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Klinische Kardiologie
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Publiziert am: 18.08.2022

Supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen

Verfasst von: Michael Gramlich
Als supraventrikuläre Tachykardien bezeichnet man schnelle Herzrhythmusstörungen, die in den Vorhöfen entstehen. In der Regel imponieren sie im EKG als Schmalkomplextachykardie, können jedoch unter bestimmten Umständen (vorbestehendes Blockbild, Aberranz, akzessorisches Leitungsbündel) auch als Breitkomplextachykardie in Erscheinung treten. Unterschieden werden Tachykardien mit Reentrymechanismus von solchen mit abnormer Automatie oder getriggerter Aktivität. Da für die meisten supraventrikulären Tachykardien (SVTs) mit einer Katheterablation eine kurative Behandlungsoption mit geringen Risiken besteht, sollte diese großzügig empfohlen werden.
Die häufigste supraventrikuläre Tachykardie ist das Vorhofflimmern, dessen Prävalenz ein endemisches Ausmaß angenommen hat und mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität vergesellschaftet ist. Vorhofflimmern ist ein komplexes Krankheitsbild, sodass eine ausführliche Charakterisierung dieser Patienten erforderlich ist. Die Therapieplanung umfasst die Schlaganfallprophylaxe, die Symptomenkontrolle und die Behandlung der Komorbiditäten.

Supraventrikuläre Tachykardien

Als supraventrikuläre Tachykardien (SVTs) bezeichnet man schnelle Herzrhythmusstörungen, die aus den Vorhöfen entspringen. Eine Übersicht der SVTs ist in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1
Übersicht über die supraventrikulären Tachykardien
Sinusknotentachykardien
Inadäquate Sinustachykardie
 
Sinusknoten-Reentrytachykardien
Reentrytachykardien
AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT)
 
AV-Reentrytachykardie (WPW-Syndrom)
 
Permanente junktionale Reentrytachykardie (PJRT)
Vorhofflimmern
 
Atriale Makro-Reentrytachykardien
Typisches Vorhofflattern (Isthmusabhängig)
 
Atypische Vorhofflatterformen
Fokale atriale Tachykardien
Monofokale atriale Tachykardien
Multifokale atriale Tachykardien
WPW-Syndrom Wolff-Parkinson-White-Syndrom
Unterscheiden lassen sich Tachykardien mit Reentrymechanismus (kreisförmige Erregung) von Tachykardien, die auf dem Boden einer abnormen Automatie („feuernder Herd“) oder einer getriggerten Aktivität (frühe und späte Nachdepolarisationen) entstehen.
Die Rhythmusstörungen können auf den Vorhof selbst beschränkt sein (Sinustachykardie, Vorhofflimmern, Vorhofflattern, fokale atriale Tachykardie), im Sinus- oder AV-Knoten kreisen (AV-Knoten-Reentrytachykardie [AVNRT], Sinusknoten-Reentrytachykardie) oder Vorhöfe und Kammern über ein akzessorisches Bündel involvieren (WPW-Syndrom). Der Ursprungsort und die verschiedenen Mechanismen der supraventrikulären Tachykardien sind in Abb. 1 dargestellt.
Die Symptomatik, die die Patienten unter den verschiedenen supraventrikulären Tachykardien verspüren, ist oft relativ unspezifisch. Symptome wie Herzrasen, Angst, Dyspnoe, Leistungsinsuffizienz können prinzipiell bei allen Herzrhythmusstörungen auftreten, sodass eine EKG- Dokumentation der Tachykardie zur Diagnosestellung essenziell ist. Dies kann auf konventionellem Wege (12-Kanal-EKG, LZ-EKG) erfolgen, mittlerweile besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass die Patienten mit Hilfe eines Smartdevices ein Ein-Kanal-EKG selbst aufzeichnen. Diese Möglichkeit wird oft genutzt, sodass rhythmologisch arbeitende Ärzte immer häufiger mit selbst registrierten EKGs konfrontiert werden.
Supraventrikuläre Tachykardien sind in der Regel schmalkomplexig (QRS-Komplex <120 ms), können jedoch auch als Breitkomplextachykardie in Erscheinung treten. Dies betrifft die antidrom laufenden AV-Reentrytachykardien, SVTs mit aberranter Überleitung und Tachykardien bei vorbestehendem Schenkelblockbild.

Inadäquate Sinustachykardien

Körperliche Anstrengung oder emotionale Belastung können über die vegetative Innervation des Sinusknotens zur Sinustachykardie führen, welche definitionsgemäß bei einer Herzfrequenz über 100/min besteht. Abzugrenzen von dieser physiologischen Antwort des kardiovaskulären Systems auf Belastungssituationen lässt sich die inadäquate Sinustachykardie, bei der permanent eine erhöhte Herzfrequenz vorliegt.
Weiterhin existiert die sehr seltene Sinusknoten-Reentrytachykardie, welche sich durch anfallsartiges Herzrasen mit typischem On-Off-Phänomen manifestiert und auf einer Kreiserregung im Sinusknoten basiert.

Symptomatik

Eine physiologische Sinustachykardie macht in der Regel keine Beschwerden. Patienten mit inadäquater Sinustachykardie berichten über Herzrasen, Schwindel, Leistungsinsuffizienz, Beklemmungsgefühl, Angst.

Diagnostik

Bei einer persistierenden Sinustachykardie sollte unbedingt eine Umfelddiagnostik stattfinden, um eine mögliche auslösende Ursache der Tachykardien auszuschließen. Dies sind insbesondere: Hyperthyreose, Anämie, Medikamente (Sympathomimetika, Theophyllin), ausgeprägte Anämie, Herzinsuffizienz, Tumorerkrankungen, Fieber, psychiatrische Erkrankungen.
Um die inadäquate Sinustachykardie von Anfallstachykardien abgrenzen zu können, ist meist die Ableitung eines Langzeit-EKGs hilfreich. Dies zeigt eine durchgehend angehobene Herzfrequenz mit graduellem An- und Abschwellen ohne Frequenzsprünge. Steht die vegetative/psychosomatische Komponente im Vordergrund, findet man häufig eine Nachtabsenkung im Schlaf (Abb. 2). Im 12-Kanal-EKG lässt sich in den tachykarden Phasen eine P-Welle dokumentieren mit typischer Sinusknotenkonfiguration (pos. in II und III).
Die elektrophysiologische Untersuchung spielt bei der inadäquaten Sinustachykardie eine untergeordnete Rolle, kann aber gelegentlich zur Abgrenzung anderer Rhythmusstörungen (z. B. sinusknotennahe fokale Tachykardie) herangezogen werden.

