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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 01.04.2015

Chronische Niereninsuffizienz: Dermatologische Probleme

Verfasst von: Georg Schlieper
Hautveränderungen bei Dialysepatienten können im Rahmen der Grunderkrankung oder in Form von assoziierten Erkrankungen auftreten. Dem urämischen Pruritus liegen vermutlich viele urämieassoziierte Faktoren zu Grunde. Seltene aber schwerwiegende Erkrankungen sind die kalzifizierende urämische Arteriolopathie (Kalziphylaxie) und die nephrogene systemische Fibrose.

Urämischer Pruritus

Pathophysiologie

Viele urämieassoziierte Faktoren tragen vermutlich zur Entstehung des urämischen Pruritus bei. Hierzu zählen Parathormon, Elektrolyte (Kalzium, Phosphat und Magnesium), aber auch Histamin und Serotonin sowie einer trockenen Haut wird eine Rolle in der Pathogenese zugeschrieben. Zudem gibt es die Hypothesen, dass Opioidrezeptoren bzw. eine systemische Inflammation an der Pathogenese beteiligt sind.

Klinik

Urämischer Pruritus ist ein häufiges Symptom bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Die Prävalenz beträgt zwischen 22 % und 48 %. Die klinische Symptomatik des Juckreizes ist oft verbunden mit gestörter Tag-/Nachtrhythmik, Schlafproblemen, Depression, Angststörung und verminderter Lebensqualität. Hautläsionen können dabei oft durch unkontrollierbares Kratzen entstehen.

Therapie

Vor Therapiebeginn sollten andere Erkrankungen, die mit Pruritus einhergehen können, ausgeschlossen werden (z. B. Urtikaria, Psoriasis, Leber- oder endokrine Erkrankungen) (Markova et al. 2012). Zunächst sollte die Dialyseeffizienz unter Verwendung biokompatibler Membranen sowie der Ernährungsstatus und der Kalzium-Phosphat-Haushalt optimiert werden. Zudem sollten eine Patientenschulung zur Durchbrechung des Juck-Kratz-Zyklus und eine effiziente Hautpflege durchgeführt und die Gabe von Antihistaminika überlegt werden. Bei weiterhin bestehendem Pruritus können Capsaicin Creme, UVB-Bestrahlung, Aktivkohle oder langkettige essentielle Fettsäuren zur Anwendung kommen (Tab. 1). Die weiteren in Tab. 1 aufgelisteten Optionen sollten als Reservemedikation eingesetzt werden, insbesondere da keine langfristigen (Sicherheits-)Daten vorliegen.
Tab. 1
Therapieoptionen bei urämischem Pruritus (teilweise sind Effekte nur in kleinen Studien gezeigt worden, zudem sind Langzeitnebenwirkungen teilweise nur unzureichend bekannt)
Optimierung der Dialysetherapie
Verbesserung der Dialyseeffizienz und des Ernährungsstatus
Biokompatible Hämodialysemembran
Niedriges Kalzium-/Magnesiumdialysat
Hautpflegemittel
Ohne Parfüm- und andere Zusätze
Ölbäder mit Polydocanol
Antihistaminika
Mit geringer Wirkung
Phototherapie
Ultraviolettstrahlung (UVB)
Hydroxytryptaminantagonist
Ondansetron (mit Wirkung in einer kleinen aber ohne signifikante Wirkung in der Folgestudie)
Opioidrezeptoragonisten/-antagonisten
Nalfuradin (mit nachgewiesener Wirkung in 2 Studien; von EMEA noch nicht zugelassen)
Naltrexon (mit Wirkung in einer kleinen aber ohne signifikante Wirkung in der Folgestudie)
Reduzierte Dosis bei engem therapeutischen Fenster
Thalidomid (Cave: teratogen)
Langkettige Fettsäuren
Oral: Nachtkerzenöl mit Linolensäure
Alternativ: Fischöl, Olivenöl, Distelöl
Capsaicin
0,025 % lokal
Aktivkohle
6 g pro Tag
Patientenschulung
Durchbrechung des Juck-Kratz-Zyklus
Kalte Kleidung
Lokaler Druck

