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Stimulationsverfahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Verfasst von: Michael Grözinger, Andreas Conca, Jan Di Pauli und Thomas Nickl-Jockschat
Die Therapie psychischer Erkrankungen stützt sich neben den psychotherapeutischen, medikamentösen und sozialpsychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten zunehmend auch auf die elektrischen Stimulationsverfahren. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Methoden, die eine sehr heterogene Gruppe bilden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer historischen Wurzeln, ihrer klinischen Bedeutung, ihrer Wirkmechanismen, im praktischen Vorgehen, im Stimulationsort und in der Art, den elektrischen Strom an eine gewünschte Stelle im Gehirn zu leiten. Die Häufigkeit und Art ihrer Anwendung hängt sehr von der jeweiligen Klinikkultur ab. Die vier klinisch und wissenschaftlich bedeutendsten Stimulationsverfahren, die neben der Erwachsenenpsychiatrie auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Anwendung finden, sind die Elektrokonvulsionstherapie, die repetitive Magnetstimulation, die tiefe Hirnstimulation und die transkranielle Gleichstromstimulation.

Stimulationsverfahren in der Psychiatrie

Versuche, Lebewesen experimentell und therapeutisch mit elektrischem Strom zu beeinflussen, haben eine lange Tradition. Bereits in der Antike wurden Zitterfische therapeutisch eingesetzt, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte sich, dass man mittels elektrischer Stimulation räumlich und zeitlich sehr differenziert und zuverlässig auf das Nervensystem einwirken kann. Diese Erkenntnis ist die gemeinsame Grundlage aller elektrischen Hirnstimulationsverfahren. Darüber hinaus bilden sie eine sehr heterogene Gruppe von Methoden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer historischen Wurzeln, ihrer Wirkmechanismen, ihrer therapeutischen und experimentellen Bedeutung, im praktischen Vorgehen, in der Elektrodenplatzierung und in der Art, den Strom an eine gewünschte Stelle im Gehirn zu leiten. So wird der elektrische Strom je nach Verfahren über ein Kabel, ein Magnetfeld oder ein elektrisches Feld an den Zielort transportiert.
Ein Teil dieser Methoden hat erst in den 2000er-Jahren mit dem technologischen Fortschritt und der Entwicklung geeigneter Geräte eine klinische oder wissenschaftliche Bedeutung erlangt. Die derzeit wichtigsten sind die Elektrokonvulsionstherapie, die repetitive Magnetstimulation, die tiefe Hirnstimulation, die Vagusnervstimulation und die transkranielle Gleichstromstimulation. Ein Vergleich der Verfahren hinsichtlich ihrer Anwendung ist in Tab. 1 tabellarisch dargestellt.
Tab. 1
Klinisch und wissenschaftlich wichtige Stimulationsverfahren in der Psychiatrie
 
Konvulsiv
Stimulationsart
Elektrodenplatzierung
Klinische Bedeutung
Historisch
EKT
X
Elektrisch
Extrazerebral am Schädel
+++
Konvulsionstherapie
1938 Cerletti u. Bini
rTMS
Ø
Magnetisch
Extrazerebral am Schädel
+/++
TMS
Anfang 1990er-Jahre
THS
Ø
Elektrisch
Tief intrazerebral
++ (Neurologie)
1986 Benabid u. Pollak
VNS
Ø
Elektrisch
Peripher im Halsgewebe
+
Epilepsiebehandlung erstmals 1988
tDCS
Ø
Elektrisch
Extrazerebral am Schädel
Ø
Purpura & McMurtry 1965, dann wieder Anfang 2000er
EKT Elektrokonvulsionstherapie, rTMS repetitive transkranielle Magnetstimulation, THS tiefe Hirnstimulation, VNS Vagusnervstimulation, tDCS transkranielle Gleichstromstimulation

Elektrokonvulsionstherapie

Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist eine sehr wirksame somatische Therapie für schwere psychische Erkrankungen, die bei Erwachsenen, aber auch bei Jugendlichen und Kindern angewendet wird. Im Verlauf einiger Wochen wird dabei mehrfach unter besonders geschützten Bedingungen ein generalisierter Anfall ausgelöst. Das erscheint paradox, da Anfälle intuitiv als pathologische Ereignisse angesehen werden und heilsame Aspekte kaum vorstellbar sind. Allerdings unterscheidet sich die therapeutische Anwendung auch von spontanen Anfällen. Zum Beispiel bleibt bei der EKT die Sauerstoffsättigung während der gesamten Behandlung nahe 100 %, weshalb im Gegensatz zu spontanen Anfällen keine Hypoxie auftreten kann. Das Behandlungsprinzip wurde im Verlauf von 8 Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt und ist heute eine moderne und sehr sichere medizinische Intervention, insbesondere im Bereich der affektiven und psychotischen Störungen (Grözinger et al. 2013).

Historische Entwicklung

Bei der Konvulsionstherapie, dem Vorläufer der EKT, wurde der Anfall durch prokonvulsive Substanzen ausgelöst (erstmals 1934 in Budapest durch Ladislas Meduna, 1896–1964). Bei der Elektrokonvulsionstherapie wird stattdessen eine Folge sehr kurzer Stromimpulse über Hautelektroden am Kopf appliziert (erstmals 1938 in Rom durch Ugo Cerletti, 1877–1963, und Lucio Bini, 1908–1964). Im Vergleich zur Konvulsionstherapie ist die EKT zeitlich präzis steuerbar und geht mit deutlich weniger Nebenwirkungen einher. Die erste Behandlung in Deutschland erfolgte im Dezember 1939 in Erlangen.
Bei Kindern und Jugendlichen wurde EKT bereits seit den frühen 1940er-Jahren eingesetzt und erforscht. Nach Anwendungen in Europa setzte Lauretta Bender 1942 in New York EKT systematisch bei Kindern zwischen 4 und 12 Jahren ein. Die damaligen Studien belegten eine hohe Sicherheit und eine gute Ansprechrate auch in größeren Kollektiven (Walter et al. 2010). Ähnlich wie bei Erwachsenen war die EKT auch in der KJP bis in die 1960er-Jahre wenig umstritten.
In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten kam es zu einem generellen Rückgang der EKT-Behandlungen, speziell aber auch in der KJP. Ganz überwiegend verantwortlich hierfür war der Umbruch des Zeitgeistes, zum Teil die Einführung von psychotropen Medikamenten, nicht jedoch eine veränderte wissenschaftliche Evidenz. In der damaligen Sichtweise waren psychische Störungen mehr gesellschaftlich als biologisch bedingt. Als Prototyp einer biologisch geprägten Therapie lehnte man die EKT folgerichtig ab. Sie wurde zum Symbol einer veralteten, grausamen Psychiatrie und zu einem Kristallisationspunkt antipsychiatrischer Bestrebungen.
Ab den späten 1970er-Jahren nahm die Akzeptanz der Methode allmählich wieder zu, nachdem die neuen Medikamente die Erwartungen bei bestimmten Indikationen nicht in vollem Maß erfüllten. 1978 erwähnte die American Psychiatric Association (APA) die EKT als mögliche Therapie bei psychischen Erkrankungen in der KJP, 1990 wurde dies konkretisiert. 2001 reduzierte die APA die Hürden für den Einsatz der EKT bei Kindern und Jugendlichen.