Therapie

Falls eine zugrunde liegende Ursache der Sinustachykardie gefunden wird, so sollte diese möglichst beseitigt werden. Ansonsten kann ein medikamentöser Therapieversuch mit Betablocker oder Ivabradin eingeleitet werden, in schweren Fällen auch die Kombination von beiden.
Oftmals kommt es im Laufe von Monaten/Jahren spontan zu einer Besserung, sodass die Medikamente im Verlauf wieder ausgeschlichen werden können.
Bei persistierenden Sinustachykardien muss immer eine sekundäre Ursache ausgeschlossen werden.

Fokale atriale Tachykardie

Der Mechanismus der ektopen atrialen Tachykardie (EAT) ist die abnorme Automatie, die entweder monofokal (ein „feuernder“ Herd) oder multifokal („mehrere Herde“) sein kann. Prinzipiell können diese Herde überall im Vorhofmyokard lokalisiert sein, es gibt jedoch typische Prädilektionsstellen: die Crista terminalis, die Pulmonalvenenostien und der Eingang zum Koronavenensinus (CS-Ostium). Die EATs machen 10–15 % aller anfallsartigen supraventrikulären Tachykardien aus.

Symptomatik

Charakteristischerweise haben die EAT-Anfälle eine kurze Dauer (meist nur Sekunden oder Minuten), dafür finden sich viele dieser Anfälle über den Tag verteilt. Typischerweise findet man einen langsamen Beginn („warming up“) und ein langsames Ende („cooling down“). Nur selten persistieren die EATs über einen langen Zeitraum (Stunden), können jedoch in Extremfällen auch unaufhörlich („incessant“) verlaufen.
Die Patienten verspüren in der Regel Herzrasen, Schwindel und Dyspnoe. Bei unaufhörlich laufenden Tachykardien kann sich eine Tachykardiomyopathie (Herzinsuffizienz) ausbilden.

Diagnostik

Im Langzeit-EKG findet sich ein Frequenzsprung zu Beginn und Ende des Anfalls, jedoch läuft die Tachykardie meist nicht starr frequent wie die Reentrytachykardien. Man findet eine P-Welle vor jedem QRS-Komplex, die jedoch eine andere Morphologie als die P-Welle des Sinusrhythmus aufweist (typischerweise negative P-Wellen in den inferioren Ableitungen II und III).
Um den Fokus der Tachykardie genau zu lokalisieren, kann eine elektrophysiologische Untersuchung unter Zuhilfenahme eines 3D-Mappingsystems zum Einsatz gebracht werden. Hier wird eine 3D-anatomische Struktur der Vorhöfe erstellt und Laufzeiten vom EAT-Fokus bis zum Mappingkatheter farblich kodiert (Abb. 3).

Therapie

Da die fokalen Tachykardien in der Regel einen On-Off-Charakter mit kurzen Abständen zwischen den Paroxysmen aufweisen, ist eine elektrische Kardioversion wenig hilfreich und sollte nur bei anhaltenden Rhythmusstörungen erwogen werden. Da der AV-Knoten nicht in den Mechanismus der Tachykardie involviert ist, können weder vagale Manöver noch Adenosin die Rhythmusstörung terminieren. Zur akuten Terminierung wird eine intravenöse Gabe von Betablocker oder Verapamil empfohlen.
Als dauerhafte rhythmusstabilisierende Maßnahme bietet sich eine Katheterablation an, in deren Rahmen der Fokus identifiziert und verödet werden kann. Aufgrund der hohen Erfolgsrate ist die Ablation mittlerweile Mittel der Wahl. Sollte der Patient keiner Ablation zugänglich sein, kann alternativ ein medikamentöser Therapieversuch mit Betablocker oder Verapamil unternommen werden, was jedoch oftmals die Symptome nur mäßig unterdrücken kann; Klasse-IC-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon) können ebenfalls zum Einsatz kommen.

AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT)

Epidemiologie und Pathophysiologie

Die AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT) stellt nach dem Vorhofflimmern die zweithäufigste supraventrikuläre Herzrhythmusstörung dar. Betroffen sind meist junge Frauen; prinzipiell kann die Tachykardie in jedem Alter vorkommen.
Pathophysiologisch liegt eine Längsdissoziation des AV-Knotens vor; dies kann entweder angeboren oder auch degenerativ erworben werden. Dabei entstehen im Koch’schen Dreieck duale AV-Knotenleitungseigenschaften: ein schneller Leitungsweg („fast pathway“), der eine lange Refraktärzeit aufweist, und ein langsamer Weg („slow pathway“) mit kurzer Refraktärperiode.
Kommt es zu einer supraventrikulären Extrasystole, solange der Fast Pathway noch durch den vorhergehenden Sinusknotenimpuls refraktär ist, der Slow Pathway jedoch schon wieder erregbar, kann der elektrische Impuls den langsamen Leitungsweg über den AV-Knoten nehmen. Am His-Bündel angekommen, ist der Fast Pathway nun erregbar, sodass der Impuls den Weg zurück über den schnellen Leitungspfad nimmt (Abb. 4). Neben dieser typischen Form der AVNRT (slow-fast) gibt es allerdings noch weitere „atypische“ Formen (slow-slow, fast-slow), die jedoch deutlich seltener vorkommen.

Symptomatik

Typischerweise berichten die Patienten über plötzliche Anfälle von Herzrasen, meist ohne spezielle Anlässe („wie aus heiterem Himmel“). Die Herzfrequenz ist dabei starr zwischen 160–220/min. Die Anfälle können wenige Sekunden bis Stunden anhalten und gehen oftmals mit einem Angstgefühl, Schwindel und Belastungseinschränkung einher. In seltenen Fällen kann die AVNRT zur Synkope führen. Da bei der AVNRT die Vorhöfe und Kammern gleichzeitig gegen die geschlossenen AV-Klappen kontrahieren, wird in der Regel ein verstärkter Pulsschlag im Hals („hämmern“) wahrgenommen. Nach der Tachykardie kommt es oft zu einem vermehrten Harndrang.

