Skip to main content
Enzyklopädie der Schlafmedizin
Info
Publiziert am: 13.03.2020

Begutachtung bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen

Verfasst von: Sylvia Kotterba und Maritta Orth
Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) und ihre Begleiterkrankungen führen aufgrund der sozialmedizinischen Konsequenzen häufig zu gutachterlichen Fragestellungen durch verschiedene Auftraggeber unter anderem nach dem Rentenrecht, dem sozialen Entschädigungsrecht und dem Schwerbehindertengesetz, der gesetzlichen Unfallversicherung. Begutachtungen von Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen sollten in akkreditierten Schlafzentren erfolgen, die mit definierten, internationalen Standards genügender Qualität arbeiten, zumeist in den Gebieten Pneumologie, Neurologie und Psychiatrie. Als medizinische Ursache von gesteigerter Tagesschläfrigkeit findet man in einem hohen Prozentsatz Schlafbezogene Atmungsstörungen. Durch die Fragmentierung des Schlafs vermindert sie dessen Erholungsfunktion und das hat im täglichen Leben Folgen, die einem chronischen Schlafmangel entsprechen. In diesem Beitrag werden gutachterliche Grundsätze sowie die Begutachtung der Krankheitsbilder in den einzelnen sozialmedizinischen Institutionen besprochen.

Englischer Begriff

expert opinion in sleep related breathing disorders

Definition

„Schlafbezogene Atmungsstörungen“ (SBAS) und ihre Begleiterkrankungen führen aufgrund der sozialmedizinischen Konsequenzen häufig zu gutachterlichen Fragestellungen durch verschiedene Auftraggeber unter anderem nach dem Rentenrecht, dem sozialen Entschädigungsrecht und dem Schwerbehindertengesetz, der gesetzlichen Unfallversicherung bezüglich Unfallrecht und Berufskrankheitenrecht sowie dem Krankenversicherungsrecht in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit und dem Strafrecht (Nowak und Kroidl 2009). Auftraggeber von Gutachten bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen sind
  • Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (wie Berufsgenossenschaften),
  • Rentenversicherungsträger (wie LVA, BfA und Versorgungsämter),
  • Gerichte (wie Sozial-, Verwaltungs-, Arbeits- und Strafgerichte) sowie
  • Versicherungen (wie Lebensversicherungen, Haftpflichtversicherungen und private Unfallversicherungen).
Begutachtungen von Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen sollten in akkreditierten Schlafzentren erfolgen, die mit definierten, internationalen Standards genügender Qualität arbeiten, zumeist in den Gebieten Pneumologie, Neurologie und Psychiatrie. Als medizinische Ursache von gesteigerter Tagesschläfrigkeit findet man in einem hohen Prozentsatz Schlafbezogene Atmungsstörungen. Durch die Fragmentierung des Schlafs vermindert sie dessen Erholungsfunktion, und das hat im täglichen Leben Folgen, die einem chronischen Schlafmangel entsprechen.
Im Folgenden werden gutachterliche Grundsätze sowie die Begutachtung der Krankheitsbilder in den einzelnen sozialmedizinischen Institutionen besprochen. Während es für die Schlafapnoesyndrome mit und ohne Obstruktion klar beschriebene Anhaltszahlen zur gutachterlichen Beurteilung gibt, fehlen diese weitgehend für die Schlafbezogenen Hypoventilations- und Hypoxämiesyndrome.