Kalzifizierende urämische Arteriolopathie (Kalziphylaxie)

Pathophysiologie

Die kalzifizierende urämische Arteriolopathie (=Kalziphylaxie) stellt eine Sonderform der Gefäßkalzifikation dar. Die Kalziphylaxie tritt gehäuft aber nicht ausschließlich bei Dialysepatienten auf, zu den Risikofaktoren zählen neben Erkrankungen und Serumfaktoren verschiedene Medikamente (Tab. 2), die oft mit einer Störung im Mineralmetabolismus einhergeht. Histologisch ist die Kalziphylaxie durch Verkalkung der Media von kleinen Arterien und Arteriolen, Hypertrophie der Intima, endovaskuläre Fibrose und Thrombosen im subkutanen Fettgewebe gekennzeichnet.
Tab. 2
Risikofaktoren für die kalzifizierende urämische Arteriolopathie (=Kalziphylaxie)
Kaukasische Ethnizität
Weibliches Geschlecht
Chronische Nierenerkrankung
Diabetes mellitus
Lebererkrankungen
Maligne Erkrankungen
Hyperparathyreodismus
Erhöhte alkalische Phosphatase im Serum
Hypoalbuminämie
Erhöhtes Serumaluminium
Dialysejahre
Aktive Vitamin-D-Medikation
Kalziumhaltige Phosphatbinder
Vitamin-K-Antagonisten
Steroide

Epidemiologie

Die Inzidenz der kalzifizierenden urämischen Arteriolopathie beträgt 1–4 % bei Dialysepatienten. Kaukasier und Frauen sind häufiger betroffen (Tab. 2).

Klinik

Die Hautveränderungen imponieren zunächst entweder als Livedo reticularis oder als violette, schmerzhafte plaqueähnliche subkutane Knötchen, die zu ischämischen bzw. nekrotischen Ulzerationen fortschreiten können (Abb. 1).

Diagnostik

Die Diagnose wird klinisch bei typischen Ulzerationen und vorliegender Risikokonstellation gestellt, die Indikation zur Durchführung einer Biopsie wird zurückhaltend gesehen, da an der Entnahmestelle eine neue Läsion entstehen kann. Differenzialdiagnostisch sind insbesondere eine Vaskulitis und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit in Betracht zu ziehen.

Therapie

Die Therapie beinhaltet ein multimodales Therapiekonzept mit Optimierung des Kalzium-Phosphat-Haushalts (s. auch Kap. Chronische Nierenschäden: Störungen im Mineral- und Knochenstoffwechsel), intensivierter Dialyse, Ausschalten von Risikofaktoren, antibiotische Therapie bei Infekten sowie supportive Therapie mit Wundbehandlung (Tab. 3) (Schlieper 2009). Für Natriumthiosulfat und die hyperbare Sauerstofftherapie gibt es Fallberichte mit positiven Effekten.
Tab. 3
Behandlungsoptionen der kalzifizierenden urämischen Arteriolopathie (Kalziphylaxie)
Intensivierte Dialysebehandlung
Wechsel von Peritoneal- zu Hämodialyse
Gebrauch von niedriger Kalziumkonzentration im Dialysat
Vermeidung von aktivem Vitamin D und externer Kalziumzufuhr
Einsatz kalziumfreier Phosphatbinder
Bisphosphonate (nicht bei Verdacht auf adyname Knochenerkrankung)
Parathyreodektomie bei Hyperparathyreodismus
Cinacalcet bei Hyperparathyreodismus
Beendigung einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon etc.)
Evtl. Gabe von Vitamin K
Effektive Behandlung von Infektionen
Evtl. Gabe von Fetuin-A via Frischplasmen oder Plasmaaustausch
Natriumthiosulfat
Vermeidung von lokalen Traumata durch atraumatische Wundbehandlung mit vorsichtigem Debridement von nekrotischem Gewebe und unter Vermeidung von subkutanen Injektionen
Hyperbare Sauerstofftherapie
Schmerzmedikation
Evtl. intravenöse Gabe von Heparin

Verlauf und Prognose

Die kalzifizierende urämische Arteriolopathie geht mit einer schlechten Prognose einher (1-Jahres-Überleben 45 %).