EKG

Da die Tachykardie nur anfallsweise (und oft über Monate auch gar nicht) auftritt, ist es oft schwer, eine EKG-Dokumentation der Tachykardie zu erzielen. Abhilfe können hier Smart-Watches schaffen, die vom Patienten dauerhaft getragen werden und in der Lage sind, Ein-Kanal-EKGs aufzuzeichnen.
Gelingt es, die Tachykadie in einem 12-Kanal-EKG zu dokumentieren, sieht man eine regelmäßige Schmalkomplextachykardie ohne P-Welle, da diese sich im QRS-Komplex versteckt. Manchmal lässt sich eine retrograde P-Welle hinter dem QRS-Komplex nachweisen.

Therapie

Als Akuttherapie während eines Anfalls eignen sich vagale Manöver, um eine Leitungsblockierung/-verzögerung des AV-Knotens zu erreichen. Dies kann ein Valsalva-Manöver, die Karotissinusmassage oder das Trinken von eiskaltem Wasser sein. Diese Maßnahmen können vom Patienten gelernt und beim Auftreten der Rhythmusstörung selbst durchgeführt werden.
Als besonders effektiv hat sich das modifizierte Valsalva-Manöver herausgestellt: Zuerst wird für 15 s gegen einen Widerstand gepresst (z. B. durch das Pusten in eine Spritze), im Anschluss werden dann die Beine hochgelagert (Abb. 5).
Lässt sich die Tachykardie durch ein vagales Manöver nicht durchbrechen, bietet sich die intravenöse Gabe von Adenosin an. Unter kontinuierlicher EKG-Überwachung wird ein Bolus von 6 mg schnell injiziert und mit viel Kochsalzlösung nachgespült. Durch das Adenosin kommt es zur kurzzeitigen (über wenige Sekunden anhaltenden) pharmakologischen AV-Knoten-Blockade. Bei Ineffektivität kann die Dosierung auf 12 mg und schließlich auf 18 mg gesteigert werden.
Die intravenöse Adenosingabe hat in den letzten Jahren eine Aufwertung in den Leitlinien erfahren, da sich aufgrund der Antwort der Tachykardie auf das Adenosin differenzialdiagnostische Überlegungen ableiten lassen (s. Tab. 2). Wichtig ist, dass während der Adenosingabe kontinuierlich ein EKG geschrieben wird.
Tab. 2
Effekt von Adenosina auf verschiedene Herzrhythmusstörungen
Effekt
Diagnose
Kein Effekt
Unzureichende Dosierung
Graduelle Verlangsamung der Herzfrequenz, dann wieder Akzeleration
Sinustachykardie
Termination der Tachykardie
AVRT (WPW-Syndrom)
Transienter AV-Block mit Demaskierung von Flatter-/Flimmerwellen, dann wieder Rückkehr zur Tachykardie
Fokale atriale Tachyardie
a Ist der AV-Knoten in den Reentrykreislauf involviert, terminiert die Tachykardie durch den Adenosin-induzierten AV-Block. Bei Arrhythmien, die sich atrial selbst unterhalten (wie z. B. Vorhofflimmern, Vorhofflattern, fokale atriale Tachykardien), läuft die Rhythmusstörung unbeirrt weiter
Die Rezidivrate einer AVNRT ist hoch, sodass im Anschluss an die akute Terminierung eine dauerhafte Rezidivprophylaxe angeboten werden sollte. Hier hat sich die Katheterablation als Mittel der Wahl etabliert, da diese mit einer sehr hohen Erfolgsrate (>95 % dauerhafte Rezidivfreiheit) bei sehr geringem Interventionsrisiko durchgeführt werden kann. Es wird der Slow Pathway durch Radiofrequenz- oder Kryoenergie derart moduliert, dass eine Reentrytachykardie nicht mehr auftreten kann. Relevante Komplikationen (z. B. AV-Blockierungen mit Notwendigkeit einer Schrittmacherimplantation) treten in <1 % der Fälle auf. Mittlerweile geben die Leitlinien eine Klasse-I-Empfehlung zur Ablation. Nur in Ausnahmefällen sollte eine medikamentöse Rezidivprophylaxe erfolgen, da die Effektivität deutlich geringer ist und die Anfälle oftmals dennoch auftreten. Sollte eine medikamentöse Therapie gewünscht sein, kann entweder ein Betablocker oder ein Kalziumkanalantagonist (Verapamil, Diltiazem) benutzt werden.

WPW-Syndrom

AV-Reentrytachykardien entstehen auf dem Boden eines angeborenen akzessorischen Bündels zwischen Vorhof und Ventrikel (Kent-Bündel), sodass neben dem AV-Knoten eine zweite Übertrittstelle der elektrischen Aktivität von den Vorhöfen auf die Kammern existiert. Diese Kent-Bündel können prinzipiell überall im Herzen lokalisiert sein, die häufigste Lokalisation befindet sich jedoch in über 60 % der Fälle links-lateral. Die Inzidenz des WPW-Syndroms wird mit 1–4 pro 100.000 Einwohnern angegeben; bei Patienten mit bestimmten kongenitalen Herzfehlern (Ebstein-Anomalie, Vorhofseptumdefekt) tritt das WPW-Syndrom gehäuft auf.
Charakteristisch für das Kent-Bündel ist seine nichtdekrementale Leitungseigenschaft, d. h. die ungefilterte Überleitung der Vorhofaktivität auf die Ventrikel, bis die Refraktärzeit des Kents erreicht ist. Eine besondere Bedeutung spielt dies, wenn Patienten mit einem WPW-Syndrom Vorhofflimmern entwickeln, welches dann in hohen Kammerfrequenzen resultiert (sog. FBI-Tachykardien, „fast-broad-irregular“). Bei sehr schnell leitenden Kent-Bündeln kann dies zum Kammerflimmern und plötzlichen Herztod führen.
Patienten mit WPW-Syndrom können eine nachweisbare Deltawelle im EKG aufweisen (sog. offenes WPW-Syndrom) oder auch, bei rein retrograd leitender Bahn, schmale QRS-Komplexe zeigen (sog. concealed WPW-Syndrom). Es gibt aber auch Patienten mit intermittierend offenem WPW.
Je nachdem, ob die Reentrytachykardie orthodrom (Hinleitung über den AV-Knoten, Rückleitung über das Kent) oder antidrom (Hinleitung über das Kent, Rückleitung über den AV-Knoten) läuft, kann das WPW-Syndrom als Schmalkomplex- oder als Breitkomplextachykardie in Erscheinung treten. Während erstere schwer von der AVNRT abzugrenzen ist, muss bei der letzteren eine ventrikuläre Tachykardie differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden. Oftmals hilft zur sicheren Diagnosestellung die Durchführung einer elektrophysiologischen Untersuchung.
Eine besondere Gefahr besteht bei Patienten mit WPW-Syndrom, die Vorhofflimmern entwickeln, da dies bei guter Leitfähigkeit des Kent-Bündels zu einer hohen Kammerfrequenz und sogar zu Kammerflimmern führen kann.

