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Atopisches Ekzem

Verfasst von: Bernhard Homey, Thomas Ruzicka und Andreas Wollenberg
Das atopische Ekzem ist eine meist chronische, entzündliche, nicht kontagiöse Hauterkrankung, die mit starkem Juckreiz einhergeht und häufig familiär, allein oder in Verbindung mit Asthma bronchiale oder Rhinoconjunctivitis allergica auftritt. Bei den meisten Patienten lassen sich IgE-vermittelte Sensibilisierungen gegen Aero- oder Nahrungsmittelallergene nachweisen (extrinsisches atopisches Ekzem). Davon unterschieden wird ein morphologisch gleichartig sich präsentierendes Krankheitsbild, bei dem weder spezifische IgE-Antikörper im Serum noch Soforttyp-Reaktionen im Hauttest gegen verbreitete Aeroallergene nachweisbar sind (intrinsisches atopisches Ekzem). Die Prävalenz des atopischen Ekzems in Europa liegt bei 15–20 % bei Kindern und 1,5–5 % bei Erwachsenen. Wissenschaftliche Studien unterstreichen, dass in suszeptiblen Patienten ein epidermaler Barrieredefekt, zusammen mit einer mikrobiellen Fehlbesiedlung der Haut und neuroimmunologischen Prozessen, zu einer Entzündungsreaktion führt, die durch Th2-, Th22- und Th1-Zellen charakterisiert ist.

Einführung

Der Begriff Atopie (griechisch: atopos; fehl am Platz, unziemlich) bezeichnet die Überempfindlichkeit gegenüber alltäglichen Einwirkungen, die atopischen Erkrankungen zugrunde liegt. Dabei umfasst die atopische Überempfindlichkeit IgE-vermittelte allergische Reaktionen gegen spezifische Auslöser sowie eine Hypersensitivität gegen alltägliche mechanische, physikalische oder chemische Einwirkungen. Häufig, jedoch nicht obligat, geht das atopische Ekzem zeitgleich oder zeitversetzt mit einer allergischen Rhinokonjunktivitis und/oder dem allergischen Asthma bronchiale einher. Wenn sich bei einem Patienten die Trias atopischer Erkrankungen manifestiert, so kommt es typischerweise im Säuglingsalter zunächst zum atopischen Ekzem, erst später treten allergische Rhinokonjunktivitis und Asthma auf (atopischer Marsch). Bei atopischer Veranlagung besteht zudem ein erhöhtes Risiko für anaphylaktische Reaktionen gegen bestimmte Soforttyp-Allergene, zum Beispiel Nahrungsmittel oder Naturlatex.
Es besteht ein genetischer Hintergrund: Leidet kein Elternteil an einer atopischen Erkrankung, so beträgt das Risiko des Kindes für eine atopische Erkrankung bis zu 15 %, leiden beide Eltern an der gleichen atopischen Erkrankung, so beträgt das Risiko des Kindes, dieselbe Erkrankung zu entwickeln, 60–80 %. Die deutliche Zunahme von atopischen Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten macht jedoch deutlich, dass neben der genetischen Disposition äußere Faktoren für eine Krankheitsmanifestation notwendig sind. Es wird vermutet, dass die Zunahme atopischer Erkrankungen mit einer Reihe von geänderten Lebensbedingungen zusammenhängt, wie sie für Industrieländer charakteristisch sind. Zum einen bestehen diese geänderten Lebensbedingungen in einer Abnahme von Infektionskrankheiten; in letzter Konsequenz kommt es anstelle erwünschter immunologischer Abwehrreaktionen zu unerwünschten krankmachenden allergischen Th2-dominierten Immunantworten. Zum anderen führen andere Ernährungsgewohnheiten, Wohnverhältnisse und eine gestiegene Umweltbelastung zu einer veränderten Exposition gegenüber Allergenen und Schadstoffen. Damit wird die Entstehung IgE-vermittelter Sensibilisierungen erleichtert.
Die Hautveränderungen des atopischen Ekzems können abheilen, bei der Mehrzahl der betroffenen Kinder verliert sich das atopische Ekzem bis zum Erwachsenenalter. Die Veranlagung zu Überempfindlichkeitsreaktionen von Haut und Atemwegen bleibt allerdings lebenslang bestehen. Die Häufigkeit der Erkrankung und die besondere Bevorzugung des Kindesalters und Jugendalters machen das atopische Ekzem zu einer der großen Herausforderungen auf dermatologischem Fachgebiet.

Atopisches Ekzem

Synonyme
Atopische Dermatitis, Neurodermitis, Neurodermatitis, endogenes Ekzem, konstitutionelles Ekzem, Prurigo Besnier
Definition
Es handelt sich um eine meist chronische oder chronisch-rezidivierend verlaufende, entzündliche, nicht kontagiöse Hauterkrankung, die mit starkem Juckreiz einhergeht und häufig familiär, allein oder in Verbindung mit Asthma bronchiale oder Rhinoconjunctivitis allergica (Heuschnupfen) auftritt. Morphologie und Lokalisation unterliegen im Laufe des Lebens einem Formenwandel. Die Mehrheit der Patienten leidet unter einer leichten Form mit geringer Ausdehnung und intermittierenden Krankheitsschüben, die Erkrankung kann jedoch auch schwer verlaufen.
Bei den meisten Patienten lassen sich IgE-vermittelte Sensibilisierungen gegen Aeroallergene oder Nahrungsmittelallergene nachweisen. Der vermutete Bezug zu spezifischen äußeren Auslösern führte zur Bezeichnung extrinsisches atopisches Ekzem. Davon unterschieden wird ein morphologisch gleichartiges Krankheitsbild, bei dem weder spezifische IgE-Antikörper im Serum noch Soforttyp-Reaktionen im Hauttest gegen verbreitete Aeroallergene nachweisbar sind (intrinsisches atopisches Ekzem). Dass bei einem Teil dieser Patienten mit intrinsischem atopischem Ekzem dennoch im Atopie-Patch-Test Ekzemreaktionen gegen Aeroallergene auslösbar sind, ist ein Beleg für die Bedeutung allergenspezifischer T-Zellen bei der Krankheitsauslösung.
Geschichte
Das klinische Erscheinungsbild des atopischen Ekzems wurde erstmals 1808 von dem englischen Arzt Robert Willan ausführlich beschrieben. Die Bezeichnung Neurodermitis oder Neurodermatitis wurde ab 1891 von Brocq und Jacquet geprägt (Brocq und Jacquet 1891). Besnier beschrieb die Erkrankung 1892 als mit Juckreiz einhergehende Ekzemerkrankung (Dermatitis multiformis pruriginosa) (Besnier 1892). Er erkannte auch erstmals den Zusammenhang mit Asthma und Heuschnupfen.
Epidemiologie
Das atopische Ekzem hat in den letzten Jahrzehnten an Häufigkeit zugenommen: Während in den 1950er- und 1960er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Prävalenz im Vorschulalter bei etwa 2–3 % lag, sind heute in Europa 15–20 % der Kinder in dieser Altersgruppe zumindest zeitweilig von atopischem Ekzem betroffen. Bei Erwachsenen beträgt in Deutschland die Prävalenz 1,5–5 %.
Amplifikationszyklus atopischer Hautentzündung
Patienten mit atopischem Ekzem weisen einen Barriereschaden der Haut auf (Genetik), der zu einem verstärkten transepidermalen Wasserverlust führt und in der Entwicklung einer Xerosis cutis mündet (Barrieredefekt). Trockene Haut juckt und Juckreiz führt konsekutiv zur Verletzung der Haut durch Kratzen. Dieses mechanische Trauma induziert die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen und Chemokinen, die die Rekrutierung einer ersten Welle von Entzündungszellen in die Haut vermitteln (Zytokin-/Chemokinnetzwerk). Der anlagebedingte Barrieredefekt begünstigt gleichzeitig die Penetration von Irritanzien sowie Allergenen und kann so die Aktivierung von Leukozyten in der Haut und die Sensibilisierung des Patienten gegenüber Umweltstoffen fördern. Epidermale Keratinozyten produzieren vermehrt Zytokine, die eine T-Zelldifferenzierung in Richtung eines Th2-Phänotyps unterstützen. Hautinfiltrierende Th2-Effektorzellen dominieren die akute atopische Ekzemreaktion. In Keratinozyten führt der Einfluss von Th2-Effektorzytokinen zur Reduktion antimikrobieller Peptide und begünstigt so die bakterielle Kolonisation der Haut (mikrobielle Abwehr). Die mikrobielle Besiedlung atopischer Haut kann eine Leukozytenaktivierung initiieren oder unterhalten. Im Verlauf entwickelt sich aus dem akuten exsudativen Ekzem ein zusätzlich von Th1-Zellen geprägtes, chronisches, schuppendes und lichenifiziertes Ekzem. Effektorzytokine von Th2-, Th22- und Th1-Zellen bestimmen den histopathologischen und klinischen Phänotyp des atopischen Ekzems. Sie unterstützen über die Induktion charakteristischer Chemokinsignaturen die Rekrutierung von Immunzellen (eosinophile Granulozyten, T-Zellen, dendritische Zellen, Mastzellen) und die Aktivierung von epithelialen sowie stromalen Zellen, die mit Proliferation, vermehrter Keratinproduktion und fibrotischem Remodelling reagieren. Schließlich können emotionaler Stress sowie die atopische Hautentzündung die Juckreizschwelle modulieren oder direkt Juckreizsignale induzieren, sodass ein sich selbst verstärkender Zyklus entsteht, der in der Ausbildung eines atopischen Ekzemphänotyps resultiert (Abb. 1).
