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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 15.12.2017

Akute und chronische Schäden nach Intubation

Verfasst von: Georg Laux
Akute und chronische Schäden nach Intubation, wie Verletzungen oder vegetative Reaktionen, werden in diesem Kapitel erörtert.

Akute Schäden

Die gravierendste Komplikation der Intubation ist die Hypoxie durch Fehlintubation oder Tubusdislokation. Neben diesem vitalen Grundrisiko bestehen weitere Komplikationsmöglichkeiten wie Verletzungen oder vegetative Reaktionen.

Verletzungen

Verletzungen können sowohl durch unvorsichtige Vorgehensweise als auch durch Prädisposition des Patienten hervorgerufen werden.
Prädisponierende Faktoren
  • Eingeschränkte Mundöffnung
  • Schlechter Zahnstatus
  • Schlechte HWS-Bewegbarkeit
  • Sonstige Anzeichen für schwierige Intubationen (Kap. „Anästhesiologische Visite“)
Diese müssen präoperativ erfasst und sorgfältig dokumentiert werden. Alter und Geschlecht (bei Frauen treten, wahrscheinlich durch engere Atemwege, häufiger Komplikationen auf), Notfallintubationen, gravierende Begleiterkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) und die Intubationsdauer beeinflussen ebenfalls die Komplikationsrate.
Komplikationen durch die Intubation sind aufklärungspflichtige Risiken. In der Aufklärung muss auf individuelle Risiken (z. B. lockere Schneidezähne) hingewiesen und mögliche Alternativen aufgezeigt werden (z. B. Regionalanästhesie).
Postoperative Befindlichkeitsstörungen
Als intubationsbedingte, postoperative Befindlichkeitsstörungen treten Husten, Schluckbeschwerden, Heiserkeit und Halsschmerzen auf. Sie sind häufige Zeichen einer geringen Traumatisierung mit Ödembildung, die jedoch meist unvermeidbar ist. In der Regel heilen sie innerhalb weniger Tage, im Einzelfall auch erst nach bis zu 10 Tagen folgenlos ab.
Akute Verletzungen
Beschwerden, die in ihrem Ausmaß besonders stark sind oder länger als 7–10 Tage anhalten, müssen abgeklärt werden.
Mögliche akute Verletzungen durch die Intubation [13]
  • Zahnschäden, Zahnverlust
  • Quetschungen an Lippen und Zunge
  • Stimmbandschäden (Ödem, Hämatom, Riss, Nervenläsionen)
  • Larynxschäden (Larynxödem, Schleimhautläsionen, Aryknorpelluxation, Quetschung der Epiglottis)
  • Trachealschäden, Bronchusschäden (Schleimhautödem, Schleimhautläsion, Perforation)
  • Verletzungen von Hypopharynx und Ösophagus (Blutungen, Perforation)
  • Schädigung der Halswirbelsäule
Ein Ödem und Hämatom an Stimmbändern und Larynx kann neben den einfachen Beschwerden wie Heiserkeit und Schmerzen auch eine Beeinträchtigung der Atmung mit Stridor oder Verlegung der Atemwege hervorrufen. Der Übergang zwischen „normaler“, postoperativer Störung und Schaden ist fließend. Auch wenn gravierende Störungen selten sind, müssen bei jedem Patienten vor der Verlegung aus dem Aufwachraum die Atemwege überprüft werden (Schluckbeschwerden? Heiserkeit? Stridor?).
Zahnschäden müssen dokumentiert werden. Zahnfragmente und ganze Zähne müssen zum Aspirationschutz und für die zahnärztliche Behandlung sichergestellt werden. Nach Möglichkeit wird sofort, ansonsten unmittelbar postoperativ, ein Zahnarzt hinzugezogen.
Luxationen der Aryknorpel entstehen durch Aufladen des Kehlkopfs mit dem Laryngoskop. Postoperatives Zeichen ist die Stimmschwäche bis hin zum Flüstern. Sofortige HNO-ärztliche Kontrollen, logopädische Behandlung und ggf. eine operative Therapie sind durchzuführen.
Eine gravierende Intubationsverletzung (massive Blutung, Perforation, Larynxtrauma) ist schnellstmöglich, vor Extubation, in interdisziplinärer Zusammenarbeit abzuklären und zu behandeln.