Diagnostik

Bei offenem WPW-Syndrom findet sich eine verkürzte PQ-Zeit mit verplumptem Anstieg des QRS-Komplexes (Deltawelle; Abb. 6). Anhand der Morphologie der Deltawelle kann der Elektrophysiologe die Lokalisation des akzessorischen Bündels einschätzen.
Bei verborgenem WPW-Syndrom zeigt sich im Ruhe-EKG zunächst keine Deltawelle; die Diagnosestellung mittels EKG gelingt dann nur während der Tachykardie.
Mit Hilfe der elektrophysiologischen Untersuchung lässt sich das akzessorische Bündel genau lokalisieren und dessen Leitungsfähigkeit charakterisieren. In der Regel kann das Kent-Bündel in gleicher Sitzung verödet werden.

Symptomatik

Die Patienten berichten charakteristischerweise über anfallsartig auftretende Tachykardien (abrupt beginnend und endend, „on-off“), welche mit Palpitationen, Schwindel, Angst und Harndrang einhergehen. Manche Patienten können die Episoden durch vagale Manöver (wie bei AVNRT, s. Abschn. 1.3) beenden.
Es gibt jedoch auch Patienten mit asymptomatischem WPW-Syndrom, welche eine Deltawelle im EKG nachweisbar haben, aber bislang keine Tachykardien entwickelt haben (Zufallsbefund).

Therapie

In der Akuttherapie unterscheidet sich die AVRT nicht von der häufigeren AVNRT (s. Abschn. 1.3). Es kommen vagale Manöver oder Adenosin zum Einsatz. Wichtig für die weitere Therapieplanung sind die Dokumentation der Tachykardie in einem 12-Kanal-EKG sowie die Ableitung eines EKGs im Sinusrhythmus.
Auch die AVRT neigt zu Rezidiven, sodass eine dauerhafte rhythmuserhaltende Therapie angestrebt werden sollte. Als wirksamste Methode hat sich die Katheterablation etabliert, in deren Rahmen das Kent-Bündel lokalisiert und mittels Radiofrequenzenergie abladiert werden kann. Unter der Ablation kommt es zu einer Normalisierung des QRS-Komplexes (Verlust der Deltawelle).
Sollte der Patient eine Katheterablation ablehnen, kann alternativ ein medikamentöser Therapieversuch entweder mit Betablocker oder Verapamil (bei orthodromer AVRT) oder Flecainid (bei antidromer AVRT) unternommen werden. Die Effektivität der medikamentösen Therapie ist jedoch deutlich geringer als die Ablation und sicherlich nicht Mittel der ersten Wahl.
Ein Sonderfall stellt das asymptomatische WPW-Syndrom dar. Eine Behandlungsindikation besteht bei sehr schnell leitenden Kent-Bündeln, da diese mit einem erhöhten Risiko des plötzlichen Herztods einhergehen. Die Leitungskapazität kann entweder im Rahmen einer elektrophysiologischen Untersuchung genau ausgemessen werden, aber auch nichtinvasiv durch eine ergometrische Belastungsuntersuchung abgeschätzt werden: Es wird die Herzfrequenz bestimmt, bei der es zu einem Verlust der Deltawelle kommt; die Refraktärzeit des Kents ist dann erreicht. Ist selbst unter hohen Herzfrequenzen (HF >180/min) weiterhin eine Deltawelle sichtbar, handelt es sich um ein schnell leitendes Kent, welches aus prognostischer Indikation abladiert werden sollte. Weiterhin empfehlen die ESC-Leitlinien die Ablation eines asymptomatischen Kent-Bündels bei Risikoberufen (z. B. Piloten) oder Risikohobbys (z. B. Fallschirmspringen).

Vorhofflimmern

Vorhofflimmern ist die mit Abstand häufigste Herzrhythmusstörung mit einer Prävalenz von endemischem Ausmaß: diese steigt mit zunehmendem Lebensalter, sodass bei den Über-80-Jährigen 9 % der Gesamtbevölkerung unter Vorhofflimmern leiden. Das Lebenszeitrisiko, an Vorhofflimmern zu erkranken, beträgt ca. 25 % mit zunehmender Tendenz.
Vorhofflimmern ist keine harmlose Erkrankung: neben den erheblichen Symptomen, die die Arrhythmie verursachen kann, haben Patienten mit Vorhofflimmern ein deutlich erhöhtes Schlaganfallrisiko. Weiterhin steigt das Risiko zur Herzinsuffizienz- und Demenzentwicklung, sodass Patienten mit Vorhofflimmern eine reduzierte Lebenserwartung aufweisen.

