Zugelassene Substanzen
Die Entwicklung von blockierenden monoklonalen
Antikörpern (mAb) als Checkpoint-Inhibitoren (CPI) ist ein wichtiger Schritt in der Evolution der onkologischen Therapie gewesen. mAb gegen den „Programmed death (PD)“-Rezeptor-1 oder dessen
Liganden (L) sowie „cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4“(CTLA-4) sind bereits fester Bestandteil der klinischen Routine in der Onkologie. Checkpoint-Inhibitoren sind
Immunglobuline der Klasse G (IgG) und bestehen aus den Subtypen 1 oder 4. Diese molekularen Backbones der Checkpoint-Inhibitoren unterscheiden sich aufgrund der Subtypisierung in ihren Eigenschaften zur Komplementaktivierung, antikörpervermittelten zellulären Zytotoxizität (ADCC) oder Bindung an Oberflächenrezeptoren (Hanson und Barb
2015). Die antitumorale Wirksamkeit basiert auf der Blockade der Zielstruktur (PD-1, PD-L1 oder CTLA-4; Tab.
1). Inwieweit die biologische Eigenschaft des mAb die antitumorale Wirksamkeit moduliert, ist aktuell unklar. Aktuell sind 5 Checkpoint-Inhibitoren für die klinische Anwendung zugelassen (Tab.
2).
Tab. 1
Checkpoint-Inhibitoren unterscheiden sich hinsichtlich der als Grundlage genutzten Kategorie von monoklonalen Antikörpern. Die Dosierungen der CPI variieren und werden konstant weiterentwickelt. Neben der gewichtsadaptierten Dosierung stehen zunehmend Einheitsdosierungen zur Verfügung
Atezolizumab | PD-L1 | IgG1, humanisiert | 1200 mg alle 3 Wochen i.v. |
Avelumab | PD-L1 | IgG1, human | 10 mg/kg KG alle 2 Wochen i.v. |
Nivolumab* | PD-1 | IgG4, human | 3 mg/kg KG i.v. oder 240 mg alle 2 Wochen i.v. 480 mg alle 4 Wochen i.v. |
Pembrolizumab | PD-1 | IgG4, humanisiert | 2 mg/kg KG i.v. oder 200 mg alle 3 Wochen i.v. |
Ipilimumab* | CTLA-4 | IgG4, human | 3 mg/kg KG alle 3 Wochen i.v. |
Tab. 2
Indikationen zugelassener Checkpoint-Inhibitoren
Bronchialkarzinom | PD-L1 | Atezolizumab | ≥2. Linie |
| PD-1 | Nivolumab | ≥2. Linie |
| PD-1 | Pembrolizumab | 1. Linie1 2. Linie2 |
| PD-1 | Nivolumab | ≥2. Linie |
Kopf-Hals-Karzinom | PD-1 | Nivolumab | ≥2. Linie |
| PD-1 | Nivolumab | Nach Vortherapie3 |
| PD-1 | Pembrolizumab | Nach Vortherapie3 |
Melanom | PD-1 | Nivolumab | 1. Linie mit oder ohne Ipilimumab |
| PD-1 | Pembrolizumab | 1. Linie |
| CTLA-4 | Ipililumab | 1. Linie: • Monotherapie • Kombination mit Nivolumab ≥2. Linie |
| PD-L1 | Avelumab | ≥2. Linie |
Urothelkarzinom | PD-L1 | Atezolizumab | 1. Linie4 ≥2. Linie |
| PD-1 | Nivolumab | ≥2. Linie |
| PD-1 | Pembrolizumab | 1. Linie4 ≥2. Linie |
Nivolumab
ist ein IgG4-mAb, der klassenspezifisch eine niedrige
Affinität für Fc-γ-Rezeptoren aufweist. Während Nivolumab hochaffin und spezifisch für die Bindung von PD-1
ist, konnte dessen Bindung an aktivierte T-Zellen keine ADCC oder Komplementaktivierung zeigen (Wang et al.
2014). Im Gegensatz dazu ist Avelumab
ein mAb der Klasse IgG1, der neben der Inhibition von PD-L1 auch ADCC vermitteln kann (Boyerinas et al.