Vegetative Reaktionen

Laryngoskopie und Intubation sind extrem starke Reize. Es treten sowohl sympathoadrenerge als auch vagale Reflexe auf.
Sympathoadrenerge Reaktionen sind Ausdruck einer nicht ausreichenden Anästhesietiefe und werden durch Vertiefung der Narkose behandelt. Ein Bronchospasmus kann bei entsprechender Disposition auch unter ausreichender Anästhesie auftreten, eine zu geringe Anästhesietiefe wirkt sich aber auch hier ungünstig aus.
Vegetativ bedingte Komplikationen der Intubation
Arterielle Hypertonie, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen können bei kardiovaskulären und zerebrovaskulären Vorerkrankungen zu Myokardischämie, kardialer Dekompensation oder zerebralen Blutungen führen. Als häufige Rhythmusstörung bei unzureichender Narkosetiefe tritt ein ventrikulärer Bigeminus auf.
Die Kreislaufüberwachung ist während der Intubation engmaschig, bei schweren Vorerkrankungen invasiv durchzuführen.
Hypotonie und Bradykardie sind Vagusreflexe. Sie treten v. a. bei Kindern und Jugendlichen auf. Eine kurzzeitige Asystolie ist möglich. Der Intubationsvorgang sollte dann unterbrochen und Atropin 0,02 mg/kg (0,5 mg beim Erwachsenen) i. v. verabreicht werden [4].
Bei Husten und Abwehr ist ebenfalls der Intubationsvorgang zu unterbrechen und die Narkose zu vertiefen.
Bei Erbrechen wird der Kopf sofort tief und zur Seite gelagert, der OP-Tisch in Trendelenburg-Lagerung gekippt und es wird unverzüglich mit Hilfe des Laryngoskops unter Sicht oral abgesaugt.
Laryngospasmus
Der Laryngospasmus ist selten und zumeist ein Problem der Extubation. Eine Extubation in der Exzitation, insbesondere bei Kindern, aber auch Blut und Sekret im Oropharynx können Auslöser sein.
Die Atmung wird zunächst durch Maskenventilation mit 100 % Sauerstoff unterstützt. Ist eine ausreichende Ventilation nicht zu erreichen, so ist die Narkose erneut zu vertiefen und Succinylcholin (\( {1}\left/ {3}\right. \) der Intubationsdosis) zu verabreichen. Unter Maskenventilation wird ein zweiter Aufwachversuch gestartet.
Bei fortbestehenden Ventilationsproblemen wird unter Vollrelaxation (Succinylcholin) unverzüglich reintubiert.
Bronchospasmus
Der Bronchospasmus wird durch das Zusammentreffen von hyperreagiblem Bronchialsystem und starkem Reiz (Intubation) ausgelöst. Anamnestisch finden sich meist Hinweise auf chronische Bronchitis, obstruktive Lungenerkrankung oder Asthma bronchiale. Daneben können auch akute toxische Schäden durch Aspiration oder Inhalation einen Bronchospasmus auslösen.
Symptome des Bronchospasmus
  • Stark erhöhte Beatmungsdrücke
  • Vermindertes Hubvolumen
  • Verlängertes Exspirium oder bei Beatmung mit konstantem I:E-Verhältnis ein Abbruch der Exspiration mit einem Exspirationsflow größer als Null
  • Giemen und Brummen
  • Abgeschwächte Atemgeräusche beidseits bei massiver Überblähung
  • Sättigungsabfall
  • Fehlendes exspiratorisches Plateau in der Kapnographie
Therapie des Bronchospasmus
  • O2-Konzentration erhöhen
  • Exspirium verlängern, Atemfrequenz reduzieren
  • PEEP 3–5 mbar (0,3–0,5 kPa)
  • Konzentration der volatilen Anästhetika erhöhen (Cave: Halothan und β-Sympatomimetika) oder Ketanest 1–2 mg/kgKG i. v.
  • Fenoterol-Dosieraerosol 2 Hübe (200 μg/Hub) über Tubusadapter; Repetitionen in Abhängigkeit zur Herzfrequenzsteigerung
  • Fenoterol initial 1–2 μg/kgKG i. v., weiter kontinuierlich 1–2 μg/kgKG/h i. v. oder Theophyllin initial 4–6 mg/kgKG langsam i. v., weiter kontinuierlich 0,5–1 mg/kgKG/h
  • Prednisolon 250 mg i. v. oder Dexamethason 80 mg i. v.
  • Bricanyl 0,5 mg s.c.
  • Theophyllin ist in der Akuttherapie aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite umstritten. Details zur Therapie von Asthma bronchiale Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Asthma bronchiale“.