Genetik
Zwillingsstudien demonstrieren die Rolle von genetischen Faktoren bei der Entwicklung eines atopischen Ekzems. Die Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen ist mit 0,72–0,77 deutlich höher als bei zweieiigen Zwillingen (0,15–0,23). Eine positive Familienanamnese der Eltern ist der stärkste Risikofaktor für das Auftreten eines atopischen Ekzems im Verlauf des Lebens. Moderne genetische Untersuchungsmethoden, Kopplungsanalysen und genomweite Assoziationsstudien haben zu der Identifikation von verschiedenen Kandidatengenen geführt (Tab. 1). Das Interesse fokussiert sich derzeit besonders auf die chromosomale Region 1q21. Diese Region beinhaltet Gene, die die epidermale Homöostase regulieren und zum epidermalen Differenzierungskomplex gehören. Insbesondere Loss-of-function-Mutationen im Profilaggrin/Filaggrin-Gen konnten als wichtige Risikofaktoren identifiziert werden und zeigen Assoziationen mit dem frühen Auftreten sowie dem chronischen Verlauf des atopischen Ekzems. Ein weiterer genetischer Faktor, der zu einer gestörten Barrierefunktion der Haut führt, ist das Gen SPINK5, welches den Serinprotease-Inhibitor LEKTI kodiert. Der Verlust dieses Proteins führt zur Entwicklung des Netherton-Syndroms, jedoch wurden Polymorphismen im SPINK5-Gen auch mit dem atopischen Ekzem in Verbindung gebracht. Patienten mit atopischem Ekzem zeigen neben genetischen Defekten im Stratum corneum auch Polymorphismen im Tight-junction-assoziierten Protein Claudin-1-Gen und in läsionaler Haut sind Claudin-1 und -3 deutlich reduziert. Neben dem epidermalen Differenzierungskomplex wurden weitere Kandidatengene aus den chromosomalen Regionen 1q23, 5q23, 5q31, 11q13, 11q22, 16p12 und 17q11 als assoziiert mit einem atopischen Ekzemphänotyp gefunden. Gene in diesen Regionen kodieren für Proteine mit Funktionen im Immunsystem, wie IL-4, IL-5, IL-13, GM-CSF, CCL5 (RANTES), IL-4R, IL-18 oder FcεRI.
Tab. 1
Identifizierte Genloci als Risikofaktoren für atopische Erkrankungen
Genname
Protein
Funktion
COL29A1
3q21
Kollagen-Typ XXIX, α 1
Unbekannt; vermutlich Integrität und Funktion der Epidermis
EMSY
11q13.5
EMSY
Unbekannt; vermutlich epidermale Immunität
FLG
1q21
Filaggrin
Epidermale Integrität
RAD50
5q23–q31
RAD50
Nuklease (DNA-Reparatur)
SPINK5
5q31–q32
LEKTI
Serinprotease-Inhibitor
IL4
5q31.1
Interleukin-4
Adaptive Immunantwort, innate Immunantwort
IL4RA
16p12.1–p11.2
Interleukin-4-Rezeptor
Adaptive Immunantwort, innate Immunantwort
IL5
5q31.1
Interleukin-5
Adaptive Immunantwort
IL13
5q31
Adaptive Immunantwort, innate Immunantwort
IL18
11q22.2–q22.3
Interleukin-18
Adaptive Immunantwort
GM-CSF
5q31.1
granulocyte-macrophage colony stimulating factor
Wachstumsfaktor
CCL5
17q11.2–q12
CCL5/RANTES
Adaptive Immunantwort
FcεRI
1q23
Hochaffiner IgE-Rezeptor
Adaptive Immunantwort
Epidermaler Barrieredefekt
Die ausgeprägte Hauttrockenheit ist ein klinisches Charakteristikum des Patienten mit atopischem Ekzem. Sie wird durch einen erhöhten transepidermalen Wasserverlust verursacht. Als zugrunde liegende Mechanismen werden folgende Phänomene angenommen:
  • Die Dysregulation der Ceramid-Zusammensetzung in atopischer Haut reduziert die Barrierefunktion und die Wasserspeicherfähigkeit der Haut.
  • Ein Anstieg des pH im Stratum corneum führt zur Aktivierung von Serinproteasen, zum Beispiel Kallikreinen, die über den PAR-2-Rezeptor die Sekretion von Lamellenkörperchen ins Stratum corneum blockieren und direkt Entzündungsreaktionen initiieren.
  • Der Defekt oder die Reduktion von Filaggrin in der Haut reduziert die Hydratation des Stratum corneum, führt zur Abflachung der Korneozyten und erhöht den Stratum corneum pH über eine verminderte Produktion saurer Metabolite.
  • Neben einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust erleichtert der epidermale Barrieredefekt die Aufnahme von Irritanzien sowie Allergenen durch die Haut. Studien an filaggrindefizienten Mäusen unterstützen dieses Konzept und zeigen, dass die allergische Sensibilisierung durch Verlust dieses Proteins des epidermalen Differenzierungskomplexes deutlich erhöht ist.
Zytokin-/Chemokinnetzwerk
Im atopischen Ekzem produzieren epidermale Keratinozyten mit thymic stromal lymphopoietin (TSLP), IL-25 und IL-33 eine Gruppe von Zytokinen, die die Differenzierung von naiven CD4+-T-Zellen in die Richtung eines Th2-Phänotyps unterstützen. Eine Störung der epidermalen Barriere induziert die Produktion von TSLP und IL-25 reduziert die Produktion des Barriereproteins Filaggrin. Somit scheint der epidermale Barrieredefekt des Atopikers einerseits direkt die Entwicklung IL-4-, IL-5- und IL-13-produzierender Th2-Zellen zu fördern. Andererseits reduzieren die Th2-Zytokine IL-4 und IL-13 die Produktion von Filaggrin, was wiederum den Barrieredefekt verstärkt. Untersuchungen im akuten und chronischen atopischen Ekzem sowie Kinetikstudien mithilfe des Atopie-Patch-Tests unterstreichen, dass die akute Phase der Entzündungsreaktion durch eine Dominanz hautinfiltrierender Th2-Zellen charakterisiert ist. Im Gegensatz dazu überwiegen IFN-γ-produzierende Th1-Zellen in chronisch lichenifizierten Hautläsionen. Die Blockade des Th2-Wegs der Immundifferenzierung mittels monoklonaler Antikörper gegen IL-13 oder den IL-13-Rezeptor führt zu einer Besserung aller klinischen Ekzemmanifestationen. Die Th2-Zytokine IL-4 und IL-13 instruieren B-Zellen, vermehrt IgE zu produzieren (isotype switch), wobei der Einfluss von IL-5 das Überleben von eosinophilen Granulozyten steigert und ursächlich für die systemische Eosinophilie ist. Langerhans-Zellen (LZ) sowie inflammatorische dendritische epidermale Zellen (IDEC) von Patienten mit atopischem Ekzem exprimieren den hochaffinen Rezeptor für IgE (FcεRI) auf ihrer Oberfläche. Dies ist von besonderer Bedeutung, da diese dendritischen Zellpopulationen über FcεRI deutlich geringere Mengen an IgE-gebundenen Allergenen effektiv spezifischen Effektor-T-Zellen präsentieren können und so die allergengetriggerte Leukozytenaktivierung verstärkt wird.
Mikrobielle Abwehr
Es besteht eine starke Kolonisation läsionaler sowie nichtläsionaler Haut von Patienten mit mikrobiellen Erregern, insbesondere durch Staphylococcus aureus. Patienten mit atopischem Ekzem bilden deutlich geringere Mengen von antimikrobiellen Peptiden, körpereigenen Antibiotika, in der Epidermis. Die Th2-Zytokine IL-4 und IL-13 regulieren antimikrobielle Peptide herunter. Diese Befunde können über die signifikant verringerte Expression der humanen β-Defensine-2 und -3, des Cathelicidin LL-37 sowie des von Schweißdrüsen sezernierten Dermcidin einen Erklärungsansatz für die erhöhte Anfälligkeit der Patienten mit atopischem Ekzem für bakterielle Infektionen darstellen. Staphylokokken bilden eine Vielzahl von Toxinen (unter anderem Staphylococcus-Enterotoxin A, B, C, D), die als Superantigene T-Zellen antigenunabhängig stimulieren, die Chemokinproduktion induzieren oder die Funktion von regulatorischen T-Zellen unterdrücken. Darüber hinaus korrelieren die Serumspiegel von superantigenspezifischen IgE-Antikörpern des Patienten direkt mit der Krankheitsaktivität des atopischen Ekzems.
Juckreiz/neurogene Entzündung/psychogene Faktoren
Der enge Zusammenhang zwischen Nervensystem und Immunsystem im Rahmen der Pathogenese des atopischen Ekzems wird im Begriff Neurodermitis deutlich. Klinisch ist emotionaler Stress ein wesentlicher Triggerfaktor des atopischen Ekzems. Viele Neurotransmitter und Nervenwachstumsfaktoren, die in das Blut oder in die Haut freigesetzt werden, können bei einer neurogenen Entzündung beteiligt sein. Die neuroendokrinologischen und neuroimmunologischen Mechanismen, die dem stressinduzierten Juckreiz zugrunde liegen, sind unklar. Dennoch konnte gezeigt werden, dass Mediatoren von Nervenzellen, zum Beispiel das Neuropeptid Substanz P, signifikant vermehrt während atopischer Hautentzündung gebildet werden und Juckreiz sowie neurogene Entzündung vermitteln. Im atopischen Ekzemherd finden sich vermehrt Botenstoffe wie nerve growth factor, Neurotrophin-4 oder PAR-2-Agonisten wie Tryptase, die von strukturellen Zellen der Haut oder von Immunzellen wie Mastzellen, eosinophilen Granulozyten oder T-Zellen gebildet werden, die direkt auf sensorische Nervenzellen der Haut wirken und Juckreiz auslösen. Ein neues, von T-Zellen gebildetes Zytokin IL-31 konnte identifiziert werden, welches bei Mäusen zur Induktion von Juckreiz und der Entwicklung einer Dermatitis führt. Im Verlauf ließ sich zeigen, dass IL-31 in entzündeter Haut von Patienten mit atopischem Ekzem signifikant vermehrt produziert wird und bakterielle Superantigene potente Triggerfaktoren seiner Produktion sind. Somit repräsentiert das Zytokin IL-31 einen Botenstoff, der ein Juckreizsignal von T-Zellen an das Nervensystem weitergibt. Die Blockade von IL-31 oder des IL31-Rezeptors reduziert die Juckreizempfindung der Patienten mit atopischem Ekzem.