Durchführung der Behandlung

Das praktische Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich nur in technischen Einzelheiten von dem bei Erwachsenen. Aufklärung und Einwilligung für EKT und Kurznarkose entsprechen den für somatische Eingriffe geltenden Bestimmungen. Ein Psychiater und ein Anästhesist führen die Behandlung gemeinsam durch. Während einer wenige Minuten dauernden Kurznarkose wird die Muskulatur relaxiert. Über Oberflächenelektroden an der Kopfhaut wird eine Folge von sehr kurzen Stromimpulsen appliziert. Dies löst einen generalisierten Anfall aus, den das Gehirn nach ungefähr einer Minute selbst beendet. Er ist wegen der Relaxierung äußerlich meist kaum erkennbar und wird deshalb im Elektroenzephalogramm überwacht. Die Sauerstoffsättigung wird nahe 100 % gehalten, eine Hypoxie tritt nicht auf. Wenige Minuten später erwacht der Patient und kann nach einer Überwachungszeit am üblichen Stationsalltag teilnehmen. Meist werden 5–15 Behandlungen, im Mittel 10, im Abstand von einigen Tagen durchgeführt. Das Ende der Serie wird klinisch festgelegt. EKT soll in einen Gesamtbehandlungsplan integriert sein, der medikamentöse, psychotherapeutische, sozialpsychiatrische, trialogische und juristische Aspekte einschließt. Dies ist meist umsetzbar, da das Verfahren bei Beachtung einiger Besonderheiten gut mit anderen Therapien kombinierbar ist. Beispielsweise sollte bei der Pharmakotherapie auf die antikonvulsive Wirkung der Benzodiazepine und bei der Psychotherapie auf mögliche kognitive Schwierigkeiten unter EKT Rücksicht genommen werden.
Nach erfolgreicher Behandlung besteht bei den schwer und chronisch kranken Patienten eine sehr hohe Rückfallgefahr, da das plötzliche Absetzen einer hochwirksamen Therapie naturgemäß zu einer Wiederkehr der Beschwerden führen kann. Deshalb bieten immer mehr Behandler Erhaltungsbehandlungen an, die in allmählich größer werdenden Abständen über mindestens sechs Monate fortgeführt werden. Bei nicht erfolgreicher Behandlung ist es wichtig, gemeinsam mit dem Patienten eine neue Strategie zu erarbeiten. An dieser Stelle zahlt es sich aus, wenn die EKT vor der Behandlung nicht als letzte Option dargestellt wurde.

EKT ist eine moderne und sehr wirksame medizinische Intervention

Seit ihrer Entstehung hat sich die EKT gemeinsam mit dem psychiatrischen Umfeld, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik kontinuierlich weiterentwickelt. Durch schonende Stimulationsparadigmen, Relaxierung in Kurznarkose, rechtliche Gleichstellung mit somatischen Eingriffen, Einbeziehung von Angehörigen und vielen anderen Innovationen ist sie stets eine moderne medizinische Intervention geblieben (Grözinger et al. 2013).
Im Erwachsenenbereich hat sich die Wirksamkeit der EKT bei therapieresistenten Patienten in den letzten Jahrzehnten immer wieder als Alleinstellungsmerkmal erwiesen. Auch bei langen und intensiven Vorbehandlungen liegt die Ansprechrate deutlich über 50 %. Metaanalysen bestätigen die Überlegenheit des Verfahrens gegenüber Sham-Stimulation und gegenüber Pharmakotherapie bei depressiven Erkrankungen. Auch Clozapin-resistente schizophrene Störungen sprechen zur Hälfte auf EKT an.
Für die KJP gibt es seit den 1940er-Jahren Fallserien, die beeindruckende Ansprechraten belegen. Jüngere Studien bestätigen diese Ergebnisse mit Responseraten von bis zu 80 % bei sehr kranken Patienten (Rey und Walter 1997; Zhang et al. 2016). Allerdings gibt es keine Vergleichsuntersuchungen mit Sham-Stimulation oder anderen Therapiemethoden.

EKT ist evidenzbasiert

Im Erwachsenenbereich haben viele internationale Fachgesellschaften Leitlinien und Stellungnahmen zur Anwendung der EKT verfasst. Neben der amerikanischen und britischen sind darunter auch die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Mit ungefähr 16.000 Publikationen in PubMed ist die wissenschaftliche Evidenz für die EKT sehr gut. Sie wird weltweit eingesetzt, am meisten in Skandinavien und Australien, am wenigsten in Italien, wo die biologische Psychiatrie immer noch unter den Nachwirkungen der Psychiatriereform von 1978 leidet. In Deutschland hat die Anwendung der EKT zwischen 1996 und 2008 auf das 2,5-Fache zugenommen (Loh et al. 2013).
Im Bereich der KJP veröffentlichte die American Academy of Child and Adolescent Psychiatry (AACAP) 2004 eine Empfehlung zur EKT bei affektiven Erkrankungen und anderen Achse-I-Störungen bei Adoleszenten (Ghaziuddin et al. 2004). Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die Ansprechrate bei depressiven Patienten zwischen 75 und 100 % liegt. Eine vom Ethikkomitee der AACAP in Auftrag gegebene Studie kam 2012 zusammenfassend zu dem Schluss, dass EKT eine sichere und nutzbringende Methode sei. Es seien Aufklärung und Training notwendig, damit Ärzte, Patienten und Familien notwendige EKT-Behandlungen in Zukunft akzeptieren könnten (Sachs und Madaan 2012). Allerdings hielten sich in einer großen Umfrage Fachärzte für KJP überwiegend für nicht ausreichend kompetent.
Bis Ende 2018 waren 1158 Veröffentlichungen zur EKT bei Kindern und Jugendlichen in PubMed gelistet. In Europa gab es vereinzelt Publikationen, die den zurückhaltenden Einsatz der EKT in der KJP für nicht angemessen hielten (Cohen et al. 2000). Aus Deutschland wurden lediglich zwei Fallbeispiele berichtet (Häßler et al. 2013; Reinhardt et al. 2018). Gemäß der deutschen Leitlinie zur Behandlung depressiver Erkrankungen in der KJP kann eine EKT bei sehr schwer depressiven, therapieresistenten Patienten erwogen werden (Dolle und Schulte-Körne 2013).

Indikationen und Kontraindikationen

Die EKT hat ein breites syndromales Anwendungsspektrum. Sie wirkt in unterschiedlicher Ausprägung antimanisch, antipsychotisch, antisuizidal, stimmungsstabilisierend, antikataton und antikonvulsiv sowie bei manchen Bewegungsstörungen. Hinsichtlich der Diagnose sind Erkrankungen aus dem affektiven und danach aus dem schizophrenen Spektrum am häufigsten, sowohl bei Erwachsenen als auch in der KJP. Daneben gehören katatone Störungen zum Anwendungsgebiet der EKT, im KJP-Bereich kommen schwere Formen von Selbstverletzungen bei autistischen Jugendlichen hinzu. Auch wenn es für die EKT keine absoluten Kontraindikationen gibt, muss für die Behandlung eine Kurznarkose möglich sein und somatische Risiken müssen gegenüber den psychischen Beschwerden individuell abgewogen werden.
Neben der Diagnose entscheiden gemäß den AACAP-Empfehlungen die Schwere der Symptome und die Therapieresistenz gegenüber anderen Verfahren über die Anwendung der EKT. Das kommt den Kriterien bei Erwachsenen formal nahe. Trotzdem machen Kinder und Jugendliche in Indien nur 0,43 % aller Anwendungen aus, in Australien 0,93 % und in den USA 1,5 % (Ghaziuddin und Walter 2013).

