Hautveränderungen an der Vulva sind Epithelveränderungen, die gutartig, prämaligne oder maligne sein können. Die gutartigen Dermatosen spielen dabei eine große Rolle. Dazu zählen der Lichen sclerosus, der Lichen simplex, die atopische Dermatitis, der M. Behcet, der Lichen ruber planus, die Psoriasis und Melanosis vulvae. Eine häufige gutartige virale Erkrankung, die v. a. bei jungen, sexuell aktiven Frauen auftritt, stellen Condylomata acuminata (HPV 6/11) im Genitalbereich dar. Ein Teil dieser Dermatosen (LSA, Lichen ruber) prädisponieren zur Entstehung von prämalignen und malignen Erkrankungen. Zu den prämalignen Läsionen gehören die vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN) und der extramammäre M. Paget. Im Rahmen dieses Kapitels wird auf die häufigsten und wichtigsten benignen und prämalignen Erkrankungen an der Vulva eingegangen und deren Diagnostik, Therapie und ggf. Prävention erläutert.
Neben den entzündlichen Erkrankungen der Vulva durch Bakterien oder Viren (z. B. Herpes genitalis, HPV) spielen die Hautveränderungen an der Vulva in der gynäkologischen Praxis eine zunehmende Rolle. Diese Epithelveränderungen können gutartig, prämaligne oder maligne sein. Entsprechend der Klassifikation der Internationalen Society for the Study of Vulvovaginal Diseases (ISSVD) unterscheidet man bei den nichtneoplastischen Epithelveränderungen folgende Krankheitsbilder:
Lichen sclerosus et atrophicus,
Plattenepithelhyperplasie,
andere Dermatosen.
Leider ist diese Unterteilung unzureichend, da weder die Beschwerden noch die zahlreichen Dermatosen an der Vulva berücksichtigt werden. Im Rahmen dieses Kapitels wird auf die häufigsten und wichtigsten Erkrankungen an der Vulva eingegangen.
Gutartige Erkrankungen der Vulva
Lichen sclerosus et atrophicus
Ätiologie, Symptomatik und klinische Zeichen
Der anogenitale Lichen sclerosus et atrophicus (LSA) ist eine Erkrankung unklarer Genese. Diskutiert werden insbesondere eine Autoimmunpathogenese (vergesellschaftet mit Schilddrüsenerkrankungen, Vitiligo) oder ein α-Reduktasemangel. Eine genetische Prädisposition und familiäre Häufung wird diskutiert. Obwohl der LSA vor allem in der Postmenopause auftritt, finden wir auch Kinder vor und nach der Pubertät und auch jüngere Frauen mit diesen Epithelveränderungen. Das klassische Symptom des Lichen ist quälender Juckreiz – besonders abends – mit Kratzspuren, Synechien, Brennen bei der Miktion, Dyspareunie.
Typische klinische Zeichen eines LSA sind (Abb. 1):
Verlust des Hautreliefs an der behaarten Vulvahaut, Sklerosierung,
Lichen sclerosus ist ein aktiver, chronischer, metabolischer Prozess des (behaarten) Vulvaepithels, der zu einer atrophischen Umwandlung der Vulva führt. Die Vagina wird nicht befallen.
Diagnostik
Die Diagnose ist häufig bereits über die Inspektion des äußeren Genitale zu stellen. Anfangs weist die Haut einen weißlichen, elfenbeinfarbenen, perlmuttartigen Glanz auf. Häufig finden sich Hyperkeratosen, entzündliche Formationen und Rhagaden. In späteren Stadien der Erkrankung schreitet die Atrophie der Vulva fort, die kleinen Labien schrumpfen und verkleben (Labiensynechie, Klitorissynechie), der Introitus (Scheideneingang) schrumpf und stenosiert, und die Interlabialfalten werden nivelliert, im Extremfall ist keine Kohabitation mehr möglich, und auch die Miktion kann beeinträchtigt sein (Dyspareunie und Dysurie). Auch eine Beteiligung des Perineums und der Analregion ist häufig, dann geben die Frauen Schmerzen und Einrisse beim Stuhlgang an. Nach Kratzen entstehen Einblutungen und Exkoriationen. Der Lichen sclerosus spart das Scheidenepithel aus.