2015). Die Relevanz in der Tumortherapie bleibt unklar und sollte mittels weiterer klinischer Studien untersucht werden. Eine mögliche klinische Relevanz dieser Substanzeigenschaft kann sich in der Verträglichkeit widerspiegeln. Während Infusionsreaktionen unter Nivolumab in lediglich 4,7 % der Fälle auftreten (Nivolumab
2018), werden diese unter Avelumab in 25,3 % der Fälle beobachtet (Boyerinas et al.
2015). Schwere Grad-3- oder -4-infusionsbedingte Reaktionen blieben unter Nivolumab mit 0,3 % und unter Avelumab mit 0,7 % selten.
Die klinische Entwicklung von Checkpoint-Inhibitoren beinhaltet initial gewichtsadaptierte Dosierungen, die im weiteren Verlauf weiter optimiert werden und so zur Entwicklung von Einheitsdosierungen geführt hat. Nivolumab konnte in der Phase-I-Testung das außergewöhnliche Potenzial dieser neuen Substanzklasse aufzeigen. Die Testung in den Dosierungen 0,3 mg/kg KG, 1 mg/kg KG, 3 mg/kg KG und 10 mg/kg KG zeigte die außergewöhnlich gute Verträglichkeit der Substanzklasse, die in keiner Dosisstufe eine dosislimitierende Toxizität (DLT) aufzeigen konnte (Brahmer et al.
2010). Die
Pharmakodynamik (PD) zeigte eine langanhaltende Blockade von >70 % der PD-1-Moleküle auf zirkulierenden T-Zellen ≥2 Monaten nach Infusion, die unabhängig von der verwendeten Dosierung war (Brahmer et al.
2010). So konnten objektivierbare Remissionen bei Patienten mit den Dosisstufen 1, 3 und 10 mg/kg KG beobachtet werden. Entsprechend dem Mangel einer klaren Dosis-Wirksamkeits-Beziehung wurden in Folgestudien mehrere Dosierungen mit dem Ziel untersucht, die wirksamste Dosierung zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Die Folgestudie beim metastasierten
Nierenzellkarzinom untersuchte die Dosierungen 0,3 mg/kg KG, 2 mg/kg KG und 10 mg/kg KG mit dem Ziel, einen Vorteil beim progressionsfreien Überleben (PFS) zu detektieren. Interessanterweise zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen, auch wenn sich numerische Differenzen sowohl beim medianen PFS (2,7 Monate vs. 4,0 Monate vs. 4,2 Monate; P = 0,9) als auch bei der objektivierbaren Remissionsrate (ORR) ergaben (20 % vs. 22 % vs. 20 %; P = 1,0) (Motzer et al.
2015a). Interessanterweise zeigte das mediane Gesamtüberleben (OS) als sekundärer Endpunkt einen Trend zu Gunsten der höheren Dosierungen (18,2 Monate vs. 25,5 Monate vs. 24,7 Monate), die von einer Hazard-Ratio (HR) von 0,8 und 0,9 begleitet wurden. Auf der Basis von Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit wurde deshalb die Dosierung von 3 mg/kg KG alle 2 Wochen für die weitere klinische Entwicklung gewählt.
Pembrolizumab
ist ein weiterer PD-1-Inhibitor
, der als IgG4-mAb entwickelt wurde. In der Dosiseskalationsstudie wurde ein breites Dosisspektrum von 0,005–10 mg/kg KG alle 3 Wochen untersucht (Patnaik et al.
2015). Dosislimitierende Toxizitäten konnten in dieser Studie nicht beobachtet werden. Objektivierbares Tumoransprechen konnte in allen Dosisstufen gefunden werden und betrug insgesamt 16 %. Maximale Talspiegel konnten ab einer Dosierung von 1 mg/kg KG alle 3 Wochen erzielt werden. Basierend auf pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Daten wurden 2 mg/kg KG alle 3 Wochen für die weitere klinische Entwicklung empfohlen.
Atezolizumab
ist ein PD-L1-Inhibitor
, dessen frühe klinische Entwicklung die Testung des Dosisspektrums von 0,01–20 mg/kg KG beinhaltete (Herbst et al.