Chronische Schäden

Aus geringen Läsionen, dem Gewebereiz von Tubus und Cuff sowie durch den Cuffdruck können sich sekundär Schwellung, Ödem, Hämatom und Infektion entwickeln. Als Spätfolge treten Granulome, Ulzerationen, Knorpeldestruktionen und narbige Strikturen auf. Die Häufigkeit dieser Schäden korreliert mit dem Cuffdruck und der Intubationsdauer [5, 6].
Schwere Schäden sind sehr selten. Dagegen sind Schwellung, Ödem oder Hämatom an Stimmbändern und Kehlkopf bei über 50 % der langzeitintubierten Patienten zu finden. Sie treten jedoch auch nach Kurzzeitnarkosen auf (6 %). Die Folgen sind Schmerzen, Heiserkeit, Schluckstörungen und, bei ausgedehnten Befunden, Stridor bis hin zur Atmungsbeeinträchtigung und Reintubation.
Infektionen
Infektionen werden durch Keimverschleppung, geringe Läsionen und Behinderung des Sekretabflusses durch den Tubus verursacht. Bei nasaler Intubation sind dies die Sinusitis, meist der Kieferhöhle und die Otitis media und bei allen endotrachealen Intubationen Laryngitis, Tracheitis, Bronchitis und Pneumonie.
Ulzerationen
Ulzerationen können an allen Strukturen entstehen, an denen der Tubus längere Zeit fest anliegt. Dies sind Nasenflügel, Nasenseptum, Nasenmuschel aber auch Lippe und Zunge, Kehlkopf und Trachea.
Stets ist bei der Tubusfixierung darauf zu achten, dass kein Zug oder Druck auf das Gewebe ausgeübt wird und dass Zunge und Lippe nicht zwischen Tubus und Zähnen eingeklemmt werden. Die Fixierung ist an Stellen, an denen hoher Druck auf das Gewebe einwirken könnte, mit Polsterungen zu versehen.
Granulome
Granulome entstehen nach Verletzung der Stimmbänder und Epitheldefekten durch Intubation oder bei länger liegenden Tuben.
Die Prädilektionsstelle ist der unmittelbar unter der Schleimhaut liegende Processus vocalis des Aryknorpels. Dort kommt es zur umschriebenen Bildung von Granulationsgewebe. Die Folge ist eine zunehmende Heiserkeit Tage oder Wochen nach der Intubation.
Eine Verlegung der Atemwege tritt in der Regel nicht auf. Die Therapie besteht aus sorgfältiger operativer Abtragung und Stimmschonung; Rezidive sind möglich.
Knorpeldestruktionen und narbige Strikturen
Knorpeldestruktionen und narbige Strikturen von Kehlkopf und Trachea sind die problematischsten Langzeitschäden der Intubation [7]. Die operative Behandlung ist schwierig, langwierig und vom Behandlungsergebnis oft unbefriedigend [8]. Die Inzidenz liegt bei 1 % der langzeitbeatmeten Patienten, bei Kindern bis zu 8 %. Trachealstenosen entstehen im Bereich des Cuffs und der Tubusspitze, Larynxstenosen im Bereich des Ringknorpels. Nach Dauerintubation und Läsion der subglottischen Schleimhaut kommt es zu entzündlichen Reaktionen (Ringknorpelperichondritis, Perichondritis der Trachealringe, Aryknorpelankylose) mit nachfolgender Stenosierung von Kehlkopf und Trachea. Ursache ist im Bereich der Trachea die Schleimhautischämie durch Cuffdruck.
Die Schäden im Bereich von Larynx und Tubusspitze werden durch Läsionen bei Intubation, Absaugen, Tubusbewegungen und engem Dauerkontakt der Tubuswand mit dem Gewebe ausgelöst. Auch bestehende Komorbiditäten, die die Mikrozirkulation der Schleimhaut beeinträchtigen (Rauchen, Diabetes, COPD) scheinen einen Einfluss auf die Indizienz von Trachealstenosen nach Beatmung zu haben [9, 10].
Cave
Für enge kindliche Luftwege sind schon geringe Stenosierungen von erheblicher Bedeutung (Kap. „Endotracheale Intubation“) [11, 12].
Literatur
1.
Chen KT, Lee SC, Ko TL, Wang KC, Chang Y (2009) Tracheal ring fracture as a consequence of external laryngeal manipulation during endotracheal intubation. Acta Anaesthesiol Taiwanica 47(2):103–105. https://​doi.​org/​10.​1016/​S1875-4597(09)60034-5 CrossRef
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