Auf dem Boden eines chronischen LSA kann eine Präneoplasie (differenzierte vulväre intraepitheliale Neoplasie; VIN) entstehen oder ein Vulvakarzinom (Abb. 2). Obwohl der LSA keine Präneoplasie im eigentlichen Sinne darstellt, ist zu beachten, dass die Inzidenz von Karzinomen bei Lichen-erkrankten Frauen mit 4–5 % gegenüber gesunden Frauen deutlich erhöht ist (Kirtschig et al. 2015; Lee et al. 2015).
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Differenzialdiagnostisch kommen in Frage:
senile Atrophie (kein Pruritus, kleine und große Labien gut unterscheidbar),
Zur Diagnosesicherung bzw. zum Ausschluss einer differenzierten VIN bzw. eines Karzinoms sollte vor Therapie eines LSA mit Kortison eine histologische Sicherung mittels Biopsie (z. B. Punch-Biopsie in Lokalanästhesie) erfolgen.
Histologisch ist die Epidermis verschmälert. Reteverlust und oberflächliche Ödembildung sowie erosive und entzündliche lymphozytäre Begleitinfiltrate werden beobachtet. Hyperkeratosen sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Spezifisch sind der Schwund der kollagenen und elastischen Bindegewebsfasern und eine Hyalinisierung, vor allem um die Gefäße.
Therapie
Die Therapie besteht aus der Applikation von hochpotenten Kortikosteroidsalben, um den Juckreiz, die Hyperkeratosen und die Erosionen/Rhagaden zu minimieren bzw. zu beseitigen. Die Standardtherapie besteht in der Applikation von Clobetasolpropionat 0,5 mg (Dermoxin®-Salbe; 1-mal täglich über 6–8 Wochen, dann ausschleichen, max. 12 Wochen) oder Mometasonfuroat 1 mg (Kirtschig et al. 2015). Hautpflege mit Fettsalbe oder Vaseline ist essenziell.
Als neue Therapieoption gelten die Immunsuppressiva Pimecrolimus oder Tacrolimus, deren Wirkung durch die Hemmung der T-Zellaktivierung und die Ausschüttung zahlreicher Zytokine zustande kommt. Nach ersten vielversprechenden Berichten, u. a. bei Kindern (Boms et al. 2004), wurde später eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie durchgeführt, in der bei 38 Frauen (Erwachsenen) Clobetasol mit Pimecrolimus verglichen wurde (Goldstein et al. 2011). Beide Substanzen waren gleichermaßen wirksam gegen Lichen sclerosus, jedoch zeigte sich Clobetasol gegenüber Pimecrolimus hinsichtlich der entzündlichen Veränderungen überlegen. Allerdings stellt Pimecrolimus eine echte Alternative zu den Kortikosteroiden bei der Behandlung von Lichen sclerosus dar.
Prognose
Die Prognose ist gut, aber eine langjährige Therapie (z. B. mit Clobetasol-Salbe 1×/Woche als Dauertherapie) ist i. d. R. erforderlich und scheint die Spätfolgen zu reduzieren (Lee et al. 2015). Lichen sclerosus ist keine Präkanzerose im engeren Sinne, aber er ist in ca. 3–5 % der Fälle mit einem Carcinoma in situ bzw. Vulvakarzinom assoziiert. Bei Kindern werden Spontanheilungen in der Pubertät beobachtet, die Therapierbarkeit ist bei jungen Mädchen und Frauen gut. Auch junge Patientinnen mit Lichen sclerosus scheinen ein erhöhtes Risiko für ein Vulvakarzinom zu haben.
Daher sind engmaschige kolposkopische Kontrollen (alle 6–12 Monate) – bei aktivem LSA lebenslang – dringend anzuraten.