Diagnostik

Da das Vorhofflimmern so häufig ist, schlagen die Leitlinien ein opportunistisches Screening bei allen Menschen über 65 Jahren vor, wobei bei jedem Hausarztbesuch zumindest eine Pulspalpation durchgeführt und bei Unregelmäßigkeiten ein EKG geschrieben werden sollte.
Alternativ kann, insbesondere bei anfallsweise auftretenden Beschwerden, die Ableitung eines Langzeit-EKGs hilfreich sein. In den letzten Jahren setzen sich auch zunehmend Smartwatches durch, mit deren Hilfe der Patient selbständig ein Ein-Kanal-EKG ableiten kann.
Die Diagnose Vorhofflimmern ist dann gestellt, wenn ein Arzt in einem 12-Kanal-Ruhe-EKG Vorhofflimmern diagnostiziert. Hierbei wird auf unregelmäßige QRS-Komplexe („absolute Arrhythmie“) ohne abgrenzbare P-Wellen und eine „unruhige“ Isoelektrische geachtet. Alternativ ist die Diagnose gesichert, wenn in einem Langzeit-EKG, einer Schrittmacherspeicher- oder einer Smartdevice-Aufzeichnung über einen Zeitraum von mindestens 30 s Vorhofflimmern identifiziert wurde. Episoden, die kürzer als 30 s anhalten, werden als sog. AHRE („atrial high-rate episodes“) bezeichnet; diese Patienten sollten intensiviert auf Vorhofflimmern gescreent werden.
Jeder Patient über 65 Jahre sollte opportunistisch auf Vorhofflimmern gescreent werden.
Die Diagnose Vorhofflimmern ist gesichert, wenn ein Arzt in einem 12-Kanal-Ruhe-EKG Vorhofflimmern diagnostiziert, oder alternativ, wenn in einer Aufzeichnung eines Holter-EKGs, eines Schrittmacherspeichers oder Smartdevice über einen Zeitraum von mindestens 30 s Vorhofflimmern detektiert wurde. Episoden <30 s bezeichnet man als AHRE („atrial high-rate episodes).
Ist die Diagnose Vorhofflimmern gesichert, sollte jeder Patient intensiviert charakterisiert werden. Die Leitlinien schlagen hierzu ein Vorgehen nach dem 4S-Schema vor (Hindricks et al. 2021).
1.
Stroke Risk (Schlaganfallrisiko): Ein wesentlicher Faktor hinsichtlich der Prognose von Patienten mit Vorhofflimmern ist das Auftreten thromboembolischer Komplikationen. Deshalb sollte für jeden Patienten bei Erstdiagnose und dann in regelmäßigen Abständen das Schlaganfallrisiko abgeschätzt werden, wofür der CHA2DS2-Vasc Score zur Verfügung steht. Die Faktoren, die in den Score einfließen, sind in Tab. 3 und das abgeschätzte jährliche Schlaganfallrisiko in Tab. 4 dargestellt.
 
Tab. 3
CHA2DS2-Vasc Score. Faktoren, die in die Berechnung des Scores eingehen
Faktoren
Punkte
Chronische Herzinsuffizienz
1 Punkt
Hypertonus
1 Punkt
Alter >65 Jahre
1 Punkt
Diabetes
1 Punkt
Schlaganfall/TIA
2 Punkte
Vaskuläre Vorerkrankung (KHK, pAVK)
1 Punkt
Alter >75 Jahre
1 Punkt
Weibliches Geschlecht („sex category“)
1 Punkt
Tab. 4
CHA2DS2-Vasc Score. Zu erwartendes jährliches Schlaganfallrisiko in Abhängigkeit vom Score
Score
Schlaganfallrisiko/Jahr (in %)
0
0–0,78
1
1,3–2,01
2
2,2–3,71
3
3,2–5,92
4
4,0–9,27
5
6,7–15,26
6
9,8–19,78
7
9,6–21,50
8
6,7–22,38
9
15,2–23,64
2.
Symptom Severity (Erhebung der Vorhofflimmern-assoziierten Beschwerden): Die Bandbreite an Symptomen, die Patienten unter dem Vorhofflimmern angeben, kann erheblich sein und reicht von völliger Beschwerdefreiheit bis zu stärksten Einschränkungen des Alltags. Typische Beschwerden sind Herzrasen, Dyspnoe, Leistungsinsuffizienz, Angst, Unruhe. Die Symptome lassen sich nach dem EHRA (European Heart Rhythm Association)-Score klassifizieren (Tab. 5).
 
Tab. 5
EHRA-Score. Klassifikation der Vorhofflimmern-assoziierten Beschwerden
EHRA-Klasse
Symptombeschreibung
EHRA I
Keine Symptome
EHRA II
Leichte Symptome; die normale Alltagstätigkeit ist nicht beeinflusst
EHRA III
Schwere Symptome, die Alltagstätigkeit ist beeinträchtigt
EHRA IV
Massiv behindernde Symptome; die Alltagstätigkeiten sind stark beeinträchtigt oder können nicht mehr wahrgenommen werden
3.
Severity of AF Burden (Beurteilung der Vorhofflimmerlast): Je nach klinischer Erscheinungsform des Vorhofflimmerns kann man drei Stadien unterscheiden:
  • Paroxysmales Vorhofflimmern: terminiert spontan innerhalb von 7 Tagen.
  • Persistierendes Vorhofflimmern: terminiert nicht spontan, kann jedoch durch Kardioversion durchbrochen werden.
  • Permanentes Vorhofflimmern: die Intention, den Patienten zu rhythmisieren, wurde aufgegeben und das Vorhofflimmern als chronischer Rhythmus akzeptiert.
In der Regel durchlaufen die Patienten eine typische „Vorhofflimmerkarriere“ von zunächst nur sehr kurzen und seltenen Anfällen, die mit zunehmender Erkrankungsdauer an Häufigkeit und Dauer zunehmen; schließlich persistiert das Vorhofflimmern. Allerdings gibt es auch Patienten, die primär zur Persistenz neigen und die Stufe der Paroxysmen überspringen.
 
4.
Substrate Severity (Beurteilung des „Substrats“): Vorhofflimmern ist ein komplexes Krankheitsbild, dessen Entstehung gewöhnlicherweise in verschiedenen Phasen über einen längeren Zeitraum hinweg verläuft. In vielen Fällen steht am Beginn meist ein im Bereich der Pulmonalvenen gelegener ektoper Fokus, der als Trigger ein paroxysmales Vorhofflimmern auslöst und zuerst einzelne Reentrykreisläufe ausbildet, die noch ein sog. funktionelles Substrat darstellen. Mit Zunahme der Flimmeranfälle kommt es jedoch zu kardialen Remodelling-Prozessen mit atrialer Fibrosierung, was zu einem strukturellen Substrat führt, sodass die Erkrankung vom paroxysmalen Stadium in eine persistierende Form übergeht.
Die Beurteilung des Substrats (damit ist das Ausmaß der atrialen Fibrosierung gemeint) ist nicht immer einfach. Hinweise auf ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium können liefern: hohes Patientenalter, deutlich vergrößerte Vorhöfe, lange Krankheitsdauer, zahlreiche Begleiterkrankungen.
Mittlerweile existieren auch Ansätze, die atriale Fibrosierung mittels kardialem MRT direkt zu visualisieren oder mit besonderen Blutbiomarkern zu messen; dies ist jedoch sicherlich noch in einem eher experimentellen Stadium und nicht in der Breite der Krankenversorgung verfügbar (Potpara et al. 2021).
 
