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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 19.01.2024

Asymptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

Verfasst von: Jacqueline Stella
Die asymptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) beschreibt eine subjektive Beschwerdefreiheit durch Kompensation, Kollateralisation oder leistungslimitierende Grunderkrankung und entspricht dem Fontaine-Stadium I bzw. dem Rutherford-Stadium 0. Die asymptomatische pAVK umfasst den Großteil von Patienten mit manifester pAVK in einem altersunabhängigen Verhältnis von asymptomatischen zu symptomatischen pAVK-Patienten von 4:1. Der Goldstandard zur Diagnostik der pAVK ist die Ankle Brachial Index (ABI)-Erhebung (auch Knöchel-Arm-Index), wobei ein ABI < 0,9 eine pAVK anzeigt. Patienten mit asymptomatischer pAVK zeigen analog zu symptomatischen pAVK-Patienten ein erhöhtes Risiko für Morbidität und Mortalität sowie für eine Progression der Arteriosklerose. Das therapeutische Management zielt daher auf die Optimierung vaskulärer Risikofaktoren und die Behandlung von Begleiterkrankungen ab.

Epidemiologie der asymptomatischen pAVK

Die globale Prävalenz der pAVK für das Jahr 2015 lag Schätzungen zufolge bei 237 Mio. und verzeichnete im Vergleich zum Jahr 2010 einen relativen Anstieg von +17 % (Song et al. 2019). Für Deutschland wurde eine Gesamtprävalenz der pAVK zwischen 3 und 10 % beschrieben (siehe auch Kap. „Definition und Epidemiologie der pAVK“). Ab dem 70. Lebensjahr steigt die Prävalenz auf 15–20 % an (Diehm et al. 2004). Die Prävalenz und Inzidenz differieren erheblich. Das Verhältnis asymptomatischer zu symptomatischer pAVK wird als 4-mal höher beschrieben (Fowkes et al. 1991), wobei aufgrund des fehlenden Leidensdrucks eine hohe Dunkelziffer asymptomatischer pAVK-Patienten vermutet wird. In nicht gezielt ausgewählten erwachsenen Personen, die keine pAVK-spezifischen Symptome zeigten, wurde bei 15 % der Männer und 5 % der Frauen mindestens eine Stenose von mindestens 50 % in den Beinarterien im Rahmen von postmortalen Untersuchungen festgestellt (Norgren et al. 2007).
Bislang haben nur wenige Studien gezielt das asymptomatische Stadium der pAVK wissenschaftlich aufgegriffen und untersucht:
  • In der prospektiven bundesweiten Beobachtungsstudie German epidemiological trial on Ankle Brachial Index (getABI-Studie) wies jeder 5. Hausarzt-Patient ab dem 65. Lebensjahr einen ABI < 0,9, und damit eine pAVK auf (insgesamt 18 %, Männer: 19,8 %, Frauen: 16,8 %). Bei Diabetikern beträgt die Prävalenz sogar 26,3 %, wobei jedoch lediglich 1/3 klinische Symptome einer pAVK zeigte (Diehm et al. 2004).
  • In der Limburger Studie basierten die Inzidenzraten auf 2 ABI-Messungen im zeitlichen Abstand von 7,2 Jahren. Hierbei wurde eine pAVK bei einem ABI von < 0,95 angenommen. Bei Männern lag die jährliche Inzidenz bei 1,7 pro 1000 im Alter von 40 bis 54 Jahren, bei 1,5 pro 1000 im Alter von 55 bis 64 Jahren und bei 17,8 pro 1000 im Alter von ≥ 65 Jahren. Die jährliche Inzidenz bei Frauen war höher mit 5,9 pro 1000, mit 9,1 pro 1000 bzw. mit 22,9 pro 1000 in denselben Altersgruppen (Hooi et al. 2001).
  • Im Rahmen der Hamburg-City-Gesundheitsstudie, die zwischen 2016 und 2018 in der Allgemeinbevölkerung durchgeführt wurde, wurde an einer Stichprobe aus 10.000 Teilnehmern eine 24 %ige Prävalenz der pAVK der unteren Extremitäten ermittelt (gemäß ABI-Definition von < 0,9). Es zeigte sich eine ausgeprägte Assoziation zwischen pAVK und steigendem Alter, weiblichem Geschlecht, Nikotinkonsum, Dyslipidämie, Diabetes, koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz (Behrendt et al. 2023).
  • Die PANDORA-Studie, an der 9816 Patienten aus der Primärversorgung mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko aus verschiedenen europäischen Ländern teilnahmen, ergab eine Prävalenz der asymptomatischen pAVK von 17,8 % bei einem Durchschnittsalter von 64,3 Jahren (Cimminiello et al. 2010, 2011).
  • Daten der US-amerikanischen PARTNERS-Studie an einer Risikopopulation (≥ 70 Jahre oder 50–69 Jahre mit gleichzeitigem Nikotinabusus oder Diabetes mellitus) zeigten, dass 29 % der Gesamtpopulation einen erniedrigten ABI oder eine manifeste pAVK aufwiesen. Etwa die Hälfte der neu diagnostizierten pAVK-Patienten verblieb klinisch asymptomatisch (Hirsch et al. 2001).
Die asymptomatische pAVK ist rund 4 Mal häufiger als symptomatische pAVK-Stadien, wobei von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird. Patienten mit klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren sind besonders gefährdet, eine pAVK zu entwickeln.