Squamöse Hyperplasie, Lichen simplex
Die squamöse Hyperplasie ist histologisch gekennzeichnet durch eine unspezifische Verbreiterung des Epithels mit Akantose. Bei der squamösen Hyperplasie ist die Hautveränderung umschrieben, bei dem mit denselben histologischen Veränderungen einhergehenden Lichen simplex chronicus ist die Hautveränderung eher großflächig an den großen Labien zu finden.
Hauptsymptom beider Erkrankungen ist der Pruritus, durch Kratzen entstehen erosive Defekte und Rhagaden.
Die Ursache der squamösen Hyperplasie ist oft irritativ (Spays, Deodorantien, Chemikalien), die Ursache des Lichen symplex chronicus ist unklar, Stress scheint die Erkrankung zu triggern.
Die Differenzialdiagnose umfasst den Lichen sclerosus et atrophicus (Unterscheidung manchmal nur histologisch möglich), Psoriasis, die VIN oder eine Candida-Infektion der Vulvahaut.
Die Therapie besteht in der Linderung des quälenden Juckreizes mit Kortisonsalben. Zunächst ist der Versuch mit Betamethasonsalbe sinnvoll. Falls darunter keine Besserung eintritt, kann wie beim LSA Clobetasolproprionat appliziert werden (1× tgl.), bis sich der Juckreiz zurückbildet. Dann ist ein Umstieg auf weniger potente Steroide (sparsam) empfehlenswert. Alle irritativen Substanzen müssen eliminiert werden. Ein Ausschluss von irritativen Substanzen (Parabene, Perubalsam über Allergietestung) ist anzustreben.
Atopische Dermatitis
Die Ursache für diese entzündliche, nichtinfektiöse Erkrankung der Vulva ist meist eine Kontaktallergie, in diesem Fall erfolgt die Diagnose über eine Allergietestung beim Dermatologen. Symptome: Bei der akuten Form tritt der Juckreiz begleitet von einer Rötung und Schwellung kurzzeitig nach dem Kontakt mit dem Allergen auf (z. B. Intimspray, Nagellackkontakt etc.). Bei der chronischen Form kommt es zur Lichenifikation der Haut mit Erythem und Juckreiz.
Die Therapie besteht in kurzzeitiger Kortisonsalbenapplikation (z. B. Betamethason), die Betreuung sollte interdisziplinär mit Dermatologen erfolgen.
M. Behcet
Der M. Behcet ist eine Systemvaskulitis, die einhergeht mit Ulzerationen im Bereich der Genitalschleimhaut, Apthen im Mund und Iritis. Die Ursache ist unklar, am ehesten liegt eine Autoimmunerkrankung zugrunde. Symptome: Im Genitale finden sich Ulzera vor dem Hymenalsaum oder an den kleinen Labien, die schmerzhaft sind und sehr langsam abheilen.
Differenzialdiagnostisch müssen ein Herpes genitalis, Ulcus molle oder eine primäre Lues ausgeschlossen werden. Die Therapie erfolgt mittels Kortison oral oder Resochin zusammen mit den Dermatologen.
Lichen ruber planus
Im Gegensatz zum Lichen sclerosus ist der Lichen ruber planus eine Erkrankung der Schleimhaut, bei der typischerweise die Vagina/Introitusschleimhaut und die Mundschleimhaut befallen sind (Abb. 3). Es treten Erosionen auf (erosiver Lichen planus) bzw. eine Rötung der Schleimhaut mit netzförmigen, weißlichen, unscharf begrenzten Plaques. Die Frauen haben meist starke Schmerzen (Gefühl wie „rohes Fleisch“), Brennen, Dysurie und starke Dyspareunie. Im Endstadium kommt es zur Engstellung/Verklebung der Scheide, sodass die Portio nicht mehr einsehbar ist. Das Risiko der Entstehung einer Präneoplasie (VAIN) und/oder eines Vaginalkarzinoms auf dem Boden eines langjährigen Lichen planus scheint erhöht. Auch Läsionen an anderen Stellen des Körpers treten auf (Schienbein, Handgelenkinnenseite).