Autoimmunität
Autoimmunreaktionen bei Patienten mit einem schweren atopischen Ekzem spielen eine Rolle. So konnten zelluläre und IgE-vermittelte Immunantworten gegen Auto-Allergene festgestellt werden. Diese Auto-Allergene gehören zu einer Gruppe von Proteinen, die eine hohe Homologie zu Umweltallergenen aufweist. Hierzu gehören der Transkriptionsfaktor LEDGF/DSF70, die von Keratinozyten gebildeten Proteine HOM S1–S5 und die Mangan-Superoxid-Dismutase. Letztere ist ein zytosolisches Protein, welches normalerweise dem Immunsystem verborgen ist, jedoch durch mechanische Destruktion beim Kratzen dem Immunsystem dargeboten wird.
Klinik
Haut
Es können alle Veränderungen auftreten, die ein Ekzem morphologisch charakterisieren (Kap. „Toxische und allergische Kontaktdermatitis“). Die Ekzemmorphe zeigt zunächst akute Veränderungen mit unscharf begrenztem Erythem, ödematöser Schwellung, Infiltrat, Seropapeln, intraepidermalen Bläschen, Erosionen und Krusten. Im Akutstadium besteht zudem eine große Neigung zur bakteriellen Sekundärinfektion (Impetiginisierung) durch Staphylococcus aureus. Diese ist klinisch durch Auflagerung gelblicher Krusten gekennzeichnet. Bei chronischem Verlauf stehen infiltrierte Erytheme und Lichenifikation im Vordergrund, vorwiegend im Erwachsenenalter kommt es auch zu Prurigoknoten. Das klinische Bild variiert im Lauf des Lebens in Bezug auf Prädilektionsstellen und Ekzemmorphe (Abb. 2): Während im Säuglingsalter vorwiegend Kopf und Stamm betroffen sind, kommt es ab dem Kleinkindesalter zu Beugenekzemen, bei Erwachsenen sind oft Kopf und Schulter betroffen (head neck shoulder dermatitis). Im späteren Erwachsenenalter kann es zu Prurigoknoten an Stamm und Extremitäten kommen, die wegen ihres intensiven Juckreizes oft aufgekratzt werden. Das führende Symptom des atopischen Ekzems ist quälender Juckreiz, der anfallsweise auftritt und zu Schlafstörungen führt. Als Zeichen des quälenden Juckreizes finden sich oft ausgeprägte Exkoriationen und die Fingernägel werden durch ständiges Kratzen und Scheuern abgewetzt und poliert (Glanznägel).
Provokationsfaktoren
Verschiedene Faktoren sind ursächlich dafür, dass ein Patient genau zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einer bestimmten Lokalisation Ekzeme entwickelt: Bei lokalisierten Ekzemen ist an örtlich wirksame Faktoren, zum Beispiel physikalische Faktoren (häufiges Hände waschen, reibende Kleidung), oder Allergenexposition zu denken, bei generalisierten rezidivfreudigen Ekzemen können zum Beispiel Nahrungsmittelallergie, Infektionen oder psychische Faktoren ursächlich sein.
Provokationsfaktoren bei atopischem Ekzem
Physikalische Einwirkungen, vor allem wenn die Einwirkungen intensiv und/oder lange beziehungsweise wiederholt erfolgen:
  • Irritierende oder raue Bekleidung (Einnähetiketten, Nähte, Schafwolle, grobe Stoffe)
  • UV-Exposition
  • Okklusives Milieu, zum Beispiel in Handschuhen
  • Feuchtexposition, Schwitzen
  • Hautreizstoffe, zum Beispiel Seife, alkoholische Lösungen
  • Kälte, niedrige Luftfeuchtigkeit (Klimaanlage)
IgE-vermittelte Soforttyp-Reaktionen mit konsekutiver Spätphase-Reaktion. Die Allergenexposition kann durch direkten Hautkontakt, luftübertragen (aerogen) oder systemisch nach Zufuhr erfolgen:
  • Hausstaubmilben, Pollen, Tierhaare und Schimmelpilze
  • Kontakturtikaria und anschließende Proteinkontaktdermatitis durch tierische Proteine (zum Beispiel Krustentiere, Fische, Fleisch), Nahrungsmittel (rohe Kartoffel) oder Aeroallergene (Gräserpollen)
  • Systemisch durch Ingestion von inhalierten Aeroallergenen sowie durch Nahrungsmittel
Pseudo-Allergie, Intoleranzreaktion:
  • Biogene Amine (zum Beispiel Zitrusfrüchte)
Neurovegetativ:
  • Stress
  • Psychiatrische Erkrankungen
Hormonell:
  • Schwangerschaft: unterschiedliche Auswirkungen möglich sowohl im Sinne einer Besserung als auch Verschlechterung
  • Menstruationszyklus
Lokale Infekte:
  • Malassezia species bei Ekzemmanifestation im Kopf-/Schulterbereich
  • Superinfektion mit Staphylococcus aureus
Systemische Erkrankungen:
Atopiestigmata
Es handelt sich um charakteristische Befunde, die selbst keinen Krankheitswert haben, aber auf eine atopische Diathese hinweisen und es erleichtern, die Diagnose eines atopischen Ekzems zu stellen beziehungsweise bei einer anderen Dermatose den Bezug zu einer atopischen Veranlagung festzustellen:
  • Sebostase (Xerosis cutis)
  • Unverträglichkeit auf Schafwolle oder raue Fasern auf der Haut
  • Hyperlinearität von Handflächen und Fußsohlen (Ichthyosis-Hände und -Füße) (Abb. 3)
  • Dennie-Morgan-Falte (Morgan 1948) (doppelte Unterlidfalte) (Abb. 4)
  • Hertoghe-Zeichen (Rarefizierung der lateralen Augenbrauen )
  • Pelzkappenförmiger Haaransatz
  • Gesichtsblässe
  • Halonierte Augen (dunkle Ringe um die Augen) (Abb. 4)
  • Weißer Dermografismus: Nach einem kurzen festen Streichen über die Haut kommt es infolge der durch den Druck erzeugten Anämie zu einer lokalen Vasokonstriktion (Abb. 5)
  • Keratosis follicularis/pilaris
Klinisches Bild in verschiedenem Lebensalter
Atopisches Ekzem in der Säuglingszeit
Die Erstmanifestation des atopischen Ekzems findet meist erst nach dem 3. Lebensmonat statt, in einzelnen Fällen bereits ab der 6. Lebenswoche. Da für die Diagnose neben dem klinischen Bild auch der Verlauf wichtig ist, kann eine sichere Diagnose bei Erstmanifestation oft noch nicht gestellt werden. Die Bezeichnung Eczema infantum für Ekzeme in den ersten 3 Lebensmonaten stellt einen Überbegriff für eine Reihe unterschiedlicher Hautkrankheiten dar, wie seborrhoisches Ekzem, Psoriasis, Windeldermatitis oder atopisches Ekzem. Milchschorf tritt häufig erstmals im Gesicht und am behaarten Kopf auf (Abb. 6). Die Bezeichnung ist auf die Ähnlichkeit zwischen blättrig eingetrockneter Milch (Crusta lactea) und den Schuppen zurückzuführen. Typischerweise sind neben dem Kopf die Streckseiten der Extremitäten und der Stamm befallen, die Windelgegend bleibt nicht selten ausgespart. Häufig kommt es zu bakterieller Superinfektion mit sekundärer Impetiginisierung. Der subjektiv wahrscheinlich stark empfundene Juckreiz wird oft nicht erkannt, da Säuglinge erst zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat die Fähigkeit entwickeln, sich zu kratzen. Die einzige altersgemäß mögliche Ausdrucksform ist Weinen, die kindlichen Schlafstörungen führen konsekutiv auch zu entsprechenden Beeinträchtigungen der Eltern.
Atopisches Ekzem in der Kindheit und Adoleszenz
Nach dem 1. Lebensjahr verändern sich die exsudativen Hautläsionen in Richtung trockener Ekzeme (Abb. 7 und 8). Die Prädilektionsstellen sind nun die großen Gelenkbeugen, zu denen auch Hals und Leisten gehören (Abb. 9 und 10): Beugenekzem (Eczema flexurarum). Man findet typischerweise unscharf begrenzte, entzündliche erythematöse Infiltrate mit Kratzspuren sowie kleieförmiger Schuppung (Abb. 11, 12, 13 und 14). Eine Sonderform, die bevorzugt in den Sommermonaten auftritt, manifestiert sich an den Streckseiten der Akren, besonders an Ellenbogen und Knien in Form kleiner, gruppierter, hautfarbener oder weißlicher Papeln mit lichenoidem Aspekt (Dermatitis papulosa juvenilis, Synonym: summertime pityriasis of the knees and elbows (Sutton 1956; Abb. 15). Dem vermuteten Auslöser, der mechanischen Irritation beim Spielen, verdankt sich auch die Bezeichnung sandbox dermatitis. Die Kinder sind dadurch wenig beeinträchtigt, die Hautveränderungen heilen oft spontan wieder ab, um für einige Jahre jeweils im nächsten Frühjahr zu rezidivieren. Ebenfalls von geringem Krankheitswert ist die Pityriasis alba, die vor allem bei Kindern auftritt (Abb. 16). Es besteht nur eine geringe Entzündung, manchmal fehlt sogar der Juckreiz. Die feinen Schuppen wirken wie ein UV-Filter, im Bereich der Herde besteht nach UV-Exposition im Unterschied zu der umgebenden normal gebräunten Haut eine Hypopigmentierung (Pseudoleucoderma atopicum ). Gelegentlich ist die Abgrenzung zur Vitiligo schwierig, die Herde sind jedoch weniger scharf begrenzt und zeigen eine feine Schuppung.
