Erschienen in:
20.06.2016 | Zöliakie | Leitthema
Nichtallergische Glutensensitivität. Ein umstrittenes Krankheitsbild – oder noch nicht ausreichend erforscht?
verfasst von:
Prof. Dr. med. Martin Raithel, Anna Katharina Kluger, Birgit Dietz, Urban Hetterich
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 7/2016
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Zusammenfassung
Die Karenz gegenüber Weizen, Gluten und anderen Getreideprodukten ist heute ein zunehmendes Phänomen in industrialisierten Ländern. Die diagnostischen Kriterien der Zöliakie, der Weizenmehl- oder anderer Getreideallergien sind klar definiert und nur bei ca. 0,5–2,5 % der Bevölkerung nachweisbar.
Dennoch gibt es einen erheblich größeren Anteil an Menschen, die zumindest subjektiv über deutliche Beschwerde- und Lebensqualitätsbesserungen nach Karenz von Weizen oder Gluten berichten, obwohl die obigen Erkrankungen bei diesen Personen anhand etablierter Kriterien nicht nachzuweisen sind. Das Fehlen dieser klaren autoimmunologischen oder allergologischen Diagnostikkriterien für eine Weizensensitivität hat bei diesen Populationen zur Definition des Begriffs der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NZGS) geführt.
Pathophysiologisch werden u. a. nichtimmunologische Mechanismen diskutiert, die zur Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität beitragen. Hierzu gehören die Effekte von Frukto- und Galakto-Oligosacchariden, von Amylase-Trypsininhibitoren (ATIs) oder von Weizenlektinen, welche alle eine Modulation der Darmpermeabilität und/oder eine unspezifische Immun- oder Effektorzellaktivierung am Gastrointestinaltrakt erreichen können.
Neben den subjektiv berichteten Änderungen von Krankheitssymptomen, die sowohl intestinale als auch extraintestinale und neuropsychiatrische Beschwerden betreffen, deuten einige Studien auf eine geringe Reproduzierbarkeit der Beschwerden unter Glutenbelastung hin. Für eine definitive Diagnose der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität ist deshalb nicht nur eine ärztlich kontrollierte, am besten verblindete Provokation mit Weizen bzw. Gluten erforderlich, sondern auch eine Reexposition des Patienten nach einer bestimmten Karenzphase.