Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie der terminalen
Niereninsuffizienz umfasst die Behandlung mit Phosphatbindern
: Kalziumhaltige wie Kalziumkarbonat, Ionenaustauscher wie Sevelamer-HCL und Lanthanumkarbonat, eisenhaltige wie Eisenzitrat und Sucroferric Oxyhydroxid, mit Kalzimimetika (Cinacalcet, Etelcalcid) und
Vitamin-D3-Analoga (Calcitriol, Paricalcitriol, Alfacalcidol) (Tab.
1).
Phosphatbinder | Kalziumhaltige: Kalziumkarbonat, Kalziumacetat Aluminiumhaltige: Aluminiumhydroxid Ionenaustauscher: Sevelamer-HCl Lanthanumkarbonat Eisenhaltige : Sucroferric Oxyhydroxid, Eisenzitrat |
Kalzimimetika | Cinacalcet Etecalcid (i.v.Gabe) |
Aktive Vitamin-D3-Analoga | Nichtselektive Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren: Calcitriol Alfacalcidol Doxecalciferol Selektive Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren Paricalcitol Maxacalcitol |
Phosphatreduktion
Eine lange bestehende
Hyperphosphatämie führt zu Gefäßverkalkungen (Mathew et al.
2008) und ist das zentrale Element in der Ausbildung einer CKD-MBD und eines renalen Hyperparathyreoidismus . Die erste Maßnahme zur Phosphatreduktion ist die phosphatarme Diät. Phosphatbinder der neueren Generation wie Sevelamer-HCl und Lanthanumkarbonat haben sich in den letzten Jahren durchgesetzt. Sevelamer-HCl scheint das Letalitätsrisiko zu senken (Ruospo et al.
2018). Die neuen eisenhaltigen Phosphatbinder Eisenzitrat und Sucroferric Oxyhydroxid haben das Behandlungsspektrum der Hyperphosphatämie erweitert. Als positiver zusätzlicher Effekt fördert Eisenzitrat die intestinale Eisenaufnahme. Ob es nach jahrelanger Einnahme zu einer Eisenakkumulation führen kann, muss weiter abgeklärt werden. Sucroferric Oxyhydroxid hat eine hohe phosphatbindenden Effektivität, was zu einer geringeren Tablettenlast für den Patienten führt (Ketteler
2015). Allerdings führen eisenhaltige Phosphatbinder häufig zu gastrointestinalen Beschwerden.
Aktive Vitamin-D-Analoga
Die nichtselektiven Vitamin-D-Rezeptor-Analoga der ersten Generation (Calcitriol) und der zweiten Generation (Alfacalcidol) können zu einer
Hyperkalzämie führen. Die dritte Generation der Vitamin-D-Rezeptor-Analoga (Paricalcitriol) scheint dies nach neueren Untersuchungen jedoch auch zu tun (Zand und Kumar
2017).
Kalzimimetika
Cinacalcet ist ein Kalzimimetikum, das im Dezember 2004 eingeführt wurde und die Anzahl der Parathyreoidektomien dramatisch reduziert hat. Cinacalcet erhöht die Sensitivität des Kalziumrezeptors für Kalzium und führt so zu einem Abfall des
Parathormons um 30–40 % (Block
2004b). In einer französischen Registerstudie konnte allerdings nachgewiesen werden, dass im Langzeitvergleich Cinacalcet nicht zu einem signifikanten Abfall des Parathormons führt, verglichen mit Patienten ohne Cinacalcettherapie (Brunaud et al.
2016). Eine Multicenter-Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass die Einnahme von Cinacalcet im Vergleich zu einem Placebo weder zu einer signifikant geringeren Rate an kardiovaskulären Ereignissen noch zu einer geringeren Mortalitätsrate führt (EVOLVE et al.
2012). Außerdem leiden 30 % der behandelten Patienten unter Übelkeit. Allerdings scheint Cinacalcet einen positiven Effekt auf die renale Osteopathie zu haben (Behets et al.
2015). Etelcalcid ist ein neues Kalzimetikum, das i.v. verabreicht wird. Es führt signifikant häufiger zu
Hypokalzämien und ist in seinen sonstigen Wirkungen und Nebenwirkungen vergleichbar mit Cinacalcet (Block et al.
2017).
Nierentransplantation
Die
Nierentransplantation ist die beste Therapie des renalen Hyperparathyreoidismus. Sie führt zu einer Verbesserung der Morbidität, der Mortalität und der
Lebensqualität. Eine erfolgreiche Nierentransplantation verändert den Elektrolythaushalt, es kommt zu einer vermehrten Ausscheidung von
Phosphat und damit zu einer
Hypophosphatämie und einem Anstieg des Vitamin-D- und des Kalziumspiegels. Wenn vor der Nierentransplantation keine Parathyreoidektomie erfolgt ist, kommt es häufig zu einer
Hyperkalzämie nach Nierentransplantation.
Indikationsstellung zur operativen Therapie
In den letzten Jahren ist die Zahl der Parathyreoidektomien wieder deutlich angestiegen: medikamentöse Therapieversager, die Listung für eine
Nierentransplantation und ökonomische Aspekte sind die häufigsten Gründe für die Entscheidung zur Operation.
