Allgemeines
Spinnen
lähmen und verflüssigen ihre Beutetiere mit ihrem
Gift, das sie über spezielle Kieferklauen (Cheliceren) in die Beutetiere injizieren. Das Gift dient zur Lähmung und zur Verflüssigung der Beutetiere. Es wirkt neurotoxisch und proteolytisch. Da die Beutetiere in der Regel nicht wesentlich größer sind als die Spinne selbst, sind bei den allermeisten Spinnenarten die Cheliceren zu klein und zu schwach und die Giftmenge zu gering, um dem Menschen zu schaden. Spinnen greifen Menschen nicht an. Spinnenbisse ereignen sich in der Regel nur, wenn die Spinne mit direktem Hautkontakt ohne Fluchtmöglichkeit gedrängt und gequetscht wird, z. B. wenn man sich auf sie legt oder auf sie tritt. Somit treten Spinnenbisse nie bei einer Person multipel auf und es ist unwahrscheinlich, dass mehrere Personen gleichzeitig von Spinnen gebissen werden. Gegenüber Spinnenbissen bestehen oft irrationale Ängste, Patienten stellen sich häufig mit Hautläsionen und anderen Beschwerden vor, die sie Spinnen zuschreiben. Damit sind Spinnenbisse unwahrscheinlich, wenn ein Betroffener über mehrere gleichzeitig aufgetretene Läsionen berichtet oder wenn mehrere Personen gleichzeitig betroffen sind. Von den vielen Spinnenfamilen gibt nur es vier, die ernsthafte medizinische Probleme verursachen können:
Phoneutria („Bananenspinnen“) aus Südamerika, die australischen Trichternetzspinnen (
Agelinidae), und die in nahezu allen wärmeren Habitaten vorkommenden
Loxoscelidae und
Latrodectus (Witwenspinnen). Lokale Hautirritationen können die Brennhaare der Vogelspinnen verursachen.
In Deutschland sind nur zwei Spinnarten heimisch, deren Cheliceren stark genug sind, die menschliche Haut zu durchdringen, der (Ammen)-Dornfinger,
Cheiracanthium punctorium, und die äußerst seltene Wasserpinne,
Argyroneta aquatica. Vom Biss dieser Spinne heißt es, er sei mit einem Wespenstich vergleichbar. Der Biss des Dornfingers, der meistens vorkommt, wenn versucht wird, den Kokon dieser Spinne zu öffnen, ist unmittelbar schmerzhaft. Es kann sich anschließend eine schmerzhafte Papel und aus dieser ein kleines, langsam heilendes Ulkus entwickeln. Die Lokalsymptomatik kann von Allgemeinsymptomatik wie
Fieber, allgemeiner Malaise und Lymphadenopathie begleitet sein. Die Therapie ist symptomorientiert, ein Antivenin existiert nicht.
Symptomatik
Loxosceles-Spinnen stellen v. a. auf dem amerikanischen Erdteil ein relevantes medizinisches Problem dar, kommen aber ubiquitär in wärmeren Habitaten vor. In den Mittelmeerländern und ganz Frankreich ist L. rufescens heimisch. Der Biss wird in vielen Fällen nicht wahrgenommen. Nach einigen Stunden juckt und schmerzt eine sich auf der Bissstelle entwickelnde Papel. Diese kann sich spontan zurückbilden oder auch zu einem zunächst mit schwarzem Schorf bedeckten, sich später offen ausbreitenden, manchmal tiefen Ulkus entwickeln. Das Ulkus kann selten, v. a. im Hüftbereich bis 40 cm Durchmesser groß werden. Der Heilungsprozess ist in vielen Fällen langwierig und benötigt manchmal mehr als 2 Monate. Oft muss plastisch gedeckt werden. Es wurden viele, oft exotisch anmutende Therapien versucht. Hiervon erscheint bisher lediglich Dapson, trotz seiner erheblichen Nebenwirkungen, manchmal erfolgsversprechend. In seltenen Fällen, v. a. bei Bissen von südamerikanischen Loxosceles-Arten, kann der Loxosceles-Biss Hämolyse und einen endotoxinartigen Schock mit hoher Letalität verursachen. Diese Fälle erfordern eine symptomorientierte Intensivtherapie, und, wenn verfügbar, spezifische Therapie mit Antiserum: Soro antiarchnidico (Instituto Butantan, Sao Paulo, Brasilien). Aus Europa wurden nach Loxosceles-Bissen bisher nur schmerzhafte und langwierige Hautläsionen mit geringer Allgemeinsymptomatik berichtet.