Atopisches Ekzem bei Erwachsenen
Weiterhin können die Beugen betroffen sein, zusätzlich die Augenlider und die periorale Region. Häufig manifestiert sich das atopische Ekzem am gesamten Kopf-, Hals- und Schulterbereich (head neck shoulder dermatitis) (Abb. 17, 18 und 19). Bei dieser Lokalisation spielt die Besiedlung mit Malassezia species eine große Rolle. Der häufige Befall der Hände ist meist Folge einer stärkeren Beanspruchung. Ab dem 3. Lebensjahrzehnt kann es zu multiplen, kleinknotigen Veränderungen meist an den Streckseiten der Extremitäten kommen. Es besteht starker Juckreiz, die Knoten werden oft aufgekratzt und sind außerordentlich therapieresistent. Die Prurigoform des atopischen Ekzems wird häufig mit anderen Prurigo-Erkrankungen verwechselt (Prurigo simplex subacuta oder Prurigo simplex chronica) (Abb. 20).
Lokalisierte Ekzeme und Sonderformen
Die nachfolgend aufgezählten Ekzemformen können isoliert oder in Verbindung mit ausgedehnteren oder andersartigen Ekzemen vorliegen. Bei isoliertem Auftreten kann manchmal nur bei gleichzeitigem Vorliegen von Atopiestigmata, positiver Atopieanamnese und anderen Befunden die Zuordnung zu einer atopischen Erkrankung möglich werden. Trotz der vergleichsweise geringeren Ausdehnung an nur umschriebenen Hautarealen kann auch lokalisierten Ekzemen ein wesentlicher Krankheitswert zukommen.
Kapillitium
Eine vermehrte Pityriasis simplex capillitii kann auch im Rahmen der Sebostase bei Atopie auftreten. Wenn die Kopfhaut massiv in Form von starker Schuppung und hämorrhagischen Krusten beteiligt ist, kann es zu Haarausfall kommen. Eine Maximalvariante eines Ekzems am behaarten Kopf ist die Pityriasis (Tinea oder Taenia amiantacea teigne amiantacé) amiantacea mit asbestartiger, an Haaren und Kopfhaut fest haftender Schuppung. Beim Anheben der Haare hebt sich die Schuppung haferflockenartig an den Haarschäften haftend ab.
Augenlider
Isolierte atopische Lidekzeme können Folge einer aerogenen Exposition gegenüber Allergenen oder Irritanzien sein. Mischformen mit allergischem Kontaktekzem sind häufig. Bei maximaler Lichenifikation – Lichénification géante – kann es zu einem Verlust von Wimpern kommen.
Ohrläppchen
An den Ohrläppchen finden sich oft Rhagaden.
Lippen
Eine vermehrte Fältelung der Lippen nur im Lippenrot wird als Pseudo-Parrot-Furchen bezeichnet. Vor allem in der kalten Jahreszeit kommt es zu Cheilitis sicca mit Juckreiz und Brennen (Abb. 21). Die oft schmerzhaften Rhagaden an den Mundwinkeln werden als Perlèche bezeichnet. Das Lippenleckekzem entsteht durch Lecken und ist auf den Bereich beschränkt, der mit der Zunge erreicht werden kann. Bei Säuglingen besteht oft perioral ein Lutsch- oder Saugekzem.
Hände und Füße
Ein trockenes Ekzem an Finger- oder Zehenkuppen (Pulpitis sicca, (Abb. 22) ist eine Manifestationsform des atopischen Ekzems, die besonders bei Kindern und im Winter auftritt (Synonym: atopic winter hands/feet). Die Haut ist gerötet und imponiert pseudoatrophisch mit fest haftender Schuppung und oberflächlichen Hornschichteinrissen. Bei Beteiligung des Paronychiums können Onychodystrophie sowie durch bakterielle Sekundärinfektion Paronychie induziert werden. An Hand- und Fußflächen sowie an den seitlichen Fingerrändern können dyshidrosiforme Ekzeme (dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem) (Kap. „Toxische und allergische Kontaktdermatitis“) mit juckenden Bläschen bestehen (Abb. 23).
Follikuläre Prädilektion
Eine Sonderform mit starker follikulärer Betonung und fleckförmigem Auftreten pityriasiform schuppender lichenoider Hautveränderungen wurde als patchy pityriasiform lichenoid eczema (Morbus Kitamura-Takahashi-Sasagawa) (Kitamura 1966) beschrieben. Differenzialdiagnostisch sind follikuläre Hyperkeratosen, Lichen nitidus, Id-Reaktionen und Keratosis follicularis abzugrenzen.
Nummuläres atopisches Ekzem
Bei einigen Patienten entwickeln sich runde, scharf begrenzte, exsudativ wirkende, mit Krusten belegte Plaques im Sinne eines nummulär-mikrobiellen Ekzems (Kap. „Weitere Formen von Dermatitis“).
Mamillen
Bei symmetrischen Mamillenekzemen handelt es sich in aller Regel um ein atopisches Ekzem.
Genitale
Isolierte chronische Ekzeme können beim Mann am Skrotum beziehungsweise bei der Frau an der Vulva bestehen. Ekzeme in dieser Lokalisation zeichnen sich oft durch sehr starken Juckreiz, große Rezidivneigung und ausgeprägte Lichenifikation aus.
Histopathologie
Das histomorphologische Bild des atopischen Ekzems spiegelt die klinische Bandbreite der makroskopischen Erscheinungsformen wider. In der akuten Phase können die histologischen Phänomene sehr subtil ausgeprägt sein. Häufig findet sich eine geringe Spongiose, einzelne spongiotische Bläschen, leichtes intrazelluläres Ödem, das Stratum corneum zeigt meist noch Orthokeratose. In der Dermis findet sich ein meist perivaskulär zentriertes, lymphohistiozytäres Infiltrat mit einzelnen Eosinophilen. Mit zunehmender Chronifizierung verbreitert sich die Epidermis und entwickelt eine Epidermishyperplasie, wohingegen die Spongiose meist abnimmt. Das Stratum corneum zeigt zunehmende parakeratotische Verhornung. Im entzündlichen Infiltrat fallen im Verlauf Mastzellen und Eosinophile in ansteigender Zahl auf. Beim lymphozytären Infiltrat überwiegen CD4+-gegenüber CD8+-T-Lymphozyten. Die nur scheinbar erhöhte Zahl und Dichte der epidermalen Langerhans-Zellen sind durch die Einwanderung und Ausdifferenzierung inflammatorischer dendritischer epidermaler Zellen (IDEC) bedingt. Letztere enthalten im Gegensatz zu Langerhans-Zellen keine Birbeck-Granula und sind auch immunhistochemisch gut abgrenzbar. Das histomorphologische Bild lässt jedoch keine Differenzierung zur kontaktallergischen Dermatitis oder zum nummulären Ekzem zu.
Komplikationen
Bei Vorliegen der für das atopische Ekzem typischen immunologischen Defekte und noch begünstigt durch eine immunsuppressive Therapie scheint eine erhöhte Disposition vor allem für disseminierte virale Infektionen und Impetiginisierung durch Staphylokokken zu bestehen. In der klinischen Wirklichkeit scheint vor allem das nicht ausreichend behandelte Ekzem den Patienten für Superinfektionen zu disponieren. Die beste Prävention von Superinfektionen ist eine konsequente Therapie der Hauterscheinungen, da die antientzündliche Behandlung eine Hochregulation antimikrobieller Peptide bewirkt. Andere wesentliche Komplikationen sind entweder Folgen der lange bestehenden entzündlichen Hauterkrankung oder Nebenwirkungen der Therapie.
Bakterielle Sekundärinfektion
Eine Impetiginisation mit gelben Krusten wird meist durch Staphylococcus aureus hervorgerufen, vorwiegend Kinder sind betroffen.
Virale Sekundärinfektion
Eczema herpeticatum ist Folge einer akuten, generalisierten Aussaat von Herpes-simplex-Viren auf einer vorbestehenden ekzematösen Hauterkrankung. Selten kann eine generalisierte Herpes-Infektion auch auf nicht ekzematösen Dermatosen auftreten, ganz überwiegend (>98 %) kommt sie jedoch bei atopischem Ekzem vor. Auf den vorbestehenden Ekzemen kommt es zu einer dichten, jedoch disseminierten Aussaat kleiner, auffällig monomorpher Bläschen, die rasch platzen und etwa 3 mm durchmessende hämorrhagische Erosionen hinterlassen. Vor allem Kopf, Nacken, Hals und Brustbereich sind befallen. Zum Teil bestehen starkes Krankheitsgefühl, Fieber und Lymphknotenschwellung. Todesfälle infolge einer Herpes-Enzephalitis sind auch heute noch möglich. Eczema vaccinatum war früher eine gefürchtete Komplikation nach Pockenimpfung mit hochakutem Verlauf, Fieber und schweren Allgemeinsymptomen. Seit Abschaffung der Pockenimpfung in Europa werden nur noch vereinzelt Patienten beschrieben. Dafür wurden vermehrt Patienten mit generalisierter Infektion durch Tierpocken beschrieben, einige sogar mit Todesfolge. Eczema molluscatum durch Molluscum contagiosum betrifft praktisch ausschließlich Kinder. Es tendiert mit zunehmendem Lebensalter zu einer Spontanheilung. Eczema verrucatum wird durch humane Papillomviren (HPV) verursacht und ist seltener. Vor allem bei Kindern kommt es zu hartnäckigen Warzen an Händen oder Füßen.
Mykotische Sekundärinfektion
Generalisierte Infektionen mit Dermatophyten sind selten, müssen jedoch vor allem dann in Erwägung gezogen werden, wenn eine Tinea pedum besteht und randbetonte erythematosquamöse Effloreszenzen unter antiinflammatorischer Therapie nicht zur Abheilung zu bringen sind. Bei am behaarten Kopf und am Nacken auftretenden Ekzemen (head neck shoulder dermatitis) sind oftmals Malassezia species ursächlich von Bedeutung. Die oft vor allem bei Asiaten auftretende head neck shoulder dermatitis ist ferner durch stark juckende, hochentzündliche Plaques an den seitlichen Gesichts- und Halspartien gekennzeichnet.