Wirkmechanismus

Das therapeutische Agens der EKT ist die wiederholte Anwendung eines generalisierten Anfalls. Diese Intervention löst eine Vielzahl physiologischer Prozesse aus, wie zum Beispiel eine starke Ausschüttung von Neurotransmittern, neuroendokrinen Substanzen und Neuropeptiden. Welche dieser Effekte kausal mit der Wirkung verbunden sind und welche lediglich Epiphänomene darstellen, ist bisher nicht ausreichend bekannt. So erhöht EKT die Bildung von Nervenwachstumsfaktoren und fördert die Neubildung von Nervenzellen und Synapsen. Entsprechend der neurotrophen Hypothese der EKT kann sich Nervengewebe, welches bei schweren psychischen Erkrankungen nicht nur funktionell, sondern auch strukturell verändert ist, dadurch regenerieren. Die nicht belegte, aber häufig kolportierte Befürchtung, dass EKT Nervengewebe schädigt, verkehrt sich damit in ihr Gegenteil. In Anbetracht der Ähnlichkeit von Gehirn und Erkrankungen gibt es keinen Grund für Kinder und Jugendliche einen grundsätzlich unterschiedlichen Wirkmechanismus anzunehmen.

Nebenwirkungs- und Sicherheitsprofil

Unerwünschte Wirkungen und Risiken der EKT wurden in den vergangenen 75 Jahren erfolgreich minimiert. Kardiale und pulmonale Ereignisse während der Kurznarkose sind auch heute noch wichtige Komplikationen. Prolongierte Anfälle lassen sich in der Regel gut beherrschen. Eine gründliche Abklärung des Patienten im Vorfeld kann viele Probleme vermeiden. Die Gefahr für ein vital bedrohliches Ereignis unter EKT liegt mit 1:30.000 Behandlungen nicht über dem einer Kurznarkose bei anderen Interventionen.
Nebenwirkungen, die von Kritikern häufig betont werden, sind Störungen der Kognition. Dabei wird häufig verschwiegen, dass EKT die kognitive Leistung im Patientenmittel sogar bessert. Da nämlich schwere psychische Erkrankungen oft mit kognitiven Defiziten einhergehen, verbessern diese sich bei erfolgreichen Behandlungen. Wenn solche Defizite behandlungsbedingt zunehmen, können sie durch Modifikation der Behandlungsparameter begrenzt werden.
Viele sorgfältige Untersuchungen am Menschen mit unterschiedlichen Ansätzen haben bestätigt, dass EKT keine strukturellen Schäden im Hirngewebe verursacht. Insgesamt sind die Nebenwirkungen der EKT benigne, wenn man sie an den Beschwerden misst, die das Weiter bestehen der psychischen Erkrankung verursachen würde. Im Bereich der KJP wird im Verhältnis zu Erwachsenen eher von geringen Nebenwirkungen berichtet (Lima et al. 2013).

Einsatz der EKT bei Kindern und Jugendlichen

Vergleicht man die EKT bei Erwachsenen mit der bei Kindern und Jugendlichen, so ergeben sich in allen Aspekten der Behandlung erstaunliche Ähnlichkeiten, einzig die Häufigkeit der Anwendung der EKT im Bereich der KJP und der Erwachsenen scheint sich zu unterscheiden (Walter et al. 2010). Diese Parallelität könnte auf ähnliche pathophysiologische Prozesse und ähnliche therapeutische Mechanismen hindeuten.
Zur Häufigkeit der Anwendung schreiben Hazem Shoirah und Hesham M. Hamoda in ihrer Übersicht zur EKT bei Kindern und Jugendlichen, dass das Verfahren auch dann zu wenig eingesetzt wird, wenn es klar indiziert ist (Shoirah und Hamoda 2011). Mehrere Faktoren können hierfür verantwortlich sein.
Zweifellos wichtig ist die mangelnde Ausbildung der KJP-Ärzte zum Thema EKT und damit die ungenügende Kenntnis im Praxisalltag. Diese führt naturgemäß zu einer gewissen Zurückhaltung, die Indikation zu stellen oder das Verfahren anzuwenden.
Auch mag die Angst eine Rolle spielen, Eltern und betroffene Heranwachsende durch den Vorschlag einer EKT zu verschrecken. Im Erwachsenenbereich stellt sich diese Befürchtung nicht immer, aber oft als unbegründet heraus, vorausgesetzt, der Vorschlag wird adäquat und kompetent vermittelt.
Drittens können Bedenken bestehen, dass EKT das noch nicht fertig entwickelte Gehirn Minderjähriger schädigt. Dafür gibt es allerdings trotz 75 Jahren Anwendung keinen belastbaren Nachweis. Im Gegenteil mehren sich im Erwachsenenbereich die Hinweise für neurotrophe Wirkungen. Auf der anderen Seite kann das Fortbestehen einer durch EKT möglicherweise behandelbaren schweren psychischen Erkrankung zur Chronifizierung beitragen, die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und altersspezifische Erfahrungen verunmöglichen. Es wäre nicht adäquat, wenn Kinder und Jugendliche aus unrealistischen Ängsten heraus, möglicherweise sogar in lebensbedrohlichen Situationen, unbehandelt bleiben.

Fazit

Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist eine sehr wirksame somatische Therapie für schwere psychische Erkrankungen. Dabei wird im Verlauf einiger Wochen unter besonders geschützten Bedingungen mehrfach ein generalisierter Anfall ausgelöst. EKT ist evidenzbasiert und weltweit verbreitet. Sie wird auch bei Jugendlichen und Kindern eingesetzt, wenn andere Behandlungen nicht ausreichend wirken. Die Ursprünge der Therapie reichen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Durch die Entwicklung schonender Stimulationsparadigmen, Relaxierung in Kurznarkose, rechtliche Gleichstellung mit somatischen Eingriffen, Einbeziehung von Angehörigen und vielen anderen Innovationen ist EKT eine moderne medizinische Intervention geworden. Die Nebenwirkungen sind im Verhältnis zum Fortbestehen der Beschwerden benigne. Das therapeutische Agens ist der generalisierte Anfall, der über die Ausschüttung neurotropher Faktoren die Regeneration von Nervengewebe anregt.

Transkranielle Magnetstimulation

Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine nichtinvasive, relative schmerzfreie Behandlungs- und Untersuchungsmethode. TMS wirkt mittels einzelner oder repetitiver Anwendungen magnetischer Impulse frequenzabhängig exzitatorisch oder inhibitorisch auf das kortikale Erregungsniveau. Dieses kann mit TMS auch gemessen werden. Zudem können Veränderungen in stimulationsnahen wie -fernen Gehirnarealen induziert werden, womit die TMS umschriebene affektive, kognitive sowie verhaltensrelevante Domänen modulieren kann. Während im Erwachsenenalter TMS ab 1985 als diagnostisches Verfahren und 1993 erstmals als Behandlungsoption erforscht wurde, erscheinen im Kindes- und Jugendalter zu TMS ab 1992 diagnostische und erst ab 2006 therapeutische Studien (Loo et al. 2006).