Klinischer Stellenwert der asymptomatischen pAVK

Das asymptomatische Stadium der pAVK wird im Gesamtkontext der Erkrankung als ein frühes Stadium in der Kontinuität dieser komplexen, chronischen Erkrankung betrachtet, die sich bei Voranschreiten mit Symptomen der intermittierenden Claudicatio (IC) oder der chronisch kritischen Extremitätenischämie (CLTI) präsentiert.
Das Fehlen durchblutungsbedingter Beschwerden kann u. a. durch eine nur gering ausgeprägte Perfusionsstörung, die keine ruhe- oder belastungsabhängigen Symptome hervorruft, oder durch eine eingeschränkte Mobilität des Patienten, die unterhalb der individuellen Claudicatioschwelle (z. B. durch Begleiterkrankungen, die keine stärkere Belastung zulassen) liegt, erklärt werden. Häufige zugrunde liegende Begleiterkrankungen können eine Spinalkanalstenose, eine Lumboischialgie, eine Cox- oder Gonarthrose, eine kardiale oder respiratorische Insuffizienz oder eine Adipositas per magna sein. Manche pAVK-Patienten berichten zwar über Muskelbeschwerden beim Gehen, führen diese Symptome jedoch auf die natürlichen Folgen des Alterns und nicht auf eine Durchblutungsstörung zurück.
Arterielle Verschluss- oder Stenoseprozesse der unteren Extremitäten können zudem auch asymptomatisch bleiben. Dies kann beispielsweise bei isolierten Verschlüssen von Unterschenkelarterien, gut kollateralisierten Verschlüssen, Stenosen der Beckenarterien oder der A. femoralis superficialis oder bei hämodynamisch grenzwertig wirksamen Stenosen der Fall sein, wobei die Knöchelarteriendrucke und der ABI in Ruhe noch Normalwerte aufweisen können (Yao 1973). Eine Demaskierung der pAVK gelingt durch Messung des ABI nach Belastung (Laufbandergometrie, Zehenstände), wenn die peripheren Druckwerte um mindestens −20 % unter den Ausgangsruhedruck absinken oder ein absoluter Druckabfall von 30 mmHg und eine anschließende Normalisierung erst nach > 1 min eintritt (Rose 2000; siehe Kap. „Stufendiagnostik bei Verdacht auf pAVK“).
In der PESA-Studie (Progression of Early Subclinical Atherosclerosis) zeigte sich, dass das iliofemorale Gebiet bei asymptomatischen Probanden mittleren Alters am häufigsten von Atherosklerose betroffen war. Zusätzlich konnte festgestellt werden, dass das Vorhandensein einer atherosklerotischen Manifestation im iliofemoralen Bereich die Wahrscheinlichkeit einer Arteriosklerose in einem anderen Arteriensegment um 70 % erhöhte. Umgekehrt war das Fehlen einer Erkrankung im iliofemoralen Gefäßbett mit einer 67 %igen Wahrscheinlichkeit verbunden, in den anderen Gefäßgebieten ebenfalls frei von Erkrankungen zu sein (Fernández-Friera et al. 2015).

Therapie der asymptomatischen pAVK

Patienten mit asymptomatischer pAVK weisen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf, das vergleichbar ist mit dem Risiko im Stadium der milden Claudicatio intermittens (Fontaine IIa). Dies unterstreicht die klinische Relevanz der frühzeitigen Erkennung und Behandlung von pAVK-Patienten bereits in klinisch asymptomatischen Krankheitsstadien.
Das asymptomatische Stadium der pAVK darf nicht mit einer fehlenden Indikation zur Therapie gleichgesetzt werden.
Die Hauptziele der Behandlung in diesem Stadium zielen auf die Prävention der Progression und die Reduzierung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse ab (siehe Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“).