Spätfolgen
Lange andauernde topische oder systemische Glukokortikoidtherapie kann zur Hautatrophie führen. Vor allem bei schweren Verlaufsformen im Erwachsenenalter ist eine postinflammatorische Hyperpigmentierung nicht selten. Eine retikuläre Pigmentierung im Bereich des vorderen Halses wird als dirty neck bezeichnet. Durch persistierende Entzündungen und Kratzeffekte kann eine Amyloidose der Haut auftreten. Chronisch rezidivierende und schwere Verlaufsformen von atopischem Ekzem können, ähnlich wie für das chronische Kontaktekzem und die chronische aktinische Dermatitis beschrieben, auch in kutane T-Zell-Lymphome übergehen.
Diagnostisches Vorgehen
Bis auf die Erstmanifestation im Säuglingsalter und isolierte Formen stellt die Diagnose der Erkrankung meist kein Problem dar. Eine histologische Untersuchung ist kaum nötig, allenfalls zum Ausschluss anderer Dermatosen. Die Diagnose wird in Zusammenschau von klinischem Bild mit der Anamnese eines chronischen Verlaufs und von Juckreiz gestellt. Die von Hanifin und Rajka (1980) publizierten Kriterien (s. Übersicht) haben eine diagnostische Spezifität von nur 78 %, sodass auch bei Vorliegen von je drei Haupt- und Nebenkriterien eine andere Diagnose möglich ist. Für gutachtliche und berufsdermatologische Fragestellungen wird häufig der Erlanger-Atopie-Score von Diepgen et al. (1996) verwendet, bei dem verschiedene Stigmata und anamnestische Angaben mit Punkten bewertet werden (Tab. 2).
Tab. 2
Erlanger Atopie-Score (Diepgen et al. 1996)
Anamnesekriterium
Punktscore
Atopische Familienanamnese (Verwandte 1. Grades)
Ekzem
1–2
Rhinitis/Asthma
1
Atopische Eigenanamnese
Beugenekzem
0
Rhinitis/Konjunktivitis
1
Allergisches Asthma
1
Milchschorf
1
Juckreiz verstärkt bei Schwitzen
3
Textilunverträglichkeit
3
Metallunverträglichkeit
1
Fotophobie
1
Atopische Minimalformen (anamnestisch/klinisch)
Xerosis
3
Ohrrhagaden
2
Dyshidrotisches Handekzem
2
Pityriasis alba
2
Pulpitis sicca/Winterfuß
2
Brustwarzenekzem
2
Perlèche
1
Atopische Stigmata
Palmare Hyperlinearität
1–2
Hertoghe-Zeichen
1–2
Dirty neck
1–2
Keratosis pilaris
1
Dermales Neurovegetativum
 
Weißer Dermografismus
3
3
Serologie
IgE >150 U/ml
1
IgE >400 U/ml
2
Positiver Phadiatop (inhalativer Atopietest)
1
Bewertung
Punktesumme
Beurteilung
Anteil mit atopischem Ekzem [%]
0–3
Keine atopische Hautdiathese
0
4–7
Atopische Hautdiathese unwahrscheinlich
5
8–9
Atopische Hautdiathese unklar
34
10–14
Atopische Hautdiathese
78
15–19
Atopische Hautdiathese
97
>20
Atopische Hautdiathese
100
Vor allem bei schweren, chronisch verlaufenden Ekzemen ist die Erfassung von Provokationsfaktoren wichtig, damit diese eliminiert und weitere Schübe möglichst verhindert werden können. Weiter müssen Begleiterkrankungen diagnostiziert werden, um diese zu behandeln und nach Möglichkeit deren Progredienz zu verhindern.
Diagnostische Kriterien des atopischen Ekzems nach Hanifin und Rajka (1980)
(Es müssen je drei Haupt- und Nebenkriterien erfüllt sein)
Majorkriterien:
  • Juckreiz
  • Typische Morphologie und Befall der Prädilektionsstellen, Lichenifikation in den Beugen (Erwachsene) und Gesicht und Streckseiten (Kinder)
  • Chronisch-rezidivierender Verlauf
  • Atopische Erkrankungen in der Eigen- oder Familienanamnese
Minorkriterien:
  • Sebostase, Ichthyosis, Hyperlinearität der Handflächen (Ichthyosis-Hand)
  • Soforttyp-Sensibilisierungen
  • Erhöhter Gesamt-IgE-Spiegel im Serum
  • Früher Krankheitsbeginn
  • Neigung zu kutanen Infektionen (Staphylococcus aureus, Herpes-simplex-Virus)
  • Neigung zu Hand- und Fußekzem
  • Mamillenekzem
  • Cheilitis
  • Rezidivierende Konjunktivitis
  • Dennie-Morgan-Falte
  • Keratokonus
  • Anteriorer subkapsulärer Katarakt
  • Periokuläre Schatten (Halonierung)
  • Gesichtsblässe oder Gesichtserythem
  • Pityriasis alba
  • Fältelung des Nackens
  • Juckreiz bei Schwitzen
  • Unverträglichkeit von Wolle oder Lösemitteln
  • Perifollikuläre Akzentuierung
  • Nahrungsmittelüberempfindlichkeit
  • Abhängigkeit von Umwelt- und psychischen Faktoren
  • Keratosis follicularis
  • Weißer Dermografismus
Anamnese
Zu erfragen sind jahreszeitliche Schwankungen, Einfluss hormoneller Faktoren (zum Beispiel Zyklus, Schwangerschaft), besondere psychische Belastungen, Beruf, Freizeitverhalten, Pflanzen in Wohnräumen, Luftbefeuchter, Halten beziehungsweise Kontakt zu Tieren, Aktiv- oder Passivrauchen, ganzjährige oder saisonale Rhinokonjunktivitis, Asthma, Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Nahrungsmittel (eventuell Diättagebuch), Kontakturtikaria nach Exposition zu Nahrungsmitteln, Kontaktstoffen (zum Beispiel Naturseide, Nickel, Externa) oder Naturlatex.
Allergiediagnostik
Zum Vorgehen ist auf Kap. „Grundprinzipien von Allergie- und Intoleranzreaktionen“ zu verweisen. Patienten mit atopischem Ekzem stellen eine diagnostische Herausforderung dar, weil oft gegen zahlreiche Allergene Sensibilisierungen im Hauttest oder bei der In-vitro-Untersuchung nachweisbar und diese Sensibilisierungen vielfach klinisch irrelevant sind. Gerade weil so viele klinisch nicht bedeutsame Sensibilisierungen bestehen können, ist eine eindeutige Prüfung der gefundenen Sensibilisierungen auf Relevanz für die Ekzemerkrankung besonders wichtig, um dem Patienten unnötige Karenzmaßnahmen zu ersparen.
Laboruntersuchungen
Gesamt-IgE-Spiegel und ECP-Konzentration sind meist erhöht, wobei parallel zur klinischen Abheilung ein Abfall der ECP-Konzentration feststellbar ist, in geringerem Ausmaß trifft dies auch für den Gesamt-IgE-Spiegel zu. Wichtiger ist die Bestimmung von spezifischen IgE-Antikörpern gegen Allergene (Gesamtallergene, bei speziellen Fragestellungen auch gegen molekulare Allergene) der allgemeinen Umwelt und, bei schwerem Ekzem oder anderen klinischen Verdachtsmomenten, auch gegen Nahrungsmittel. Allergene, denen häufig eine Krankheitsrelevanz für das atopische Ekzem zukommt, findet sich in Tab. 3. Für den individuellen Patienten sind die Testungen entsprechend klinischem Verdacht entweder zu erweitern oder zu reduzieren.
Tab. 3
Bedeutsame Allergene für Patienten mit atopischem Ekzem
Allergengruppe
Allergen
Nahrungsmittel
Hühnerei
Kuhmilch
Weizen
Roggen
Haselnuss
Erdnuss
Soja
Fisch
Sellerie
Apfel
Aero-Allergene
Gräserpollen
Birkenpollen
Alternaria alternata (Schimmelpilz)
Cladosporium herbarum (Schimmelpilz)
Dermatophagoides pteronyssinus (Hausstaubmilbe)
Dermatophagoides farinae (Hausstaubmilbe)
Katze
Hund
Mikrobielle Antigene
Pityrosporum orbiculare
Staphylococcus-Enterotoxin
Sonstige
Naturlatex
Ficus (Ficus benjamini)
Hauttests
Sie erfordern eine Erscheinungsfreiheit zumindest im Testareal, optimal auch darüber hinaus. Jedoch müssen manchmal Kompromisse eingegangen werden, dann wird eventuell gezielt unter Mitführen vor Kontrollen nur mit einzelnen Allergenen getestet. Zur Ermittlung von Soforttyp-Sensibilisierungen ist der Hauttest der Wahl der Pricktest, falls dieser unauffällig ist, wird ein Intradermaltest vorgenommen. Auch soll ein Epikutantest mit dem Standardblock entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Kontaktallergie Gesellschaft und gegebenenfalls weiteren Testblöcken erfolgen (Kap. „Grundprinzipien von Allergie- und Intoleranzreaktionen“ und Kap. „Toxische und allergische Kontaktdermatitis“). Es bestehen häufig Kontaktsensibilisierungen, da eine gestörte Hautbarrierefunktion vorliegt und eine Exposition gegenüber zahlreichen zur Therapie angewandten Externa erfolgt. Auch bei Kindern können bereits Kontaktsensibilisierungen bestehen. Der Atopie-Patch-Test wird zumeist mit Aeroallergenen vorgenommen. Die European Task Force on Atopic Dermatitis (ETFAD) hat die Ausführung und Bewertung des Atopie-Patch-Tests standardisiert, wobei ohne vorherige Schädigung der epidermalen Barriere größere Testkammern und Testzubereitungen mit aufgereinigten Proteinallergenen in Vaselin sowie ein spezieller Ableseschlüssel zur Anwendung kommen. Mit dem Atopie-Patch-Test können auch klinisch relevante T-zelluläre Sensibilisierungen in Abwesenheit von spezifischem IgE nachgewiesen werden. Die Testung von frischen Nahrungsmitteln im Atopie-Patch ist umstritten. Die Spezifität einer positiven Patch-Test-Reaktion gegen Aeroallergene ist hoch und besser als beim Pricktest.