Jeder Patient mit diagnostiziertem Vorhofflimmern benötigt eine ausführliche klinische Charakterisierung nach dem 4S-Schema mit Bestimmung des Schlaganfallrisikos, der Schwere der Symptome, der Vorhofflimmerlast und des zugrunde liegenden Substrats.

Therapie

Ist die Diagnose des Vorhofflimmerns gestellt und der Patient nach dem 4S-Schema charakterisiert, wird die Therapie nach dem ABC-Pfad festgelegt (Proietti et al. 2021).
Antikoagulation
Die Schlaganfallprophylaxe ist ein zentraler Baustein bei der Behandlung des Vorhofflimmerns. Ab einem CHA2DS2-Vasc Score von 2 (bei Männern) und 3 (bei Frauen) besteht eine klare Klasse-IA-Indikation zur oralen Antikoagulation; bei einem Score von 1 (bei Männern) und 2 (bei Frauen) eine Klasse-IIA-Empfehlung. Patienten mit einem Score von 0 (oder 1 bei Frauen) benötigen i. d. R. keine Antikoagulation, da das jährliche Schlaganfallrisiko niedriger ist als das potenzielle Risiko einer Blutung unter Antikoagulation.
In der Regel erfolgt die Antikoagulation mit einem direkten oralen Antikoagulans (Dabigatran, Apixaban, Rivaroxaban oder Edoxaban). Nur in Ausnahmefällen (z. B. Vorhandensein eines mechanischen Klappenersatzes, schwere Mitralklappenstenose) wird noch ein Vitamin-K-Antagonist (z. B. Marcumar) empfohlen. Aspirin ist in der Behandlung des Vorhofflimmerns obsolet und sollte nicht mehr verwendet werden.
Jede Antikoagulation geht selbstverständlich mit einem gewissen Blutungsrisiko einher; auch hier gibt es Score-Systeme (z. B. der HAS-BLED Score; Tab. 6), um das Blutungsrisiko eines Patienten einzuschätzen. In wenigen Ausnahmefällen ist die Antikoagulation aufgrund des hohen Blutungsrisikos nicht möglich; dann steht alternativ ein Vorhofohrverschluss (LAA-Okkluder) als interventionelles Verfahren zur Schlaganfallreduktion zur Verfügung.
Tab. 6
HAS-BLED Score zur Abschätzung des Blutungsrisikos unter Antikoagulation
Buchstabe
Risikofaktor
Punkte
H
1
A
Abnorme Nieren- oder Leberfunktion
Je 1 Punkt
S
Stattgehabter Schlaganfall
1
B
Blutungsneigung oder -prädisposition
1
L
Labile INR-Einstellung (bei VKA-Therapie)
1
E
Alter >65, Gebrechlichkeit („elderly“)
1
D
Medikamente (ASS/NSAID-Komedikation) oder Alkoholabusus
Je 1 Punkt
Bei einem Score von ≥3 ist von einem erhöhten Blutungsrisiko auszugehen, sodass eine engmaschige Überwachung und regelmäßige Überprüfung der Antikoagulation notwendig sind
Ab einem CHA2DS2-Vasc Score von 1 (bei Männern) oder 2 (bei Frauen) sollte eine orale Antikoagulation, in der Regel mit einem direkten oralen Antikoagulans, eingeleitet werden.
Better Symptom Control (Linderung der Symptome)
Ein weiterer zentraler Baustein ist die Behandlung der Vorhofflimmern-assoziierten Symptome. Prinzipiell sollte für jeden Patienten festgelegt werden, ob eine rhythmuserhaltende Therapie (Ziel einer dauerhaften Wiederherstellung des Sinusrhythmus) oder eine reine Frequenzkontrolle (das Vorhofflimmern wird als chronischer Rhythmus akzeptiert und lediglich die Herzfrequenz wird eingestellt) angestrebt wird.
Neuere Studien konnten eine Überlegenheit des Rhythmuserhalts sowohl in Bezug auf Lebensqualität als auch auf die Prognose aufzeigen (Kirchhof et al. 2020), sodass insbesondere bei neu diagnostiziertem Vorhofflimmern oder bei jüngeren Patienten in der Regel zunächst eine Rhythmuskontrolle angestrebt werden sollte.
Frequenzkontrolle
Sollte das Vorhofflimmern als dauerhafter Rhythmus akzeptiert werden, so kann eine Frequenzkontrolle mit Betablocker, Kalziumkanalantagonist oder Digitalispräparaten durchgeführt werden. Die durchschnittliche Herzfrequenz sollte <110/min gehalten werden. Eine reine Frequenzkontrolle ist insbesondere bei sehr alten Patienten, fortgeschrittenem Substrat oder geringen Beschwerden sinnvoll.
Rhythmuskontrolle
Als Akutmaßnahme zur Wiederherstellung des Sinusrhythmus eignet sich eine Kardioversion, die entweder elektrisch („elektrische Kardioversion“) oder medikamentös (Klasse-I-Antiarrhythmika, Vernakalant) durchgeführt werden kann. Wenn das Vorhofflimmern länger als 48 h bestand, sollte vor der Kardioversion eine transösophageale Echokardiografie zum Ausschluss von Vorhofthromben vorausgehen. Allerdings ist die Rezidivrate nach Kardioversion sehr hoch, sodass spätestens beim ersten Rezidiv eine dauerhafte rhythmusstabiliserende Maßnahme (medikamentöse antiarrhythmische Therapie oder Katheterablation) eingeleitet werden sollte.
Medikamentöse antiarrhythmische Therapie
Als rhythmusstabilisierende medikamentöse Maßnahme kommen – je nach Begleiterkrankung des Patienten – Klasse-I-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon), Sotalol, Dronedaron oder Amiodaron in Betracht (Tab. 7), eine begleitende Betablockertherapie ist in der Regel ebenso erforderlich. Zahlreiche Studien konnten jedoch eine Überlegenheit der Katheterablation in Bezug auf den Rhythmuserhalt, verglichen mit der medikamentösen Therapie, aufzeigen, sodass sich diese immer mehr durchsetzt. Außerdem muss beachtet werden, dass die medikamentöse Therapie mit erheblichen Nebenwirkungen vergesellschaftet sein kann, und Patienten unter einer solchen Medikation regelmäßige kardiologische Nachsorgen benötigen.
Tab. 7
Wahl einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie abhängig von der Begleiterkrankung
Begleiterkrankung
Mögliche Antiarrhythmika
Klasse-I-Antiarrhythmika (Flecanid, Propafenon), Dronedaron, ggf. Sotalol
Vorbestehende strukturelle Herzerkrankung (z. B. KHK), jedoch keine Herzinsuffizienz (gute LV-Funktion)
Dronedaron, Amiodaron, ggf. Sotalol
Herzinsuffizienz (eingeschränkte LV-Funktion)
Amiodaron
Katheterablation
Als Alternative zur medikamentösen antiarrhythmischen Therapie hat sich in den letzten Jahren die Vorhofflimmerablation zur Rhythmuskontrolle durchgesetzt. Wesentlicher Bestandteil der Ablation ist die elektrische Isolation der Lungenvenen (PVI, Pulmonalvenenisolation), was mit einem Kälteballonkatheter (Kryoablation, Abb. 7) oder mit einem Radiofrequenzkatheter durchgeführt werden kann. Zahlreiche Studien haben die Überlegenheit der Ablation zur medikamentösen Therapie dokumentieren können, sodass eine solche Maßnahme bei geeigneten Patienten immer erwogen werden sollte. Hierbei ist zu beachten, dass der Eingriff möglichst noch im Frühstadium (vor der Chronifizierung der Tachykardie, solange sich noch keine ausgedehnte atriale Fibrose gebildet hat) durchgeführt werden sollte, da dies den Behandlungserfolg deutlich erhöht.
Eine besonders zu beachtende Patientengruppe stellen die Patienten mit Vorhofflimmern und gleichzeitig bestehender Herzinsuffizienz dar: Hier gibt es mittlerweile mehrere Studien, die einen prognostischen Benefit der Katheterablation aufzeigen konnten. Dies trifft insbesondere für Patienten mit einer Tachykardiomyopathie oder einer tachymyopathischen Komponente der Herzinsuffizienz zu, da sich die eingeschränkte linksventrikuläre Funktion nach der Ablation normalisieren kann.
Die Kardioversion dient der akuten Termination des Vorhofflimmerns; die Rezidivrate ist jedoch sehr hoch, sodass für jeden Patienten ein dauerhaftes rhythmusstabilisierendes Konzept ausgearbeitet werden sollte. Dies kann entweder eine medikamentöse antiarrhythmische Therapie, eine Katheterablation oder eine Kombination aus beidem sein.
Comorbiditäten (Behandlung der Begleiterkrankungen)
Zwar gibt es Patienten, deren einzige Erkrankung das Vorhofflimmern ist („lone atrial fibrillation“), meistens tritt die Arrhythmie jedoch in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf. Dies sind insbesondere: Adipositas, Hypertonus, Herzklappenvitien, Herzinsuffizienz, Alkoholabusus, koronare Herzerkrankung, Hyperthyreose. Es ist unerlässlich, die Begleiterkrankungen mit zu behandeln. Zumindest für die Gewichtsreduktion und die Alkoholabstinenz gibt es mittlerweile gute Daten, dass dies die Vorhofflimmerlast erheblich senken kann. Es kann deshalb hilfreich sein, geeignete Patienten beispielsweise in strukturierte Gewichtsreduktionsprogramme einzuschließen.
Die Behandlung des Vorhofflimmerns umfasst die Schlaganfallprophylaxe, die Behandlung der Symptome und der Komorbiditäten.
Eine rhythmuserhaltende Therapie ist einer reinen Frequenzkontrolle sowohl in Bezug auf Symptomenkontrolle als auch auf die Prognose überlegen und sollte insbesondere bei jungen Patienten oder bei Patienten mit erst seit kurzem bestehendem Vorhofflimmern bevorzugt werden.