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Die Diagnose erfolgt über die Inspektion und Kolposkopie der Vagina und Inspektion der Mundschleimhaut und soll durch eine (Punch-)Biopsie gesichert werden.
Die Therapie erfolgt mittels Kortison lokal (Kortisonschaum in Vagina, Clobetasol Salbe lokal), in schweren Fällen mit Neotigason, in Zusammenarbeit mit den Dermatologen. Synechien können chirurgisch gelöst werden, danach Tragen von Dilatatoren.
Regelmäßige Kontrollen sind notwendig, um die Entwicklung einer Präneoplasie (VAIN) bzw. Neoplasie frühzeitig zu erkennen.
Psoriasis vulgaris
Die Psoriasis vulgaris ist eine dermatologische Erkrankung, die auch im Vulvabereich auftreten kann. Symptome: Die Haut zeigt Plaques, die scharf begrenzt sind, die Haut ist verdickt, gerötet und schuppt. Meist haben die Frauen auch Veränderungen an anderen Körperstellen (Knie, Ellenbogen, Kopfhaut) zusammen mit den Läsionen in den Hautfalten am Genitale. Charakteristisch sind die Tüpfelnägel, beweisend ist die Histologie. Die Differenzialdiagnose umfasst den M. Paget, die VIN und den LSA. Die Therapie erfolgt in enger Anbindung an die Dermatologen mit Cignolin, Teerpräparaten, PUVA (Psoralen plus UV-A), Kortikosteroiden oder Retinoiden.
Melanosis vulvae
Die Hyperpigmentierung im Bereich der Vulvahaut ist eine harmlose Erkrankung. Falls sich die Läsionen verändern oder dicker werden, muss ein Melanoma in situ oder ein Melanom per Stanzbiopsie ausgeschlossen werden.
Condylomata acuminata
Die Condylomata acuminata zählen zu den Virusinfektionen und werden durch Infektionen mit HPV („human papilloma virus“) Typ 6 und 11 verursacht. Sie sind hochinfektiös, der Virus wird beim Geschlechtsverkehr übertragen. Die Diagnose erfolgt mittels Inspektion bzw. Vulvoskopie nach Essigapplikation (Abb. 4). Um eine Präneoplasie auszuschließen, kann eine Biopsie in fraglichen Fällen sinnvoll sein. Zur lokalen Therapie werden Immunmodulanzien (Imiquimod 5 % Creme 3×/Woche über ca. 12 Wochen, Veregen 3×/Tag) oder zytotoxische Substanzen (Podophyllotoxin 0,15-%-Creme oder 0,5 %ige Lösung) eingesetzt. Trichloressigsäure führt zu Zellnekrosen und wird vom Arzt gezielt auf die Warzen aufgetragen. Trichloressigsäure ist auch in der Schwangerschaft zugelassen, während Imiquimod, Veregen und Podophyllotoxin während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden sollen, weil die Datenlage unklar ist.
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Prämaligne Erkrankungen der Vulva
Kennzeichen der prämalignen Veränderungen sind Zellatypien/-dysplasien. Die prämalignen Veränderungen an der Vulva werden unterteilt in die squamösen und die nichtsquamösen Veränderungen. Die squamösen Läsionen sind die vulvären intraepithelialen Neoplasien (VIN), zu den nichtsquamösen zählt der M. Paget und das Melanoma in situ (s. oben).
Vulväre intraepitheliale Neoplasie
Unter vulvärer intraepithelialer Neoplasie (VIN) werden die echten Präkanzerosen der Vulva zusammengefasst. Je nach Ausmaß der atypischen Epithelproliferation und Zunahme der Störung der Epithelstruktur spricht man von leichter, mittelgradiger und schwerer Dysplasie/Carcinoma in situ.