Provokationstests
Im frühen Kindesalter und bei schweren Ekzemen ist an Nahrungsmittel als Auslöser zu denken. Nur bei Nahrungsmitteln, die pharmakologisch wirksame Substanzen wie biogene Amine enthalten, zum Beispiel Zitrusfrüchte, reicht manchmal bereits die Anamnese, um deutliche Anhaltspunkte für eine Überempfindlichkeit und die Empfehlung zu Karenzmaßnahmen zu geben. Von ungerichteten Diätempfehlungen oder Meiden von Nahrungsmitteln, gegen die eine nachgewiesene Soforttyp-Sensibilisierung besteht, ist dringend abzuraten: Solche Diätmaßnahmen können unnötig zu einer Einschränkung der Lebensqualität bis hin zu Mangelernährung führen; zudem kann durch das Weglassen von vertragenen Nahrungsmitteln die Toleranz dagegen verloren gehen und sich überhaupt erst eine Nahrungsmittelallergie ausbilden! Die Abklärung einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie als (Mit)Ursache eines atopischen Ekzems ist aufwendig. Sie erfordert zunächst über einen umschriebenen Zeitraum eine Auslassdiät hinsichtlich der zu testenden Nahrungsmittel. Anschließend werden plazebokontrollierte Provokationstests in Notfallbereitschaft vorgenommen.
Mikrobiologische Untersuchung
Staphylokokken-Abstriche mit Prüfung auf MRSA sind angezeigt. Bei Verdacht auf Eczema herpeticatum sollte ein Erregernachweis durch PCR (polymerase chain reaction) erfolgen. Bei einem entsprechenden klinischen Verdacht muss die Therapie allerdings umgehend eingeleitet werden, sodass der Untersuchung ein bestätigender Charakter zukommt. Bei Kopf-Hals-Befall kann der Nachweis von Malassezia furfur erwogen werden.
Differenzialdiagnose
In der Säuglingszeit kommen in erster Linie seborrhoisches Ekzem, nummuläres Ekzem, Windeldermatitis und ekzematisierte Psoriasis in Betracht. Seltene Differenzialdiagnosen sind angeborene Immundefekte, die mit ekzematösen Hauterscheinungen einhergehen: autosomal-rezessives Hyper-IgE-Syndrom (DOCK8-Defizienz), autosomal-dominante Hyper-IgE-Syndrome (Buckley-Syndrom, STAT3-Defizienz), Netherton-Syndrom (SPINK5-Defizienz), Dubowitz-Syndrom, selektiver IgA-Mangel, Wiskott-Aldrich-Syndrom, Phenylketonurie und Defekte des Biotinstoffwechsels.
Bei größeren Kindern ist an ein allergisches Kontaktekzem oder Pyodermien zu denken. Im Erwachsenenalter kommen andere Ekzemformen (Kap. „Toxische und allergische Kontaktdermatitis“, Kap. „Berufsdermatosen“ und Kap. „Weitere Formen von Dermatitis“) in Betracht, wobei hier Übergänge und Mischbilder vorkommen ebenso wie ekzematisierte andere genuine Dermatosen, beispielsweise ekzematisierte Ichthyosis oder Psoriasis. Abzugrenzen ist das Ekzemstadium eines kutanen T-Zell-Lymphoms (Mycosis fungoides, Sézary-Syndrom). In jedem Lebensalter ist an eine Skabies zu denken.
Verlauf
Im Prinzip sind alle vorstellbaren Verlaufsformen und Ausprägungsgrade möglich. Am häufigsten ist die Erstmanifestation im Kindesalter, doch auch Erwachsene können bis in das Seniorenalter hinein erstmals an atopischem Ekzem erkranken. Erstmanifestationen in der Schwangerschaft sind häufig. Bei Erstmanifestation im Kindesalter verliert sich das atopische Ekzem in bis zu 70 % der Fälle dauerhaft bis zur Adoleszenz. Oft sind im Sommer Hautkrankheitserscheinungen geringer ausgeprägt, was möglicherweise an der höheren Luftfeuchtigkeit in Innenräumen und an günstigen Effekten natürlicher UV-Exposition liegt.
Zur Therapieplanung erfolgt eine Einteilung des Ekzems in leicht, mittelschwer und schwer/persistierend. Dazu und auch um den Verlauf besser beurteilen zu können, hat sich der SCORAD (scoring atopic dermatitis) bewährt, in den subjektive Parameter (Schlafstörung und Juckreiz) sowie der Hautbefund (unterteilt nach Ausdehnung in Körperoberfläche und Ausprägungsgrad der Morphe) eingehen.
Therapie
Die Therapie hat zum Ziel, Hautkrankheitserscheinungen zur Abheilung zu bringen und langfristig Rezidive zu verhindern. Die Behandlung muss sich am klinischen Bild (Lokalisation, Morphe) und der Ausdehnung orientieren. Je nach Jahreszeit werden im Winter eher Wasser-in-Öl-, in der heißen Jahreszeit eher Öl-in-Wasser-Grundlagen vertragen. Beim atopischen Ekzem handelt es sich in vielen Fällen um eine chronische Erkrankung und daher ist immer wieder, manchmal sogar permanent, eine antientzündliche Therapie notwendig. Nebenwirkungen von topischen Glukokortikoiden, die bei kurzfristiger Anwendung zu vernachlässigen sind, müssen bei Daueranwendung besonders beachtet werden. Es sollen möglichst nur Wirkstoffe mit einem günstigen therapeutischen Index verwendet werden. Es ist ein Therapieplan zu entwickeln, um Glukokortikoide einzusparen. Hierzu ist es erforderlich, die Behandlung mit Glukokortikoiden initial konsequent vorzunehmen und ausreichend lange fortzusetzen. Alternativ kann nach kurzzeitiger Behandlung mit Glukokortikoiden die Therapie auf Calcineurin-Inhibitoren umgestellt werden. Patienten mit einem mittelschweren und schweren atopischen Ekzem profitieren besonders von einer proaktiven Therapie, die mit Tacrolimus-Salbe und Glukokortikoid-Externa der Klassen II und III empfohlen wird.
Basistherapie
Die Basistherapie ist Grundlage jeglicher Versorgung von Patienten mit atopischem Ekzem, auch wenn aktuell keine Hautkrankheitserscheinungen bestehen. Sie umfasst:
  • Hautreinigung
  • Rückfettung und Hydratisierung
  • Meidung relevanter Provokationsfaktoren
  • Patientenschulung
Hautreinigung
Die Hautreinigung dient auch der Entfernung von Allergenen oder bakteriell besiedelten Krusten. Empfohlen wird zur Reinigung ein pH-hautneutrales Syndet, alkalische Seifen sind zu vermeiden. Bei Befall der Kopfhaut empfiehlt sich die mindestens einmal wöchentliche Anwendung eines Shampoos mit antimykotischem Zusatz (zum Beispiel Ketoconazol), das dann vor dem Abwaschen 3–5 min einwirken soll. Duschbäder sollen nicht länger als 5 min dauern. Bei akuten Hautveränderungen sind Bäder mit adstringierenden (zum Beispiel Eichenrinde) oder antiseptischen Zusätzen sinnvoll. Bei mehr chronischen, lichenifizierten Herden sind auch Schieferölbäder zu erwägen. Günstig sind bei vorwiegend trockener Haut auch Ölbäder, wobei zwischen Emulsionsbädern und Spreitungsbädern zu unterscheiden ist. Letztere haben die stärkere rückfettende Wirkung. Wichtig ist die Nachfettung der noch feuchten Haut nach dem Bad.
Rückfettung und Hydratisierung
Es ist nachgewiesen, dass bereits eine geeignete Basistherapie allein den Hautzustand sowie Lebensqualitätsparameter verbessert, in Kombination mit antientzündlicher Therapie können topisch angewandte Glukokortikoide eingespart werden. Da stadiengerecht und der betroffenen Lokalisation angepasst eine rückfettende und hydratisierende Behandlung dauerhaft erfolgen muss, ist es wichtig, bei den Patienten eine Akzeptanz für diese Maßnahme zu erzeugen. Die Grundlagen der Dermatotherapie (Kap. „Topische Therapie bei Hauterkrankungen“) sind zu beachten. Um die Entwicklung von Kontakt- oder Soforttyp-Sensibilisierungen zu vermeiden, sollten Basistherapeutika wie auch die Grundlagen von topisch angewendeten Arzneimitteln keine Duft- und möglichst auch keine Konservierungsstoffe enthalten. Potente Nahrungsmittelallergene (zum Beispiel Erdnuss, Soja oder Sesam) gehören nicht auf die Haut. Manche Grundlagen (mit hohem Propylenglykolanteil) können die Haut irritieren und sind zu vermeiden, beziehungsweise es sollen potenzielle Irritanzien in möglichst niedriger Konzentration angewendet werden. Von einigen Herstellern werden wirkstofffreie Grundlagenpräparate in Ergänzung zu den wirkstoffhaltigen antientzündlichen Produkten angeboten, auch Kosmetikprodukte erfüllen ihren Zweck. Für manche Patienten ist die Magistralrezeptur individueller Mischungen notwendig, für viele sinnvoll. Harnstoffpräparate (3–5 %) erhöhen die Wasserbindungskapazität der Haut, werden jedoch von Kleinkindern und bei akutem Ekzemschub schlecht vertragen.