Grundlagen

Grundsätze bei der Beurteilung von Schlafbezogenen Atmungsstörungen

Die genaue Krankheitsanamnese des Patienten besitzt neben der klinischen Untersuchung den höchsten Stellenwert. Die Anamnese wird unterstützt durch ergänzende standardisierte Fragebögen zur Tagesschläfrigkeit. Die anamnestischen Daten sollten für die Beurteilung immer Priorität besitzen (Rühle und Mayer 1998; Kotterba et al. 2007). Siehe dazu „Beschwerden und Symptome“; „Differentialdiagnostischer Leitfaden“; „Begutachtung von Patienten mit Schlafstörungen in der Neurologie“.
Die im Schlaflabor angesiedelten Tests sind nur Hilfswerkzeuge, da auch sie abhängig von der Mitarbeit der Betroffenen sind. Die schlafmedizinischen Erkrankungen, die eventuell den gesundheitlichen Problemen der Betroffenen zugrunde liegen, können indessen mittels Kardiorespiratorischer Polysomnographie (KRPSG; siehe „Kardiorespiratorische Polysomnographie“) im schlafmedizinischen Labor reliabel festgestellt werden. Durch eine integrierende Beurteilung von Anamnese, Symptomatik und Untersuchungsbefund ist eine adäquate Einschätzung der Störung unter Beachtung der bei der Beurteilung von Tagesschläfrigkeit bestehenden Fehlerquellen möglich. Fehlerquellen bei der Beurteilung von Tagesschläfrigkeit sind:
  • Fehlwahrnehmung von Wachheit und Schläfrigkeit schränken Angaben zur Selbsteinschätzung ein.
  • Die objektiven Untersuchungsbedingungen entsprechen selbst bei aufwendigen Untersuchungsverfahren des Einschlaf- und Wachsamkeitsverhaltens wie dem Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) und dem Multiplen Wachbleibetest (MWT) nicht der realen Situation.
  • Bei simulierten Fahrsituationen werden nur Teilaspekte von Leistungen der Fahrtüchtigkeit erfasst.
  • Die Tagesschläfrigkeit und Maße zur Quantifizierung von Schlafbezogenen Atmungsstörungen wie die Apnoe-Indizes korrelieren nur schwach miteinander.
  • Die Fehlerneigung bei Testaufgaben ist bei Gesunden wie bei Patienten mit schlafmedizinischen Erkrankungen abhängig von zirkadianen Einflüssen, von der Motivation und vom Verhalten der Betroffenen.
Bei der Begutachtung Schlafbezogener Atmungsstörungen sollte berücksichtigt werden, ob reversible oder irreversible Störungen vorliegen. Eine Gefährdung durch beeinträchtigte Wachheit und Daueraufmerksamkeit mit Auswirkungen auf eine eventuell vorliegende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und Grad der Behinderung (GdB) resultiert aus der Art der Tätigkeit und des Arbeitsplatzes und liegt auch im Privatbereich besonders bei Tätigkeiten im Haushalt vor.
Beispiele für Berufsgruppen mit besonderer Eigen- und Fremdgefährdung bei vermehrter Tagesschläfrigkeit:
  • PKW-Fahrer
  • Bus-/Lastkraftfahrer
  • Lokführer
  • Schiffskapitäne
  • Flugzeugpiloten
  • Kran-/Baggerführer
  • Arbeiter an Holz-/Metall-/Kunststoff-Bearbeitungsmaschinen
  • Stahlarbeiter
  • Radar-/Schiffslotsen
  • Bedienstete in Kraftwerken/Überwachungsbereichen
  • Arbeiter mit Absturzgefahr
Die klinische Untersuchung umfasst die konstitutionellen Faktoren wie Adipositas, die Messung des Halsumfangs sowie Kieferanomalien. Erfasst werden sollten ferner Einschränkungen der Lungenfunktion mittels Ganzkörperplethysmographie, das Ausmaß des arteriellen Hypertonus und die kardiopulmonale Leistungsminderung mittels Spiroergometrie. Die vom Patienten geschilderte Schläfrigkeit sollte mit international akzeptierten Fragebögen wie Epworth Sleepiness Scale (ESS) erfasst werden (siehe „Fragebögen zur Tagesschläfrigkeit“).
Methoden zur Messung der pathologisch erhöhten Tagesschläfrigkeit
Der Multiple Schlaflatenztest (Multiple Sleep Latency Test, MSLT) ist für die Differentialdiagnostik der Narkolepsie sinnvoll, erfasst aber nur die Bereitschaft, einzuschlafen. Bei ihm lautet die Instruktion für den Patienten einzuschlafen. Zur Überprüfung der Fähigkeit, sich wach zu halten und dem Einschlafen zu widersetzen, muss der Multiple Wachbleibetest (Maintenance of Wakefullness Test, MWT) gewählt werden, bei dem der Patient zum Wachbleiben aufgefordert wird (siehe „Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“).
Der MWT ist im Vergleich zum MSLT daher geeignet, die Fähigkeit des Patienten zum Wachbleiben zu überprüfen und korreliert gut mit polysomnographischen Daten bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen. Die Untersuchungen sind aufwendig, da sie ganztags in mehreren Durchgängen mit zweistündigem Abstand durchzuführen sind, sie erfordern ferner die Bedingung absoluter äußerer Ruhe und müssen streng überwacht werden.
Auch Tests für die selektive und die geteilte Aufmerksamkeit können zum Einsatz kommen, ebenso wie die Vigilanztests (Weeß et al. 2000). Siehe „Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung“; „Begutachtung von Patienten mit Schlafstörungen in der Neurologie“.
Vor und nach erfolgter Therapie von mindestens 14 Tagen (Orth et al. 2005) bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen sollten der Schweregrad beziehungsweise der Behandlungserfolg durch die Bestimmung der Anzahl polysomnographisch erfasster Atmungsstörungen objektiviert werden. Die Anzahl der respiratorisch induzierten Arousals sollte möglichst unter 5 je Stunde Schlafzeit liegen. Weitere Therapiekontrollen sollten in regelmäßigen Abständen, längstens jedoch in einjährigen Intervallen in schlafmedizinischen Zentren durchgeführt werden. Hier ist bei Klagen über Tagesschläfrigkeit beziehungsweise bei einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit mit Anforderung an die Vigilanz (siehe oben) auch die Veränderung dieser Symptome durch die Therapie zu beurteilen.
Bei Kontrolluntersuchungen sollte auch die Compliance in Gestalt der nächtlichen Nutzungsdauer des eingesetzten Therapiegeräts über den eingebauten Betriebsstundenzähler überprüft werden. Bei allen Geräten zur Überdruckbeatmung besteht heute die Möglichkeit, über mehrere Monate die nächtliche Nutzungsdauer auszulesen. Hilfreich ist es, dass manche Geräte auch Nutzungsdaten mit hoher Auflösung einer einzelnen Nacht speichern.
Sollte der Eindruck bestehen, dass der Patient nicht über die psychischen oder geistigen Voraussetzungen oder die Motivation verfügt, die therapeutischen Maßnahmen einzuhalten, ist dies über ein psychologisches Gutachten festzustellen. Dabei kommt es für die Beurteilung der Therapieverträglichkeit nicht darauf an, ob der Betroffene aus seiner Sicht meint, die Maske nicht tragen zu können. Entscheidend ist die objektive Therapierbarkeit. Psychische Störungen wie Zwangs- oder Angstneurosen müssen im Einzelfall Berücksichtigung finden. Ob die Betroffenen wegen der behaupteten psychischen Probleme die Atemmaske nicht tragen können, muss durch einen Psychiater fachlich überprüft werden.

