deshalb eine schlechtere Prognose (Sorrentino et al. 2014).
Etwa 2/3 der Ganglioneurome sind asymptomatisch und werden als Inzidentalome detektiert, 1/3 der Patienten entwickelt Abdomen- oder Rückenschmerzen, meist durch die Tumorgröße verursacht (Shawa et al. 2014; Xie et al. 2018). In einer amerikanischen Studie hatten 40 % der erwachsenen Patienten mit Ganglioneuromen eine Tumoranamnese, wobei die Ersttumoren sehr variabel waren (u. a. medulläres Schilddrüsenkarzinom, Melanom, Teratom, Ovarialkarzinom).
Myelolipome machen etwa 6 % der Nebennierentumoren aus. Sie sind gutartig und bestehen aus reifem Fett- und hämatopoetischem Gewebe. Da sie fast nie Hormone produzieren, verursachen sie nur bei extremer Größe Symptome. Das mittlere Alter bei Tumordetektion liegt bei 60 Jahren, die mediane Tumorgröße bei 2 cm. Nur etwa 8 % der Myelolipome sind größer als 6 cm. Ein Größenwachstum von im Mittel 1 cm wird bei 16 % der Patienten beschrieben. Spontane Einblutungen sind sehr selten (Patel et al. 2006).
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Labor:
Da 60–80 % der Neuroblastome Katecholamine produzieren, sollten Metanephrine und Normetanephrine im Blut oder Urin bestimmt werden. Zur Labordiagnostik gehören weiterhin die Bestimmung der neuronspezifischen Enolase (NSE) und der Laktatdehydrogenase.
Ganglioneurome und Myelolipome sind hingegen fast immer hormoninaktiv. Eine spezielle Labordiagnostik ist nicht erforderlich.
Bildgebung:
Bei hormonaktiven Neuroblastomen ist eine Rezeptorbildgebung (MIBG-Szintigrafie oder besser Somatostatin-Rezeptor-PET) zusätzlich zu einer Computertomografie (CT) oder einer Magnetresonanztomografie (MRT) sinnvoll.
Radiologische Kriterien eines Ganglioneuroms sind im CT mittlere Dichte nativ (20–40 Hounsfield-Einheiten, HE), geringe Kontrastmittelaufnahme (30–100 HE) und progressive Kontrastmittelaufnahme in der Spätphase (40–100 HE). Etwa 30 % der Tumoren zeigen Kalzifikationen. Allerdings können nur 20 % der Tumoren präoperativ anhand der CT korrekt diagnostiziert werden (Song et al. 2008).
Im MRT charakteristisch sind Hypointensität in der T1-Wichtung und Hyperintensität in der T2-Wichtung (Lee et al. 2016).
Myelolipome hingegen haben typische Kriterien in der CT. Sie sind gut abgrenzbar und heterogen mit einer Mischung von Fett- und hämatopoetischem Gewebe, resultierend in einer Dichte von weniger als 30 Hounsfield-Einheiten (Campbell et al. 2017) (Abb. 1).
Differenzialdiagnostisch müssen bei Kindern vor allem Nephroblastome abgegrenzt werden, bei Erwachsenen Nebennierenadenome und Metastasen.
Therapieziele
Primärziel der Therapie bei Neuroblastomen, Ganglioneuromen und Myelolipomen ist die komplette Entfernung des Tumors. Dies ist bei Neuroblastomen oft erst nach neoadjuvanter Chemotherapie, bei Ganglioneuromen in der Regel und bei Myelolipomen immer primär möglich.
Indikationsstellung und Therapiealternativen
Alle Neuroblastome bei Kindern, die älter als 3 Monate sind, sollten, wenn möglich, reseziert werden. Präoperativ muss anhand der Bildgebung geklärt werden, ob primär eine vollständige Resektion möglich ist oder ob zunächst eine neoadjuvante Chemotherapie erfolgen sollte. Die Indikationsstellung für Zeitpunkt und Art der Operation richtet sich nach dem Risikoprofil des Tumors (gering, intermediär, hoch).
Ganglioneurome sollten nur bei Auftreten klinischer Symptome durch die Tumorgröße reseziert werden. Eine subtotale Resektion führt nicht zu einem schlechteren Patientenüberleben. Problematisch bei der Indikationsstellung ist, dass die präoperative Einordnung anhand der Bildgebung oft nicht eindeutig ist und aufgrund der hohen Dichte im Nativ-CT dann eine Resektion zum Ausschluss eines Malignoms erfolgt (Qing et al. 2010).
Die Indikation zur Resektion von Myelolipomen besteht ebenfalls nur bei Auftreten von Symptomen im Falle sehr großer Tumoren (siehe Abb. 1).
Verfahrenswahl und operative Technik
Die Verfahrenswahl und operative Technik entsprechen den allgemeinen Empfehlungen für Nebennierentumoren. Bis zu einer Tumorgröße von 6–8 cm (je nach Erfahrung des Zentrums) soll bei entsprechender Expertise eine minimalinvasive Resektion erfolgen. Der Zugang kann laparoskopisch oder retroperitoneoskopisch sein. Bei Malignitätsverdacht oder Zeichen der Organüberschreitung sollte eine offene Resektion erfolgen, um eine möglichst komplette Entfernung des Tumors mit gegebenenfalls einer Lymphadenektomie ohne Gefahr der Tumorzellverschleppung zu ermöglichen (Lorenz et al. 2019).
Intra- und postoperative Komplikationen
Bei der Resektion der Neuroblastome treten bei in zu 20 % der Fälle Komplikationen auf. Besonders häufig sind Blutungen, da die Gefäße sehr fragil sind, und Lymphfisteln. Im späteren Verlauf werden intestinale Obstruktionen beobachtet.
Die allgemeinen Komplikationen wurden bereits in den vorhergehenden Kapiteln besprochen.
Perioperatives Management/Nachsorge
Neuroblastome sollen mindestens 10 Jahre lang in einem erfahrenen Zentrum nachgesorgt werden. Bei eindeutigem histologischem Nachweis eines Ganglioneuroms oder Myelolipoms muss keine Nachsorge erfolgen.
Ergebnisse und Lebensqualität
Die Prognose der Neuroblastome hängt sehr stark vom Risikoprofil ab. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei 95 % (niedriges Risiko), 86 % (intermediäres Risiko) und 50 % (hohes Risiko). Durch die teils aggressive Chemotherapie kann eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität resultieren.
Ganglioneurome und Myelolipome hingegen führen in der Regel zu keiner Einschränkung des Überlebens oder der Lebensqualität.
Literatur
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Geoerger B, Hero B, Harms D et al (2001) Metabolic activity and clinical features of primary ganglioneuromas. Cancer 91:1905–1913CrossRef
Hero B, Berthold F (2011) Neuroblastom. Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. AWMF-Register Nr. 025/008 online
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