Witwenspinnen,
Latrodectus sp, sind ebenfalls in wärmeren Habitaten heimisch. In Europa, v. a. im Mittelmeerraum und Balkan, kommt die „schwarze Witwe“
L. tridecimguttatus vor. Der Biss wird unmittelbar schmerzhaft, einem Bienenstich vergleichbar, empfunden. Es entwickelt sich ein Erythem mit zentraler Ablassung, von der Bissregion ausgehend dann ein generalisierter
Schmerz. Typischerweise schwitzt die Haut der Bissregion, Haare richten sich auf. Das Schwitzen kann profus und generalisiert werden. Weitere systemische Symptome sind Angst, Beklemmungsgefühl,
Delir, Kopfschmerz,
Hypertonie, Tremor, Muskelschwäche, Malaise,
Fieber. Manchmal verursachen die Schmerzen ein hartes Abdomen, das mit einem akuten Abdomen verwechselt werden kann. Die Symptome steigern sich über 12 h und klingen nach 72 h ab, können aber auch eine Woche dauern. Spätsyndrome mit chronischem Schmerz wurden beschrieben.
Therapie
In leichten Fällen symptomatisch, in schweren Fällen: Antivenin. Es stehen folgende Antiseren zur Verfügung:
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Polyvalentes Soro antiarchnidico aus Brasilien, Instituto Butantan, (enthält auch
Antikörper gegen Loxosceles und Phoneutria sp sowie gegen Skorpione der Gattung Tityus)
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Latrodectus mactans Antivenom (Fa. Merck, USA)
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Victoria Australien Red backed Spider Antivenom gegen australische Latrodectus spp. (Fa. CSL)
Die verschiedenen Antivenine haben wahrscheinlich ausreichend
Kreuzreaktivität, um auch gegen alle Latrodectus-Arten eingesetzt werden zu können. Das Antivenom sollte möglichst früh gegeben werden, es soll aber auch noch später in der Akutphase helfen.
Phoneutria spezies werden manchmal als „Bananenspinnen“ nach Europa eingeschleppt. Das
Gift ist neuroexzitatorisch. Der Biss ist schmerzhaft und begleitet von lokalem Schwitzen und Erythem.
Schmerz und Schwitzen breiten sich über die gebissene Extremität aus. In mittelschweren Fällen kommen Tachykardie,
Hypertonie, Erbrechen,
Sehstörungen hinzu und besonders bei Knaben
Priapismus. Besonders Kinder sind gefährdet für schwere Manifestationen mit hypertensiver Entgleisung sowie Lungenödem. Therapie in leichten Fällen mit
Analgetika, auch opioidhaltigen, Sedativa; in schweren Fällen: Polyvalentes Soro antiarchnidico aus Brasilien, Instituto Butantan.
Australische Trichternetzspinnen der Gattungen Atrax und Hydronyche können mit ihrem neuroxitatorischen
Gift lebensbedrohliche
Intoxikationen verursachen. Meistens ist jedoch die Symptomatik auf einen sehr schmerzhaften Biss beschränkt. In schwereren Fällen entwickelt sich die systemische Symptomatik nach 10 min bis Stunden:
Hypertonie, Tachykardie oder Bradykardie, Schwitzen, Muskelfaszikulationen, typischerweise der Zunge, Hypersalivation, Piloerektion, Mydraisis oder Miosis. Lokale oder generalisierte Parästhesien, Malaise,
Kopfschmerzen. Bei schwersten Fällen dann Hypotonie,
Koma, Tod im Lungenödem. Therapie: zunächst den lymphogenen Weitertransport des Gifts verlangsamen durch kalten Umschlag (Eis) und Kompressionsverband („pressure immobilisation technique“), symptomatisch und spezifisch mit Antivenin: Funnel Web Spider Antivenom von CSL, Victoria, Australien.
Weitere Spinnen, v. a. aus warmen Habitaten, verursachen sicher auch lokale Hautnekrosen mit milder systemische Symptomatik. Sie sind aber in der Literatur nicht weiter charakterisiert. Leicht verlaufende Spinnenbisse sind z. B. auch von den Vogelspinnen, Mygalomorphae, bekannt. Diese werden gelegentlich als Haustiere gehalten. Hier kommt es aber öfter zu juckenden, dermalen Reizerscheinungen, die von den Brennhaaren der Tiere (auch von abgestreiften behaarten Häuten) verursacht werden. Der Verlauf ist, wenn keine Infektion hinzukommt, selbstlimitierend, die Therapie, wenn erforderlich, symptomatisch. Man kann versuchen, die in der obersten Hautschicht steckenden Brennhaare mit Klebestreifen zu entfernen, was aber nur selten vollständig gelingt.