Begutachtung der einzelnen Krankheitsbilder in den verschiedenen Ebenen des sozialrechtlichen Netzwerks

Schlafbezogene Atmungsstörungen mit Obstruktion der oberen Luftwege

Obstruktive Schlafapnoe
Begutachtung im Rentenrecht
Berufsunfähigkeit (BU) besteht dann, wenn die Erwerbsfähigkeit im erlernten Beruf infolge Krankheit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Das Risiko der Berufsunfähigkeit wird für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, weiterhin abgesichert. Für die Berufsunfähigkeit muss das Leistungsvermögen in dem erlernten beziehungsweise auf Dauer ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit oder Behinderung gegenüber einer gesunden Vergleichsperson auf weniger als 6 Stunden gesunken sein. Seit dem 01.01.2001 gibt es die Berufsunfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch in Form der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI.
Patienten in Berufen mit hohen Anforderungen an die Daueraufmerksamkeit sind dann berufsunfähig, wenn sie trotz Therapie signifikante Vigilanzdefizite und Schlafepisoden am Arbeitsplatz erleiden. Der Therapieerfolg sollte mittels Kardiorespiratorischer Polysomnographie und anschließend dem Multiplen Wachbleibetest und Daueraufmerksamkeitstests beziehungsweise gestuften neuropsychologischen Tests (Weeß et al. 2000) zuerst nach einem halben, später nach einem Jahr kontrolliert werden.
Erwerbsunfähigkeit (EU) und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
Eine Erwerbsunfähigkeit liegt immer dann vor, wenn ein Versicherter infolge von Krankheit auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben kann oder wenn er nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Bis Ende 2000 regelte die Unfall- und Rentenversicherung die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seit dem 01.01.2001 ist der Begriff durch Erwerbsminderung ersetzt mit der Unterteilung in teilweise und volle Erwerbsminderung.
Teilweise erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit im Rahmen einer 5-Tage-Woche zwar mindestens 3 Stunden, jedoch nicht mehr als 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein kann. Voll erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Dabei muss jede Berufstätigkeit, auch solche unterhalb des erreichten Ausbildungsstandes, berücksichtigt werden. Es können aber Modifikationen der Tätigkeit vorgeschlagen werden, wie beispielsweise der Wegfall von Wechselschichten, von Arbeiten unter monotonen Bedingungen und Absturzgefahr.
Bei Patienten mit deutlicher klinischer Symptomatik bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen oder zusätzlich bestehenden Begleit- und Folgeerkrankungen ist die Erwerbsfähigkeit gemindert. Durch die therapeutischen Maßnahmen, insbesondere der Behandlung mit nasaler kontinuierlicher Überdruckbeatmung („CPAP“) während der Hauptschlafperiode, kann die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gebessert und damit die Erwerbsfähigkeit erhalten und eine Frühberentung vermieden werden. Die CPAP-Therapie ist eine effektive Therapie, und sie ist auch jedermann zumutbar. Bei manifesten Folgeschäden oder Begleiterkrankungen wird das verbliebene Leistungsvermögen im Wesentlichen durch die schon eingetretenen Folgeschäden bestimmt.
Eine Berentung ausschließlich wegen Obstruktiver Schlafapnoe (OSA) wird nur selten infrage kommen, da fast immer eine effiziente Therapie der apnoebedingten Tagesschläfrigkeit möglich ist. Eine sorgfältige Dokumentation der Störung ist in jedem Fall erforderlich, um den Verlauf genau beurteilen zu können. Allerdings gelingt es nicht immer, alle Symptome durch die Therapie zu beseitigen, sodass bei persistierender Tagesschläfrigkeit und schwerwiegenden kardiovaskulären Folgen die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente in Einzelfällen zu bescheinigen ist.