Lebensstilmodifikationen und Risikoreduktion

  • Strikte Nikotinkarenz
    Nikotinkonsum ist der stärkste Risikofaktor für die Entstehung und Progression der pAVK. In jedem Krankheitsstadium ist eine dauerhafte Nikotinkarenz anzuraten (Lawall et al. 2016a, b).
  • Regelmäßige körperliche Aktivität
    Eine angemessene körperliche Aktivität verbessert nicht nur die periphere Durchblutung, sondern senkt auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Patienten sollten zu einem strukturierten Trainingsprogramm angeleitet werden. Im Rahmen der allgemeinen Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen wird eine moderate körperliche Aktivität von 150 min/Woche oder eine intensive Aktivität von 75 min/Woche empfohlen (Piepoli et al. 2016).
  • Gesunde Ernährung
    Bis dato liegen keine abschließenden Ergebnisse vor, die einzelne Ernährungsbestandteile oder diätetische Regime hinsichtlich kardiovaskulärer Risikoreduktion bei Patienten mit pAVK bewerten. Allgemein wurde bei kardiovaskulären Risikopatienten, zu denen pAVK-Patienten gehören, auf eine deutliche Verringerung dieser Risiken vor allem durch die mediterrane Diät hingewiesen (Wan et al. 2022).
  • Gewichtsnormalisierung
    Gemäß Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Body-Mass-Index (BMI) von 20 kg/m2 bis 25 kg/m2 bei unter 60-Jährigen (im Alter dürfen die Werte etwas höher sein, z. B. ein Körpergewicht von max. 80 kg bei 1,75 m Körpergröße) und ein Taillenumfang von < 94 cm für Männer bzw. < 80 cm für Frauen anzustreben (Piepoli et al. 2016).

Medikamentöse Therapie

Thrombozytenaggregationshemmung

In Bezug auf die medikamentöse Prophylaxe bzw. Therapie der zugrunde liegenden Arteriosklerose ist bei der asymptomatischen pAVK der Einsatz der Thrombozytenaggregationshemmung ein kontrovers diskutiertes Thema (Aboyans et al. 2018; siehe Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“). Bisher liegen keine aussagefähigen Daten vor, die den Nutzen einer Thrombozytenfunktionshemmung sowohl zur Reduktion vorhandener arteriosklerotischer Gefäßläsionen als auch der Neumanifestation einer pAVK belegen würden. Während überzeugende Studienergebnisse für die Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit pAVK vorliegen, ist die Datenlage zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse unzureichend und teilweise widersprüchlich (Soejima et al. 2010; Sobel und Verhaeghe 2008).
Eine doppelblind randomisierte Bevölkerungsstudie an 28.980 schottischen Einwohnern, darunter 3500 Personen mit einem erniedrigten ABI (≤ 0,95), ergab nach durchschnittlich 8,2 Jahren Therapie- und Beobachtungsdauer keinen Unterschied in der kardiovaskulären Ereignisrate zwischen der Gabe von ASS 100 mg oder Placebo (Fowkes et al. 2010). Bei Diabetikern mit asymptomatischer pAVK führte die tägliche Einnahme von ASS (100 mg) im Vergleich zur Einnahme von Placebos weder zu einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisraten (tödlicher und nicht-tödlicher Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskuläre Mortalität) noch zu einer Senkung der Rate an Majoramputationen (Belch et al. 2008; Soejima et al. 2010). Diese überraschenden Ergebnisse wurden u. a. auf die breite Anwendung von Statinen in dieser Hochrisikogruppe zurückgeführt. Bei Patienten mit asymptomatischer pAVK und zusätzlichem Nachweis einer KHK oder einer zerebrovaskulären Gefäßerkrankung ist der Nutzen einer Thrombozytenfunktionshemmung unabhängig von der pAVK aufgrund der koronaren und/oder zerebrovaskulären Arteriosklerose gut belegt und die dauerhafte Anwendung dementsprechend indiziert (Aboyans et al. 2018; Frank et al. 2019).
Bei asymptomatischer pAVK ohne weitere Artherosklerosemanifestationen in anderen vaskulären Territorien ist eine Thrombozytenaggregationshemmung zur kardiovaskulären Sekundärprävention nicht indiziert.
Neue Erkenntnisse zum Stellenwert der antithrombotischen Therapie bei pAVK-Patienten lieferte die COMPASS-Studie (Eikelboom et al. 2017, siehe Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“). Bei Patienten mit einer stabilen kardiovaskulären Arteriosklerose (KHK, zerebrovaskuläre Erkrankung, pAVK) resultierte die Kombination aus Rivaroxaban 2,5 mg 2 Mal täglich und Aspirin 100 mg 1 Mal täglich in einer 24 %igen Reduktion des kombinierten Endpunktes kardiovaskuläre Mortalität, Schlaganfall oder Myokardinfarkt gegenüber Aspirin 100 mg 1 Mal täglich allein. Die Analyse der Subgruppe mit peripherer Arteriosklerose (stabile pAVK, KHK mit asymptomatischer pAVK, stabile Karotisstenose) zeigte sogar einen 28 %igen Benefit hinsichtlich des kombinierten Endpunktes und zusätzlich einen signifikanten Vorteil hinsichtlich Extremitätenereignissen inklusive Majoramputationen (46 % RR, (HR 0,54 95 % CI 0,35–0,82)) (Anand et al. 2018a, b). Inwieweit sich diese Ergebnisse für das (Hoch-)Risikokollektiv der ausschließlich asymptomatischen pAVK-Patienten übertragen lassen, bleibt unklar.

