Neuroblastome entwickeln sich aus dem Gewebe des sympathischen Nervensystems. Die Primärtumoren finden sich deshalb meist paravertebral entlang der Wirbelsäule, in der Nebennierenloge oder median im Abdomen. Etwa 50 % aller Patienten haben bei Diagnosestellung bereits Fernmetastasen. Diese finden sich bevorzugt im
Knochenmark (86 % aller Patienten mit metastasierter Erkrankung), Knochen (62 %), Lymphknoten (19 %) und Leber (17 %, unpublizierte Daten der Neuroblastomstudien der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie [GPOH]). Bei Säuglingen treten gelegentlich typische Hautmetastasen auf. Die INSS-Stadieneinteilung des Neuroblastoms berücksichtigt die initiale Tumorausdehnung, die lokoregionäre Lymphknoteninfiltration und das Ausmaß der initialen chirurgischen Tumorresektion (Brodeur et al.
1993). Es werden die lokalisierten Stadien 1–3, das metastasierte Stadium 4 und das metastasierte Säuglingsneuroblastom Stadium 4S unterschieden (Tab.
2). Die davon abweichende INRG-Stadieneinteilung wurde entwickelt, um die Ausdehnung des Neuroblastoms unabhängig vom initialen operativen Eingriff und unabhängig vom Lymphknotenstatus zu erfassen (Tab.
2). Anhand von radiologisch definierten, sogenannten „image-defined risk factors“ (IDRF, Tab.
3) werden lokalisierte Neuroblastome ohne (INRG-Stadium L1) und mit Nachweis von IDRF (INRG-Stadium L2), metastasierte Neuroblastome (INRG-Stadium M) und das INRG-Stadium MS bei Patienten im Alter <18 Monate unterschieden (Brisse et al.
2011; Monclair et al.
2009). Es ist zu berücksichtigen, dass INSS- und INRG-Stadium insbesondere bei lokalisierten Tumoren nicht ohne Weiteres ineinander übersetzt werden können, sodass in klinischen Studien gegenwärtig meist beide Systeme erfasst werden.
Tab. 2
INSS- und INRG-Stadieneinteilung des Neuroblastoms (Brodeur et al.
1993; Monclair et al.
2009)
1 | Lokalisierter Tumor nach kompletter Resektion mit oder ohne mikroskopische Reste, repräsentative ipsilaterale und kontralaterale Lymphknoten mikroskopisch frei von Tumor, dem Tumor anhängende Lymphknoten können infiltriert sein. Makroskopisch entfernte Mittellinientumoren ohne Lymphknoteninfiltration werden als Stadium 1 klassifiziert | L1 | Lokalisierter Tumor ohne Nachweis von IDRF und begrenzt auf eine Körperhöhle |
2A | Lokalisierter Tumor nach inkompletter Entfernung, repräsentative nichtadhärente Lymphknoten mikroskopisch frei von Tumor | L2 | Lokalisierter Tumor mit Nachweis von einem oder mehreren IDRF |
2B | Lokalisierter Tumor nach kompletter oder inkompletter Resektion, Nachweis einer Infiltration in ipsilateralen nichtadhärenten Lymphknoten, kontralaterale nichtadhärente Lymphknoten frei von Tumor |
3 | Unresektabler unilateraler Tumor mit Ausdehnung über die Mittellinie mit oder ohne Infiltration der regionalen Lymphknoten; oder lokalisierter Tumor mit Infiltration der kontralateralen nichtadhärenten Lymphknoten; oder Mittellinientumor mit bilateraler infiltrativer Ausdehnung oder Lymphknoteninfiltration. Die Mittellinie ist definiert als die kontralaterale Begrenzung der Wirbelsäule |
4 | Metastasierung in Fernlymphknoten, Knochen, Knochenmark, Leber, Haut und/oder andere Organe, die nicht der Definition des Stadium 4S entspricht | M | Nachweis von Fernmetastasen (außer Stadium MS) |
4S | Lokalisierter Tumor Stadium 1, 2A oder 2B mit Metastasierung in Leber, Haut oder Knochenmark (maximal 10 %, nicht detektierbar in der MIBG-Szintigrafie) bei Säuglingen <1 Jahr bei Diagnosestellung | MS | Metastatische Erkrankung bei Kindern im Alter <18 Monate mit Metastasen begrenzt auf Haut, Leber und Knochenmark |
Multifokale Tumoren werden entsprechend der Ausdehnung des größten Tumors klassifiziert; das Stadium wird als M gekennzeichnet, beispielsweise 3M | Multifokale Tumoren werden entsprechend der Ausdehnung des größten Tumors klassifiziert |
Tab. 3
„Image-defined risk factors“ bei Neuroblastom (Brisse et al.
2011)
Mehrere Kompartimente | Einseitiger Tumor in 2 Kompartimenten, beispielsweise Hals und Thorax, Thorax und Abdomen oder Abdomen und Becken |
Hals | Ummauerung der A. carotis, A. vertebralis und/oder V. jugularis Tumorausdehnung in Schädelbasis Kompression der Trachea |
Zervikothorakal | Ummauerung des Plexus brachialis Ummauerung der subklavikulären Gefäße, A. vertebralis und/oder A. carotis Kompression der Trachea |
Thorax | Ummauerung der Aorta und/oder großer Äste der Aorta Kompression der Trachea und/oder der Hauptbronchien Tumor des unteren Mediastinums mit Infiltration der Kostovertebralregion in Höhe der Brustwirbelkörper 9 und 12 |
Thorakoabdominal | Ummauerung der Aorta und/oder V. cava |
Abdomen und Becken | Infiltration der Lebepforte oder des Ligamentum hepatoduodenale Ummauerung der Äste der A. mesenterica superior am Truncus coeliacus Ummauerung des Ursprungs des Truncus coeliacus oder der A. mesenterica superior Infiltration eines oder beider Nierengefäßstiele Ummauerung der Aorta und/oder V. cava Ummauerung der iliakalen Gefäße Beckentumor mit Überschreitung der Incisura ischiadica major |
Intraspinal | Intraspinaler Tumor, entweder mehr als 33 % des Spinalkanals ausfüllend, die perimedulläre Liquorräume aufbrauchend oder mit Nachweis von Myelopathie-Zeichen in der MRT |
Infiltration der umgebenden Organ und Strukturen | Perikard, Zwerchfell, Niere, Leber, Duodenum/Pankreas, Mesenterium |