Bei einem Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden besteht kein Rentenanspruch. Allerdings erhalten vor dem 02.01.1961 Geborene, die noch 6 Stunden am Tag arbeiten könnten und damit nicht erwerbsunfähig sind, dennoch eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie keinen ihrem eingeschränkten Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz in ihrem bisherigen Beruf bekommen.
Auch Personen, die mehr als 3, jedoch weniger als 6 Stunden arbeiten können, aufgrund des verschlosssenen Arbeitsmarktes aber keine Arbeit finden, können eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bekommen (www.deutsche-rentenversicherung.de).
Beurteilung nach dem sozialen Entschädigungsrecht (SER) und Schwerbehindertengesetz (SchwbG)
Im sozialen Entschädigungsrecht wird eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) abgegolten bei Gesundheitsschäden, für die der Staat einstehen muss. Das Schwerbehindertengesetz regelt die Ansprüche aller Behinderten unabhängig von der Ursache der Behinderung. Der Grad der Behinderung bezieht sich auf die Schädigungsfolge in allen Lebensbereichen. Bei der Beurteilung sollten Atmungs- und Herz-Kreislauf-Parameter zusammenfassend beurteilt werden. Die einzelnen Grade der Behinderung (GdB) sollten angegeben, bei der Beurteilung des Gesamt-GdB dürfen Additionen aber nicht generell vorgenommen werden. Vielmehr sind die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend. Teilreversible Sekundärschäden und schwergradige irreversible Sekundärschäden sind bei der Ermittlung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen.
Obstruktive Schlafapnoe mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überdruckbeatmung (CPAP) bedingt einen Grad der Behinderung von 20 (Tab. 1). Ein höherer GdB kommt u. a. nur in Betracht, wenn eine nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist. Bei Obstruktiver Schlafapnoe mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung kommt ein GdB von 50 nicht in Betracht, wenn dem Betroffenen eine Nutzung der Atemmaske grundsätzlich möglich ist, auch wenn er die Atemmaske nicht immer benutzt und wegen rezidivierender entzündlicher Veränderungen der Schleimhäute längere Pausen in der Nutzung einlegt. Der zusätzlichen Beeinträchtigung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der GdB von 20 für die Obstruktive Schlafapnoe wegen der Veränderungen im Bereich von Nase und Rachen auf 30 erhöht wird. Für die Bewertung des GdB ist grundsätzlich immer der tatsächliche über einen Zeitraum von 6 Monaten hinausgehende Zustand des Betroffenen entscheidend. Es sollten alle Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere mehrfache Maskenanpassungen, gut dokumentiert erfolgt sein, bevor attestiert wird, dass eine CPAP-Therapie nicht durchführbar ist. Bei zwingender Behandlungsindikation besteht bei Obstruktiver Schlafapnoe die Option auf Anlage eines Tracheostoma als Ultima Ratio. Der Eingriff allein und seine Langzeitfolgen sind aber mit folgenschweren Leistungseinschränkungen und einer GdB von in der Regel mehr als 50 v. H. verbunden. Siehe auch „HNO-ärztliche Verfahren zur operativen Therapie der Obstruktiven Schlafapnoe“. Etabliert ist seit einigen Jahren die implementation eines zungen schrittmachers.
Tab. 1
GdB/MdE-Graduierung bei Vorliegen einer Obstruktiven Schlafapnoe oder eines Zentralen Schlafapnoesyndroms. Die Prozentsätze sind im sozialen Entschädigungsrecht (SER) und Schwerbehindertengesetz (SchwbG) identisch
Schweregrad einer SBAS
GdB/MdE v. H.
Ohne Notwendigkeit einer Beatmungstherapie (CPAP, BIPAP)
0–10
Mit Notwendigkeit einer Beatmungstherapie (CPAP, BIPAP)
Bis 20
Bei nicht durchführbarer Therapie/Beatmungstherapie fallweise bis
>50
Gesetzliche Unfallversicherung (Unfallrecht, Berufskrankheitenrecht)