Atriale Makro-Reentrytachykardien (Vorhofflattern)

Unter Vorhofflattern bezeichnet man atriale Makro-Reentrytachykardien, die große Teile des rechten und linken Vorhofs miteinschließen. Vorhofflattern kann als eigenständige Herzrhythmusstörung auftreten, häufig kommt es jedoch auch in Kombination mit Vorhofflimmern vor. Man unterscheidet typisches Vorhofflattern von sog. atypischen Flatterformen.
Typisches Vorhofflattern
Beim typischen Flattern läuft der Reentrykreis um die Trikuspidalklappe herum, in der Regel gegen den Uhrzeigersinn („counterclockwise“). Im EKG imponieren die charakteristischen Sägezähne (negativ in II, III, aVF, positiv in V1). Das typische Vorhofflattern lässt sich durch einen standardisierten Ablationseingriff beseitigen, wobei eine Ablationslinie vom inferioren Trikuspidalklappenanulus zur Vena cava inferior gezogen wird (sog. cavotrikuspidale Isthmusablation) (Abb. 8).
Atypische Flatterformen
Neben dem typischen Flattern kann der Reentrykreislauf auch an jeder anderen Stelle im linken und rechten Vorhof kreisen, was dann jedoch nicht zum Sägezahnmuster im EKG führt (Abb. 9). Soll bei diesen Tachykardien eine Ablation durchgeführt werden, muss der Reentrykreislauf individuell für jeden Patienten bestimmt werden (unter Zuhilfenahme eines 3D-Mappingsystems) und eine geeignete Ablationslinie gefunden werden.

Symptomatik

Die Symptomatik unterscheidet sich kaum vom Vorhofflimmern und ist hauptsächlich durch Palpitationen, Luftnot und Leistungsinsuffizienz gekennzeichnet.