Lipidmodifizierende Therapie

Eine verbesserte kardiovaskuläre Prognose durch den Einsatz einer lipidmodifizierenden Therapie ist unumstritten und konnte in zahlreichen klinischen Studien belegt werden (siehe Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“). Angesichts des deutlich erhöhten kardiovaskulären Risikos empfehlen aktuelle nationale und internationale Leitlinien für alle pAVK-Patienten eine lipidsenkende Medikation und führen Statine als Medikation der 1. Wahl an. Eine Statintherapie ist dementsprechend bei allen pAVK-Patienten unabhängig von ihrer klinischen Beschwerdesymptomatik indiziert (Aboyans et al. 2018; Lawall et al. 2016a, b; Nordanstig et al. 2023).
Bei pAVK-Patienten mit normwertigen Lipidprofilen empfiehlt sich ein niedrig-intensives Statinregime gemäß den Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ-Leitfaden 2023).
Wie bei allen Patienten mit arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen sollte auch bei Patienten mit einer asymptomatischen pAVK und einer Hypercholesterinämie durch geeignete Auswahl und ggf. Anpassungen von Statinpräparat und seiner Dosierung eine LDL-Cholesterinsenkung von ≥ 50 % des Ausgangswertes bzw. ein LDL-Cholesterinzielwert von < 1,4 mmol/l (< 55 mg/dl) erreicht werden (Cosentino et al. 2020; Mach et al. 2020). Sollte das LDL-C-Therapieziel auch mit hochwirksamen Statinen, wie z. B. Rosuvastatin, allein nicht erreicht werden, kommen Kombinationstherapien mit weiteren LDL-senkenden Wirkstoffen (Ezetimib, Gallensäureinhibitor, Bempedoinsäure, Inclisiran) in Betracht. Bei Nichterreichen der risikobasierten LDL-C-Zielwerte oder einer Statinintoleranz kann unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit ein PCSK9-Inhibitor in Betracht gezogen werden (Mach et al. 2020).
Patienten mit pAVK sollten unabhängig von ihrer pAVK-Symptomatik ein Statin erhalten. Dies gilt auch für Patienten mit normwertigen Lipidwerten.

Behandlung von Begleiterkrankungen

  • Einstellung einer arteriellen Hypertonie
    Ein Zielblutdruck von < 140/90 mmHg wird allen pAVK-Patienten empfohlen. Zum Erreichen der Zielblutdruckwerte werden bei pAVK-Patienten bevorzugt ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten und Diuretika eingesetzt (ESC/ESH-Leitlinie, Williams et al. 2018).
  • Einstellung eines Diabetes mellitus
    Die Zielwerte für den HbA1c sind abhängig vom Alter und weiteren Begleiterkrankungen. Der ideale Zielkorridor liegt zwischen 6,5 % und 7,5 %, im höheren Alter zwischen 7 % und 8 %, wobei das individuelle Hypoglykämierisiko in Stringenz und diabetischer Therapiewahl berücksichtigt werden soll (Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes BÄK 2023; Cosentino et al. 2020; Lawall et al. 2016a, b).