Nach dem Unfallrecht wird die Entschädigung eines beruflich eingetretenen Schadens, beispielsweise bei einem Arbeitsunfall oder einem Wegeunfall, geregelt. Eine Anerkennung als Berufskrankheit kann nur erfolgen, wenn der Patient die Erkrankung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erworben hat und diese in der gültigen Berufskrankheitenliste enthalten ist. Der Unfall muss während der versicherten Tätigkeit aufgetreten sein. Die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Grad des aktuell bestehenden Verlusts an individueller Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem gesamten Gebiet des wirtschaftlichen Lebens. Eine vorbestehende schlafmedizinische Erkrankung kann im Unfallrecht nicht berücksichtigt werden. Nur wenn schlafmedizinische Erkrankungen als Folge eines Unfalls auftreten, kann eine MdE nach Unfallrecht attestiert werden. Der Gutachter sollte die MdE für einen eventuellen Vorschaden und den unfallbedingten Anteil möglichst getrennt beurteilen und hieraus die unfallversicherungsrechtlich maßgebende Minderung der Erwerbsfähigkeit einschätzen. Wenn beispielsweise anhand anamnestischer Daten glaubhaft davon ausgegangen werden kann, dass vor einem Unfall im Rahmen einer beruflichen Fahrtätigkeit mit Schädel- und Kieferverletzungen kein Schlafapnoesyndrom vorgelegen hat, muss dieses als Unfallfolge und damit als Folge eines Arbeits- und Wegeunfalls angesehen werden.
Eine selten auftretende Fragestellung ist der Zusammenhang zwischen Lösungsmittelexposition und Schlafapnoesyndrom. Eine langjährige hohe Lösungsmittelbelastung kann nicht nur eine toxische Enzephalopathie, sondern auch Obstruktive Schlafapnoe verursachen.
Gerichtsgutachten bezüglich Fahrtätigkeit
Ärztliche Gutachter haben gegenüber den Gerichten eine beratende Funktion. Die Folgerungen und Entscheidungen treffen die Verwaltungsbehörden und die Gerichte. Üblicherweise wird der Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber vom Gericht aufgefordert, ein Eignungsgutachten beizubringen. Er muss damit auch die Kosten des von ihm beauftragten Gutachters tragen. Wer infolge des Vorliegens einer Obstruktiven Schlafapnoe unter deutlicher Beeinträchtigung der Daueraufmerksamkeit leidet, ist nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen gerecht zu werden (BAST 2017). Nach Behandlung der Schlafbezogenen Atmungsstörungen kann der Therapieerfolg bezüglich Schlaf und Tagesschläfrigkeit überprüft und der Nachweis geführt werden, dass der Betroffene wieder in der Lage ist, Kraftfahrzeuge zu führen.
Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Kraftfahrereignung (2017) behandeln explizit die Schlafstörungen mit Tagesschläfrigkeit. Ergänzt wird aktuell noch ein Unterkapitel Schlafapnoe entsprechend den EU-Richtlinien zur Fahrtauglichkeit bei Schlafapnoe.
Die Richtlinien werden im Kapitel „Begutachtung von Patienten mit Schlafstörungen in der Neurologie“ ausgeführt.
Die Beurteilung der Fahrtauglichkeit erfolgt nach einem gestuften Vorgehen:
  • Stufe 1: Auf der ersten Stufe steht die ausführliche Anamnese, die nach charakteristischen Schläfrigkeitssymptomen (wie zum Beispiel Aufmerksamkeitsstörungen in monotonen Situationen, Sekundenschlaf in monotonen Situationen) fragt. Die Anamnese wird ergänzt durch spezifische Fragebögen, wie zum Beispiel die Epworth Sleepiness Scale (ESS), wobei ab einem Wert von 11 eine pathologische Schläfrigkeit vorliegt.
  • Stufe 2: Finden sich Auffälligkeiten in Stufe 1, kommen Messverfahren zur Tagesschläfrigkeit und Aufmerksamkeit zur Anwendung („Leistungstests und Fahrtauglichkeitsprüfung“). Hierbei sollten mehrere Komponenten der Tagesschläfrigkeit aus den Bereichen der zentralnervösen Aktivierung und Aufmerksamkeitsfunktionen gemessen werden (siehe „Leistungstests und Fahrtauglichkeitsprüfung“) In Einzelfällen können die experimentell gewonnene Ergebnisse von der gutachterlichen Bewertung abweichen.
  • Stufe 3: Bestehen nach Stufe 2 erhebliche Zweifel an der Fahreignung kann die Durchführung einer Fahrprobe indiziert sein. Falls möglich, sollte die Fahrprobe unter Monotoniebedingungen erfolgen.
Beurteilung der Fahreignung nach BaSt-Begutachtungsleitlinien 2017:
  • Die Fahreignung (Gruppe 1 und 2) ist nicht gegeben wenn
    a.
    sich in einem Untersuchungsverfahren zur zentralnervösen Aktivierung oder zur Vigilanz mindestens ein auffälliger Befund findet oder
     