Elektrophysikalische Grundlagen

Die TMS basiert auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion: Während eines transkraniellen Magnetstimulations-Einzelimpulses entlädt sich aus einem Kondensator innerhalb einer Millisekunde elektrischer Strom mit einer Stärke von bis zu 10.000 Ampere. Fließt dieser durch eine Kupferspule, entsteht dabei für die Dauer von 100–200 Mikrosekunden ein Magnetfeld in der Stärke von bis zu 2 Tesla (entsprechend der 40.000-fachen Magnetfeldstärke der Erde). Da das Hirngewebe sich wie ein elektrischer Leiter verhält, kommt es durch das Magnetfeld zur lokalen Induktion eines Stromes, ohne dass dieser durch Haut, Muskulatur, Knochen und Meningen abgeschwächt wird. Durch das elektrische Feld wird an den Zellmembranen eine Potenzialdifferenz hervorgerufen, die im Kortex zu einer Hyper- und Depolarisation der Nervenzellen führt. Es gibt zwei Spulenformen: die einfach ringförmige Spule mit einer diffusen Verteilung des Magnetfeldes sowie die in Form eines Doppelringes (figure-eight-shaped coils) mit einem auf 0,5 cm2 fokussierten Magnetfeld. Wegen der geringen Eindringtiefe ist die direkte Stimulation von Neuronen im Wesentlichen auf kortikale Areale begrenzt. Eine Wirkung in tiefen Hirnstrukturen kann aber transsynaptisch über kortiko-subkortikale Regelkreise erzielt werden. Wurden zu diagnostischen Zwecken zunächst Einzelimpulse verabreicht, ist es auch möglich, Einzelimpulse zu verdoppeln (paired pulse), zu verdreifachen, diese in Serien (repetitive TMS = rTMS) bis zu 1000 Reizen oder hochfrequente kurze Serien mit 200-ms-Intervallen (theta burst stimulation, TBS) zu applizieren (Thielscher und Kammer 2002).

Stimulationstechnik

TMS wird an sitzenden Personen durchgeführt. Der Patient ist bei vollem Bewusstsein und fähig, mitzuarbeiten. Um die Stimulationsintensität zu errechnen, wird die individuelle motorische Reizschwelle bestimmt. Die motorische Reizschwelle unterliegt einer breiten inter- und intraindividuellen Variabilität. Die Stimulation erfolgt bezogen auf diese motorische Reizschwelle überschwellig respektive unterschwellig. Die Stimulationsparameter wie Intensität, Frequenz (niederfrequent: 0,17 bis 1 Hz, höherfrequent: 1,1 bis 60 Hz), Dauer (2–300 Sec.), Anzahl der einzelnen Stimulationssalven (5–50) und deren Zeitintervalle (28–90 Sec.) sowie die sich daraus ergebende Gesamtanzahl an Reizen unterliegen einer großen Variabilität und stehen noch im Mittelpunkt zahlreicher Untersuchungen (Thielscher und Kammer 2002).
Besonderes Interesse verdient also die Spulenpositionierung. Abhängig vom Stimulationsort ermöglicht nämlich TMS, verschiedene kortikale Prozesse zu beeinflussen. So reicht es z. B. bei der Untersuchung der motorisch evozierten Potenziale, die runde Spule über den Vertex zu legen, um die motorischen Leitungszeiten zu beiden Armen zu bestimmen. Schwierig gestaltet sich die Wahl des Stimulationsortes, wenn Sprache oder visuelle Phänomene untersucht werden sollen. Noch schwieriger wird es, wenn sogenannte „stumme“ Areale, wie der präfrontale Kortex, stimuliert werden sollen (Abb. 1).

Anwendungsbereiche der TMS im Kindes- und Jugendalter

Werden kortikale Areale stimuliert, so beobachtet man Auswirkungen auf motorische, sensorische, affektive und kognitive Funktionen. Reizt man motorische Areale, dann beobachtet man Muskelzuckungen, welche als motorisch evozierte Potenziale gemessen werden können. Grundsätzlich können intrakortikale Inhibitions- resp. Exzitationsniveaus untersucht und beforscht werden. So wird zwischenzeitlich TMS auch in der Neuropädiatrie (z. B. Epilepsie, Zerebralparesen) sowie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei ADHS, Autismus, Schizophrenie, Tourette-Syndrom und Depression diagnostisch sowie therapeutisch eingesetzt (Hameed et al. 2017). So kann z. B. bei ADHS-Kindern mittels TMS die verzögerte intrakortikale Inhibition als Ausdruck mangelnder GABAerger Hemmmechanismen untersucht werden. Außerdem kann mittels Anwendung hochfrequenter (hF) rTMS die Konzentration und Aufmerksamkeit von ADHS-Kindern verbessert werden. TMS findet somit grundsätzlich in zwei Bereichen Anwendung: 1) als Untersuchungsverfahren und 2) als Behandlungsverfahren (Tab. 2).
Tab. 2
TMS als Behandlungsverfahren
Störungsbilder
Studienanzahl
Patientenanzahl
Technik
Evidenzgrad
Besserung
ADHS
2
19
rTMS nf u. hf
D
exekutive
Funktionen
Autismus
3
58
10
rTMS nf u. hf
iTBS
C
exekutive Fkt
Stereotypien
Schizophrenie
3
5
rTMS nf u. hf
D
pos u. neg Symptome
Tourette-Syndrom
3
47
rTMS nf
C
Tics
Zwang
Depression
6
48
rTMS nf u. hf
C
aff. u. kognitive Sypmtome
rTMS repetitive Transkranielle Magnetische Stimulation, iTBS intermittierende Theta-burst-Stimulation; nf niederfrequent, hf hochfrequent; pos positiv, neg negativ und aff affektiv

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

TMS wird bei ADHS wie schon erwähnt in Diagnostik und Therapie eingesetzt.
Im Bereich der Untersuchungsverfahren konnten neurophysiologische Studien zeigen, dass ADHS-Kinder eine verzögerte intrakortikale Inhibition, niedere motorische Amplituden und eine verkürzte Latenzzeit haben. Diese sind Ausdruck von defizitären inhibitorischen Mechanismen des motorischen Kortex (Bruckmann et al. 2012).
Als Behandlungsverfahren ist TMS bei ADHS als Heilversuch einzuordnen; nur 2 Studien weisen darauf hin, dass rTMS kognitive Fähigkeiten verbessern kann (Gómez et al. 2014). Aufgrund der geringen Fallzahl hat rTMS bei ADHS derzeit einen Evidenzgrad D und entspricht damit einer Expertenempfehlung. Bei Patienten mit persistierenden Symptomen oder damit verbundenen kognitiven Beeinträchtigungen oder einer Zweitlinientherapie bei Patienten mit geringer Verträglichkeit oder Unwirksamkeit der Psychostimulanzien könnte rTMS anstatt oder auch zusätzlich zur medikamentösen Behandlung in Betracht gezogen werden.