2014). Ab einer Dosierung von 1 mg/kg KG wurde die typische
Pharmakokinetik (PK) eines IgG1-mAb beobachtet. Die maximal tolerable Dosis (MTD) wurde auch in dieser Studie nicht erreicht. Die ORR war mit 18 % vielversprechend, und ein Tumoransprechen konnte in verschiedenen Tumorgruppen und Dosisstufen (1–20 mg/kg KG) beobachtet werden. Eine Assoziation von PD-L1-Expression und ORR konnte bei Bronchialkarzinomen hergestellt werden (P = 0,015). In einer Langzeit-Benchmark-Untersuchung beim metastasierten
Nierenzellkarzinom konnte eine ORR von 15 % und ein medianes OS von 28,9 Monaten gezeigt werden, was damit eine ähnliche Wirksamkeit wie bei Nivolumab aufzeigt und auf einen Klasseneffekt hindeutet (McDermott et al.
2016). Da mit 15 mg/kg KG alle 3 Wochen eine suffiziente Zielinhibition erreicht wird, wurde für die weitere klinische Entwicklung die Einheitsdosierung von 1200 mg alle 3 Wochen entwickelt (Herbst et al.
2014).
Die klinische Entwicklung von Avelumab
umfasste ebenfalls ein weites Dosisspektrum von 1–20 mg/kg KG (Heery et al.
2017). In dieser Studie konnte eine dosislimitierende Toxizität in der Dosierung von 20 mg/kg KG beobachtet werden, sodass keine formale MTD erreicht wurde. Die Blockade der Zielstruktur konnte in >90 % der Fälle in der Dosierung von 3 mg/kg KG und 10 mg/kg KG erzielt werden, sodass auch hier ein breites therapeutisches Fenster ohne klare Dosis-Wirkungs-Beziehung gezeigt werden konnte. Tumoransprechen konnte auch in dieser Studie in verschiedenen Dosisstufen gefunden werden. Basierend auf den pharmakologischen und klinischen Parametern wurden 10 mg/kg KG alle 2 Wochen als Dosierung für die weitere klinische Entwicklung empfohlen.
Über alle frühen klinischen Studien hinweg zeigt sich ein günstiges Verträglichkeitsprofil, das keine Identifizierung einer MTD zulässt und die Entscheidung zur empfohlenen Dosierung anhand von PK und PD charakterisiert. Unisono findet sich eine ungewöhnlich hohe Antitumoraktivität in den Phase-I-Studien, die eine weitere Entwicklung dieser neuen Therapiestrategie rechtfertigte und letztendlich über weitere klinische Studien zur Zulassung in verschiedenen Indikationen führte.
Ausblick
Aktuell in der Klinik etabliert ist Ipilimumab als einziger zugelassener Inhibitor für CTLA-4 sowie diverse Inhibitoren für die PD-1/PD-L1-Interaktion. Während sich die Indikationen mit Ausnahme der Kombination von Ipilimumab und Nivolumab beim
Melanom derzeit auf Monotherapien in der palliativen Situation beschränken, zeigen aktuelle Studien klinische Wirksamkeiten in diversen Kombinationen, unter anderem mit Chemotherapie, Antineogenese und Tyrosinkinase-Inhibitoren, sodass wir Zulassungen für Kombinationstherapien für diverse Tumorentitäten erwarten (Gandhi et al.
2018; Motzer et al.
2018). Auch erste Phase-III-Studien zum Einsatz von Checkpoint-Inhibition mit kurativer Intention, zum Beispiel adjuvant nach Resektion oder definitiver Radiochemotherapie, haben deutliche Wirksamkeit gezeigt, sodass wir den Einsatz speziell von PD-1/PD-L1-Inhibitoren in diesen Therapiekonstellationen erwarten (Antonia et al.
2017; Weber et al.
2017).
In den letzten Jahren wurden eine Reihe weiterer Checkpoint-Moleküle identifiziert bzw. als solche klassifiziert. Neben weiteren inhibitorischen Molekülen wie LAG-3, TIM-3, CD160 und CD244, die sekundäre Resistenzen gegen aktuell zugelassene Immuntherapien vermitteln können (Taube et al.
2015), wurden eine Reihe von stimulatorischen Checkpoint-Molekülen wie OX40, 4-1BB, CD27 und GITR charakterisiert, die klinisch zur selektiven Verstärkung einer tumorsspezifischen Immunantwort genutzt werden können (Baksh und Weber
2015). Inwieweit diese neuen Checkpoint-Moleküle klinisch in Zukunft eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten.