Definition und Klassifikation
Die Takayasu-Arteriitis
gehört ebenso wie die
Arteriitis temporalis zu den primären
Vaskulitiden großer Gefäße
. Die histologischen Befunde beider Erkrankungen sind ähnlich. Es finden sich mononukleäre Zellinfiltrate, Riesenzellen und/oder Granulome der Gefäßwand. Dennoch unterscheiden sich beide Krankheiten häufig bezüglich ihres klinischen Bildes und des Krankheitsverlaufs. Die Takayasu-Arteriitis ist charakterisiert durch eine
Vaskulitis der Aorta und ihrer primären Äste mit der Folge von Stenosen
und Verschlüssen
dieser Gefäße.
Tabelle
1 listet die Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology von 1990 auf (Arend et al.
1990). Das Vorliegen von mindestens drei dieser sechs Kriterien macht die Präsenz einer Takayasu-Arteriitis wahrscheinlich. Es besteht eine
Sensitivität von 91 % und eine
Spezifität von 98 % für die Abgrenzung zu anderen
Vaskulitiden. Die Klassifikationskriterien beschreiben vorwiegend Befunde von Stenosen und Verschlüssen und sind für die Frühdiagnostik der Erkrankung nutzlos.
Tab. 1
Klassifikationskriterien der Takayasu-Arteriitis
1 | Alter bei Krankheitsbeginn ≤40 Jahre |
2 | Claudicatio intermittens der Extremitäten (bewegungsabhängige Muskelbeschwerden mindestens einer Extremität, insbesondere der Arme) |
3 | Abgeschwächte Pulsation der Arteria radialis und/oder Arteria ulnaris |
4 | Systolische Blutdruckdifferenz ≥10 mmHg zwischen beiden Armen |
5 | Auskultierbare Strömungsgeräusche über der Arteria subclavia (ein- oder beidseits) oder über der Aorta abdominalis |
6 | Arteriographischer Nachweis typischer Gefäßveränderungen der Aorta, der aortalen Äste oder großer Arterien der proximalen oberen oder unteren Extremitäten (meist fokalsegmentale, stenosierende oder okkludierende Veränderungen), die nicht auf Arteriosklerose oder fibromuskuläre Dysplasie oder ähnliche Ursachen zurückzuführen sind |
Epidemiologie
Etwa 80–90 % der Patienten sind Frauen. Fast alle Patienten sind jünger als 40 Jahre bei Krankheitsbeginn. Die Erkrankung kann bereits im Kindesalter auftreten. Die meisten Patienten sind zu Beginn ihrer Erkrankung zwischen 20 und 30 Jahre alt. In westeuropäischen Ländern ist die Erkrankung sehr selten, im östlichen Mittelmeerraum und in Mittel- und Südamerika etwas häufiger und besonders häufig in Südostasien und Indien. Die Inzidenz in der europäischen Bevölkerung wird auf 2 pro 1 Million Einwohner pro Jahr geschätzt.
Diagnostik
Entzündungsparameter wie BSG und CRP sind bei unbehandelter aktiver Erkrankung fast immer erhöht. Sie sind unspezifisch. Bei adipösen und sonst gesunden Frauen findet sich beispielsweise häufig eine leichte CRP-Erhöhung. Es gibt keine spezifischen Laborparameter für die Takayasu-Arteriitis.
Histologische Präparate sind meist nicht verfügbar, sollten aber bei einer notwendigen Operation falls möglich entnommen werden.
Somit haben bildgebende Methoden die größte Bedeutung für die Diagnosestellung. Die
Sonographie zeigt an den betroffenen Arteriensegmenten eine homogene, bei perakuter Entzündung echoarme, sonst echogleiche, im Querschnitt konzentrische Verbreiterung der Gefäßwand und glatt begrenzte Stenosen. Sie erlaubt mit hoher
Auflösung eine Beurteilung der supraaortalen Äste, der Bauchaorta und Viszeralarterien (Nierenarterienstenose) sowie der Becken- und Beingefäße. Durch die hohe räumliche Auflösung können Frühveränderungen schon in der entzündlichen Phase der Erkrankung dargestellt werden. Ein therapeutisches Ansprechen auf die Behandlung ist oft an einem Rückgang der Wandverbreiterung innerhalb von Monaten bis Jahren abzulesen. Der Vorteil der Methode liegt in der guten Verfügbarkeit, Wiederholbarkeit und niedrigen Belastung. Die meisten Abschnitte der thorakalen Aorta lassen sich transthorakal sonographisch nicht darstellen, allerdings ist dieser Bereich selten ausschließlich befallen.
Eine gute Alternative zur
Sonographie ist die Magnetresonanztomographie (MRT) bzw. die
MR-Angiographie (MRA). Sie bietet einen hervorragenden Überblick über den Gefäßbefall einschließlich der abdominellen Arterien, verpasst allerdings geringe Wandschwellungen aufgrund der schlechteren
Auflösung und überinterpretiert häufig den Stenosegrad.
Die Positronenemissionstomographie (PET) wird in Verbindung mit 18-Fluorodesoxyglukose als Marker der Zellaktivität in der Gefäßwand eingesetzt. So können entzündliche von arteriosklerotischen Wandveränderungen abgegrenzt und Differenzialdiagnosen wie
Lymphome ausgeschlossen werden. Ihre Bedeutung für eine Verlaufsbeurteilung der Erkrankung ist noch unklar. Das
Auflösungsvermögen beschränkt die Methode (wie die Angio-Computertomographie) auf die Darstellung der Aorta und ihre abgangsnahen Äste.
Tabelle
3 gibt einen Überblick über die bildgebenden Verfahren (Schmidt
2013).
Tab. 3
Vergleich verschiedener bildgebender Verfahren in der Diagnostik der Takayasu-Arteriitis
Angiographie | + | – | – | ++ | ++ | – |
| ++ | ++ | ++ | (+) | – | ++ |
| + | + | ++ | ++ | – | – |
CT-Angiographie | + | + | – | ++ | – | – |
Magnetresonanztomographie (MRT) | + | + | ++ | ++ | – | ++ |
| + | + | – | ++ | – | + |
Positronenemissionstomographie | – | + | – | ++ | – | – |
Differenzialdiagnostik
Bildgebende Verfahren sind meistens wegweisend für die Diagnose, insbesondere bei der Abgrenzung zu anderen entzündlichen Erkrankungen wie Malignome (
Lymphome) und Infektionen. Bei Nachweis von Stenosen oder Gefäßverschlüssen ist die Abgrenzung zur
Arteriosklerose und zur fibromuskulären Hyperplasie wichtig. Beide gehen nicht mit Entzündungszeichen einher. Die Arteriosklerose ist häufig asymmetrisch, und es finden sich Verkalkungen. Die fibromuskuläre Hyperplasie ist meist lokalisiert.
Takayasu-Arteriitis und
Riesenzellarteriitis großer Gefäße
lassen sich primär durch das Alter bei Krankheitsbeginn unterscheiden. Die Takayasu-Arteriitis ist eher asymmetrisch, und häufiger sind Arteria subclavia und Arteria carotis communis befallen. Bei der Riesenzellarteriitis ist eher die Arteria axillaris auf beiden Seiten betroffen. Die Temporalarterien sind bei der Takayasu-Arteriitis nicht befallen. Der Krankheitsverlauf der Riesenzellarteriitis ist in der Regel weniger problematisch, kürzer, und es gibt seltener Verschlüsse großer Arterien.
Dennoch gibt es Patienten, bei denen Charakteristika beider Krankheitsbilder bestehen. So kann beispielsweise eine
isolierte Aortitis zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auftreten. Die Therapie beider Krankheitsbilder ist ähnlich.
Therapie
Die Behandlung im floriden Stadium erfolgt mit
Kortikosteroiden. Begonnen wird mit 1 mg/kg Körpergewicht Prednisolon/Tag oder mit 70 mg/Tag, wobei die Dosis unter Beachtung des klinischen Verlaufes, der BSG und der Gefäßveränderungen schrittweise reduziert und in niedriger Dosis über mindestens ein Jahr fortgeführt wird (Caspary et al.
2015). Ähnlich wie bei der
Arteriitis temporalis soll zunächst um 10 mg wöchentlich reduziert werden, bis eine Tagesdosis von 20 mg erreicht ist, dann wöchentlich um 2,5 mg bis zu einer Tagesdosis von 10 mg. Anschließend kann die Dosis monatlich um 1 mg monatlich reduziert werden.
Zu kortikoidsparenden Langzeitmedikamenten wie
Methotrexat (15–25 mg/Woche), Azathioprin (100–200 mg/Tag), Leflunomid (20 mg/Tag), Cyclophosphamid, Mycophenolat-Mofetil sowie Tumornekrosefaktor(TNF)-Alpha-Inhibitoren gibt es jeweils nur kleine, unkontrollierte Fallserien mit weniger als 20 Patienten. Dennoch wird bei den meisten Patienten im klinischen Alltag eine der oben genannten Substanzen mit
Glukokortikoiden kombiniert mit dem Ziel, die Glukokortikoiddosis reduzieren zu können.
Im entzündlichen Akutstadium sind interventionelle Eingriffe häufig durch Komplikationen oder Frührezidive belastet und daher nur bei vitaler Indikation (
Aortenaneurysma,
Aortitis mit Aorteninsuffizienz, hochgradige Karotisstenosen) indiziert (Miyata et al.
2003). Eine revaskularisierende Therapie richtet sich im chronischen Stadium bei gut beherrschter Entzündungsaktivität nach den Kriterien, die zur Behandlung einer chronischen peripher-arteriellen Verschlusskrankheit gültig sind. Nach chirurgischen Eingriffen ist neben Frühverschlüssen auch mit einer hohen Zahl von Anastomosenaneurysmen zu rechnen.
Verlauf und Prognose
Rezidive sind häufig. Sie können sich mit einer wieder aufflammenden klinischen Allgemeinsymptomatik manifestieren, einer erneuten laborchemischen Entzündungsaktivität und/oder dem Auftreten neuer Wandinfiltrationen und Stenosen. Neben einer regelmäßigen klinischen und laborchemischen Überwachung sind daher bildgebende Verlaufskontrollen, insbesondere mittels
Sonographie, sinnvoll, um den Verlauf der entzündlichen Wandschwellung zu beurteilen. Im chronischen Stadium bestimmen zusätzlich die klassischen arteriosklerotischen Probleme die Therapie. Von diesen wird der arterielle Hypertonus bei Vorliegen von
Subclaviastenosen und -verschlüssen oft unterschätzt. Der Blutdruck sollte an den Knöchelarterien gemessen werden, wenn die unteren Extremitäten nicht befallen sind.