Autismus-Spektrum (ASD)

Auch bei ASD wird TMS in Diagnostik und Therapie eingesetzt. Durch die simultane Anwendung von TMS und EEG konnte man nachweisen, wie die GABAerg intrasynaptisch exzitatorischen respektive inhibitorischen Gleichgewichte bei Patienten mit einer autistischen Störung (ASD) pathologisch verändert sind. Diese modulieren exekutive Funktionen, wie kognitive Flexibilität, Verhaltenskontrolle und -regulierung sowie Informationsverarbeitung wie das Arbeitszeitgedächtnis (Oberman et al. 2016).
Auch kann durch Theta-burst-Stimulationen über den motorischen Kortex nach 20 Minuten eine deutliche Amplitudenabnahme in Jugendlichen mit Autismus (N = 9) nachgewiesen werden (Pedapati et al. 2016). Sollten sich diese Ergebnisse robust reproduzieren lassen, so würden diese Werte als spezifische Biomarker in die diagnostische Abklärung einfließen können.
Einige Studien weisen auf den potenziellen Einsatz von TMS als Behandlungsform bei ADS hin. Niederfrequente 1-Hz-Stimulationen über dem dorso-latero-präfrontalen Kortex (DLPFC) verbesserten bei 42 Jugendlichen (Durchschnittsalter 14,5 Jahre) mit einem Autismus-Spektrum-Syndrom die exekutiven Funktionen. Vorläufige Ergebnisse der hochfrequenten 20-Hz-Stimulation bilateral über dem dorso-latero-präfrontalen Kortex (DLPFC) zeigten ebenfalls deuliche Verbesserungen der exekutiven Funktionen bei Patienten (N = 16 im Alter zwischen 16 und 25 Jahren) mit Autismus (Ameis et al. 2017). Eine intermittierende Theta-burst-TMS (iTBS) über dem rechten DPLPFC erbrachte bei 10 Jungen im Alter von 9–17 Jahren eine Reduktion der repetitiven Symptomatik und Besserung der neurokognitiven Performance (Abujadi et al. 2018). Auf der Basis ausreichender Fallserien weisen rTMS resp. Theta-burst-Stimulationen bei Kindern und Jugendlichen mit ASD einen Evidenzgrad C auf.

Schizophrene Störung

Neurophysiologische Veränderungen bei juveniler Schizophrenie wurde bislang mittels TMS nicht untersucht. Auch als Behandlungsform wurde TMS nur in Einzelfallstudien angewandt. So wurde rTMS, hochfrequent 20 Hz, rechts frontal bei 3 gerade 18-jährigen Patienten mit gutem Erfolg angewandt. In einer weiteren Fallstudie einer 18-jährigen schizophrenen Patientin (Krankheitsbeginn mit 9 Jahren) wurde eine akute Behandlung und dann eine Erhaltungstherapie mit einer niederfrequenten 1-Hz-TMS über dem linken temporo-parietalen Kortex angewandt. Positive wie negative Symptome und die Halluzinationen wurden deutlich supprimiert. Im Falle eines 11-Jährigen wurde mit Erfolg eine niederfrequente 1-Hz-rTMS über dem linken temporo-parietalen Kortex für 7 Wochen durchgeführt (Jardri et al. 2007). rTMS wurde in der Indikationsstellung Schizophrenie im Kindes- und Jugendalter nach 2007 nicht mehr beforscht. Sollten Kinder und Jugendliche nicht auf die empfohlenen Interventionen ansprechen, kann die TMS als Heilversuch erwogen werden.

Tourette-Syndrom (TS)

TMS findet auch Anwendung in der Untersuchung und Behandlung von Kindern mit Tourette-Syndrom. So konnte an 17 Patienten (Alter zwischen 12 und 21 Jahre) mit TS nachgewiesen werden, dass die motorische Ruheschwelle sowie die Schwellenvariabilität deutlich höher liegt als im Erwachsenalter mit TS. Diese Veränderungen bei TS werden als altersspezifische Hirnreifestörung verstanden und lassen sich bei Erwachsenen mit TS nicht mehr nachweisen (Hsu et al. 2018). Als Therapieoption v. a. gegen Tics ist TMS potenziell wirksam. In einer Metanalyse über 3 Studien, zeigte sich ein signifikant positives Therapieoutcome bei 47 Teilnehmern im Alter von 9–13 Jahren. Unter anderem konnte bei 25 Kindern mit TS (Durchschnittsalter 10,6 Jahre) mittels niederfrequenter 1-Hz-rTMS des supplementären motorischen Feldes beidseitig eine über 6 Monate stabile Abnahme der Tics und der Zwangssymptome erreicht werden (Hsu et al. 2018). TMS eröffnet auf einem Evidenzgrad C in der Behandlung des Tourette-Syndroms neue Perspektiven.

Depressive Störungen

Depressive Kinder und Jugendliche mit Depressionen können von der TMS profitieren. So konnte man in einer Studie nachweisen, dass depressive Jugendliche, welche nicht auf ein SSRI ansprechen, eine veränderte intrakortikale Inhibition mit langem Interstimulus-Intervall haben; dieses neurophysiologische Phänomen wird Serotonin getriggert und GABAerg moduliert. Die Autoren postulieren damit einen spezifischen Biomarker für die Response-Wahrscheinlichkeit auf SSRI (Rosenich et al. 2018).
TMS als antidepressive Behandlungsform in der KJP wurde bislang am besten untersucht.
6 Studien mit 48 Jugendlichen zeigen, dass rTMS eine antidepressive Wirksamkeit hat. Sowohl die hochfrequente rTMS mit 10–20 Hz wie auch die niederfrequente rTMS mit 1 Hz über dem linken resp. rechten DLPFC waren wirksam. Ebenfalls sicher und wirksam erscheint die rTMS bezüglich Langzeitwirkung. An 18 depressiven Jugendlichen konnte nachgewiesen werden, dass rTMS das verbale Erinnerungsvermögen verbessert und auf die neurokognitiven Fähigkeiten nicht negativ einwirkt (Rosenich et al. 2018). rTMS als antidepressive Behandlungsoption weist im Jugendalter einen Evidenzgrad C auf und kann im Behandlungsalgorithmus empfohlen werden.

Nebenwirkungen und Sicherheitsprofil im Kindes- und Jugendalter

TMS gilt im Kindes- und Jugendalter als sichere und nebenwirkungsarme Behandlungstechnik. In einer Übersichtsarbeit mit 42 single-pulse respektive paired-pulse TMS-Studien mit insgesamt 639 gesunden Probanden, 482 Kindern mit einer neuropsychiatrischen Störung und 84 Kindern mit Epilepsie betrug die Nebenwirkungsrate in diesen drei Gruppen jeweils 3,42 %, 5,97 % und 4,55 % (Allen et al. 2017). In 23 Studien mit repetitiver TMS bei 230 Kindern/Jugendlichen mit neuropsychiatrischen Störungen und 24 Kindern mit Epilepsie wurde eine Nebenwirkungsrate von 3,78 % respektive 0 % berichtet. In den 3 Studien zur Theta-burst-Stimulation, welche 90 gesunde Kinder und 40 Kinder mit neuropsychiatrischen Störungen einschlossen, lag die Nebenwirkungsrate bei 9,78 % respektive 10,11 %. Insgesamt wurden 3 Anfallsgeschehen in der Gruppe der Kinder mit neuropsychiatrischen Störungen beobachtet mit einem errechneten Risiko von 0,14 % pro Sitzung.
Der Ausprägungsgrad der Nebenwirkungen gemessen an einer 5-Punkte-Skala war überwiegend mild (Grad 1). Folgendes Nebenwirkungsprofil wurde erstellt und in absoluten Zahlen quantifiziert: unangenehmes Ziehen im Bereich des Stimulationsortes (43/860), lokale Schmerzen am Stimulationsort sowie Kopfschmerzen (70/860), Übelkeit/Erbrechen (8/860), die subjektive Zunahme von Anfällen bei Kindern mit Epilepsie (4/108), Gehörveränderungen (N = 3/108) und neurokardiale Synkope (2/108). Auch ein manisches Kippen wurde festgehalten (1/860) (Allen et al. 2017).

