Erschienen in:
24.08.2021 | Polytrauma | Originalien
Der Einsatz von Tourniquets im Rahmen der Luftrettung
Analyse anhand der Daten der DRF Luftrettung im Zeitraum 2015–2020
verfasst von:
M. Lautenschläger, D. Braun, H. Wrigge, B. Hossfeld, F. Streibert, PD Dr. med. P. Hilbert‑Carius, DEAA
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 4/2022
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Zusammenfassung
Hintergrund
Im Jahr 2016 wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) erstmals eine Handlungsempfehlung zum präklinischen Einsatz von Tourniquets publiziert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollte evaluiert werden, wie häufig der Tourniqueteinsatz in einem repräsentativen Traumakollektiv der Luftrettung und damit die potenzielle Anwendung der Handlungsempfehlung vorkommen.
Methode
Nach Zustimmung des wissenschaftlichen Arbeitskreises der DRF Luftrettung wurde die elektronische Datenbank (HEMSDER) der DRF Luftrettung im Zeitraum von 2015 bis 2020 unter der obigen Fragestellung ausgewertet. Alle Patienten mit einer Tourniquetanwendung wurden in die Studie eingeschlossen, und es erfolgte ein Vergleich mit der Gesamttraumakohorte sowie einer Subgruppe von Patienten, die zusätzlich eine Atemwegssicherung benötigten. Die Auswertung erfolgte vornehmlich deskriptiv. Zudem kamen zum Gruppenvergleich parametrische Testverfahren zum Einsatz (t-Tests sowie Chi2-Tests).
Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum wurden 67.321 Traumapatienten versorgt, bei 866 (entspricht 1,3 % aller Traumapatienten) kam ein Tourniquet zum Einsatz. Das Alter dieser Patienten betrug im Mittel 45,9 (±19,5) Jahre, 710 (84 %) waren männlich, 439 (51 %) erlitten ein Monotrauma, 296 (34 %) eine Polytraumatisierung, 329 (38 %) benötigten ein prähospitales Atemwegsmanagement, 321 (37 %) hiervon eine Intubation. Signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit Tourniquetanwendung und der restlichen Traumakohorte zeigten sich in allgemeinen Daten (Mono‑, Poly‑, Hochrasanztrauma, V. a. Massenblutung), Vitalparametern am Unfallort (GCS, HF, SpO2) und bei den durchgeführten Interventionen, wie Druckverbänden und Hämostyptika, dem Einsatz von Tranexamsäure, der Analgesie/Analgosedierung, bei der Häufigkeit von Intubation und von kolloidalem Volumenersatz.
Schlussfolgerung
Mit einer Häufigkeit von 1,3 % ist die Notwendigkeit einer prähospitalen Tourniquetanlage bei Traumapatienten gering, deckt sich jedoch mit der Häufigkeit internationaler Publikationen. Monotraumata mit isolierten Extremitätenverletzungen stellen ca. die Hälfte der mit Tourniquets versorgten Patienten dar. Die andere Hälfte wird durch mehrfach verletzte bzw. polytraumatisierte Patienten repräsentiert, die signifikant häufiger invasive Maßnahmen im Rahmen der Atemwegssicherung erfordern und einer komplexeren Versorgung vor Ort bedürfen. Die vorliegenden Daten lassen keine Aussage zum Anlageort und über die Qualität der Tourniquetanlage zu.