    b.
    mindestens 2 der benannten Aufmerksamkeitsfunktionen auffällige Befunde zeigen oder
     
    c.
    sich bei mindestens 2 Verfahren zur Schläfrigkeit oder Aufmerksamkeit grenzwertige Befunde bei gleichzeitigem Vorliegen einer positiven klinischen Symptomatik finden.
     
  • Die Fahreignung (Gruppe 1 und 2) ist gegeben
    • bei erfolgreich behandelter Tagesschläfrigkeit, die durch eine erneute Begutachtung dokumentiert werden muss. Regelmäßige Kontrollen sind gemäß den Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaft durchzuführen.
Die Prognose ist grundsätzlich günstig, wenn die Erkrankung mittels kontinuierlicher Überdruckbeatmung (CPAP) behandelt werden kann. Allerdings ist eine gute Therapiecompliance Voraussetzung. Sie beinhaltet die mindestens vier- bis fünfstündige allnächtliche Anwendung der Therapie. Diese ist heute durch Betriebsstundenzähler und das Auslesen der im Gerät gespeicherten Behandlungsdaten gut messbar.
Aus Rechtsgründen ist der Arzt zur Meldung von Bedenken gegen die Fahrsicherheit nicht verpflichtet. Es empfiehlt sich aber, den Patienten ausführlich zu informieren. Der Vorgang sollte immer schriftlich festgehalten werden. Wenn der Patient einverstanden ist, sollten auch der Ehepartner beziehungsweise die Angehörigen informiert werden. Wer einen Unfall auslöst und als Entschuldigung einen krankheitsbedingten „Sekundenschlaf“ angibt, muss für solche Ausfallerscheinungen die alleinige Beweislast und die Verantwortung tragen. Der Patient muss das Gericht überzeugen, dass er zum Unfallzeitpunkt sein Kraftfahrzeug im Zustand der Bewusstlosigkeit – also in einem durch Schlafapnoe verursachten „Sekundenschlaf“ – geführt hat. Der Patient trägt die Beweislast dafür, dass seine Verantwortlichkeit durch die behauptete Bewusstseinsstörung ausgeschlossen gewesen sei. Dies gelingt in der Regel nicht. Wenn es gelingt, kann dem Patienten vorgeworfen werden, dass er die Verantwortung dafür trägt, trotz einer ihm bekannten erheblichen gesundheitlichen Einschränkung und nicht mit der notwendigen Leistungsbereitschaft, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs verbunden ist, weitergefahren zu sein und damit strafbar gehandelt zu haben. Andererseits trägt die Versicherung die Beweislast für die subjektiven Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit. Da sich aber der Sekundenschlaf meistens erst nach bemerkbaren Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens einstellt und Zwischenstadien der kognitiven Beeinträchtigung bemerkt werden können, wird fast immer von grober Fahrlässigkeit des Fahrers ausgegangen, zumal sich die Einschränkung der Daueraufmerksamkeitsleistung bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen in der Regel über einen längeren Zeitraum entwickelt.
Siehe auch „Begutachtung von Patienten mit Schlafstörungen in der Neurologie“.
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Die meisten Unfälle, die durch Vigilanzstörungen bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten auftreten, könnten durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen verhindert werden. Diesem Umstand tragen die Berufsgenossenschaften im Grundsatz G 25 Rechnung (Leitfaden für Betriebsärzte zur Anwendung des G 25 2010; Arbeitskreis 1.1 (2010)) Es handelt sich um berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. Danach bestehen dauerhaft gesundheitliche Bedenken bei unbehandelten Schlafbezogenen Atmungsstörungen wie Schlafapnoesyndrom und dadurch verursachte ausgeprägte Vigilanzstörungen. Befristete gesundheitliche Bedenken bestehen bei diesen Personen, soweit eine Wiederherstellung oder ausreichende Besserung zu erwarten ist. Keine gesundheitlichen Bedenken bestehen bei Personen, bei denen zwar Schäden oder Schwächen vorliegen, aber unter Berücksichtigung besonderer Voraussetzungen wie Beschaffenheit des Arbeitsplatzes, verkürzte Nachuntersuchungsfristen, spezifische Auflagen und aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nicht zu befürchten ist, dass sie sich selbst oder Dritte gefährden. Die Arbeitsmediziner können nur beratend tätig sein. Auch bei Nichteignung führt die Vorsorgeuntersuchung somit zu keinen verbindlichen Konsequenzen. Grundsätzlich sollten bei Verdacht gezielte Untersuchungen auf Schlafstörungen beziehungsweise auf Obstruktive Schlafapnoe durchgeführt werden können.
Krankenversicherung
Wenn im Rahmen einer Schlafbezogenen Atmungsstörung eine vorübergehende Gesundheitsstörung vorliegt und der Versicherte den Beruf zeitweise nicht ausüben kann, liegt Arbeitsunfähigkeit vor. In diesem Fall ist die Krankenversicherung der Kostenträger. Eine Berufsunfähigkeit kann meistens nicht attestiert werden, da eine effiziente Therapie möglich ist und die Störung damit dauerhaft beseitigt werden kann.