Fazit

TMS ist im Kindes- und Jugendalter ein sicheres und nebenwirkungsarmes Behandlungs- und Untersuchungsverfahren. TMS hat eine umschriebene therapeutische Indikation bei ADHS, Autismus, Schizophrenie, Tourette-Syndrom und Depression. Es wäre wünschenswert, mittels TMS weitere und konsistente elektrophysiologische Kenntnisse von neuropsychiatrischen Störungen im Kindes- und Jugendalter zu gewinnen. Diese Ergebnisse könnten die Basis für die Auswahl von Stimulationsparametern für klinische Studien sein. Damit wären die Designs von alters- und störungsspezifischen, prospektiven und kontrollierten Therapiestudien mit einer ausreichenden Fallzahl solider und evidenzgesicherter.

Tiefe Hirnstimulation

Gegenüber allen anderen in diesem Kapitel vorgestellten Stimulationsverfahren zeichnet sich die Tiefe Hirnstimulation (THS) dadurch aus, dass die Stimulation direkt intrazerebral erfolgt. Dementsprechend muss bei diesem Verfahren initial eine Implantation der Stimulationselektroden erfolgen. Die Implantation erfolgt in zwei Schritten, die häufig zeitlich getrennt stattfinden: zuerst die stereotaktische Platzierung der Stimulationselektroden über zwei Trepanationslöcher in der Schädelkalotte. Die Auswahl der Hirnregion variiert dabei je nach Zielsymptomatik. In einem zweiten Schritt wird dann der Impulsgeber implantiert, meist subkutan am Thorax. Die THS ist grundsätzlich reversibel: wird die Stimulation beendet, so enden bei einem komplikationsfreien Eingriff auch die Effekte des Verfahrens auf die Zielsymptomatik.

Historisches und Indikationen

Erste Erfahrungen mit diesem Verfahren wurden in den 1980er-Jahren bei erwachsenen Patienten mit Bewegungsstörungen – essenziellem und Parkinson-assoziiertem Tremor – gemacht (Benabid et al. 1987, 1991). Im Laufe der Zeit erfolgte dann die Erweiterung des Indikationsspektrums u. a. um verschiedene psychiatrische Störungsbilder. Dabei handelt es sich im erwachsenenpsychiatrischen Bereich vor allem um Zwangserkrankungen, Tourette-Syndrome und Depressionen. Die Indikationsstellung erfolgt sehr streng, Therapieresistenz ist eine wesentliche Voraussetzung. Für weitere Einsatzgebiete, wie z. B. Abhängigkeitserkrankungen, existieren einzelne Fallberichte.

Wirkungsmechanismus und Einsatz bei psychischen Erkrankungen

Grund für den Einsatz bei psychiatrischen Krankheitsbildern waren vor allem zwei grundsätzliche Erwägungen. Zum einen wurden bei der THS psychiatrische Nebenwirkungen – etwa die Manifestation depressiver Episoden unter Stimulation bei Parkinson-Patienten – festgestellt (Bejjani et al. 1999). Dies führte zu der Idee, dass man mittels THS entsprechende Symptome nicht nur auslösen, sondern möglicherweise im Gegenteil auch positiv beeinflussen könnte. Zum anderen setzte sich zunehmend die Annahme durch, dass psychische Erkrankungen auf Störungen in neuralen Netzwerken zurückzuführen seien. Die THS kann dementsprechend dazu genutzt werden, einzelne Knotenpunkte betroffener Netzwerke zu beeinflussen (Riva-Posse et al. 2014). Dies würde auch erklären, warum die Stimulation unterschiedlicher Hirnregionen zu einer Besserung jeweils eines bestimmten Krankheitsbildes führen kann, wie unten beschrieben.

Einsatz bei Kindern und Jugendlichen

Eine ähnliche Entwicklung hinsichtlich der Ausweitung des Einsatzgebietes der THS von Bewegungsstörungen hin zu psychiatrischen Krankheitsbildern zeichnet sich auch im Bereich der KJP ab. So fand der erste Einsatz bei Kindern und Jugendlichen zur Behandlung therapieresistenter Dystonien statt (Vayssiere et al. 2000). Daneben wird sie u. a. auch bei anders nicht behandelbaren Epilepsien eingesetzt (Halpern et al. 2008).
Aufgrund des invasiven Charakters der Behandlung und der vergleichsweise geringer ausgeprägten Chronifizierungsneigung der Störungsbilder findet die THS im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich nur extrem selten Anwendung. Sie wird hauptsächlich bei Patienten mit Tourette-Syndrom genutzt. Die Schrittmacherimplantation erfolgt üblicherweise nach der Pubertät, zum Einsatz bei vorpubertären Kindern existieren bislang weder Fallberichte noch kontrollierte Studien (DiFrancesco et al. 2012). Bei der Wahl der Zielregionen bzw. der Stimulationsparameter orientieren sich die Behandler an der Praxis bei Erwachsenen.

Zielregionen und Nebenwirkungen

Zielregionen für die Tiefe Hirnstimulation sind beim Tourette-Syndrom meist der Thalamus, der anteromediale und der posteroventerolaterale Teil des Globus pallidum, seltener wird der Nucleus accumbens genutzt. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016 konnte hochsignifikante Effekte auf die Schwere der Tics bei Stimulation des Thalamus sowie der beiden Subregionen des Globus pallidum zeigen. Bei der Wahl des Nucleus accumbens als Stimulationsort fiel die Symptomenbesserung weniger stark ausgeprägt aus (Baldermann et al. 2016). Zwar flossen in diese Metaanalyse auch Studienergebnisse jugendlicher Probanden ein, jedoch war der überwiegende Anteil der Patienten im Erwachsenenalter. Dementsprechend bleibt die Frage offen, inwieweit diese Ergebnisse auch auf Jugendliche oder gar Kinder zu übertragen sind. Allerdings könnten einige Fallberichte und -serien darauf hinweisen, dass bei entsprechender Krankheitsschwere, Therapieresistenz und strengster Indikationsstellung auch Jugendliche von der THS in den oben aufgeführten Zielregionen profitieren könnten (Shahed et al. 2007; Servello et al. 2008). Die Nebenwirkungen der Behandlung lassen sich in zwei große Gruppen einteilen, die in Tab. 3 zusammengefasst sind.
Tab. 3
Nebenwirkungen der THS
Folgen des chirurgischen Eingriffs
Folgen der Stimulation
Vielfältige neuropsychiatrische Symptome, je nach Stimulationsort und -parametern z. B. depressive Symptome, Angst, Müdigkeit, aber auch visuelle Fehlwahrnehmungen (v. a. bei Stimulation im Thalamus)
Infektionen bzw. Blutungen entlang des Implantationskanals