Die jährliche Inzidenz der VIN beträgt inzwischen 7:100.000 Frauen. Die VIN hat in den letzten Jahren vor allem bei jüngeren Frauen zugenommen, sodass der Altersgipfel nun bei 40 Jahren angegeben wird. Durch die Assoziation mit HPV (s. unten) geht man davon aus, dass eine virale Genese für die höhere Inzidenz verantwortlich ist.
Bei der histologischen Klassifikation des Schweregrades einer Dysplasie (Tab. 1) müssen folgende Kriterien beurteilt werden:
Störung der Kern-Plasma-Relation zugunsten der Kerne,
Hyperchromasie,
Auftreten großer Nukleolen,
Riesenzellbildung sowie
basale Hyperplasie.
Tab. 1
Histologische Klassifikation der vulvären intraepithelialen Neoplasie (VIN)
Schweregrad
Bezeichnung
Kennzeichen
VIN I
Leichte Dysplasie
Die Veränderungen sind auf das untere Drittel a des Epithels beschränkt
VIN II
Mittelgradige Dysplasie
Die Veränderungen sind in den unteren zwei Dritteln des Epithels nachweisbar
VIN III
Schwere Dysplasie, Carcinoma in situ
Das gesamte Epithel ist verändert
a Mit „unterem Drittel“ ist die Tiefe des Epithels gemeint, also nicht die Oberfläche. Diese Einteilung erklärt die niedrige Sensitivität des zytologischen Abstriches an der Vulva, da in Frühstadien nur wenige Zellen mit Atypien an der Oberfläche nachweisbar sind.
Die Basalmembran ist bei allen VINs intakt.
Die Nomenklatur der VIN hat in den vergangenen Jahren zahlreichen Änderungen durchlaufen, die in Tab. 2 zusammengefasst sind.
Tab. 2
Aktuelle Nomenklatur der präneoplastischen Erkrankungen der Vulva
Quelle
Kondylomatöse Läsion
Leichte Dysplasie
Mäßiggradige Dysplasie
Schwere Dysplasie, Carcinoma in situ
HPV-neg. Plattenepithelproliferation mit abnormer Keratinozytendifferenzierung und Basalzellatypie
„differentiated type vulvar intraepithelial neoplasia“
Grundsätzlich werden aufgrund der unterschiedlichen Pathogenese 2 Formen der VIN unterschieden:
1.
KlassischeVIN (syn. „usual VIN“, uVIN) (Abb. 5): Diese Form überwiegt mit 90 % aller VIN und tritt vor allem bei jungen Frauen auf. Sie zeigt eine steigende Inzidenz und ist HPV-assoziiert (zumeist HPV 16) (Del Pino et al. 2013). Häufig treten die Läsionen multifokal auf, nicht selten auch in der Vagina lokalisiert (VAIN) oder perianal (AIN).
2.
DifferenzierteVIN (d-VIN): Diese Form ist mit 2–10 % aller VIN deutlich seltener (van den Einden et al. 2013), tritt vor allem bei älteren Frauen auf und wird zumeist nicht per se, sondern in Assoziation mit einem invasiven Karzinom diagnostiziert. Pathogenetisch steht hier eine Inaktivierung/Mutation des Tumorsuppresorgens p53 im Vordergrund, ohne eine Assoziation zu einer HPV-Infektion (Pinto et al. 2010). Betroffene Frauen haben oft eine chronische Vulvaerkrankung, zumeist einen Lichen sclerosus in der Umgebung bzw. in der Anamnese. Die Läsionen treten meist unifokal auf.
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Symptome sind Juckreiz, Brennen und Schmerzen, VINs können aber auch asymptomatisch sein.