Die meisten Patienten lassen sich erfolgreich medikamentös behandeln. Wenn die medikamentöse Therapie ausgeschöpft ist und klinische Symptome eines Hyperparathyreoidismus, wie z. B. eine schwere renale Osteopathie (radiologisch oder histologisch gesichert), Muskelschwäche, Gefäß- oder Weichteilverkalkungen,
Kalziphylaxie oder ein medikamentös nicht therapierbarer
Pruritus vorliegen, sollte eine Parathyreoidektomie erfolgen (Lorenz et al.
2015) (Tab.
2).
Tab. 2
Operationsindikation
|
o Spontan |
o Iatrogen |
|
• Schwere renale Osteopathie (Knochenschmerzen!) |
• Gefäß- und Weichteilverkalkunga |
• Kalziphylaxiea |
|
• Therapieresistenter Pruritusa |
Beim asymptomatischen therapierefraktären Hyperparathyreoidismus wird die Indikation zur Parathyreoidektomie kontrovers diskutiert. Patienten mit hohen Kalzium-, Phosphat- und Parathormonwerten haben eine signifikant erhöhte Mortalitätsrate aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen (Block
2004b). Die prospektiv randomisierte EVOLVE-Studie aus dem Jahr 2012 hat jedoch gezeigt, dass auch der Einsatz des Kalzimimetikums Cinacalcet das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko
nicht zu senken vermag (EVOLVE et al.
2012). Eine aktuelle retrospektive Untersuchung, die die klinischen Ergebnisse nach einer Behandlung mit Cinacalcet vs. Parathyreoidektomie vergleicht, konnte zeigen, dass die Operation das Auftreten neuer kardiovaskulärer Ereignisse um 86 % reduzieren konnte (Kim et al.
2019). Eine weitere retrospektive Untersuchung besagt, dass eine Parathyreoidektomie bei Frauen mit renalem Hyperparathyreoidismus zu einem signifikant geringeren Risiko von Schenkelhalsfrakturen führt (Isaksson et al.
2017).
Die Indikation zur Parathyreoidektomie beim renalen Hyperparathyreoidismus wird in Ermangelung fehlender randomisierter prospektiver Studien zum Langzeitverlauf nach medikamentöser oder operativer Therapie überwiegend erfahrungsbasiert gestellt. Es gibt keine allgemein verbindliche Empfehlung zur Indikation: die Leitlinien der National Kidney Foundation indizieren die Operation bei einem Parathormonwert >800 pg/ml (15–65 pg/ml) (NKF
2003). Ein Parathormonwert >800 pg/ml schließt eine adyname Knochenerkrankung, bei der die Parathyreoidektomie kontraindiziert ist, weitestgehend aus. Demgegenüber empfiehlt die KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) die Operation beim therapierefraktären symptomatischen Hyperparathyreoidismus bei einem auf das 9-Fache erhöhten
Parathormon (585 pg/ml) (Kidney Disease: Improving Global Outcomes and C.K.D.M.B.D.W.G.
2009).
Die Operationsindikation beim symptomatischen therapierefraktären Hyperpara-thyreoidismus
gilt unabhängig davon, ob der Patienten Kandidat für eine
Nierentransplantation ist oder nicht. Die Entscheidung zur Parathyreoidektomie sollte bei einem
Parathormon >800 pg/ml getroffen werden, wenn die medikamentöse Therapie ausgeschöpft ist. Allerdings gilt:
Die Entscheidung zur Parathyreoidektomie sollte individuell getroffen werden, in Abhängigkeit der klinischen Symptomatik, der Laborchemie, dem Risikoprofil des Patienten und der zu erwartenden
Nierentransplantation. Dabei muss auch die erhöhte perioperative Morbidität und Mortalität berücksichtigt werden (Ishani et al.
2015; AWMF
2020).
Indikation zur Parathyreoidektomie vor/nach Nierentransplantation
Alle Kandidaten für eine
Nierentransplantation bedürfen einer kritischen Überprüfung der Operationsindikation vor Nierentransplantation. Beim asymptomatischen therapierefraktären Hyperparathyreoidismus wird die Indikation zur Parathyreoidektomie vor Nierentransplantation kontrovers diskutiert und obliegt der Entscheidung des zuständigen Transplantationszentrums.
Die Häufigkeit eines persistierenden Hyperparathyreoidismus nach
Nierentransplantation wird in der Literatur mit bis zu 50 % angegeben (Wolf et al.
2016). Ob eine
Hyperkalzämie mit Kalziumwerten <3,0 mmol/l im ersten Jahr nach der Nierentransplantation akzeptiert werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt (Littbarski et al.
2018; Araujo et al.
2018; Mazzaferro et al.
2018). Bei einer Normalisierung der Kalziumwerte ist keine Parathyreoidektomie indiziert. Bei persistierend hohen Werten oder bei steigenden Werten sollte frühzeitig eine Parathyreoidektomie durchgeführt werden. Obwohl die Funktion des Nierentransplantats häufig eingeschränkt ist, sollte keine radikale Parathyreoidektomie erfolgen.
Bei einer schweren symptomatischen
Hyperkalzämie in der frühen Posttransplantationsphase soll eine frühzeitige subtotale Parathyreoidektomie durchgeführt werden, denn die Hyperkalzämie kann zu einer Schädigung des Transplantats führen (Cruzado et al.
2016).