Schlafbezogene Atmungsstörungen ohne Obstruktion der oberen Luftwege

Zentrale Schlafapnoesyndrome
Bei der Begutachtung muss die diagnostische Abgrenzung der Zentralen Schlafapnoesyndrome (siehe „Zentrale Schlafapnoesyndrome“) gegenüber den anderen Schlafbezogenen Atmungsstörungen wie „Obstruktive Schlafapnoe“ und „Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“ sicher erfolgen. Die differentialdiagnostische Sicherung der Zugehörigkeit zu einer der 5 Arten von Einzeldiagnosen der Zentralen Schlafapnoesyndrome beim Erwachsenen gemäß ICSD-2 (International Classification of Sleep Disorders, 2nd Edition 2005) beziehungsweise aktuelle „ICSD-3“ muss gewährleistet sein (siehe „Schlafbezogene Atmungsstörungen“). Bei Zentralen Schlafapnoesyndromen infolge Cheyne-Stokes-Atmung beziehungsweise infolge einer zugrunde liegenden organischen Erkrankung orientiert sich die Begutachtung der Leistungseinschränkung in erster Linie an der zugrunde liegenden Krankheit (siehe auch „Begutachtung von Patienten mit Schlafstörungen in der Inneren Medizin“). Das geschieht bei einer Erkrankung des Herzens, der Nieren oder des Zentralnervensystems (ZNS) mithilfe der dabei bewährten Funktionsuntersuchungen. Die zusätzliche Beeinträchtigung durch Zentrale Schlafapnoesyndrome kann ähnliche Ausmaße wie bei Obstruktiver Schlafapnoe annehmen. Es sollten deshalb bei der Obstruktiven Schlafapnoe analoge gutachterliche Maßstäbe angewandt werden. Berücksichtigt werden muss dabei, dass die Therapie der Zentralen Schlafapnoesyndrome in der Regel komplexer und weniger erfolgssicher ist als diejenige der Obstruktiven Schlafapnoe durch CPAP (siehe „Zentrale Schlafapnoesyndrome“).
Angeborene oder idiopathische Hypoventilationssyndrome
Es handelt sich um relativ seltene Erkrankungen. Die Begutachtung sollte sich auf die Kardiorespiratorische Polysomnographie stützen.
Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome durch körperliche Erkrankung
Treten Schlafbezogene Hypoventilations- und Hypoxämiesyndrome bei Patienten mit Erkrankungen des Lungenparenchyms oder der Lungengefäße, bei bronchialer Obstruktion oder bei neuromuskulären Erkrankungen und Thoraxdeformitäten sowie bei extremer Adipositas auf, führt die Schlaffragmentierung zur Tagesschläfrigkeit und reduziert die körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit zusätzlich zur bestehenden Grunderkrankung.
Die gutachterlichen Aspekte werden im Folgenden am Beispiel der Chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung („chronic obstructive pulmonary disease“, COPD; siehe „Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung“) und der Kyphoskoliose besprochen. Es sei darauf hingewiesen, dass im Zentrum der Begutachtung die Grunderkrankung steht, anhand von anamnestischen Angaben, klinischen Befunden, insbesondere Lungenfunktionsdaten, von kutanen und inhalativen Tests, Belastungsuntersuchungen und Messungen des Atemantriebs (CO2-Rückatmung, P0.1) und den gegebenenfalls notwendigen Therapien. Die Auswirkungen der Schlafbezogenen Atmungsstörungen auf die Leistungsfähigkeit sollen bei der Begutachtung zusätzlich Berücksichtigung finden.
Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Die Aufgabe des Gutachters im Rentenrecht besteht darin, die Schäden in ihrer Auswirkung auf das Leistungsvermögen zu bewerten, und zwar sowohl als einzelne als auch in ihrer Gesamtheit (Nowak und Kroidl 2009). In der gängigen Beurteilungspraxis wird bei COPD hauptsächlich der Schweregrad der Luftnot und der Einschränkung der Lungenfunktion graduiert. Besteht aber eine chronische Symptomatik infolge erheblich ausgeprägter Schlafbezogener Atmungsstörungen, können Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Umstellungs- oder Anpassungsfähigkeit nicht ausgeführt werden. Die Arbeiten mit Absturzgefahr, an schnell laufenden Maschinen, mit Führen von Fahrzeugen oder Baumaschinen oder mit Starkstrom mit Eigen- und Fremdgefährdung sowie in Nachtschichten im Ein- oder Dreischichtensystem sollten ebenfalls unterbleiben.
In den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertengesetz (SchwbG) werden Tabellen angegeben die das Ausmaß der beeinträchtigten Lungenfunktion als Beurteilungskriterium darstellen (Tab. 2). Die Leistungsminderung durch Schlafbezogenen Atmungsstörungen bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung sollte zusätzlich berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere, wenn sich die COPD mit einem Schlafapnoesyndrom überlappt. Der Schweregrad der Leistungsbeeinträchtigung durch die dabei wesentlich ausgeprägtere „Schlafbezogene Hypoxämie“ liegt in der Regel 10–20 % über der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei alleiniger COPD. In den Tabellen wird bisher auf diesen Umstand nicht eingegangen.
Tab. 2
Ausmaß der Funktionseinschränkung bei chronischer Bronchitis oder Bronchialasthma mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion nach Tabellen aus dem sozialen Entschädigungsrecht (SER) und Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Die Prozentsätze sind im SER und SchwbG identisch
Funktionseinschränkung
Einschränkung der Lungenfunktion
Geringen Grades: 20–40 %
Das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung; statische und dynamische Werte der Lungenfunktion bis zu einem Drittel niedriger als die Sollwerte
Mittleren Grades: 50–70 %
Das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung; statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu zwei Drittel niedriger als die Sollwerte
Schweren Grades: 80–100 %
Atemnot bei leichtester Belastung oder in Ruhe; statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als zwei Drittel niedriger als die Sollwerte