Meidung von relevanten Provokationsfaktoren
Hinsichtlich einer Diät existiert keine Pauschaldiät bei atopischem Ekzem. Wohl aber ist die Karenzempfehlung als spezifisch relevant erkannter Nahrungsmittel notwendig. Meist sind es nur einige wenige Nahrungsmittel, die tatsächlich gemieden werden müssen. Daneben gibt es pharmakologisch bedingte Unverträglichkeiten, zum Beispiel gegen Zitrusfrüchte, die bei einem hohen Prozentsatz von Patienten ohne spezifische Sensibilisierung dosisabhängig Juckreiz und Ekzemverschlechterung auslösen. In Bezug auf Kleidung sollten keine rauen Materialen auf der Haut getragen werden, insbesondere keine Wolle. Beim Einkauf von Kleidung sind die Innennähte zu prüfen, nach dem Kauf auf der Haut liegende Einnähetiketten zu entfernen. Milbenallergendichte Überzüge (encasings) für Matratzen und Bettzeug können – wie bei Asthma – zur Verbesserung auch des atopischen Ekzems führen.
Patientenführung
Ein offenes, vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist essenziell. Wie wichtig das Arzt-Patienten-Verhältnis ist, zeigt sich an einem meist sehr großen Plazeboeffekt bei Arzneimittelprüfungen an Patienten mit atopischem Ekzem. Dieser Plazeboeffekt bei nur mit Basistherapie und Notfallmedikation versorgten Patienten resultiert aus dem heilsamen Effekt einer regelmäßigen ärztlichen Visitation des Patienten. Hierbei kann eine dem aktuellen Krankheitsbild angepasste Therapieempfehlung erfolgen sowie der Patient in Bezug auf Basistherapie und Karenzmaßnahmen beraten werden. Den Patienten kann bereits durch eine regelmäßige ärztliche Untersuchung und Beratung sehr geholfen werden. Eine konsequente fachdermatologische Betreuung ist ratsam.
Patientenschulung
Die Diagnose eines atopischen Ekzems bedeutet nicht selten eine sich über Jahre erstreckende, manchmal sogar lebenslange Erfordernis der Krankheitsbewältigung für Patienten und deren Angehörige. Strategien der Prävention und Behandlung müssen erlernt werden. Viele Patienten informieren sich ausgiebig im Internet und handhaben die Erkrankung in einer für sie schädlichen Weise. Dem entgegenzutreten und den Patienten fundiert zu beraten, ist im üblichen Rahmen einer Sprechstunde nicht zu leisten. Daher wurden Konzepte für Neurodermitis-Schulungen erarbeitet, in denen Patienten beziehungsweise deren Erziehungsberechtigte in sechs Kleingruppen-Sitzungen im Umgang mit der Erkrankung geschult werden. Falls die Teilnahme an einer solchen Schulung nicht möglich ist, so können Merkblätter hilfreich sein, in denen die wichtigsten Empfehlungen zusammengefasst sind.
Antientzündliche Behandlung
Auch bei der spezifischen Therapie kommt der Grundlage eine wesentliche Rolle zu. Eine fett-feuchte Behandlung (glukokortikoidhaltige Externa und darüber feuchter Verband oder feuchter Schlafanzug) hat sich im Akutstadium bewährt. Ansonsten werden im Akutstadium eher Cremes verwendet, bei vorwiegend trockenen Ekzemen Salben und für chronisch lichenifizierte Herde oder Prurigoknoten sind eher Pasten geeignet. Die antientzündliche Standardtherapie sind äußerlich angewendete Glukokortikoide. Im akuten oder chronisch lichenifizierten Stadium haben sich kurzzeitig halogenierte Glukokortikoide bewährt (Klasse II und III). Meist sind jedoch Präparate der Klassen I und II ausreichend. Besonders bewährt haben sich neuere, wenig zu Atrophie führende Diesterverbindungen wie Prednicarbat und Methylprednisolonaceponat oder andere nichthalogenierte Glukokortikoide wie Mometasonfuroat und Hydrokortisonbutyrat. Der Vorteil einer 2-mal täglichen Anwendung konnte in Studien nicht eindeutig belegt werden, sodass üblicherweise eine einmalige Anwendung ausreichend ist. Eine mehr als 2-mal pro Tag erfolgende Anwendung ist abzulehnen. Nach Erreichen einer klinischen Verbesserung ist eine allmähliche Reduktion der Wirkstärke von Glukokortikoiden (Ausschleichen) sinnvoll, sofern nicht die Entscheidung zur proaktiven Weiterbehandlung getroffen wurde. Die topischen Immunmodulatoren Tacrolimus und Pimecrolimus, die als Calcineurin-Inhibitoren wirken, verursachen keine für Glukokortikoide typischen Nebenwirkungen wie Atrophie oder – bei Anwendung im Gesicht – Rosazea oder periorale Dermatitis. Das Brennen nach Auftragen auf die Haut, von dem viele Patienten vor allem anfänglich betroffen sind, kann durch die Prämedikation mit Acetylsalicylsäure abgemildert werden. Calcineurin-Inhibitoren sind vor allem dann angezeigt, wenn aufgrund der Dauer der Behandlung oder der Lokalisation der Hautveränderungen eine topische Therapie mit Glukokortikoiden nicht oder nicht in der nötigen Dauer in Betracht kommt. Für Hautareale, die besonders für die atrophisierende Nebenwirkung von Glukokortikoiden anfällig sind, wie zum Beispiel das Gesicht und dort vor allem die Lider sowie am Hals, werden Calcineurin-Inhibitoren als Therapie der ersten Wahl eingesetzt. Zwar gibt es bislang keine Hinweise für die Zunahme von UV-induzierten malignen Hauttumoren, sicherheitshalber sind die Patienten über konsequenten Lichtschutz während der Dauer der Anwendung aufzuklären. Als proaktive Therapie wird die langfristige, niedrigdosierte, intermittierende (zumeist 2-mal pro Woche) symptomunabhängige Behandlung der patientenindividuell rezidivfreudigen Problemzonen der Haut mit entzündungshemmenden Externa bezeichnet. Dieser Behandlungsansatz zielt auf eine langfristige Beeinflussung der subklinischen Entzündungsaktivität ab, die sich in erhöhtem transepidermalem Wasserverlust, histologisch fassbarem Minimalekzem und erhöhter IgE-Rezeptor-Expression auf epidermalen dendritischen Zellen widerspiegelt. Dieses Therapiekonzept senkt das Rezidivrisiko signifikant und ist kosteneffektiver als die traditionelle reaktive Therapie. Die proaktive Therapie wird erst mit Erreichen klinischer Erscheinungsfreiheit begonnen und dann über einen längeren Zeitraum von 6–24 Monaten durchgeführt. Bei mittelschweren Verlaufsformen wird 2-mal, bei schwereren bis zu 3-mal pro Woche an den vorher betroffenen Arealen entweder ein glukokortikoidhaltiges Externum der Klasse II bis III oder ein Calcineurin-Inhibitor aufgetragen. Für viele Substanzen, die sich mehr oder minder bewährt haben, liegen keine ausreichenden Daten zur Wirksamkeit vor. Synthetische oder natürliche Gerbstoffe haben eine antipruriginöse Wirkung und können im Akutstadium als Umschläge, Badezusatz oder Cremezubereitung hilfreich sein. Auch sulfonierte Schieferölpräparate und Steinkohleteer wirken antientzündlich und können bei chronisch lichenifiziertem Ekzem versucht werden. Wegen ihres unangenehmen Geruchs sind diese Wirkstoffe jedoch kaum noch vermittelbar. Das nichtsteroidale Antiphlogistikum Bufexamac hat zum Teil schwere Kontaktekzeme verursacht, daher hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Mai 2010 die Zulassungen für alle Arzneimittel widerrufen, die Bufexamac enthalten.
Antiseptische und antimikrobielle Behandlung
Der längerfristige, großflächige Einsatz von topisch angewendeten Antibiotika (zum Beispiel Mupirocin oder Fusidinsäure) ist kritisch zu bewerten, an einzelnen Ekzemarealen jedoch durchaus kurzfristig vertretbar. Die topische Anwendung von Aminoglykosid-Antibiotika oder Tetrazyklinen ist grundsätzlich abzulehnen. An einzelnen nässenden Herden können Farbstofflösungen verwendet werden. Aufgrund ihrer Toxizität sollen auch Farbstoffe nur zurückhaltend eingesetzt werden. Eosin scheint noch die beste Risiko-Nutzen-Relation zu besitzen. Bei klinischer Sekundärinfektion mit Impetiginisierung ist eine systemische antimikrobielle Behandlung indiziert; so gegen Staphylokokken wirksame Antibiotika, zum Beispiel Cephalosporine oder Flucloxacillin. Auch bei klinisch nicht akuter Impetiginisierung haben topische Antiseptika wie Triclosan, Chlorhexidin, Octenidin oder Polyhexanid einen günstigen Effekt. Bei breitem Einsatz ist mit einer Resistenzentwicklung zu rechnen, sodass der Einsatz von topischen Antiseptika nicht unkritisch ist. Mit Silber beschichtete Textilien können eine Reduktion der Staphylokokkenbesiedlung der Haut bewirken. Der klinische Nutzen hängt von der Qualität des Produkts ab. Ein klinischer Nutzen Aegis-beschichteter Seidentextilien hat sich hingegen nicht bestätigt.
Physikalische Verfahren
Hier kommen die Fototherapie und die Klimatherapie zum Einsatz.
Fototherapie
Eine UV-Therapie ist zur Therapie des atopischen Ekzems geeignet. Allerdings limitieren mögliche Langzeitnebenwirkungen die UV-Therapie, dies trifft vor allem für Kinder zu. Gute Erfolge bei akuter Exazerbation wurden mit dem langwelligen UVA-1 beschrieben. Die Bestrahlung mit Wellenlängen im UVB-Bereich hat sich wegen der kurzen Bestrahlungszeiten bewährt; für UVB 311 nm wurde ein antipruriginöser Effekt gezeigt. Die PUVA-Therapie des atopischen Ekzems wird wegen des erhöhten Hautkrebsrisikos nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt.