Diagnostik

Im EKG imponiert eine regelmäßige Schmalkomplextachykardie, beim typischen Flattern mit den charakteristischen Sägezähnen in den inferioren Ableitungen. Die Flatterwellen sind bei schneller 2:1-Überleitung oftmals schwer zu erkennen. In diesem Fall eignet sich die i.v.-Gabe von Adenosin: Durch den passageren AV-Block demaskieren sich für einige Sekunden die Flatterwellen, danach läuft die Rhythmusstörung unverändert weiter (s. auch Tab. 2 zur Reaktion der supraventrikulären Tachykardien auf Adenosin).

Therapie

Zur akuten Termination kann eine elektrische Kardioversion in Kurznarkose durchgeführt werden. Als dauerhafte rhythmuserhaltende Therapie sollte – insbesondere beim typischen Flattern – eine Katheterablation (cavotrikuspidale Isthmusablation) angestrebt werden. Die Erfolgsrate des Eingriffs liegt bei >95 % und Komplikationen sind sehr selten. Auch beim atypischen Flattern ist die Katheterablation die erfolgversprechendste Therapie, sie ist jedoch mit einem deutlich erhöhten Aufwand, höheren Risiken und geringeren Erfolgschancen vergesellschaftet, sodass dies in einem erfahrenen Zentrum durchgeführt werden sollte (Brugada et al. 2019). Bei Patienten, die keiner Ablation zugeführt werden können, sollte eine medikamentöse rhythmusstabilisierende Therapie (Betablocker, Verapamil, Amiodaron) eingeleitet werden. Eine reine Frequenzkontrolle ist beim Vorhofflattern eher von untergeordneter Bedeutung.
Analog zum Vorhofflimmern benötigen Patienten mit Vorhofflattern eine orale Antikoagulation zur Schlaganfallprophylaxe. Obwohl der CHA2DS2-Vasc Score bei diesen Patienten nicht evaluiert ist, kann er zur Indikationsstellung für eine Antikoagulation herangezogen werden.

Leitlinienempfehlungen

Inadäquate Sinustachykardie
Bei inadäquater Sinustachykardie sollte nach behandelbaren Ursachen gesucht und diese beseitigt werden
IC
Eine medikamentöse Einstellung kann entweder mit Betablocker oder Ivabradin und bei unzureichendem Effekt mit einer Kombination aus beidem erfolgen
IIA
Fokale atriale Tachykardie
Zur akuten Termination der fokalen atrialen Tachykardie kann intravenöser Betablocker oder Verapamil verabreicht werden
IIA
Zur dauerhaften Rhythmusstabilisierung sollte eine Katheterablation des Fokus erfolgen
IB
Sollte der Patient einer Ablation nicht zugänglich sein, kann alternativ ein medikamentöser Versuch mit Betablocker, Kalziumkanalantagonist, Flecainid oder Propafenon unternommen werden
IIA
AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT)
Eine AVNRT kann durch vagale Manöver oder die i.v.-Gabe von Adenosin durchbrochen werden
IB
Die Katheterablation (Slow-Pathway-Modifikation) ist das Mittel der Wahl zur dauerhaften Rezidivprophylaxe
IB
Sollte der Patient einer Ablation nicht zugänglich sein, kann alternativ ein medikamentöser Versuch mit Betablocker oder Kalziumkanalantagonist unternommen werden
IIA
WPW-Syndrom (AV-Reentrytachykardie)
Eine AVRT kann durch vagale Manöver oder die i.v.-Gabe von Adenosin durchbrochen werden
IB
Die Katheterablation (Ablation des Kent-Bündels) ist das Mittel der Wahl zur dauerhaften Rezidivprophylaxe bei symptomatischem WPW-Syndrom
IB
Sollte der Patient einer Ablation nicht zugänglich sein, kann alternativ ein medikamentöser Versuch mit Betablocker oder Kalziumkanalantagonist (bei orthodrom laufender AVRT) oder durch Klasse-I Antiarrythmika (bei antidrom laufender AVRT) unternommen werden
IIA/IIB
Asymptomatische Patienten mit Präexzitation sollten abladiert werden, falls es sich um ein schnell leitendes Kent-Bündel handelt oder ein Risikoberuf/Hobby vorliegt
IC
Vorhofflimmern
Alle Patienten über 65 Jahren sollten opportunistisch auf Vorhofflimmern gescreent werden
IB
Die Diagnose Vorhofflimmern ist dann gestellt, wenn ein Arzt in einem 12-Kanal-Ruhe-EKG Vorhofflimmern identifiziert, oder dies in einem Langzeit-EKG, einer Schrittmacherspeicher- oder Smartdevice-Aufzeichnung über einen Zeitraum von mindestens 30 s nachgewiesen werden kann
IB
Zur Berechnung des Schlaganfallrisikos sollte bei allen Patienten mit Vorhofflimmern der CHA2DS2-Vasc Score bestimmt werden
IA
Ab einem CHADS Vasc Score von 1 (bei Männern) und 2 (bei Frauen) sollte eine Antikoagulation mit einem direkten oralen Antikoagulans (Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban oder Dabigatran) erfolgen
Patienten, die kein NOAK erhalten können (mechanische Herzklappen, schwere Mitralstenose) sollten auf Vitamin-K-Antagonisten eingestellt werden
IA/IIA
Zur Frequenzkontrolle des Vorhofflimmerns eignen sich Betablocker, Kalziumkanalantagonisten oder Digitalispräparate. Die Herzfrequenz sollte <110/min eingestellt werden
IB/IIA
Zur Rhythmuskontrolle eignet sich eine Katheterablation oder eine medikamentöse antiarrhythmische Therapie
IC
Patienten mit einer Tachykardiomyopathie sollten einer Katheterablation (Pulmonalvenenisolation) zugeführt werden
IB
Vorhofflattern
Die Katheterablation (cavotrikuspidale Isthmusablation) ist das Mittel der Wahl zur dauerhaften Rezidivprophylaxe bei typischem Vorhofflattern
IA
Atypische Flatterformen sind einer Katheterablation ebenfalls gut zugänglich und sollen in erfahrenen Zentren abladiert werden
IB
Patienten, die einer Katheterablation nicht zugänglich sind, können medikamentös mit Betablocker, Kalziumkanalantagonisten oder Amiodaron behandelt werden
IIA/IIB
Literatur
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