Fazit

Aufgrund ihres invasiven Charakters wird die THS in der KJP extrem selten und nur unter sehr strenger Indikationsstellung eingesetzt. Sie wird hauptsächlich bei jugendlichen Patienten mit therapieresistentem Tourette-Syndrom genutzt. Zielregionen und Stimulationsparameter orientieren sich an der Praxis bei Erwachsenen.
Wünschenswert erscheint eine Erweiterung der Studienlage für den Einsatz der THS im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich. So existieren insgesamt nur sehr wenige Studien zum gezielten Einsatz in der KJP. Solche Studien könnten nicht nur helfen, die bisherigen Erkenntnisse auf eine robustere Datengrundlage zu stellen, sondern möglicherweise auch den Einsatz bei Jugendlichen zu optimieren.

Transkranielle Gleichstromstimulation

Da bei einigen neuropsychiatrischen Erkrankungen eine kortikale Hyperaktivierung bzw. eine Hypoaktivierung bestimmter Hirnregionen als zugrundeliegende Pathophysiologie vermutet wird, liegt es nahe, mittels elektrischer Stimulation Einfluss auf das Erregungsniveau einzelner Hirnregionen zu nehmen. Eine nichtinvasive Methode ist die transkranielle Gleichstromstimulation, im Englischen transcranial direct cortical stimulation, abgekürzt tDCS (Lefaucheur et al. 2017).

Wirkungsweise

Bei der tDCS wird ein schwacher Gleichstrom (zwischen 0,5 mA und 2 mA) über die Kopfhaupt appliziert. Der primäre Effekt ist eine Veränderung der Erregbarkeit von Neuronen. In Abhängigkeit des Stromflusses kommt es zu einer erhöhten Erregbarkeit oder zu einer Hemmung. Das bedeutet, dass die tDCS selbst keine Erregungspotenziale erzeugt, sondern sie modifiziert (Bindeman et al. 1962). Bei längerer Stimulationsdauer bleiben die induzierten Änderungen der Erregbarkeit über Stunden erhalten.
Bei der tDCS wird zwischen einer anodalen und einer kathodalen Stimulation unterschieden. Die anodale Stimulation depolarisiert die Neuronen und erhöht so die Wahrscheinlichkeit von Aktionspotenzialen, während die kathodale Stimulation die Neuronen hyperpolarisiert und somit die Wahrscheinlichkeit eines Aktionspotenzials verringert.
Über diese lokalen Effekte hinaus kommt es aber auch zu Effekten über ganze neuronale Netzwerke (Francis et al. 2003).
So kann die Stimulation mittels tDCS zu Veränderungen der funktionalen Konnektivität in verschiedenen kortikalen und subkortikalen Netzwerken führen (Keeser et al. 2011). Dadurch, dass die tDCS ein nichtinvasives, nebenwirkungsarmes und in der Regel ein schmerzfreies Verfahren ist, scheint diese gerade im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine interessante Option. Die Datenlage ist jedoch noch sehr limitiert. Im Folgenden soll die Evidenz für die einzelnen psychiatrischen Indikationen dargestellt werden.

Einsatz und Wirksamkeit von tDCS bei psychischen Störungen

Schizophrenie

In einer doppelblinden plazebokontrollierten Studie untersuchten Mattai und Mitarbeiter die Verträglichkeit der tDCS bei Kindern, die an einer Schizophrenie leiden (Mattai et al. 2010). Es wurden zwei verschiedene Stimulationsorte gewählt, der dorsolaterale präfrontale Kortex (n = 8) und der superiore temporale Gyrus (n = 5). Die tDCS wurde gut vertragen.
An Nebenwirkungen wurde einmal Irritation an der Haut und bei vier Personen ein Fatigue beschrieben, welches jedoch auch auf die Begleitmedikation zurückgeführt werden könnte. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass die tDCS eine gut verträgliche Methode ist. Ergebnisse zur Effektivität bei Kindern sind nicht bekannt.

Autismus-Spektrum-Störung

Andrade und Mitarbeiter untersuchten die Verträglichkeit der tDCS an 14 Kindern im Alter von 5–12 Jahren; davon litten 4 Kinder an einer Autismus-Spektrum-Störung. Die häufigsten Nebenwirkungen waren ein prickelndes Gefühl bzw. ein Jucken an der Stimulationsstelle, Veränderungen in der Stimmungslage und eine Zunahme der Irritabilität. Conclusio dieser Machtbarkeitsstudie war, dass die tDCS eine gut tolerierte Behandlung bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung ist.
Kang und Mitarbeiter zeigten, dass es bei autistischen Kindern durch anodale Stimulation über dem dorsolateralen präfrontalen Kortex zu einer Zunahme der EEG-Komplexitität kam. Die Autoren sehen die tDCS als zukunftsträchtige Behandlungsmethode für die Autismus-Spektrum-Störung an, da sie von einer exiziatorischen inhibitatorischen Inbalance als Ursache für die Autismus-Spektrum-Störung ausgehen (Kang et al. 2018).
Amatachaya und Mitarbeiter behandelten 20 Kinder mittels anodaler Stimulation über F3 in einer Cross-over-Studie. Es kam zu einer Verbesserung in der Autism Rating Scale und der Autism Treatment Evaluation Checklist. Es konnte auch ein Zusammenhang zwischen der Verbesserung der Symptomatik und einer Zunahme von Alphaaktivität im EEG festgestellt werden (Amatachaya et al. 2015). Eine Verbesserung des Sprachausdruckes konnten Schneider und Hopp an 10 Kindern zwischen dem 6. und 21. Lebensjahr nach einmaliger Stimulation feststellen. Die Anode war über dem linken DLPFC und die Kathode über dem rechten supraorbitalen Areal platziert. So sollte das Brocaareal stimuliert werden (Schneider und Hopp 2011).

Depressive Störung

Obwohl die tDCS einen Wirkungsnachweis bei Erwachsenen hat und die Depression bei Kindern und Jugendlichen keine seltene Erkrankung ist, gibt es bis dato keine dem Autor bekannten Studien, die den Effekt der tDCS bei depressiven Kindern und Adoleszenten untersucht haben.