Revaskularisierende Therapie

Angesichts fehlender wissenschaftlicher Belege dafür, dass eine prophylaktische interventionelle Behandlung bei asymptomatischen pAVK-Patienten einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Krankheit, den Erhalt der Extremitäten oder das Überleben hat, hat die revaskularisierende Therapie im Stadium der asymptomatischen pAVK keinen Stellenwert und sollte nicht durchgeführt werden (Lawall et al. 2016a, b; Sternitzky 2016). Mögliche Ausnahmen betreffen endovaskuläre Eingriffe zum Erhalt der Offenheit nach vorangegangenen komplexen Eingriffen (z. B. endovaskuläre Rekanalisation einer hochgradigen Bypassstenose bei vormals bestandener kritischer Ischämie) unter sorgfältiger Indikationsprüfung (Nordanstig et al. 2023) oder asymptomatische Beckenarterienstenosen zur Perfusionsoptimierung vor geplanter Nierentransplantation bei geplantem iliakalen Anschluss des Transplantates.

Prognose der asymptomatischen pAVK

Das Risiko der Progression einer asymptomatischen pAVK hin zu symptomatischen Stadien wird in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben und reicht von 5 % innerhalb von 5 Jahren bis zu 21 % innerhalb 1 Jahres (Mohler 3rd et al. 2012; Sigvant et al. 2016; Smith et al. 2003). In der Limburger PAOD-Studie etwa lag das 7-Jahres-Progressionsrisiko asymptomatischer pAVK-Patienten hin zu einer IC bei 9 % (Hooi et al. 2004). Die ESC/ESVS-Guidelines 2017 haben erstmals die Subgruppe maskierter pAVK (sog. masked lower extremity arterial disease) definiert, die asymptomatische pAVK-Patienten mit einem erhöhten Progressionsrisiko beschreibt (Aboyans et al. 2018). Bei der maskierten pAVK bleiben die typischen Beschwerden infolge überlagernder Begleiterkrankungen, insbesondere kardiovaskulärer und pulmonaler Natur, oder aufgrund einer verminderten Schmerzempfindlichkeit, wie sie beispielsweise durch eine diabetische Polyneuropathie bedingt sein kann, verborgen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass die auftretenden Beschwerden fälschlicherweise auf den natürlichen Alterungsprozess zurückgeführt werden.
Die pAVK ist unabhängig von ihrer Beschwerdepräsentation als Ausdruck einer generalisierten atherothrombotischen Erkrankung zu sehen. Somit geht auch die asymptomatische pAVK mit einem erhöhten Risiko für eine Arteriosklerose in anderen Gefäßbetten einher: Epidemiologische Erhebungen belegen, dass in 20–70 % der pAVK-Patienten auch eine koronare Herzerkrankung, in 14–19 % eine zerebrovaskuläre Erkrankung und in 10–23 % eine renovaskuläre Erkrankung vorliegen (Nordanstig et al. 2023). Zur Verbesserung der Prognose im Hinblick auf kardiovaskuläre, aber auch extremitätenbezogene Endpunkte, ist es daher wichtig, frühzeitig eine stadiengerechte Therapie und Lebensstilmodifikation einzuleiten (siehe oben).
Mit der ABI-Messung steht für die pAVK ein zuverlässiges Instrument zur Diagnostik zur Verfügung. Gleichsam erlaubt der ABI eine Einschätzung der Schwere der Erkrankung und korreliert gut mit der Mortalität (Baigent et al. 2002; Espinola-Klein et al. 2008; Golomb et al. 2006; siehe Kap. „Nichtinvasive apparative Funktionsdiagnostik“ und „Stufendiagnostik bei Verdacht auf pAVK“). Sowohl ein erniedrigter als auch ein pathologisch erhöhter ABI ist ein valider Vorhersagefaktor für das kardiovaskuläre Ereignisrisiko (Abb. 1): Eine Erniedrigung des ABI um −0,1 geht mit einer Erhöhung vaskulärer Ereignisse um +10 % einher (Diehm et al. 2004). Ein pathologisch erniedrigter ABI-Wert (< 0,9) erhöht unabhängig von der Symptomatik die langfristige Sterblichkeit um das 2–3-fache, verglichen mit Patienten mit normalen ABI-Werten (Diehm et al. 2009, 2006).
Ein pathologischer Knöchel-Arm-Index ist – unabhängig von vorhandenen Symptomen – ein Indikator für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität.
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