Thrombozytenaggregationshemmung
In Bezug auf die medikamentöse Prophylaxe bzw. Therapie der zugrunde liegenden
Arteriosklerose ist bei der asymptomatischen
pAVK der Einsatz der Thrombozytenaggregationshemmung ein kontrovers diskutiertes Thema (Aboyans et al.
2018; siehe Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“). Bisher liegen keine aussagefähigen Daten vor, die den Nutzen einer Thrombozytenfunktionshemmung sowohl zur Reduktion vorhandener arteriosklerotischer Gefäßläsionen als auch der Neumanifestation einer pAVK belegen würden. Während überzeugende Studienergebnisse für die Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit pAVK vorliegen, ist die Datenlage zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse unzureichend und teilweise widersprüchlich (Soejima et al.
2010; Sobel und Verhaeghe
2008).
Eine doppelblind randomisierte Bevölkerungsstudie an 28.980 schottischen Einwohnern, darunter 3500 Personen mit einem
erniedrigten ABI (≤ 0,95), ergab nach durchschnittlich 8,2 Jahren Therapie- und Beobachtungsdauer keinen Unterschied in der kardiovaskulären Ereignisrate zwischen der Gabe von ASS 100 mg oder Placebo (Fowkes et al.
2010). Bei Diabetikern mit asymptomatischer
pAVK führte
die tägliche Einnahme von ASS (100 mg) im Vergleich zur Einnahme von Placebos weder zu einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisraten (tödlicher und nicht-tödlicher Herzinfarkt,
Schlaganfall, kardiovaskuläre Mortalität) noch zu einer Senkung der Rate an Majoramputationen (Belch et al.
2008; Soejima et al.
2010). Diese überraschenden Ergebnisse wurden u. a. auf die breite Anwendung von Statinen in dieser Hochrisikogruppe zurückgeführt. Bei Patienten mit asymptomatischer pAVK und zusätzlichem Nachweis einer KHK oder einer zerebrovaskulären Gefäßerkrankung ist der Nutzen einer Thrombozytenfunktionshemmung unabhängig von der pAVK aufgrund der koronaren und/oder zerebrovaskulären
Arteriosklerose gut belegt und die dauerhafte Anwendung dementsprechend indiziert (Aboyans et al.
2018; Frank et al.
2019).
Bei asymptomatischer
pAVK ohne weitere Artherosklerosemanifestationen in anderen vaskulären Territorien ist eine Thrombozytenaggregationshemmung zur kardiovaskulären Sekundärprävention nicht indiziert.
Neue Erkenntnisse zum Stellenwert der antithrombotischen Therapie bei pAVK-Patienten lieferte die COMPASS-Studie (Eikelboom et al.
2017, siehe Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“). Bei Patienten mit einer stabilen kardiovaskulären
Arteriosklerose (KHK, zerebrovaskuläre Erkrankung,
pAVK) resultierte die Kombination aus Rivaroxaban 2,5 mg 2 Mal täglich und Aspirin 100 mg 1 Mal täglich in einer 24 %igen Reduktion des kombinierten Endpunktes kardiovaskuläre Mortalität,
Schlaganfall oder
Myokardinfarkt gegenüber Aspirin 100 mg 1 Mal täglich allein. Die Analyse der Subgruppe mit peripherer Arteriosklerose (stabile pAVK, KHK mit asymptomatischer pAVK, stabile Karotisstenose) zeigte sogar einen 28 %igen Benefit hinsichtlich des kombinierten Endpunktes und zusätzlich einen signifikanten Vorteil hinsichtlich Extremitätenereignissen inklusive Majoramputationen (46 % RR, (HR 0,54 95 % CI 0,35–0,82)) (Anand et al.
2018a,
b). Inwieweit sich diese Ergebnisse für das (Hoch-)Risikokollektiv der ausschließlich asymptomatischen pAVK-Pat
ienten übertragen lassen, bleibt unklar.
Lipidmodifizierende Therapie
Eine verbesserte kardiovaskuläre Prognose durch den Einsatz einer lipidmodifizierenden Therapie ist unumstritten und konnte in zahlreichen klinischen Studien belegt werden (siehe Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“). Angesichts des deutlich erhöhten kardiovaskulären Risikos empfehlen aktuelle nationale und internationale Leitlinien für alle pAVK-Patienten eine lipidsenkende Medikation und führen Statine als Medikation der 1. Wahl an. Eine Statintherapie ist dementsprechend bei allen pAVK-Patienten unabhängig von ihrer klinischen Beschwerdesymptomatik indiziert (Aboyans et al.
2018; Lawall et al.
2016a,
b; Nordanstig et al.
2023).
Bei pAVK-Patienten mit normwertigen Lipidprofilen empfiehlt sich ein niedrig-intensives Statinregime gemäß den Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ-Leitfaden
2023).
Wie bei allen Patienten mit arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen sollte auch bei Patienten mit einer asymptomatischen
pAVK und einer
Hypercholesterinämie durch geeignete Auswahl und ggf. Anpassungen von Statinpräparat und seiner Dosierung eine LDL-Cholesterinsenkung von ≥ 50 % des Ausgangswertes bzw. ein LDL-Cholesterinzielwert von < 1,4 mmol/l (< 55 mg/dl) erreicht werden (Cosentino et al.
2020; Mach et al.
2020). Sollte das LDL-C-Therapieziel auch mit hochwirksamen Statinen, wie z. B. Rosuvastatin, allein nicht erreicht werden, kommen Kombinationstherapien mit weiteren LDL-senkenden Wirkstoffen (
Ezetimib, Gallensäureinhibitor,
Bempedoinsäure, Inclisiran) in Betracht. Bei Nichterreichen der risikobasierten LDL-C-Zielwerte oder einer Statinintoleranz kann unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit ein PCSK9-Inhibitor in Betracht gezogen werden (Mach et al.
2020).
Patienten mit
pAVK sollten unabhängig von ihrer pAVK-Symptomatik ein Statin erhalten. Dies gilt auch für Patienten mit normwertigen Lipidwerten.