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Nach jetzigem Stand wurden die meisten Untersuchungen über den Einsatz von tDCS bei Kindern und Jugendlichen zum ADHS durchgeführt. Eine der größten Studien stammt wohl von Nejati und Kollegen mit 25 Kindern im Alter von 7–15 Jahren (Nejati et al. 2017). In einer ersten Untersuchung verglichen sie die Leistung in verschiedenen inhibitorischen und exekutiven Funktionen vor und nach einer 15-minütigen tDCS-Behandlung über dem linken dorsolateralen präfrontalen Kortex anodal und dem rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex kathodal. Diese Behandlung erbrachte eine verbesserte Inhibition und Reaktionszeit. In der zweiten Untersuchung wurden 3 Gruppen miteinander verglichen: Stimulation des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex anodal und Stimulation des rechten orbitofrontalen Kortex kathodal gegenüber Stimulation des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex kathodal und Stimulation des rechten orbitofrontalen Kortex anodal gegen Plazebo-Stimulation. Sie kamen zum Schluss, dass die Stimulation des rechten orbitofrontalen Kortex anodal und des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex kathodal zu einer Zunahme der Inhibitation und Reaktionszeit führte. Unter Stimulation des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex kathodal und des rechten orbito-frontalen Kortex anodal kam zu einer Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses. Beide aktiven Stimulationssettings führten zu weniger perseverierenden Fehlern. Breitling und Kollegen verglichen 21 Adoleszente mit ADHS mit 21 gesunden Kontrollen (Breitling et al. 2016). Die Probanden erhielten jeweils eine Behandlung mittels tDCS unter drei verschiedenen Bedingungen: entweder eine Plazebo-Behandlung oder rechts inferior frontaler Gyrus anodal und links Mastoid kathodal sowie links Mastoid anodal und rechts inferior frontaler Gyrus kathodal. Die Behandlungen wurden jeweils im Wochenabstand durchgeführt. Gleichzeitig wurde bei den Probanden der Flanker-Test durchgeführt. ADHS-Patienten mit einer anodalen Stimulation über dem rechten inferioren frontalen Gyrus hatten weniger Fehler und eine schnellere Reaktionszeit als unter Plazebo bzw. gegenüber der rechten inferioren frontalen kathodalen Stimulation und waren vergleichbar mit der Kontrollgruppe. Soltaninejad et al. untersuchten den Effekt der tDCS an 20 Adoleszenten zwischen dem 15. und 17. Lebensjahr. Das Studiendesign war eine Crossover-Studie, einfach verblindet und plazebokontrolliert. Stimuliert wurde der linke dorsolaterale präfrontale Kortex anodal sowie kathodal. Die Kinder aus der Gruppe, deren linker dorsolateraler präfrontaler Kortex anodal stimuliert wurde, schnitten in dem Go/No-Go Task besser ab als Kinder mit der kathodalen Stimulation, die wiederum bei den No-Go-Aufgaben besser abschnitten. In einer Kombination aus zwei Studien wurden 15 Adoleszente zwischen dem 12 und 16. Lebensjahr untersucht. Die tDCS erfolgte anodal über dem linken dorsolateralen präfrontalen Kortex. Es handelte sich um eine plazebokontrollierte, randomisierte, doppelverblindete Crossover-Studie. Die Autoren kamen zum Schluss, dass die aktive Form der tDCS signifikant die Aufmerksamkeit und die Hyperaktivität besserte. Außerdem konnte festgestellt werden, dass in bestimmten Hirnregionen die sauerstoffabhängigen Signale zugenommen haben, sodass die Autoren von einer Zunahme der neuronalen Aktivität ausgingen. Das Resting-State-MRT zeigte eine Zunahme der globalen Konnektivität im Bereich des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex nach tDCS (Soff et al. 2017; Sotnikova et al. 2017).

Anorexia nervosa

In einer Studie an 23 Adoleszenten mit Anorexia nervosa wurde treatment as usual plus Psychotherapie mit treatment as usual plus tDCS verglichen. Nach 6 Wochen kam es zu einer signifikanten Zunahme des BMI in der tDCS-Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe. Treatment as usual war eine Kombination aus Psychoedukation, Diät und Pharmakotherapie. Der Stimulationsort war der linke dorsolaterale präfrontale Kortex anodal gegenüber dem rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex kathodal. Die Autoren sehen ihre Ergebnisse als vielversprechend an, zumal die tDCS sehr gut vertragen wurde (Costanzo et al. 2018a).

Lernstörungen und Dyslexie

In einer Studie mit 19 Kindern im Alter von 10 bis 17 Jahren mit Dyslexie kam es zu einer Verbesserung der Lesegenauigkeit nach einmaliger anodaler Stimulation links und kathodaler Stimulation rechts. Bei rechts anodaler und links kathodaler Stimulation kam es zu einer Zunahme der Fehler. In einer nachfolgenden Studie mit links anodaler und rechts kathodaler Stimulation erhielten 18 Patienten 3 Stimulationen die Woche über 6 Wochen in Kombination mit einem kognitiven Training. Es kam zu einer Verbesserung der Lesegenauigkeit direkt nach der Behandlung. Der Effekt konnte noch nach einem Monat nachgewiesen werden. Diese Studie wurde bereits repliziert. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Effekte über einen Zeitraum von 6 Monaten stabil blieben. Plazebo-Stimulation brachte keine Verbesserung (Costanzo et al. 2018b).

Nebenwirkung und Sicherheitsprofil

Insgesamt scheint die tDCS eine sichere Behandlung bei Kindern und Adoleszenten zu sein. So wurde in einer Übersichtsarbeit festgestellt, dass es bei den bisher publizierten Studien zu keinen ernsthaften Nebenwirkungen kam. Die berichteten Nebenwirkungen in den bisherigen Studien waren alle leicht und vorübergehend. Am häufigsten wurden Kribbeln (11,5 %), Jucken (5,8 %), Rötung (4,7 %), Gefühl des Unbehagens am Skalp, Veränderung der Stimmung (3,1 %), Fatigue (2,1 %), Kopfschmerzen (1,0 %), Brennen (1,0 %) und Müdigkeit (1, 0 %) genannt (Lee et al. 2018).
Davis hat jedoch in seiner Übersichtarbeit zu einem vorsichtigen Umgang mit der tDCS und der TMS bei Kindern und Jugendlichen gemahnt (Davis 2014). Es ist noch unklar, welche Effekte die Stimulation auf das sich entwickelnde Gehirn hat, welches natürlich nicht mit dem Gehirn eines Erwachsenen eins zu eins vergleichbar ist. So ist zu vermuten, dass die typische Stromstärke bei der tDCS-Behandlung eine höhere Dichte des elektrischen Feldkortex bei Kindern bedingt. Die Verteilung und die maximale Ladungsmenge hängen von der Leitfähigkeit des Gewebes sowie von der Schädelgröße ab. Naturgemäß ist die Variabilität bei Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Altersstufen besonders groß, sodass eine Standardisierung der Parameter schwierig ist. Auch gibt es in der Myelinisierung von Nervenzellen und in der Dichte der Gliazellen Unterschiede je nach Alter. Welche Rolle diese Unterschiede bezüglich der Effekte einer Stimulation mittels tDCS spielen, ist völlig unklar.
Sorge äußert er auch bezüglich berichteter Anwendungen außerhalb medizinischer Indikationen, um beispielsweise mathematische oder sportliche Fähigkeiten zu verstärken oder um die Vigilanz zu steigern. Hier befürchtet er ein Missbrauchspotenzial.

Fazit

Die tDCS scheint ein sicheres und nebenwirkungsarmes Behandlungsverfahren zu sein. Dennoch ist aufgrund der noch unzureichenden Datenlage eine breite klinische Anwendung nicht zu empfehlen. Größere randomisierte kontrollierte Studien sind notwendig, um die tDCS zu etablieren. Eine besondere Herausforderung wird es sein, ausreichend altersabhängige Daten zu generieren.
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