Die Diagnose der VIN erfolgt mittels Inspektion, Vulvoskopie nach Essigapplikation (3–5 %) und histologischer Sicherung mittels Stanzbiopsie. Bei der Inspektion findet sich bei der undifferenzierten VIN meist ein weißlicher oder rötlicher kondylomatöser, hyperkeratotischer Herd mit häufig bräunlicher Verfärbung (früher M. Bowen), uni- oder multifokal. Palpatorisch können Verhärtungen und Niveaudifferenzen festgestellt werden. Eine histologische Diagnose vor Therapie ist anzustreben (Stanzbiopsie), dabei muss eine Invasion bzw. Mikroinvasion ausgeschlossen werden. Die differenzierte VIN bei älteren Frauen mit LSA ist deutlich seltener und schwieriger zu diagnostizieren und sollte bei entsprechendem Verdacht durch eine Biopsie gesichert werden. Die Untersuchung von Portio, Vagina und Analregion ist vor allem bei der undifferenzierten VIN obligat, ggf. sollte eine HPV-Bestimmung durchgeführt werden.
Die Therapie besteht in der Entfernung der VIN im Gesunden unter Schonung der Anatomie und Funktionalität der Vulva. Bei jungen Frauen und multifokalem Befall ist deshalb die Laservaporisation nach Biopsie die Therapie der Wahl. Vor der Vaporisation muss ein invasives Vulvakarzinom ausgeschlossen worden sein, ansonsten sollte eine (Laser-)Exzision erfolgen. Eine Skinning-Vulvektomie mit Resektion der gesamten Kutis der Vulva und – je nach Ausdehnung – evtl. Ersatz durch Hauttransplantate kann bei ausgedehntem Befall des Genitale erforderlich sein. Alternativ ist die Applikation von Imiquimod (Aldara 5-%-Creme) 3×/Woche möglich. In einer Placebo-kontrollierten Studie führte die lokale Applikation von Imiquimod bei Frauen mit HPV-induzierter VIN in 81 % der Fälle zu einer Verkleinerung der VIN-Läsionen, bei 58 % waren HPV nicht mehr nachweisbar (van Seters et al. 2008). Während dieser Therapie sollen die Patientinnen engmaschig (z. B. alle 6 Wochen) klinisch untersucht werden. Im Falle einer Größenzunahme oder Veränderung der Konsistenz des Gewebes ist die Progression zu einem invasiven Karzinom unter Therapie auszuschließen.
Da es sich bei der VIN um eine Virusinfektion handelt, ist das Rezidivrisiko hoch und liegt zwischen 20 und 50 % (Leufflen et al. 2013). Das Entartungsrisiko liegt bei ca. 6,5 % (van Seters et al. 2005), meist sind es jedoch Risikopatientinnen (Immunsuppression, Radiotherapie des Genitale in der Anamnese). Die undifferenzierte Form hat ein höheres Entartungsrisiko als die HPV-induzierte VIN. Spontanremissionen, auch bei multifokalen Läsionen, sind möglich (Stephenson und Denehy 2012).
Die Differenzialdiagnose umfasst flache Kondylome, einen M. Paget, Hyperkeratose oder Hautwarzen der Vulva.
Extramammärer M. Paget der Vulva
Beim M. Paget der Vulva handelt es sich um eine intraepitheliale Neoplasie aus apokrin bzw. ekkrin differenzierten Zellen, die in der Haut liegen (Paget-Zellen). Der M. Paget ähnelt klinisch einer VIN oder einem umschriebenen Lichen bzw. einem ekzemartigen Herd (Abb. 6). Der M. Paget äußert sich meist über Juckreiz oder Brennen oder ist asymptomatisch. Die Therapie besteht in der Exzision in sano bzw. der partiellen oberflächlichen Vulvektomie ohne Lymphonodektomie. Da die Paget-Zellen meist weit verstreut in der Haut liegen, ist trotz großzügiger Exzision die Rezidivrate sehr hoch (30 %). Daten zu Remissionen in bis zu 50 % der Fälle unter 5 %igem Aldara liegen vor (Luyten et al. 2014; Machida et al. 2015).
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Zu beachten ist, dass der extramammäre M. Paget der Vulva in 30–50 % der Fälle mit einem Adenokarzinom des Rektums, der Urethra, der Zervix sowie der Bartholin-Drüsen und in 15 % der Fälle mit einem Adenokarzinom der Mamma vergesellschaftet ist. Daher ist die eingehende Diagnostik der genannten Organe erforderlich.
Literatur
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