Klimatherapie
Besonders gute Erfahrungen liegen mit Hochgebirgslagen über 1500 m sowie den Nordsee-Inseln vor, wobei individuelle Verträglichkeitsunterschiede bestehen. Zwar kommt es nach Rückkehr in das gewohnte Umfeld allmählich wieder zu einem Rückfall, bei einigen Patienten kann jedoch durch eine Klimatherapie eine Stabilisierung des Hautbefundes über einen längeren Zeitraum erreicht werden.
Systemische Therapie
Die systemische Therapie wirkt antipruriginös und/oder antientzündlich.
Antipruriginös
Die neueren nichtsedierenden Antihistaminika (Ebastin, Desloratadin, Fexofenadin, Levocetirizin, Mizolastin, Rupatadin) haben wenig Effekt. Die sedierende Nebenwirkung älterer Antihistaminika (Dimetinden, Clemastin, Hydroxyzin, Doxylamin) ist bei Schlafstörungen infolge von Juckreiz willkommen, allerdings gegen die Nebenwirkungen von QT-Zeit-Verlängerung und geringerer Schlafqualität abzuwägen. Die antipruritische Wirkung ist begrenzt. Eine konsequente antientzündliche Therapie ist eher zielführend.
Antientzündlich
Bei ausgeprägter Exazerbation kann eine kurzzeitige systemische Gabe von 0,5 mg/kg KG Prednisolon in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, um den Schub rascher zu überwinden. Bei Kindern ist die Indikation besonders zurückhaltend zu stellen. Patienten mit schweren, persistierenden Ekzemen benötigen zum Teil längerfristig eine systemische Immunsuppression. Zugelassen ist hierfür lediglich Ciclosporin im Erwachsenenalter. Die empfohlene Einzeldosis von 3 mg/kg KG erweist sich oft als zu niedrig. Eine rasche Besserung lässt sich mit einer Eingangsdosis von 5 mg/kg KG erreichen. Aufgrund der langfristigen Nebenwirkungen ist anzustreben, die Behandlung möglichst innerhalb von 2 Jahren wieder zu beenden. Falls Ciclosporin nicht wirksam ist oder nicht vertragen wird, können unter den Modalitäten des Off-Label-Use Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil oder Methotrexat eingesetzt werden. Mehrere Biologika wurden zur Behandlung des mittelschweren und schweren atopischen Ekzems entwickelt, einige stehen vor der Marktzulassung. Dupilumab, Tralokinumab und Lebrikizumab hemmen Th2-assoziierte Entzündungswege; Nemolizumab wirkt IL-31-abhängig primär auf den ekzembedingten Juckreiz, ist aber auch antientzündlich wirksam.
Adjuvante Maßnahmen
Komplementärmedizinische Verfahren
Der oft chronische Krankheitsverlauf und die Furcht vor Glukokortikoidnebenwirkungen machen Patienten beziehungsweise deren Erziehungsberechtigte anfällig für komplementärmedizinische Verfahren. Für keines dieser Verfahren gibt es die notwendige wissenschaftliche Evidenz, in einigen Fällen ist deren Unwirksamkeit nachgewiesen. So gibt es weder überzeugende Daten für Probiotika (Laktobazillen), Homöopathie, noch für die orale Zufuhr essenzieller Fettsäuren wie Borretschöl und Nachtkerzenöl (γ-Linolensäure) oder chinesische Kräuter. Die Beliebtheit komplementärmedizinischer Verfahren bei medizinischen Laien ist bekannt.
Psychologische Therapie
Bei vielen Patienten mit atopischem Ekzem können psychische Stressfaktoren Ekzemschübe auslösen. Es liegt daher nahe, speziell diese Patienten mit der Frage nach einer Psychotherapie oder anderen geeigneten Interventionen beim Psychodermatologen, Psychologen oder Psychiater vorzustellen. Auch das Erlernen von Techniken zur Stressbewältigung (Autogenes Training, Kratzkontrolltechniken) kann hilfreich sein.

Assoziierte Erkrankungen

Allergische Rhinokonjunktivitis, Asthma bronchiale, allergische Soforttyp-Reaktionen, allergische Kontaktekzeme

Meist findet die Erstmanifestation einer atopischen Erkrankung in Form eines atopischen Ekzems statt. Da zeitgleich oder nacheinander auch Rhinoconjunctivitis allergica (Synonyme: Pollinosis, Heuschnupfen, Heufieber) und Asthma bronchiale bestehen können, sind auch für den Dermatologen Kenntnisse über klinische Symptome und Therapiemöglichkeiten von inhalativen allergischen Erkrankungen wichtig (Kap. „Soforttyp-Allergie: Rhinokonjunktivitis, Asthma bronchiale, Anaphylaxie“). Eine organspezifische Mitbetreuung durch die entsprechenden Fachdisziplinen ist angezeigt, dies gilt für Patienten mit Beschwerden sowohl an den oberen als auch an tieferen Atemwegen.
Auch ohne Vorliegen einer atopischen Veranlagung können einige besonders potente Soforttyp-Allergene Sensibilisierungen und als Symptom meist Anaphylaxie auslösen. Dazu gehören Insektengifte (Kap. „Erkrankungen durch Bienen- und Wespenstich“) oder β-Lactam-Antibiotika (Kap. „Kutane Arzneimittelreaktionen“) oder unter den Nahrungsmitteln Sesam. Bei Patienten mit atopischer Veranlagung besteht das Risiko für Soforttyp-Allergien auch gegen weniger potente Allergene. Ein besonderes Risiko besteht bei atopischem Ekzem, bereits über den Hautkontakt Sensibilisierungen gegen Soforttyp-Allergene zu erwerben. Hier sind Aeroallergene (Pollen, Hausstaubmilben) und Naturlatex zu erwähnen, weiter Nahrungsmittel, tierische Sekrete (relevant für in der Veterinärmedizin Tätige oder in der Lebensmittel verarbeitenden Industrie) oder Naturseide.
Eine Nahrungsmittelallergie (Kap. „Nahrungsmittelallergien“) kann sich abhängig von Alter und Auslöser ganz unterschiedlich manifestieren. Unterschiedliche klinische Krankheitsbilder kommen bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien vor:
  • Orales Allergie-Syndrom
  • Kontakturtikaria
  • Proteinkontaktdermatitis
  • Gastrointestinale Beschwerden
  • Anaphylaxie (Schweregrad I, II, III und IV)
  • Atopisches Ekzem
Bei Säuglingen und Kleinkindern bestehen Allergien typischerweise gegen solche Nahrungsmittel, gegen die die Sensibilisierung primär oral erfolgt ist. Dagegen werden im Erwachsenenalter Nahrungsmittelallergien meist über den Weg einer Kreuzreaktion gegen Aeroallergene und somit primär inhalativ erworben. Der Sensibilisierungsweg entscheidet auch über das Muster einer Sensibilisierung gegen Einzelallergene. Entsprechend unterscheiden sich Kinder und Erwachsene sowohl was Auslöser (Tab. 4), klinisches Bild als auch Prognose der Nahrungsmittelallergie anbetrifft. Bei Kindern sind am häufigsten Nahrungsmittel Auslöser von anaphylaktischen Reaktionen, während bei Erwachsenen Nahrungsmittel erst an dritter Stelle nach Insektengiften und Arzneimitteln stehen.
Tab. 4
Nahrungsmittel als Auslöser anaphylaktischer Reaktionen (2006–2009) in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Aus: Hompes et al. 2010)
Erwachsene
%
Kinder
%
Früchte, zum Beispiel Apfel, Banane, Mango, Dattel
13
Hülsenfrüchte, zum Beispiel Erdnuss
31
Tierprodukte, zum Beispiel Meeresfrüchte, Fisch, Ei
12
Baumnüsse, zum Beispiel Haselnuss, Cashew, Mandel
25
Gemüse, zum Beispiel Sellerie, Gelbe Rübe
2
Tierprodukte, zum Beispiel Milch, Ei, Fisch
23
Hülsenfrüchte, zum Beispiel Soja, Erdnuss
11
Früchte, zum Beispiel Apfel, Mango
4
Baumnüsse, zum Beispiel Haselnuss, Walnuss, Mandel
11
Gewürze, Saaten, zum Beispiel Sesam, Knoblauch
4
Gewürze
8
Gemüse
3
Weizen
7
Getreide
3
Das diagnostische Vorgehen zur Klärung allergischer Soforttyp-Reaktionen ist andernorts dargestellt (Kap. „Grundprinzipien von Allergie- und Intoleranzreaktionen“).

Sonstige assoziierte Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen
Ein gehäuftes Auftreten von Vitiligo (Kap. „Störungen der Melaninpigmentierung“) und Alopecia areata (Kap. „Erkrankungen der Haare“) bei atopischem Ekzem ist beschrieben. Die Koinzidenz scheint ein prognostischer Faktor für einen ungünstigen Verlauf der Autoimmunerkrankung zu sein.
Augenerkrankungen
Selten und bevorzugt bei besonders schweren Verlaufsformen des atopischen Ekzems bestehen ophthalmologische Veränderungen wie Glaukom, Keratokonus und Netzhautablösung.
Genodermatosen
Bestimmte Syndrome sind mit Hautveränderungen im Sinne eines atopischen Ekzems vergesellschaftet: autosomal-rezessives Hyper-IgE-Syndrom (DOCK8-Defizienz), autosomal-dominantes Hyper-IgE-Syndrom (STAT3-Defizienz) (Kap. „Hereditäre Immundefekte“), Wiskott-Aldrich-Syndrom (Kap. „Hereditäre Immundefekte“), Comèl-Netherton-Syndrom (Kap. „Ichthyosen“).
Die Assoziation mit einer gleichzeitig bestehenden Ichthyosis vulgaris wird mit bis zu 30 % angegeben.
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