Kyphoskoliose

Im Schlaf können bei Patienten mit Kyphoskoliose ausgeprägte Desaturationen mit Hyperkapnie infolge sekundärer alveolärer Hypoventilation beobachtet werden („Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“). Die Behandlung der Atmungsstörung erfolgt mit intermittierender positiver Überdruckbeatmung (IPPV). Als Folge der muskulären Erholung normalisiert sich in vielen Fällen die alveoläre Ventilation, und der am Tag gemessene pO2 wird ebenfalls deutlich verbessert („Nichtinvasive Beatmung bei zentralen Schlafbezogenen Atmungsstörungen und bei der chronischen respiratorischen Insuffizienz“).
Gutachterliche Beurteilung: Nach dem Rentenrecht hängt die Erwerbsminderung vom Ausmaß des funktionellen Schadens ab. Er wird abgelesen an dem Ausmaß der Lungenrestriktion, der Verminderung der Diffusionskapazität, der ergometrisch gemessenen Leistung, der Hypoxämie unter Belastung sowie den Folgeerkrankungen wie pulmonalarterielle Hypertonie, Polyglobulie und Rechtsherzinsuffizienz.
Anhaltszahlen für die Begutachtung nach dem sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertengesetz beruhen auf den statischen und dynamischen Lungenfunktionsmesswerten (Tab. 3). Schlafstörungen werden bisher nicht aufgeführt, sollten aber bezüglich Ein- und Durchschlafstörungen sowie Schlafunterbrechungen berücksichtigt werden.
Tab. 3
Anhaltszahlen für die Begutachtung von Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und Grad der Behinderung (GdB) nach dem sozialen Entschädigungsrecht (SER) und Schwerbehindertengesetz (SchwbG) bei restriktiven Lungenerkrankungen. Die Prozentsätze sind im SER und SchwbG identisch
Funktionseinschränkung
Einschränkung der Lungenfunktion
Geringen Grades: 20–40 %
Statische und dynamische Messwerte bis zu einem Drittel niedriger als die Sollwerte
Mittleren Grades: 50–70 %
Statische und dynamische Messwerte bis zu zwei Drittel niedriger als die Sollwerte
Schweren Grades: 80–100 %
 
Literatur
Arbeitskreis 1.1 (2010) „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“ in Zusammenarbeit mit dem AK 4.1 „Betriebsärztliche Tätigkeit“ des Ausschusses „Arbeitsmedizin“ der DGUV: Leitfaden für Betriebsärzte zur Anwendung des G 25 DGUV Grundsatz „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“
Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (2017) Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung. Kapitel ‚Tagesschläfrigkeit
Kotterba S, Orth M, Happe S et al (2007) Begutachtung der Tagesschläfrigkeit bei neurologischen Erkrankungen und dem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Nervenarzt 78:861–870CrossRef
Nowak D, Kroidl R (2009) Bewertung und Begutachtung in der Pneumologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New YorkCrossRef
Orth M, Herting A, Duchna HW et al (2005) Fahrsimulatoruntersuchung bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom: Konsequenzen für die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit? Dtsch Med Wochenschr 130:2555–2560CrossRef
Rühle KH, Mayer G (1998) für die Arbeitsgruppe Apnoe der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, DGSM und die Sektionen Nächtliche Atmung-und Kreislaufstörungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, DGP) Empfehlungen zur Begutachtung von Schlaf-Wach- Störungen und Tagesschläfrigkeit. Somnologie 2:89–95CrossRef
Weeß HG, Sauter C, Geißler P et al (2000) Vigilanz, Daueraufmerksamkeit, Müdigkeit, Schläfrigkeit. Diagnostische Instrumentarien zur Messung müdigkeits-und schläfrigkeitsbedingter Prozesse und deren Gütekriterien. Somnologie 4:20–38CrossRef