Besondere Aspekte

Zur Verbesserung der Evidenzlage zu den Risikofaktoren und den Behandlungsmethoden sollten Patienten mit Kalziphylaxie in das deutsche Kalziphylaxiegister aufgenommen werden (www.calciphylaxie.de).

Nephrogene systemische Fibrose

Pathophysiologie

Gadoliniumhaltige Kontrastmittel sind für mehr als 95 % der berichteten Fälle verantwortlich, wobei die Mehrzahl der Fälle bei linearen nichtionischen Gadoliniumverbindungen aufgetreten sind. Bei eingeschränkter Nierenfunktion kann nichtcheliertes, d. h. freies Gadolinium akkumulieren und toxische Effekte bewirken, die zur Fibrosierung von Haut und evtl. innerer Organe führen können. Histopathologisch imponiert eine Proliferation von fibroblastenartigen Spindelzellen.

Epidemiologie

Die nephrogene systemische Fibrose ist eine seltene Erkrankung. Weltweit gibt es über 200 dokumentierte Fälle.

Klinik

Betroffene Patienten beklagen oft Juckreiz und Schmerzen. Die Hautläsionen befinden sich häufig symmetrisch an den Extremitäten und bestehen aus hautfarbenen erythematösen Papeln, die zu erythematösen bis braunen Plaques mit Peau d’Orange-Aspekt konfluieren können. Ein amöbenartiges Fortschreiten der Randbezirke wurde beschrieben. Befallene Hautareale erscheinen verdickt mit hölzerner Textur. Innerhalb kurzer Zeit (Tage bis Wochen) können Gelenkkontrakturen auftreten, die zu Immobilität führen.

Diagnostik

Der Goldstandard besteht in der histopathologischen Untersuchung befallener Hautareale. Differenzialdiagnostisch sind andere fibrotische Erkrankungen wie Skleromyxödem, Sklerodermie oder eosinophile Fasziitis abzugrenzen.

Therapie

Es gibt keine etablierte konsistent effektive Therapie, so dass die Prävention vorrangig ist. Plasmaaustausch oder immunsuppressive bzw. modulierende Therapie mit z. B. Imatinib, Steroiden (lokal oder oral), Cyclosporin, Interferon, Photopherese oder PUVA wurden beschrieben. Bei Kontrakturen wird intensive Physiotherapie empfohlen.

Verlauf und Prognose

Auch wenn unmittelbare Todesfälle nicht beschrieben worden sind, ist die Immobilitätseinschränkung mit Frakturen, prolongierten Hospitalisierungen und Todesfolge assoziiert.

Besondere Aspekte

Patienten mit akutem Nierenversagen und chronischer Niereninsuffizien (GFR <30 ml/min pro 1,73 m2) sollten keine gadoliniumhaltigen Kontrastmittel erhalten. Wenn gadoliniumhaltiges Kontrastmittel medizinisch erforderlich ist, sollte die kleinstmögliche Dosis eines makrozyklischen Kontrastmittels gegeben werden.
Literatur
Markova A, Lester J, Wang J, Robinson-Bostom L (2012) Diagnosis of common dermopathies in dialysis patients: a review and update. Semin Dial 25(4):408–418. doi:10.1111/j.1525-139X.2012.01109.xCrossRefPubMed
Schlieper G, Brandenburg V, Ketteler M, Floege J (2009) Sodium thiosulfate in the treatment of calcific uremic arteriolopathy. Nat Rev Nephrol 5(9):539–543. doi:10.1038/nrneph.2009.99CrossRefPubMed